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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990209029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899020902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899020902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
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1» «8,80 SS,00 SS so 08,60 101,50 k. l, t! 134,SV >.! 130, 85,- 83 SO 73,- 186,75 156,— 325,— 67,50 VS,SO 120,— «3,SO 200, IIS- SO,— 25,- 255,— > 115,— 126,75 SI HS,- 115,— 186,— 170,— Llovtso- 237,S 128,— 66,60 S8,S6 120,40 47,82', 6,56 58,66 1,27»!, 112,60 383,— siesaö. 276,SV 128,75 247,25 > 647,— 60,60 o 237,— ssll 87'!, 3"/,. 2S1, 8^ 36»,. 8S>« 129'!« 66', 81'. ! 88'» ! i>°„ llsr w»ti 580,— 895,- so 3612 25,SO '2^ «ede 8c > «visUsr Uoizlisit i«a kssi xlkruer Stetix. -t 136>« e! 78>. 106,- 55.25 100,70 88,— 86,60 60,10 82.25 80,70 60,20 100,60 78,— 141.— 107,25 88,75 3^ 101,75 131,25 165,40 134,50 Die Morgen-AuSgabe erscheint «m V,7 Uhr. dir dlbeud-AuSgabr Wochentag» um b Uhr. Filialen: Ott» Klcmm'S Eortim. (Alfred Hahn). Universitätsstraße 3 (Paulinui»), Louis Lösche, katbannenssr. 14, Part. uvd KönigSplatz 7. NeLariion und Erpedttion: AohanneSgasse 8. DieErpeditiou ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Bezugs Preis k d»? 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Anzeigen sind stets an die Srveditis» zu richten. Druck und Verlag von E. Pol; in Leipzig 73. Donnerstag den 9. Februar 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. Februar. Die erste Lesung der Vanlgesetznovrllc ist gestern im Reichstage noch nicht zum Abschlüsse gekommen, aber die gestrige Debatte hat erkennen lassen, daß an den Grundlagen der Organisation der Reichsbank nicht gerüttelt werden wird und daß sich etwaige Aenderungen der Vorlage nur auf Nebenbestimmungen erstrecken werden. Die Frage der Ver staatlichung wurde gestern nur noch im verneinenden Sinne erörtert und kann, da sich der Redner des CentrumS mit derselben Entschiedenheit dagegen aussprach, wie vorgestern der nationalliberale Abgeordnete Büsing und gestern der Redner der Freisinnigen Vereinigung vr. Siemens, für jetzt als abgethan gellen. Auch die Socialdemokraten steckten in diesem Falle aus Haß gegen die Agrarier, gegen die der Abgeordnete Dr. S ch ö n l a n k die übliche Rede hielt, ihr VerstaatlichungSprincip in die Tasche. Ein dabei eingeflochtener hämischer Angriff gegen die Central- genossenschaflScasse, deren Wirksamkeit den Unzufriedenheits agitatoren begreiflicher Weise ein Dorn im Auge ist, ver anlaßte den Abg. Hciligenstadt, die Thätihkeit dieses In stituts eingehend zu beleuchten. Als wesentlicher Differenz- pnnct, auf den sich voraussichtlich die Verhandlungen der einzusetzenden Commission in der Hauptsache beziehen werden, stellte sich der 8 5> ter Vorlage heraus, der den Privat notenbanken die Entziehung der Befugniß zur Ausgabe von Banknoten für den Fall androht, daß sie unter denk Satze der Reichsbank diScontiren. Gegen diesen „ZwangöviScont" erhob sich ein süddeutsch-particularistischcr Widerspruch, in dem sich der württembergische Demokrat Payer mit seinem conservativ-agrarischen LandSmanne Schrempf zusammenfand und den auch der CentrumSredner im Namen des „föderativen PrincipS" unterstützte. Der ReichSbankpräsivent vr. Koch legte diesem Einspruch gegen über die Nolhwendigkeit einer einheitlichen Discontpolitik dar und betonte, daß es nicht in der Absicht der Vorlage liege, die Privatnotenbanken sofort zu beseitigen, daß vielmehr der Artikel 5 dazu beitragen werde, ihnen das Dasein länger zu fristen, als cS sonst möglich sein würde. Daß man in der nächsten Sitzung am Freitag keine ausgedehnte Debatte über die Vorlage mehr erwartet, geht daraus hervor, daß außer ihr noch die Interpellation über unsere Handelsbezieh ungen zu den Vereinigten Staaten auf die Tages ordnung gesetzt wurde. Die Militärvorlagt, deren erste Berathung die Budget commission des Reichstags gestern begann, wird, wie sich auS dem interessanten Verlause dieser Sitzung schließen läßt, so bald noch nicht an daS Plenum zurückkehren. DaS Cent rum wünschte nämlich eine eingehende Generaldebatte; diese aber war nur dann möglich, wenn die bei dieser Ge legenheit von der Regierung zu erwartenden Eröffnungen ikrer Bedeutung und den alten Gepflogenheiten gemäß so weit als nöthig vertraulich behandelt wurden. Die Frei sinnigen und die Socialdemokraten aber hatten sich offenbar aus die Taktik geeinigt, dem Centrum die Behandlung der Militärvorlage diesmal mit allen Mitteln zu erschweren. So erklärte sich mit dem Abgeordneten Richter auch der Abg. Bebel gegen die eventuelle Geheimhaltung, zu der in diesem Falle derAbg. v.Liebcr sich bereit erklärt hatte. Da die Socialdemokraten schließlich sogar drohten, den Sitzungssaal zu verlassen, so wurde auf den Rath des KriegSministers von Goßler gleich in die Specialberathung eingetrcten. Es kam aber auch nur zu zwei Referaten, die der national liberale Abgeordnete Bassermann erstattete, über die Neu organisation der Feldartillerie und über die neuen Commando- behörden. Diese Referate enthielten das bisher publicirte aber verstreute Material, insbesondere die entsprechenden Zahlen der anderen Mächte in einer solchen Vollständigkeit, daß der Abg. Richter den Antrag stellte, die Referate drucken zu lassen und erst auf Grund der Drucklegung die Berathung fortzusetzen. So vertagte sich denn die Commission auf Freitag, nicht ohne daß CentrumSmitglieder durch ihre Aeußerungen zu erkennen gegeben hatten, daß sie die Absichten der äußersten Linken verstanden. Im preußischen Abgeordnetenbanse wird, wie die „Nat.-Lib. Corr." heute mittheilt, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die Regierung von national liberaler Seite veranlaßt werden, sich über die aus Braunschweig gegen die prentzischc Visenbahnpolittk erhobenen Beschwerden zu äußern. Das Parteiorgan begründet diese Absicht folgendermaßen: „Wie aus dem Gebiete der auswärtigen Politik, so hat auch in der Pflege der Beziehungen der Bundesstaaten unter einander die Bismarck'sche Politik Traditionen geschossen, die nickt verlassen werden können, ohne daß der Reichsgedanke zu Schaden kommt und die Autorität der Vormacht Preußen im Reiche Abbruch erleidet. Je straffer die Reichsgewalt die Zügel anzog und eine selbstlose Initiative von Bundesregierungen und Volksvertretungen rück sichtslos verlangte, wenn es galt, politischen centrifugalen Strö mungen entgegenzutreten, desto mehr wurde auch dafür gesorgt, ohne Rücksicht auf Größe und Leistungsfähigkeit des Einzelnen für die Gesammtheit, Laß das natürliche wirthschastliche Ueber- gewicht des größten Staates für da» Wohlbehagen der andern sich nutzbar machte. — Wir haben in Wahrung dieser Tra ditionen noch unlängst mit aller Schärfe die klerikalen Ver suche bekämpft, in die Mauerfugen des Rcichsgebäudes Brech stangen einzusetzeu nnd durch künstliche Schaffung und Ver schärfung von Gegensätzen zwischen den Bundesstaaten Preußen ins Hintertreffen zu bringen. Diese Abwehr aber wird aufs Aeußerste erschwert, wenn so bewegliche Klage», wie sie aus Braunschweig gegen die preußische Eisenbahnpolitik kommen, kurzer Hand unter den Tisch fallen sollten. Wie wir den Berichten der Braunschweiger Landesversammlung über die Sitzung vom 3. Februar entnehmen, handelt es sich darum. Laß nach der Darlegung des Braunschwei gischen Eisenbahncommissariais Preußen sich geweigert hat, die Zustimmung zur Wetterführung der Kleinbahn Duingen-Delligsen zu geben, weil die preußische Eisenbahnverwaltung auf den Stand- punct stehe, keine Concurrenz für die Staatsbahn dort eintreten zu lassen. Die weitere Klage, die hieran ansetzte, geht dahin, daß die preußische Eisenbahnverwaltung sämmtliche ZugangSbabne» inS Land in Besitz genommen, aber nun kein Interesse an dem Ausbau der Seitenlinie habe; die dritte Klage, daß die preußische Eisenbahnverwaltuug die Anschlüsse der Privatbahnen an die Staats« bahn vertheuere. Die osficiöse Erklärung, die bisher daraus erfolgt ist, geht lediglich dahin, daß die braunschweigischen Bahnen vom Staate schon an Privatgesellschaften jo thcuer verlaust worden seien, daß diese nur drei Procent herauswirlhschasteten, und daß dann Preußen einen Kaufpreis bei der Uebernahme I dieser Bahnen angelegt habe, der dem Werth derselben gleich komme. Diese Antwort auf die Beschwerde auS Braunschweig ist völlig unzulänglich, wenn auch zur Verstärkung dieser Gegengrllnde — waS auch in der braunschweigischen Kammer betont wurde — angeführt werden könnte, daß in Preußen daS Privatcapital zwar auch für Kleinbahnen bean sprucht wird, aber der Staat die lucrativen Strecken nach Möglich keit sich vorbchält. — In der braunschweigischen Kammer ist dann beklagt worden, daß solche Beschwerden auf die eigene Kraft, die Abwehr des Schwächeren gegen den Stärkeren an gewiesen seien, zumal auf eine Vertretung dieser Klagen im preußischen Abgeordnetenhause nicht gehofft werde. Wir sind dieser Ansicht nicht. In Rücksicht auf die Eigenart der braun schweigischen Verhältnisse müssen diese Beschwerden auch als ein integrirender Bcstandtheil einer preußisch-deutschen Staatspolitik angesehen werden, auch darum, weil es Beschwerden gerade erprobt nationalgesinnter Braunschweiger sind." Wir begrüßen die Absicht der preußischen National liberalen mit Freuden, erwarten aber, daß der betreffende Redner die Regierung in Kenntniß setzt, bei welcher Gelegen heit er sein Vorhaben auszusühren gedenkt. Vom Fürsten Hohenlohe wird man voraussetzen dürfen, daß er dann im Abgeordnetenhause nicht fehlen werde. Das Ansehen Tcutschlands in Samoa ist durch das unparteiische Verhalten seiner dortigen Beamten be deutend gestiegen, obgleich die Londoner Missions gesellschaft und die ganze englische Partei, die den Sohn Malietoa's, den 17 jährigen Tanu, als KönigScandidat unter stützten, aufs Eifrigste bemüht sind, Deutschland eigennützige Interessen unter zu schieben. AuS den jetzt nicht mehr so spärlich einlausenden Meldungen geht dies mehr oder weniger deutlich hervor. Der dem Köniz Malaafa vom Oberlichter in letzter Minute beigegebene Rechtsbeistand, ein Deutscher NamenS von Bülow, verstand es Dank seiner ausgezeich neten Kenntniß der samoanischen Sprache und Sitten, daS volle Vertrauen der Mataafa-Partei zu gewinnen. Ihm gegenüber hielten denn auch die Mataafa-Leute ihre Meinung nicht zurück. Sie seien sich wohl bewußt, daß sie über eine erdrückende Ma jorität an Kriegern allen anderen Parteien gegenüber verfügten und Liese unter allen Umständen ausnützen würden, wenn man ihre Wahl nicht anerkennen würde. Die fremden Kriegsschiffe könnten wohl die Küstenorte zerstören, aber auf einen Buschkrieg würden es die Mannschaften derselben wohl nicht ankommen lassen, die sichere Vernichtung derselben stände ja außer Frage. Die Samoaner hätten eS endlich satt, wie unmündige Kinder behandelt zu werden, und wenn Deutschland auf daS alleinige Protectorat der Fischerinseln dringen würde, könnte es der thatkrästigen Unterstützung von */, der Bevölkerung sicher sein. Einem anderen Protectorate würden sie sich nicht unter werfen und wenn sie dabei zu Grunde gehen sollten. Daß Deutschland trotz aller Verdächtigungen durch andere Parteien Las Wohl Eamoas und die Erhaltung der beiderseitigen Handelsinteressen im Auge habe, sei ihnen Allen klar, aber auch die Angehörigen Deutschlands auf Samoa müßten event. darunter ! leiden, wenn das Jntriguenspiel nicht bald aushöre. Rebellion herrsche schon jetzt, dieselbe könne sich aber sehr leicht nicht nur gegen die bestehende Regierungsmißwirthschast der Weißen, sondern gegen letztere in Gesammtheit richten und mit einem Kampf endigen, in welchem die Samoaner rücksichtslos ihre Existenzberechtigung ver« folgen würden. Die Volkswuth würde dann schwerlich Zeit haben. Unterschiede in den Nationen machen zu können. Und wenn jetzt Tanu von den Schutzmächten mit Gewalt ais König eingesetzt würde, so könnten die fremden Kriegsschiffe ihren Schützling, bei Eintritt der Sturmzeit auf den samoanischen Gewässern, getrost mit nach Ausstralien nehmen, denn während ihrer Abwesenheit würde seinem Scheinkönigreich ein klägliches Ende bereitet. Ferner sei die jetzige Haltung der christlichen Mächte sehr dazu geeignet, in den Samoanern, die zum großen Theile allerdings schon Christen sind, wenn auch meist nur dem Namen nach, nach haltige Bedenken zu erwecken, ob diese Religion, die die Nächstenliebe bedingt, von ihren Uranhängern (den Weißen) auf Samoa aber mit Füßen getreten wird, ob diese Religion für sie die rechte sei. Die Zeit der Bekehrung läge noch nicht sehr weit zurück und die Rückkehr zu den alten Göttern würde leicht »inen Umfang annehmen können, der alle bisherige Missionsarbeit zertümmern würde . . . In den nächsten Tagen dürsten übrigens von dem in Samoa vor Anker liegenden deutschen Kriegsschiff „Falke" eingehende Berichte einlaufen; die Ankündigung derselben er folgte schon im Januar. In der englischen Thronrede, die bis jetzt nur in einem ziemlich inhaltleeren telegraphischen Auszuge vorliegt, ist die Bemerkung von besonderem Interesse, daß England zwar nickt allen auf der internationalen Anarchistenconferenz beschlossenen Resolutionen beistimmen könne, daß aber dock einige Aenderungen der englischen Gesetze auf diesem Gebiete erforderlich seien! Welcher Art dieselben sind, sagt die Thron rede nicht, sie werden aber demnächst dem Parlament unter breitet werden. Daß sie nicht sehr einschneidender Natur sind und vor Allem das Asylrecht nicht tangiren, muß man leider von vornherein annehmen. In der Adreßdebatle wurde dieser Gegenstand nicht einmal mehr gestreift, ein Beweis, daß man ihn in England als eine sjuautit^ nSgli- giSdle betrachtet. Wiederholt kam dagegen die Rede aus die geplante andere internationale Conferenz, welche den Rüstungen der Völker ein Ziel setzen soll. Was Lord Salisbury darüber sagte, war sehr offen und wird in Petersburg schwerlich als Ermuthigung auf gefaßt werden. Der Premierminister sprach von einem „merkwürdigen Vorschlag", einem „idealen Traum" des Zaren und gab zu versieben, er halte es nicht einmal für völlig sicher, daß der Meinungsaustausch dem schiedsrichterlichen Princip zu Gute kommen und eine humanere Gesetzgebung zum Zweck der Milderung der Kriegsschrecken fordern werde. Wie Salisbury weiter mittheilte, denkt speciell England nicht im Entferntesten daran, sich auf die Rücksichtnahme und Friedensliebe Anderer zu verlassen, und der Minister erklärte, besonderen Werth darauf zu legen, daß hierüber kein Zweifel bestehen bleibe. DaS ist sehr deutlich. Tie Erwähnung der Abrüstungsconferenz führte Salisbury auf die inter nationale Lage und er commentirte die übliche Phrase der Thronrede von den „besten Beziehnngen zu allen Mächten" dahin, daß die Lage zwar nicht mehr so gefahrdrohend sei, wie während der Parlamentsferien, daß 200,— 324,2k 85,— 164,— 302,7S 304,— 141,80 136.50 186,80 225,— 170,— 180,7ö 182,75 142,- 211,50 80,30 135,40 117,80 356.50 438,- 277.75 147,20 175.50 321.50 151.50 128.75 223,80 2 t 5.85 213,40 SIS.— 85,25 »08,75 181. 240.60 88,60 112 22350 185,50 >8080 180.75 >15.60 >2410 82, >0 52,10 k>xt. u> --1>, i»r Nur» »»»irt. Feiirlletsn. Gräfin Marie. Ls Roman von Woldemar Urban. . Nachdruck verbot«». Als sie ihrer Mutter das Geld brachte, bemerkte sie, daß diese ihre freudige Aufregung kaum noch unterdrücken konnte. „Js jut", sagte sie merkwürdig aufgeräumt und fast schmunzelnd, „ist jut, Mariechen. Weest Du, 's is nur für die ersten Auslagen. Der Deibel weeß, was da Allens kommt. Na, det schad't ja nischt. Nu ist ja dat Allens anders, och bei Dich, Marie. Na ja, thu' man nich so, als ob Du det »ich och sähest. Wir sin doch unter uns. 'Ne junge hübsche Wittwe mit 'en ordentlichen Batzen Geld ist och nich von Pappe. Det wirst de nu schon bald merken, wenn se anschwirren. Nu' kannst Du wählen. Na ja doch, für's Erste ist das nu' noch so so. Aber det verjeht, un nach en Jahr, denn wirst de schon selber sehen, wie das is in de Welt. Na ja, thu' doch man nich so gefährlich. Todt ist todt. Nu wirst de schon merken, wie recht ick damals hatte, als ick Dir sagte: Greif zu, Marie, so 'n« Partie find'st de nich alle Tage, greif zu! Wie lange kann das dauern mit das alte Männeken? zGreif zu! Siehste, Marie, und Du hast zujejriffen. Höre nur auf Deine alte Mutter, die die Welt aus dem ff kennt, und d« wirst immer gut fahren. Die Hauptsache ist doch immer Na ja, et is ja jut, na Weene man nich so und hab' Dich nich so. Alte Leut« sterben, dat is nu' 'mal so in der Welt. Nu kommst Du 'ran. Aber — verlaß Dich uf mir, Mariechen! Wenn's so weit is, komm' nur zu mich — wenn se 'ranschwirren." „Bitte, Mutter, laß mich allein. Ich bin müde", seufzte die junge Frau Justizräthin auf. „Js gut, Mariechen. Ich gehe ja schon. Ick muß och noch zu Willem und dieAndern. Sc denken amEnde sonst, ick mache es aus Malice, daß ick nischt zu se jesagt habe. So bin ick nu nich. Adjes, Mariechen. Leben und leben lassen ist m«ine Religion.« Se könnens Alle brauchen, wenn De mal in d« Tasche Na ja ick jehe ja schon, det mit die Weenerei wird schon wieser anders. Wenn das Mannsvolk nur erst mal den Braten merkt Na ja, ick sehe. Ick habe ja och alle Hände voll zu thun — ick — na ja, Adjes, Mariechen." Dann saß die junge schöne Frau wieder allein und starrte nachdenklich in den dämmernden Morgen. Hatte sie Alles ver ¬ standen, Alles begriffen, was ihre Mutter gesagt? Eigentlich hätte sie entrüstet sein müssen, von solchen Sachen sprechen zu hören, während ihr Mann noch nicht kalt war. Aber das war sie nicht. Hatte nicht auch ver Justizrath schon von der jungen reichen und schönenWittwe gesprochen, nach der sich habgierigeHände aus strecken würden? Da hatte sie sich auch nicht entrüstet, und jetzt war ihre Stimmung mehr ein naives Staunen. So war also die Welt? fragte sie sich. Ungescheut sprach man zu ihr von Dingen, die sie wenigstens unter den jetzigen Umständen nicht einmal zu denken wagte. Ungenirt setzte man bei ihr Selbstlosigkeit, Un- dank, ungeheuerliche Herzlosigkeit voraus. Warum? Weil sie jung, schön, reich und unabhängig war . Man hätte also für natürlich gehalten, wenn sie das Alles war? Ihr Mann war schon seit Jahr und Tag kränklich gewesen, und wenn sic sich mit ihm in der Oeffentlichkeit gezeigt hatte, im Theater, in Gesellschaft oder auf Bällen, wohin sie ihr Mann sehr gern führte, um ihr auch nach Möglichkeit Zerstreuung unv Vergnügen zu verschaffen, so waren ihr gewisse Blicke aufgefallen, mit denen sie, die junge blühende Frau und ihr Mann, der hin fällige kränklich« Greis von jungen Männern bedacht worden waren. Schließlich war sie doch auch eine Frau und hatte als solche für dergleichen eine feine Empfindlichkeit. Ihre üppige Gestalt und gewisse herausfordernde Vortheilc, die auf junge Männer einen animirenden Eindruck machen mußten, waren ihr wohl bewußt, aber durfte man denn darauf hin ohne Weiteres voraussehen, sie sei eine schlechte, unehrliche Frau, die ihren Mann betrügt, oder doch dazu fähig sei? Wie oft hatte sie bei solchen Blicken die Augen erröthend und verlegen senken müssen, aber entrüstet war sie. darüber nie, sondern nur erstaunt, ver wundert. Sie war sozusagen eine gutartige Natur, die den Eindrücken der Welt aber sehr passiv, sehr hilflos preisgegebcn war. Sie hat ihren Mann geliebt, vielleicht nicht wie sonst eine Frau ihren Mann liebt, sondern nur weil er sie liebte, für sie sorgte, sie beschützte, fast verhätschelte. Ihre Ehe war trotz des Miß verhältnisses der Jahre eine glückliche gewesen. Nun wgr das Alles vorbei und sie stand mit ihrer hilflosen, naiven, reizenden Person einer Welt gegenüber, von der sie nichts wußte, über die sie nur immer staunte. Niemand von all' ihren Angehörigen ver stand sie, Niemand konnte ihr also rathen, helfen. Was sollte sie thun? Oder vielmehr: Was würde die Welt aus ihr machen? II. Gräfin Mathilde Billingen. die Schwester des Justizraths Wasmuth, saß in ihrer verhältnißmäßig sehr eleganten Wohnung in der Thiergartenstraße mit einer Häkelarbeit am Fenster., Sie war in tiefer Trauer. Auch ihre, mit einer Aquarell-Malerei beschäftigte Tochter Constanze, eine sehr vornehme Dame von fast zwanzig Jahren, trug Trauer — um ihren Onkel. Mutter unv Tochter hatten aber offenbar ihre Gesunken weniger bei der Arbeit als bei einer anderen Sache, die damit in keinem Zu sammenhänge stand. Die Züge der Gräfin Mathilde besonders verriethen eine aufmerksame, lauschende Spannung, die sie nach dem geringsten Geräusch auf dem Corridor hören ließ, als ob sie Jemand erwarte. „Wohin ist Papa gegangen?" fragte Comtesse Constanze. „Nach dem Amtsgericht", antwortete die Mutter kurz. Die junge Dame sah überrascht auf. Ein« weitere Frage schwebte auf ihren Lippen. Vielleicht wollte sie wissen, was ihr Papa, der Beamter im Ministerium war, auf dem Amtsgericht zu thun habe. Aber sie unterdrückte diese Frage, als ob sie sie nicht für passend hielte und malte weiter. Gräfin Mathilde hatte das Vermögen ihres verstorbenen Bruders von jeher überschätzt trotz dessen Gegenvorstellungen. Sie wußte, daß er früher mehrere Male vortheilhafte Häuser-An- und Verkäufe abgeschlossen und daran namhafte Summen ver- vient hatte. Seine Thätigkeit als Rechtsanwalt hatte4ihm eine Menge Gelegenheiten zu solchen Geschäften gebracht und er hatte davon Gebrauch gemacht. Aber, was seine Schwester nicht wußte, war, daß dabei auch manchmal ein Ausfall wieder ausgewetzt werden mußte. Gräfin Mathilde schätzte ihren Bruder auf min destens Viermalhunderttausend Mark bis eine halbe Million. Sie machte sich demgemäß auf zweihunderttausend Mark gefaßt, um so mehr, als sie das Gelv sehr wohl hätte brauchen können. Con stanze kam immer mehr in das Alter, wo man an eine anständige Mitgift denken mußte, wenn sie eine gute Partie machen sollte, denn ohne das war nicht daran zu denken. Der jungen Comtesse lief die Schönheit nicht nach, und eine arme Adelige ist noch immer der Schrecken aller Freier. Außerdem hatte Gräfin Mathilde noch zwei Söhne, die allerdings jetzt noch das Gym nasium besuchten, aber in absehbarer Zeit, wenn sie studiren sollten, doch auch mehr Geld haben mußten. Auf das Gehalt ihres Mannes war natürlich bei solchen Ausgaben nicht zu rechnen. Du lieber Gott, das reichte ja nicht einmal zur Be streitung der allernöthigsten Jahresausgaben, sodaß sie bisher schon immer jedes Jahr von dem ihrigen drauflegen mußte. Dadurch war ihre Stellung, so glänzend und vornehm dies« auch äußerlich erschien, doch nichts weniger als behaglich. Im Gegen- theil wurde sie von Jahr zu Jahr immer prekärer, immer — nervöser. Und dann schließlich, Geld kann man immer und zu vielerlei brauchen, wenn man es erhalten kann. Gräfin Mathilde wußte also wohl, weshalb sie schon s«it Jahre» auf diese Erbschaft rechnete und rechnen mußte. „Ist es wahr, Mama", fragte Conuefsi Constanze nach einer Weile wieder, „daß sich die — Verwandle» der Frau Justizräthin Wasmuth beim Begräbniß unter einander geprügelt haben?" „Ich weiß es nicht", antwortete ihre Mutter veftig und ab weisend, „was gehen uns denn diesp Leute an?" „Nichts, ums Himmelswillen, natürlich nichts. Ich glaubt- nur so oberflächlich davon sprechen gehört zu haben. Das muß ja eine fürchterliche Bande sein. Natürlich lauter SociaCemo- kratcn!" „Aber, ich bitte Dich, Constanze! Wie kommst Du auf solche Sachen?" fragte die Mutter erstaunt. Constanze erwiderte nichts. Ihre politischen Begriffe waren natürlich nicht weit her, und unter dem Wort Socialdemokrat stellte sie sich nach den Aeußerungen, die sie in den Cirkeln ihres Papa und in den ihren gehört, Leute mit großen zerknitterten Schlapphüten, schmutzigen Händen uns zottigen Bärten vor, die nie arbeiten wollten und immer krakehlten. Schließlich war es ihr auch gleichgiltig, wer und was die Leute waren, und sie pinselre ruhig an ihrer „Eichengruppe am Teich" weiter. Plötzlich hielt sie inne, und auch ihre Mama spitzte unwill kürlich die Ohren. Draußen auf dem Corridor ertönte die Klingel. Die Unruhe ließ Gräfin Mathilde nicht mehr auf ihrem Sitz. Erregt stand sie auf unv schritt nach der Thür zu, sie nach dem Corridor führte. Unterdessen war draußen geöffnet worden, und man hörte auf dem Läufer den dumpfen Schritt eines stetig ausschreitenven Mannes. „Papa! Das ist Papa's Tritt", rief Comtesse Constanze lebhaft. Ihre Mutter blieb stehen, wohl in der Erwartung, ihren Mann bei sich eintreten zu sehen. Das geschah aber nicht. Graf Herbert ging am Zimmer seiner Frau rasch vorüber, den Corridor ent lang, und seine Gemahlin hörte, wie er gleich darauf in sein Arbeitszimmer eintrat, dessen Thür er hinter sich laut krackend zuschlug. Einen Augenblick blieb Gräfin Mathilde wie angewurzelt sttzhen. Sie war wie vor Schreck gelähmt und ihre Kehle so trocken, daß sie nicht einen Ton hervorbringen konnte. So sehr sie sich mit der Hoffnung auf diese Erbschaft geschmeichelt, so fühlte sie doch sofort in diesem Augenblick, daß sie für sie »nd ihre Kinder verloren war. Ihr Herz sagte ,s ihr, sie hatte sich um ihren Bruder nie besonders gekümmert. Sie, die Gräfin Billingen, die hoffähig war und in den höchsten Kreisen verkehrte, hatte geglaubt, ihren Bruder daS fühlen lassen zu dürfen, und ihr Bruder hatte In seiner dünkelhaft stolzen Bürgerlichkeit die ge«
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