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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990221025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-21
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Amtsblatt des Äänigkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rattjes «nd Nolizei-Nmtes -er Ltadt Leipzig. AnzeigenPreis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsslrich (4 ge spalten) vor den Familiennachrichten (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Nz;tra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Itnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz kn Leipzig. 95. Dienstag den 21. Februar 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Februar. In der gestrigen Sitzung des Reichstag-, in der die Iustizgrsetznovelle, die den Voreid durch den Nach eid ersetzen und die Bestrafung falscher unbeeidigter Aussagen einsiihren will, nach einer ver Vorlage im Wesentlichen günstigen Debatte an eine Commission verwiesen wurde, fühlte sich der socialdemokratische Abgeordnete vr. Herz seid veranlaßt, seine Ausführungen mit Angriffen auf den Richt er stand zu Würzen, dessen Einseitigkeit und Unbekanntschaft mit den Zielen und Gefühlen der Nicht besitzenden die Erkenntniß des ThatbestandcS und Fällung eine- objektiven UrtheilS erschwere, wenn nicht unmöglich mache. ES wurde ihm deshalb allerdings ein Ord nungsruf vom PrLsidentenstuhle aus und eine Zurecht weisung von Seiten eines konservativen Redners zu Theil, aber eS fiel leider keinem der nichtsocialdemokratischen Abgeordneten ei», den Ankläger deS deutschen Richterstandes darauf aufmerksam zu machen, wie häufig bei gericht lichen Berhanvlungen die Erkenntniß des Thatbestandes und die Fällung eines richtigen UrtheilS erschwert wird durch den zweifelhaften Werth socialhemokrattscher Eidesleistungen. Und doch wird gerade jetzt dieser Werth durch den zur Zeit in Gent schwebenden „Vooruit"-Proceß in^eine ungemein lehrreiche Beleuchtung gerückt. Ein ehemaliges Directions- mitglied diese- Cooperationö-UnternehmenS der belgischen Ge noffen, NamenS Benoni van Huffel, bat die Gesammtver- waltung deS „Vooruit" verklagt und u. A. die gerichtliche Vor legung der feit 1889 gezogenen Bilanzen verlangt. DaS Genter Handelsgericht erkannte die Berechtigung der klägerischen Forderung an und gab der beklagten Partei die Vorlegung der geschäftlichen Nachweisungen auf. Hiergegen erbob Letztere Widerspruch unter dem Einwande, die zur Aufstellung der Bilanzen von 1889 bis 1893 benöthigten Geschäftsbücher wären bei einer Feuersbrunst, von welcher die „Vooruit"- Magaziue im Jahre 1897 heimgesucht wurden, verbrannt. Diesen Einwand machten dieselben VerwaltungSratbsmit- gliever geltend, welche seinerzeit in der wegen des erwähnten Brandes eingeleiteten gerichtlichen Untersuchung erklärt hatten, es sei kein einziges Geschäftsbuch durch den Brand vernichtet worden, da kein einziges derselben in dem Raume, wo der Brand gehaust hatte, ausbewahrt wurde. Dieselben Angaben wurden damals auch in dem Blatte „Vooruit" veröffentlicht. Am vorvergangenen Sonnabend nun war Termin angesetzt, wo die beklagten VerwaltungSrathsmitglieder deS „Vooruit", die Herren Anseele, van Gyseghem und Pankoek, die zugeschobenen Eide leisten sollten. Alle drei beschworen, daß die Geschäftsbücher verbrannt seien. In einer alsbald nach dieser Eidesleistung seiner Gegner veröffentlichten Broschüre: ^ttagus et äskeuse contre le „Vooruit," beleuchtet der Kläger die Eidestaktik der beklagten Partei des Näheren und erinnert u. A. auch an den Commentar, mit dem Herr Anseele s. Z. den von ihm geleisteten Eid auf die Verfassung begleitete. Er sagte damals wörtlich: „Ich habe den Eid geschworen, aber ohne Glauben. Wollen Sie mich unter Anrufung Gottes zur Eidesleistung veranlassen, so thue ich es, ohne der Sache den geringsten Werth beizulegen. Ich kann darin nur eine Formalität erblicken. Mein Ziel ist einzig und allein: meiner Partei möglichst schnell, durch alle Mittel, über alle ihre Feinds zum Siege zu verhelfen." Wie Brüsseler Blätter melden, wird die Angelegenheit bei dem Eide der „Vooruit"-Interessentcn nicht sein Bewenden behalten. Jedenfalls hätte sie gestern vortreffliche- Material zu einer Antwort auf die socialdemokratische Verdächtigung des deutschen Richterstandes geliefert. Der gestern an dieser Stelle besprochene, von der con- servativen Fraktion des preußischen Abgeordneten bauses gestellte Antrag, die preußische Regierung möge ihren Einfluß dahin geltend machen, daß der EinführuogStermin deS Bürgerliche» Gesetzbuches hinauSgeschoben werve, hat besonders in Süddeutschland Befremden und Mißstimmung erregt. Wenn der BundeSrath auf solche Wünsche einginge, meint z. B. die Münchener „Allgem. Ztg.", so würden sich alle möglichen particularen und kleinen Wünsche in den Vordergrund drängen. Um so erfreulicher ist eS, daß die „Nat.-Lib. Corr." beute melden kann, die preußische Staats regierung stehe bezüglich des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches auf demselben Standpuncte, den Iustizminister Schönstedt am 16. d. als seinen persönlichen bezeichnete: daß es bei dem reichsgesetzlich festgesetzten Termine vom 1. Januar 1900 bleiben müsse. Um so dringlicher aber wird in den meisten Einzelstaaten die Lösung der Frage, auf welche Weise denjenigen Richtern, die nicht mehr die Frische und Elasticität besitzen, in vas Bürgerliche Gesetzbuch und die mit ihm zugleich in Kraft tretenden Iustizgesetze sich ein zuarbeiten, den Uebergang in den Ruhestand zu erleichtern sei. Im preußischen Abgeordnetenhaus« wurde die Lösung dieser Frage schon bei der ersten Lesung dieser Iustizgesetze von uationalliberaler und conservativer Seite als dringlich be zeichnet, und dir Antwort, die der Iustizminister gab, ließ wenigstens hoffen, daß diese auch im Interesse des Ansehens deS Richterstandes gegebene Anregung bei der Staats regierung ein offenes Ohr und eine offene Hand finden werde. Iustizminister Schönstedt sagte damals nach Ausweis deS amtlichen Stenogramms wörtlich: „DaS Einzige wäre, was möglicher Weise geschehen könnte, daß denjenigen alten Richtern, die in sich nicht mehr die Kraft suhlen, den großen, bedeutenden Aufgaben zu genügen, die nunmehr an sie gestellt werden, während sie vielleicht rebus sie stantibus noch eine Reihe von Jahren hätten mitgehen können, vorübergehend noch hr volles Gehalt belassen werden könnte auf einige Jahre um ihnen so die Entschließung, zurückzutreten, die ihnen mit Rücksicht auf ihre Familie vielfach recht schwer werden mag, zu erleichtern. Auch diese Frage ist eine solche, daß ich heute nicht in der Lage bin, dazu Stel lung zu nehmen. Ich gebe Ihnen noch weiter zu, daß Labei nicht nur die Interessen der älteren Richter in Frage kommen, lsondern auch die Interessen der Recht suchenden Bevölkerung, welcher der Staat doch solche Richter zur Bersügung stellen muß, die in der Lage sind, die neuen Gesetze richtig zu verstehen und anzuwenden. Wo das nicht der Fall ist, können ganz erhebliche Schädigungen der Bevölkerung entstehen. Diese Gesichtspunkte werden, wie ich glaube, auch wohl der königlichen Staatsregierung noch Anlaß geben, in eine Erwägung der Frage einzutreten, die dann aber im Wesentlichen eine Etatsfrage sein und deshalb vielleicht am besten bei der Berathung des Etats ihre eingehende Erörterung finden würde." Heute wird nun zum Iustizetat von der nationalliberalen Fraktion nachstehende Resolution eingebracht werden: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die kgl. Staats regierung auszufordern, noch in dieser Tagung einen Gesetz entwurf vorzulegen, durch welchen den activen Richter« aus Anlaß des Inkrafttreten- des Bürgerlichen Gesetzbuchs, seiner Neben- gesetzt und der AussührungSgesetze der Uebertritt in den Ruhestand, etwa durch Fortgewährung der bisherigen Bezüge auf eine an gemessene Zeit, erleichtert wird." Nach dem Verlauf der bisherigen Beratbungen läßt sich erhoffen, was im Interesse deS Erfolges diese« Beschlusses auch dringend zu wünschen ist: daß daS HauS dieser Reso lution einmüthig zustimmt. Ein solches Vorgehen deS preußischen Abgeordnetenhauses wird dann sicherlich in den anderen Einzelstaateu, in denen eS nöthig ist, Nachahmung finden. Die Wiener „N. Fr. Pr." meldet, Koloman Szell habe den Auftrag zur Bildung deS neuen ungarischen EabinetS unter der Voraussetzung angenommen, daß es ihm gelingen werde, daS Compromiß mit der Opposition zu Stande zu bringen. Erst wenn dies geschehen sei, werde die Er nennung Szell'S zum Ministerpräsidenten auch formell voll zogen werden. Sollte das Compromiß nicht gelingen, dann werde Szell den Auftrag in die Hände deS Kaisers zurück legen, für welchen Fall ihm seine Stelle als Präsident der ungarischen Hypothekenbank offen gelassen wird. Nach den zuletzt auS Pest eingetroffenen Meldungen sei jedoch die Opposition entschlossen, die Mission Szell'S zu fördern und die Cabinetsbildung in kürzester Zeit zu ermöglichen. Wie daS Blatt weiter berichtet, wird Koloman Szell sich ohne Mittelpersonen direct mit de» Führern der Oppositionsparteien in Verbindung setzen. Man hofft, daß binnen Wochenfrist da- Compromiß abgeschlossen, das neue ungarische Ministerium ernannt und der Reichstag normal constituirt sein wird. DaS neue Cabinet werde ausschließlich der liberalen Partei ent nommen werden. Honvedmmister Frhr. v. Fejervary werde jedenfalls.in dasselbe eintreten, auch hoffe man, es werde Szell gelingen, den Finanzminister vr. v. Lukacs zum Bleiben zu bestimmen; vermuthlich werde auch der Unterrichts minister vr. v. Wlass! cs der neuen Negierung angehören. Szell selbst werde kein Reffortportefeuille übernehmen. — Das klingt alles sehr hoffnungsfreudig, aber eine Lösung der ungarischen Krise bedeutet die Berufung Szell'S nicht. Nur die Personenfrage ist gelöst. Ungelöst bleibt die Hauptfrage, wie der ungarische Reichstag künftighin mit Sicherheit arbeiten kann, wenn es einer Partei einfallen sollte, den Kampf gegen die Mehrheit von Neuem aufzunehmen und die Regierung in den „gesetzlosen Zustand" zu drängen. In Ungarn gelten die parlamentarische Mehrheit und eine von dieser gestützte Regierung als die Grundlagen des öffentlichen Lebens. Daher sind dort die Fragen, die die Sicherung des parlamentarischen Mehrheitswillens berühren, von weit größerer Bedeutung als in anderen Verfassungsstaaten, in denen die Regierung nicht das Organ einer parlamenlarijchen Mehrheit ist. Mit dem Rücktritte Baron Banffy's ist nur das persönliche Moment aus dem Kampfe der Obstructionö- parteien gegen die liberale Mehrheit deS Reichstages entfernt, die Lösung der ungarischen Krise aber hängt davon ab, ob sich die Obstructionsparteien dazu verstehen, die Mehr- heitSherrschaft als Grundlage des ungarischen Verfassung« lebens anzuerkennen, indem sie der Umgestaltung der unzulänglichen Geschäftsordnung deS Reichs tages keine Hindernisse mehr in den Weg legen. — Die E oppositionellen Blätter jubeln natürlich über die Niederlage Banffy'S. Das Organ der katholischen Volkspartei führt auS: „Banffy's Tage waren seit der Agliardiafsäre gezählt. Da katholische Volk fühlte die Deinüthigung und wartete auf die Tage der Abrechnung. Nicht die Person Agliardi's, sondern die kaiho- lische Kirche, die Bischöfe und das katholische Volk sollten mit dem Sturz des Wiener Nuntius getroffen werden. Die VolkLparlei wollte er um jeden Preis vernichten, einen wahren Vernichtung--- krieg führte er gegen den Katholicismus. Danken wir Gott, daß cr das Reich Marias beschützt hat und daß das von Banffy geplante Attentat gegen die Verfassung vereitelt wurde, daß Banffy und seine riesige Mehrheit im letzten Augenblicke vor dem Altar zurückweichen mußten. Und deshalb erneuern wir unser Programm und halten wir aufrecht: Die Revision der Kirchengesetze und di» christliche Revindication." Jetzt weiß man, woran wir übrigens nie gezweifelt haben, daß im ultra montanen Lager die Netze gesponnen worden sind, welche Banffy, den unerschrockenen Verfechter der staatlichen Autonomie gegenüber den Machtansprüchen der römischen Curie zu Falle brachten. Nach Gerüchten, die in den Wandelgängen der Kammer verbreitet .werden, aber ziemlich unbestimmt sind, würden die Grundzüge der Botschaft des Präsidenten Loubct folgende sein: Der Präsident dankt zunächst den Senatoren und Deputaten für die ihm durch seine Wahl erwiesene Ehre und erklärt, er werde sich bemühen, den Pflichten, welche das neue Amt ihm auferlege, gerecht zu werden. Dann wird der Präsident in der Botschaft seiner Achtung vor der Verfassung Ausdruck geben und versprechen, die Verfassung treu nach Sinn und Wortlaut zur Anwendung zu bringen. Ferner fordert die Botschaft zur Be ruhigung und Eintracht auf und bringt, nachdem sie vom französischen Baterlande und seiner ruhmreichen Armee ge- sprachen, die Hoffnung zum Ausdruck, daß das Land in seiner Liebe zur Armer und in seiner Achtung vor der Justiz wieder zur Eintracht und Harmonie, sowie zu einer baldigen Lösung der Frage, welche die Nation erregt, gelangen werde. Der Präsident wird in der Botschaft daran erinnern, daß er sich stets dem Studium der Arbeiter- und der socialen Fragen gewidmet habe, sowie den Fragen, welche die Industrie und die FInanzwirthschaft, sowie die Organisation der Arbeit betreffen; er wird ferner daS Parlament ausfordern, sich diesen verschiedenen Jdeenreihen anzuschließen, welche zu praktischen und fruchtbringenden Ergebnissen führen müssen. — Was die Beziehungen zum Auslande betrifft, heißt es in der Botschaft weiter, so wird Frankreich die Politik fortführen, welche den freundschaftlichen Beziehungen, die es sich zu schaffen ge- mußt hat, treu bleibt und welche durch ihre Loyalität, ihre Selbst- losigkeit und ihr Beharren auf feinen historischen Ueberlieferungen die sicherste Bürgschaft für den Frieden bieten und geeignet sein wird, dem Lande die Stellung zu erhalten, welche es in der Welt einuimmt. Wenn die Botschaft sich nicht bestimmter äußert, wird sie, sowohl vor der Armee wie vor der Justiz sich verbeugend, ziemlich dürftig und nichtssagend ausfallen. Die Hauptfrage bleibt die: wie wird sich Loubet zur Frage der Re- Gräfin Marie. 12j Roman von Woldem ar Urban. Nacht ruck vcrtotkn. „Wie geht'-, Maria?" fragte er leichthin. „Verzeih, daß ich Dich stören muß. Wenn ich Dir unbequem bin, brauchst Du es nur zu'sagen. Wir sind dann sogleich fertig. Ich wollte Dich nur bitten, die Anweisung zu unterschreiben." Damit gab er ihr bereits fix und fertig aufgesetzt «ine An weisung über zwanzigtausend Lire auf ihre Bank in die Hand. Nur ihre Unterschrift fehlte noch, um das Document rechts verbindlich zu machen. „Zwanzigtausend Lire!" rief sie erschrocken. „Bah, das klingt viel und ist nichts", antwortete er ver ächtlich. „Was sind zwanzigtausend Lire für einen Grafen di Montesanto und seine Haushaltung? Du hättest keinen Grafen heirathen sollen, wenn Du bei jeder solchen Kleinigkeit zu- sammenfähvst." Sie sah ihn zögernd an. Sie war auf den ersten Blick ent schlossen, ihre Unterschrift auf da- Energischste zu verweigern. Keinen dürren Soldo sollte er haben, um wie viel weniger zwanzigtausend Lire. Nur eine unheimliche Furcht vor ihm hielt sie noch ab, ihm ihre Absicht mitzutheilen. Sir schob das Papier langsam von sich zurück auf den Tisch und sagte: „Wie steht es denn eigentlich mit Deinen Processen — Ernesto?" Mit einer raschen Bewegung wandte er sich ihr direct zu und sah sie scharf an. Der Vorname Ernesto, den er nie mehr führte, überraschte ihn offenbar in ihrem Mund«. Daß sie ihn über haupt wußte, ließ tief blicken. Bisher hatte sie ihn nur Starace*) genannt. „Wie kommst Du jetzt darauf? Was hat das damit zu thun?" fragte er rasch und mit finster drohenden Augen. Sie nahm sich zusammen. So elend und furchtsam sie war, sie mußte ihm Stand halten, wenn sie nicht zu Grunde gehen wollte, finanziell und körperlich. „Ich komme darauf, weil ich davon gehört Hobe, daß Deine Processe schon längst entschieden seien und zwar beide Male da- *) Starace ist ein Name, der in Unteritalien häufig, und zwar sowohl al» Vorname, wie auch al» Familienname vorkommk. durch, daß Du wegen Diebstahls 'zuGefängniß verurtheilt worden bist. Andere Processe führst Du nicht, weder unter dem Namen des Grafen Starace di 'Montesanto e Boscoreale, noch unter Deinem richtigen Nomen Ernesto Starace aus Montesanto in Umbrien." Sie sprach eintönig und matt, als ob ihr das Sprechen große Mühe mache, aber gleichwohl machte Wort für Wort auf Staroce einen verblüffenden Eindruck. Zunächst war er vollständig baff und wußte offenbar nicht, was er sagen und denken sollte. Dann aber nahmen seine Augen einen giftigen, schillerndewAAusdruck an, sein Mund verzog sich häßlich, und schließlich lachte er laut und gezwungen auf. „Wer hat Dir denn diesen Uttsinn erzählt?" fragte er lachend. „Das thut nichts zur Sache " „Doch, mein Schah, das thut sehr viel zur Sache. Ich muß wissen, wer in dieser Weise über meinen Adel spricht. Es ist mir nichts Neues und auch nichts Ueberraschendes, denn die Neapolitaner lieben es, 'von ihrem Nächsten das tollste Zeug zu schwatzen und zu glauben. Aber es hat Alles seine Grenzen, und was Du da sagst, überschreitet diese Grenzen. Mein Adel ist so echt und wahr, echter und wahrer vielleicht als Hunderte von italienischen Adelstiteln. Und wenn mich Noth und Armuth vorübergehend veranlaßten, ihn abzulegen, um einen bescheidenen Namen zu tragen, so darf deshalb noch Niemand die Echtheit meines Titels in Zweifel ziehen. Also noch einmal — wer hat Dir das gesagt?" „Du und Deine Familie haben nie Güter in Ealabrien ge habt, kann also auch keine Processe darum führen", antwortete sie ausweichend. Da faßte er sie hart und rauh am Arm und schüttelt« sie so roh und heftig, daß sie vor Schmerz aufschrie. „Wer Dir daS gesagt hat, will ich wissen!" schrie er ihr inS Ohr. Er hatte in seiner Erregung, in seiner maßlosen Wuth keinerlei Rücksicht auf ihren leidenden Zustand. Das Bestialische seiner Natur zeigte sich immer klarer. Sie erschrak zum Tod! War sollte aus ihr werden, vor diesem Manne? „Du beantwortest mir meine Fragen immer nur mit neuen Fragen", schluchzte sie. „Ich werde Dir Deine Frage beant worten, wenn Du mir die meinige beantwortet host." Er ließ sie loS, heftig stoßend, in voller Wuth, so daß sie im Sessel zusammenfiel wie halbtodt. Dann ging er wie über legend und nachdenklich einige Male im Zimmer auf und ab. Er schien es zu bereuen, so heftig geworden, oder doch durch ihre Zwischenreden in der Hauptsache irre gemacht worden zu sein. Schließlich waren da» doch Aller Lappalien im Vergleich zuDem, was er vor hatte. Die Hauptsache für den Augenblick lag dort auf dem Tisch. „Unterschreib!" rief er plötzlich wieder kurz und befehlerisch. „Das Uebrige wird sich Alles finden. Ganz Neapel kennt mich als den Grafen Starace di Montesanto. Da sind Zeugen genug, daß ich es bin. Ich habe aber nicht nöthig, auf alle neidischen Verleumdungen einzugehen." „Wozu brauchst Du eine so große Summe?" fragte sie wieder. „Große Summe!" spöttelte er. „Du thust immer, als ob es sich um ein Vermögen handle. Diese . . ." „Es handelt sich üm einen Theil meines Vermögens. Ich will also wissen, wozu diese Summe dient." „Es sind alte Verbindlichkeiten, die ich lösen muß, sagen wir alte Schulden. Ich sollte meinen, es wäre nicht der Mühe werth, so viel über die Sache zu reden. Die Summe ist für den Commendatore Cesarini bestimmt." Gräfin Marie wußte genug. Es war der Kuppelpelz, den sich Cesarini bei ihrer Verheirathung verdient hatte. „Das ist der Eine", antwortete sie, „und wieviel hat der Ad- vocat Ziselli zu bekommen?" Starace stand gerade vor ihr, als sie das sagte. Gering schätzig, verächtlich, wie eine Sache, die man mit dem Fuße stößt, sah er sie an. Seine Geduld war erschöpft. „Du scheinst Dir einzubilden, daß ich hier bin, um mir Redensarten von Dir machen zu lassen", sagte er scharf und mit einem widerlichen, höhnischen Lachen. „Ich werde Dich sofort darüber belehren, wie wir mit einander stehen. Damit Du Dir für die Zukunft keinerlei Illusionen mehr machst. Willst Du unterschreiben? Ja oder nein!" Seine Augen funkelten vor Wuth und Aufregung. Sic konnte seinen Blick nicht einmal ertragen, vor lauter Furcht. „Nein!" sagte sie aber doch noch ziemlich tapfer. In demselben Augenblick fühlte sie einen heftigen Schlag mitten im Gesicht. „Willst Du unterschreiben oder nicht?" hörte sie seine Stimm« hart und drohend zum zweiten Male fragen. Sie war in einem Moment leichenblaß geworden. Seit ihren Kinderjahren war dies der erste Schlag gewesen, den sie empfun- den, noch dazu von dem Manne, den sie aus dem hungernden Elende hervorgezogen hatte, und der zum Dank dafür nun in bestialischer Wuth, in barbarischer Brutalität, fürchterlich drohend vor ihr stand, um sie durch — Schläge seinem Willen gefügig zu machen. — Unwillkürlich sprang sie auf, vor Scham und Zorn und Schmerz, dar Gesicht in die Hände hüllend. Zitternd kroch sie, Schutz suchend, hinter denTisch. Sofort sprang er hinter ihr her, packte sie wie ein Wilder im Nacken und rief zum dritten Male: „Willst Du unterschreiben oder nicht? Ja oder nein!" Sie sah ihn furchtsam an. Er zitterte vor Wuth. Seine Lippen zuckten aufgeregt. Wenn sie Nein sagen würde, so wären neue Prügel die unmittelbarste Folge; davon war sic sofort überzeugt. „Du denkst vielleicht, die Leute in Neapel sind so dumm wie Ihr", fuhr er höhnisch fort, „wir lassen nicht mit uns spielen. Du gehst nicht aus diesem Zimmer, ehe Du unterschrieben hast, so wahr ich ein Mann bin." — Sie war vollständig gebrochen, vollständig in seiner Gewalt. Ihr Widerstand war ganz nutzlos. Gewiß, in diesem Moment hätte sie ein Verbrechen an ihm begangen, wenn sie die Kraft ge habt. So aber antwortete sie zitternd und bittend: „Laß mich los. Ich unterschreibe." Er schob ihr das Blatt wieder zu. Sie nahm die Feder und unterschrieb. Dabei sah er ihr aufmerksam zu. Sie zitterte wohl ein wenig, aber die Buchstaben waren doch ihre Buchstaben, der Namenszug der ihre. „Maria, Gräfin de Montesanti e Boscoreale." schrieb sie. Einen Augenblick starke sie auf das Blatt. Wie höllischer Hohn schien ihr jeder Buchstabe entgegen zu grinsen. Das also war das Ziel ihrer heißesten Wünsche, der Traum ihrer Eitelkeit, ihres Ehrgeizes. Sie war „Gräfin Moria" um den Preis ihrer Gesundheit, ihrer Freiheit, ihres Vermögens — überhaupt ihres Lebens. Denn das Vegetiren, was ihr blieb, war kein Leben mehr. Die Fata Morgana, die sich an ihrem Gesichtshorizont glänzend, strahlend, verheißend gezeigt, hatte sich in den heißen trockenen Wüstensand verwandelt, in dem sie verschmachtend unterging. Er riß ihr das Blatt ungeduldig aus den Fingern, trocknete die Unterschrift mit einem Löschblatt ob und faltete dann die An Weisung sorgfältig zusammen. Dabei sah er sie noch immer aufmerksam prüfend an, wie sie zitternd, elend, in sich zusammen gesunken und unregelmäßig keuchend dasaß, als ob er noch irgend etwas erwartet hätte. Dachte er vielleicht an Das, was ihm der Arzt „versprochen" hatte, als Folge übergroßer Aufregung? Sie blieb ober ruhig, vollständig apathisch sitzen. „Lieber Schah, ich hoffe", fuhr er dann noch immer mit höhnischer, schneidender Schärfe fort, „daß Du nach diesem Auf tritt reckt bald einsehen wirst, was eine neapolitanische Ehe ist. Sollt« eS aber nicht der Fall sein, so wird e» Deine Schuld sein,
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