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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.02.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990224020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899022402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899022402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-02
- Tag1899-02-24
- Monat1899-02
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Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. ' Filialen: vtt« Klemm s So.tim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum). Louis Lösche, Aatharinenstr. 14, Part, und KSnigsplatz 7. Abend-Ausgabe. KiWgcr TagMalt Anzeiger. Ämtsötatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd M-lizei-Amtes der Stadt Leipzig. AnzeigenPret- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamer, unter dem RedactionSstrich (4gs- spalten) 50^, vor den Familiennachrichte« (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichn!«. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage« (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderuug ^4 60.—, mit Postbeförderuug 70.—. IXnnahmeschlnß für Anzeigen: Ab end.Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Gxpedtttan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. lvl. Freitag den 24. Februar 1899. 93. Jahrgang. Paris am Tage der Beisetzung. —p Die Feier der Beisetzung des Präsidenten Faure selbst ist würdig und ohne Störung verlaufen. Es waren Demonstrationen große» Stils schon während des Zugs und auf dem Friedhöfe befürchtet worden, aber die energischen Vorkehrungsmaßregeln, zu welchen die Polizei durch die Regierung besondere Anweisung erhalten hatte, ließen den Agenten des Generalstabs und den antisemitischen Führern einen Versuch, Verwirrung anzustiften, doch allzu aussichtslos und gefährlich erscheinen. Besonderen Eindruck machte der Umstand, daß der neue Präsident der Republik den Vor schriften des CeremonicllS zum Trotz muthig im Trauer gefolge seines Vorgängers schritt und zwar nicht nur von der Notre Dame-Kirche, sondern schon vom Elysöe-Palaste auS. Achtungsvoll begrüßte ihn die Menge und brach wiederholt in den Ruf „Hoch Loubet!" auS. So ruhig aber der Trauerzng verlausen war, so tumultuös ging eS nach Schluß desselben in den Straßen von Paris her. Bis gegen Mitternacht waren die Boulevards dicht mit Menschen gefüllt pnd Demonstration folgte auf Demonstration, Schlägerei auf Schlägerei. Es kanien zahl reiche Verwundungen, zum Theil nicht unerheblicher Natur vor, hie und da wurden die Fenster eiugeworfen nnd die Zahl der Verhafteten mehrte sich von Stunde zu Stunde. Von ernster Bedeutung indessen waren diese Kundgebungen, die natürlich in der Hauptsache von der Patriotenliga in Scene gesetzt wurden, nicht; auch sie wurden von dem auf gebotenen Militär in gewissen Schranken gehalten. Nur eins konnte Bedenken erregen: das Eindringen der Deputirten Döroulöde und Hadert, der Haupt führer der Liga, in die Ca ferne Reuilly, wo sie offenbar den Versuch machen wollten, den Stab deS Regiments zu einer Kundgebung zu veranlassen und die Truppen aufzuwiegeln. Von den uns über das Intermezzo zugegangenen Nach richten tbcilen wir an dieser Stelle das Folgende mit: * Paris, 24. Februar. Zur Verhaftung Dörouläde's melden einzelne Blätter: Töronlöde, der an der Spitze von 150 Anhängern marschirte, fiel dem Pferde des Generals Roget in die Zügel und rief: „Nicht hierher, General! Nach dem Elysse!" General Roget riß das Pferd bei Seite und rief: „Platz! PlatzI" und commandirte die Truppen nach der Caserne. Därouläde blieb jedoch hartnäckig an des Generals Seite und «rang inmitten der Soldaten in die Caserne «in. Roget, der DSroulede als Aufruhrer betrachtete, befahl dessen Verhaftung (?) Nach einer anderen Bersiou hätte Därouläde dem General Roget zugerusen: „General, ich hosse, daß Sie gegen das Elysäe marschiren. Frankreich ist mit Ihnen. Ma» muß das unglückliche Land befreien. Die Patrioten, tiga ist mit Jhnenl Es lebe die Republik!" Habert und andere Mitglieder der Liga riesen den Soldaten zu: „Rettet uns vor der Anarchie, vor den Dreyfusisten". Die Soldaten blieben durchaus ruhig. — Mehrere Blätter glauben, Döronlede habe thatsächlich die Idee gehabt, sich mit Hilfe Rogot's zum Diktator aufzuwerfen. Es heißt, Roget sei Nachts zweimal auf der Präfectur mit Döroulöde confrontirt worden. Er erklärte, die Beschuldigten hätten ihn ver anlassen wollen, mit den Truppen nach dem Elysäe zu ziehen. — Dem „Gaulois" zufolge befürchten Deroulöde's Freunde, daß er vor den Senat als Staatsgerichtshof gestellt werden könne. Der Polizeicommissar hat demselben Blatte zufolge ein Interview abgelehnt mit dem Bemerken, dieSache seizuernst. Die Blätter verweisen aus die von Roget gespielte Rolle in der Revisionsassäre und bemerken, sein Verhalten zeige, wie unbegründet die von den Radikalen ausgestreuten Gerüchte von einem Complot und Staats- streich seien. — Einzelne Blätter besprechen bereits die möglichen Strafen. Tbeils wird angenommen, es handle sich um einen Versuch, die Soldaten zur Pflichtverletzung zu verleiten, worauf 1—5 jährige Gefängnißstrafe folgt, theils wird geglaubt, es sei ein Anschlag gegen die Sicherheit des Staates, der mit lebenslänglicher Deportation geahndet wird. Welche Beachtung die Regierung diesem Vorfall beilegte, er sieht man daraus, daß Ministerpräsident Dupuy, der sich zum Abendessen im Ministerium des Aeußeren befand, sich sofort, als ihm die Nachricht gebracht wurde, in das Ministerium des Innern zurückbegab und die Verhaftung der beiden Depu tirten veranlaßte, die sich ziemlich lange in der Caserne aus gehalten zu haben schienen. Bon den Prätendenten war auch gestern nichts zu hören und zu sehen. General Napoleon Bonaparte hat den Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November 1799), durch welchen daS Directorium beseitigt und daS Consulat eingesetzt wurde, mit Hilfe von Bajonnetten ausgeführt und Prinz Louis Napoleon die Kaiser-Proclamirung vom 2. December 1852 durch eine Straßenschlacht vorbereitet, die genau ein Jahr früher stattfand und in welcher Kartätschen- und Mnsketenfeuer die Entscheidung brachten. Der jetzige orleanistische Prätendent, der Duc Philippe, ist den friedfertigen Traditionen seines Hauses treu geblieben, er verabscheut jedes Blutvergießen, was gewiß sehr lobenswert!) ist, und will die Restauration des KönigthumS mit einer „Medaillen-Manifestation" vorbereilen. Diese Art der Staatsstreiche ist billig und sehr ungefährlich, wenn auch nicht so unfehlbar wie jene, die sich unter dem Donner der Geschütze und dem Geknatter der Flinten vollzieht. Bei vem Leichenbegängnisse Faure'S sollten die Anhänger deS „Iko^" mit Medaillen erscheinen, die daS Bildniß deS Prätendenten tragen. Bisher wurden von der Pariser Polizei 10 000 solche Medaillen confiscirt. Wenn dies alle Medaillen sind, die der Prinz prägen ließ, so be weist dieö, daß auch er ein sparsamer Familienvater ist wie sein Urgroßvater Louis Philippe. Die geringe Zahl der Medaillen beweist aber auch, daß der Prätendent nur auf wenige Anhänger zählt, und dies erklärt vielleicht seine Abneigung dagegen, daß fremde Leute ihr Blut für ihn vergießen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 24. Februar. Die gestrige Sitzung deS Reichstages war geradezu ein Scandal, und zwar auS mehr als einem Grunde. Nachdem vorgestern der „Löbtauer Fall" oder vielmehr der Unfug, den die socialdemokratische Presse mit dem Urtheile des Dresdener Schwurgerichts getrieben hatte, von dem Abg. v. Stumm in einer den parlamentarischen Führern der „Genossen" reckt peinlichen Weise zur Sprache gebracht worden war, konnte man mit Sicherheit voraussehen, daß gestern die socialdemokratische Fraktion ihre redegewandtesten Mitglieder verschicken würde, um die Scharte auSznwetzen und mit allen Mitteln der Verhetzung gegen das Dresdener Urtbeil, den Ausschluß der Oeffentlichkeit und die nachträgliche Darstellung im „DreSdn. Iourn." zu Felde zu ziehen. Diese Aussicht hätte denn doch die Mitglieder der bürgerlichen Parteien, die schon vorgestern die Folgen der Beschluß unfähigkeit deS Hause« zu tragen gehabt hatten, veranlassen sollen, gestern in beschlußfähiger Zahl zu erscheinen, um der socialdemokratischen Redewulh eine Schranke setzen zu können. Aber wieder war die Zahl der „Parlamentsfaulen" so groß, daß daS HauS beschlußunfähig war und deshalb beinahe fünf Stunden lang socialdemokratische Hetzreden über sich ergehen lassen mußte. Das ist kaum minder skandalös, als eS die Reden waren, die den gewiß der principiellen Feindschaft gegen die Socialdemokratie nicht verdächtigten zweiten Vicepräsidenten Schmidt nicht nur zu wieder holten Ordnungsrufen, sondern sogar dazu nöthigten, mit dem Ausschluß aus dem Sitzungssaale zu drohen. Um daS Scandalöse des maßlosen Hetzens gegen eine au« guten Gründen nicht in voller Oeffentlichkeit geführte Gerichts verhandlung recht einzusehen, braucht man sich nur daran zu erinnern, daß die socialdemokratische Parteileitung sich das Recht anmaßt, auch ohne die Angabe von Gründen gegen widerspenstige „Genossen" trakonische Urtheile zu fällen, und gar kein Hehl daraus macht, daß sie im Zukunftsstaate in gleicher Weise auch gegen Nichtgenossen verfahren würde. ES ist also selbstverständlich, daß die Herren „Genossen" gegen die Rechtspflege deS bestehenden Staates nicht deshalb eifern, um nachzuweisen, wie ein etwa vor gekommener Fehler künftig zu vermeiden wäre, sondern nur, um durch Schürung der Unzufriedenheit und des Classenhasses die „Katastrophe" zu beschleunigen, die den „Genossen" Gelegenheit bietet, in ihrer Weise „Recht" zu finden und zu sprechen. Um so mehr aber wäre eS Pflicht der bürgerlichen Parteien, dafür zu sorgen, daß solchen Hetzereien durch ein beschluß fähiges HauS ein Damm entgegengesetzt werden kann. Förderlich war die gestrige Debatte nur insofern, als sie schließlich zur Bewilligung deS EtatStitels „Gehalt deS Staatssekretärs" führte und dem Staatssekretär Nieber- ding Gelegenheit gab, eine vielleicht mißverstandene, viel leicht in der Erregung deS Augenblicks nicht genau genug formulirte Auslassung des sächsischen GeneralstaatSanwaitS Or. Rüger über daS Recht deS Reichstags, gerichtliche Urtheile zu kritisiren, auf da« rechte Maß zurückzusühren. Nach dem Berichte der „Köln. Ztg." hatte Herr vr. Rüger vorgestern gesagt: „Ein rechtskräftiges Urtheil kann keinen Gegenstand der Besprechung für dieses Haus bilden. Wohin soll das führen? An den einen Fall knüpft sich der andere. Wie ist es denkbar, daß diese- HanS die thatsächliche und die rechtliche Lage dieser Fälle brurtheilen kann? Aber noch bedeutender ist ein anderer Gesichtspunkt. Derartige kritische Besprechungen richte» licher Urtheile erschüttern das Vertrauen in die Gerechtigkeit. (Sehr richtigI rechts. Lebhafte Zurufe von den Socialdemokraten: Da giebt es nichts mehr zu erschüttern.) Ich glaube, wir Alle, die wir an dem Wohle unseres Vaterlandes ein Interesse haben, sollten daran festhaltcn, eine der festesten Stützen der Staatsordnung nicht ohne Noth zu untergraben. (Lebhafter Beifall rechts, Lachen bei den Socialdemokraten.) Der Glaube an die Unparteilichkeit der Gerichte darf nicht erschüttert werden, darin sollten wir Alle einig jein, sonst kommen wir zu einer vollständigen Entgleisung des Parlamentarismus. Wollen wir die parlamentarische Körperschaft gegen den Richterstand ausspielen, dann bewegen wir uns auf Bahnen, wo wir nach Beispielen nicht weit zu suchen brauchen." Gestern kam der Cenlrumsabgeordnete Roeren auf diese Auslassung zurück und führte nach dem Berichte desselben Blattes aus: „Die gestrige Debatte har wohl einem Jeden von uns gezeigt, daß wir uns bei einer Besprechung richterlicher Erkennt- nisse in der Weise, wie es anläßlich des Löbtauer Falls geschah, aus einer abschüssigen Bahn befinden. Dagegen wider- spreche ich dem Grundsatz, den der sächsische Bevollmächtigte procla- mirte, daß richterliche Erkenntnisse sich der Besprechung deS Reichs tags überhaupt entzögen. Wir haben zwar nicht das Recht und die Macht, eine Aufhebung oder Abänderung eines Erkenntnisses herbei- zusühren oder auch nur eine Wiederholung zu verhindern, aber der Reichstag Hot das Recht und die Pflicht, auf den Geist und die Absicht des Gesetzes hinzuweisen. Soweit ein richterliches Erkenntnis; einen Wider spruch mit einem Reichsgeseyc zeigt, ist eine Kritik durchaus berechtigt, so in dem Falle wegen Verbots der Vertheilung von Wahldruckschristen. Anders in dein Löbtauer Fall. Man glaubte sich fast in einer erneuerten Schwurgerichtsverhandiung zu befinden, mit Richtern und Geschworenen nicht nur, sondern auch Zeugen und Geschwo- reuen. Sonst hieß es, es ist ein Urtheil unmöglich ohne mündliche Verhandlung; hier sollen wir ein Urtheil fällen auf Grund des subjektiv gefärbten Materials ans den Zeitungen oder des uns vom Gericht 'einseitig zngetragenen Materials. Ich gebe zu, daß das Strafmaß ein exorbitantes ist, auch, daß in Volkskreisen vielfach die Ansicht verbreitet ist, daß aus das Strafmaß auch die Zuge- Hörigkeit der Angetlagten zur socialdemvkratischen Partei eingewirkt, daß die ganze Partei in Dresden vor Gericht gestanden habe. Tas läßt sich hier nicht entscheiden, nnd alles Hin- nnd Herreden ist hier müßig und schädlich." Dieser Auffassung schloß sich Staatssekretär Ni eb erd in z an, indem er erklärte: „WaS die Beurtheiluug gesetzlicher Bestimmung,» nach Sinn und Tragweite in ihrer Anwendung aus einen be- stimmten Rechtsfall an langt, so stehe ich ungefähr aus dem Stand punkte des Abg. Roeren. Freilich was hier im Reichstag gc- sprachen wird, kann auf den Richter nicht bestimmend sein. Ter Richter urthcilt unabhängig von Reichstag und Regierung, aber eine Besprechung im Reichstag kann nützlich sein im Interesse der Fortbildung der Gesetzgebung und deS Rechtes. Ich glaube auch nicht, daß mein sächsischer Herr College eine andere Auffassung hat äußern wollen; aber die Art und Weise, wir man hier versucht hat, Urtheile von Gerichten zu brurtheilen und zu verurtheilen, muß ich auf- Entschiedenste zuriickweisen. (Beifall.) Eine derartige Ver- Handlung ist für jeden Mann, der an der Objektivität in Rechts- fachen sesthalten will, unerträglich. (Beifall.) Ich verwahre im Namen der verbündeten Regierungen — ich erkläre es ausdrücklich — die Justiz dagegen, daß sie in dieser Weise vor das Forum des Reichstags gezogen wird." Da Herr vr. Rüger dem nicht widersprach, so ist anzu nehmen, daß er sich in Uebereinstimmung mit dem Staats sekretär wußte. DaS Organ der französischen Regierung, der „TempS", sucht Deutschland bei dem russischen Kaiser anzuschwärzen, indem er Klage darüber erhebt, daß Deutsch land angesichts der nahe bevorstehenden FriedenSconferenz Gräfin Marie. 15j Roman von Wold em ar Urban. Nachdruck verböte». Hastig raffte sie in aller Eile alle möglichen Gegenstände zu sammen, von denen sie glaubte, sie zu brauchen, lief in den Zimmern hin und her wie ein Wiesel und rief Concetta. „Haben Sie Ihren Wagen noch draußen, Herr Doctor?" „Ja, Madame." Concetta kam. „Hier, mein Kind, trage das in den Wagen, der draußen steht. Und das und die Kleider dort. Wir müssen noch einen anderen Wagen haben." .Aber — —" warf Doctor Zander ein. „Lasten Sie mich nur machen, Herr Doctor. Das verstehe ich besser. Alle Werthsachen nehme ich mit. Meine Garderobe bringst Du nach, Concetta. Hörst Du mein Kind? Es wird Dein Schaden nicht sein, wenn Du mir treu bleibst. Deine Mutter war gestern hier. Du weißt, ich habe ihr fünf Lire ge schenkt, damit sie Deinem Bruder eine neue Hose kaufen kann. Du sollst fünfhundert Lire haben, wenn Alles gut geht. Vor wärts, Herr Doctor, kommen Sie." Das war ein wahrer Wirbelsturm, der sie erfaßt zu haben schien. Die Worte flogen ihr nur so heraus, und die Gegen- stände, die sie hin- und herwarf, fielen durcheinander, so daß Concetta Mühe hatte, sie wieder zusammenzufaflen. Doctor Zander war starr. Die Frau mußte sich unter solchen Umständen aufreiben. Die Sucht nach Freiheit und die Angst, noch in letzter Minute von ihrem Gatten überrascht zu werden, drohten sie um ihren Verstand zu bringen. Innerhalb weniger Minuten hatte sie die Wohnung um und um gestürzt und Concetta angewiesen, Alles, was sie ihr bezeich nete, nach dem internationalen Hospital zu bringen. Sie selbst nahm Packen und Bündel, und ehe er sich dessen versah, stand Dsttor Zander mit ihr draußen vor dem Wagen. Das schien nicht nur eine Flucht zu sein, das war eine, und zwar unter seiner verantwortlichen Redaktion. Sollte er wieder mit der Polizei zusammengerathen und Unannehmlichkeiten haben? Er war fremd und hilflos in der Stadt, und unter Umständen konnte man ihm doch eine böse Suppe einbrocken. Dieser Graf schien ihm der beste Bruder auch nicht zu sein. „Kommen Sie, kommen Sie, Doctor! Was hatten Sie mir noch zu sagen? Ah, frei! Frei wie der Vogel in der Luft." Sie athmete tief auf, als wenn sie soeben aus dem Gefängniß entflohen wäre, warf ihre Sachen in den Wagen und stieg dann selbst nach. Was wollte Zander machen? Ein gewisser Galgenhumor überkam ihn, ein alter Burschen-Uebermuth, mit dem er sich sagte, daß er nöthigen Falles im Verein mA Morz mit dem neapolitanischen Gelichter schon fertig werden würde. So stieg er denn zu ihr in den Wagen und rief dem Kutscher zu, wohin er fahren sollte. Es war schon dunkel, als der Wagen den Posillipo hinabfuhr. In einer aufwallenden Dankbarkeit nahm Gräfin Maria rasch die Hände des jungen Arztes und drückte sie mit aller Kraft. Er hatte den Eindruck, daß sie wohl auch noch mehr gethan haben würde, wenn sic ihr weiblicher Jnstinct nicht zurückgehalten hätte. „Mein einziger Freund", murmelte sie leise, „wie dankbar ich Ihnen bin!" Dabei sah sie doch aber vorsichtig bei jeder Laterne aus dem Wagen. Fortwährend hatte sic Angst, daß sie ihrem Manne noch in letzter Minute begegnen könnten. „Wie lange werden Sie in Neapel bleiben, Herr Doctor?" fragte sie nach einer Pause. „Etwa zwei Tage." Sie war aufs Aeußerste erschrocken. „Zwei Tage! Oh, Sie sollen zwei Wochen und noch länger hier bleiben." „Unmöglich!" „So wahr ich eine Frau bin. Zwei Wochen, und wenn Sie nicht folgen, zwei Monate." „Warum nicht gar!" „Wir werden schon sehen", sagte sie mit eigenthümlichem, siegesgewisiem Lächeln. „Wenn Sie in zwei Tagen wieder ab reisen, werde ich auf keinen Fall gesund. So viel ist sicher!" Gleich darauf langten sie vor dem Hospital an. Mit kurzen Worten verständigte Doctor Zander seinen College» Welten von dem Vorfälle. Der Gräfin Marie wurde ein Zimmer angewiesen, wo sie sich sofort zur Ruhe begeben mußte. Eine halbe Stunde später langte Concetta mit der Garderobe ihrer Herrin, die sie in zwei großen Körben auf einen Eselskarren geladen hatte, an. Auch sie blieb auf besonderen Wunsch der Gräfin, die angab, sich ohne ihre Dienerin nicht behelfen zn können, in Wirklichkeit wollte sie aber wöhl Concetta nicht nach Villa Monrepos zurückkehren jassen, um sie nicht dem Einflüsse ihres Mannes auszusetzen, und um sie später als Zeugin in der Diebstahlssache gegen ihren Mann, auf die sic große Hoffnung setzte, zur Hand zu haben. XIII. Die Freundschaft zwischen dem Grafen Starace und dem Commendatore Cesarini war seit zwei Tagen wieder sehr dick. Der Commendatore hatte in verbindlichster Weise für die Ueber- gabe der Anweisung gedankt und den Ruhm des Grafen als zuverlässigen, soliden Mann, als „uomo serio", über alle Dächer weg gepredigt. Und da man schließlich doch nicht alle Tage zwanzigtausend Lire verdient, so hatte sich der Commendatore in der Freude seines Herzens entschlossen, ein großes Pranzo zu geben, was just an dem Abend eingenommen wurde, als Gräfin Marie Villa Monrepos verließ. Man hatte nicht für nöthig gehalten, sie davon zu unterrichten. Auch Don Antonio, ob wohl ein alter Freund des Hauses, war nicht eingeladen worden. Man hatte ihn fallen gelassen, seitdem bekannt ge worden war, daß beim Tode seines Vaters gewisse Vorfälle zur Sprache gekommen seien, die ihn bei einem Haar einen Gist- mordproceß auf den Hals gezogen hätten. Nur die Findigkeit der Advocaten hatte ihn angeblich davor geschützt. Das waren neapolitanische Waffen! Starace hatte natürlich, auch ohne daß ihm seine Frau davon gesagt, herausgefunden, daß die Quelle der sonderbaren Angaben über seine Person nur Don Antonio sein könne und war sofort in seiner Weise mit einem „man sagt" gegen diesen losgezogen. Das Diner bei Cesarini war sehr flott, sehr opulent, sehr vergnügt verlaufen. Der Champagner war in Strömen geflossen, und der Hausherr hatte mit Starace auf guten Fortgang der Geschäfte angestoßen. Die Beiden waren ein Herz und eine Seele. Starace war etwas bezecht, weil er nicht viel vertragen konnnte, aber das schadete nichts. Als er kurz nach Mitternacht aus der Wohnung des Commeftdatore fortging, um nach Villa Monrepos zurllckzukehren, befand er sich in sehr gehobener Stim mung. Zu seiner Verwunderung fand er nicht nur das Gitter- thor, sondern auch die Hausthür der Villa offen. Er nahm sich vor, wegen dieses Leichtsinns gehörig Lärm zu schlagen und trat rasch und erregt in den Garten. Oder hatte man etwa gar schon gestohlen? Waren Einbrecher da gewesen und hatten seine Frau ermordet? Die Muthmaßung, so schrecklich sie auf den ersten Augenblick erschien, hatte gleichwohl etwas an sich, was wie ein Wunsch aussah. Immer erregter betrat er das Haus. „Enrico! Concetta" rief er laut und lärmens in den Flur hinein, „was, zum Teufel, ist das für eine Wirtschaft? Warum sind die Thüren offen? Enrico! Enrico!" Es antwortete kein Mensch. Er ging an der Thür seines Dieners vorbei und öffnete sie hastig. Der Mann lag im Beite und schlief. „Enrico!" rief er ihn wieder an und schüttelte ihn wach. „Warum bist Du schon schlafen gegangen, ohne das HauS zu schließen, wie es sich gehört?" Der Mann ermunterte sich ziemlich rasch. „Herr Graf verzeihen, Ihre Gemahlin hat mir gesagt, man bedürfe meiner nicht mehr, ich solle zu Bette gehen." „Gräfin Maria?" „Ja, gleich nach dem Essen hat sie mich zu Bett ge schickt." „ylh, das ist denn doch zu toll. Das wollen wir doch gleich einmal erörtern. Steh' auf." Der Graf war wüthend, oder stellte sich wenigstens so. Es schien ihm nicht unangenehm zu sein, jetzt mitten in der Nach: noch einen Grund zum Lärmmachen zu haben. Er lief den Cor ridor entlang und trat ohne Weiteres in das Schlafzimmer der Gräfin Marie. Auch hier siel ihm eine gewisse Unordnung auf. Kisten und Möbel standen offen, Fächer, Wasche und Kleider lagen überall herum. „Man hat mich bestohlen!" schrie er aufgeregt, „eS sind Spitzbuben hier gewesen. Licht! Zum Teufel, ist denn kein Mensch hier? Concetta! Maria! Licht hierher!" Er zog, da man nicht gleich seinem Befehl nachkam, aus der Tasche ein Schächtelchen Crrrini und machte Licht. Sein erster Blick war auf das Bett seiner Frau. Er erwartete, vielleicht einen entsetzlichen Anblick zu haben. Aber das Bett stand un berührt, friedlich und leer da. Nichts deutete darauf hin, daß etwas Außergewöhnliches vorgegangen wäre. „Maria!" rief er wieder und ging nach dem Salon, wo er ebenfalls Licht machte und ebenfalls AlleS tobt und leer fand. Rasch lief er nun mit einer Kerze in der ganzen Wohnung hin und her, suchte in jedem Winkel, unter jodem Tisch und Bett. Immer hastiger, conoulsiver wurden seine Bewegungen, aber es half Alles nichts, das Nest war leer, sein goldener Vogel aue geflogen — ungerupft. Wie erstarrt stand er endlich wieder still und faßte sich an die Stirn, als cb er sich sammeln, überlegen müsse. Was war ge schehen? Sein Gedankengang war etwa: Flucht, Polizei, Cara Vinieri, Prügel und den Schlosser holen. Sein Diener erschien. .Onricio!" schrie er ihn zornig an. „Herr Graf?" „WaS ist vorgefallen? Wo ist meine Krau?"
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