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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990306022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899030602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899030602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-06
- Monat1899-03
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Be-ugS-PreiS 1, tz« tz«-t«p,dttio» öder den i« Gtabt- b«irl »m d« Vorort«, «rricktet«» Lut- aabestellen obgrholt: virrteljährlich^lE Lei -wotmaliaer täglicher Z»st«U»n, ms Durch di« Post bezoara für Dmtfchlaud und Oesterreich: virrnssibtttch . Direkte täglich« Knuzbandirnbung tM Ausland: monatlich ^tz 7.20. Di» Viorgm-Ausgabe «scheint um '/,7 Uhl, hi» Abend-Ausgab« Wochentag- um 2 Uhr. LrLartio» und Erpeditto«: Aohann1»»affe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geäffnet von früh 8 bis «bead« 7 Uhr. —-«»o— Filialen: vtto Eie«»'« Lo.tt«. (Alfred Hahn), Universitätsstrah« 8 (Pauliuum). Laut» L-sche, Eathariurnftr. I«, pari, und EäaigSplatz 7. Abend-Ausgabe. MpMer TaMM Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. »8. Montag den 6- März 1899. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4a«. fpalten) 20^, vor den Familirnnochrichte» (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Zisfernsatz «ach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuug 60.—, mit Postbefürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabr: Bormittags 10 Uhr. Morge«-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. -,z. Jahrgang. Gegen diesen großen Körper hat die Socialdemokratie bei der jüngsten ElatSberathung wieder alle ibre Hetz- und Uuter- wüblungskünste spielen lassen. Daß es mit Erfolg geschehen sei, ist aber offenbar nickt einmal die Meinung der socialvemo- kratiscken Abgeordneten. Herr Bebel wird nickt jünger und seine Metbode der leichtfertigen Behauptung, die immer zu einem beträcktlicken Theile sofort Lügen gestraft wird, ist nach gerade langweilig geworden. Freilich hierin hat derAbg. Paasche Reckt: dem Lesepublicum der socialdemokratiscken Blätter wird die Berichtigung der unwahren Angaben des Führer consequent vorenthalten. Der „Vorwärts" war aus diesmal wieder groß in der Fälschung der Verbandlungsbcrickte. UebrigenS ist auch die heereSfreundliche Presse in die Lage gesetzt worden, bei ihren Lesern irrige Annahmen zu berichtigen. Der viel besprochene Fall des Rittmeisters Grafen Stolberg liegt an sich anders, als man geglaubt, und die nirgends bezweifelte Behauptung, dieser Osficicr habe früher einmal einen Burschen gelobtet, entbehrt jeder Unterlage. Man ermißt hieraus wieder, wie woblthätig «ine gewisse Lesfentlick- keit dermilitärgericktlichen Verhandlungenauchsür dieArmee als solche wirke» wird. Zn der Erörterung eines thatsäcklichen Miß standes ist Herr Bebel nationalliberalen Spuren gefolgt. DerAbg. Bassermann hatte die verschiedenen „Spielasfärcn" der letzten Zeit schon in der Budgetcommission zur Sprache gebracht, und zwar mit AuSdi ticken allersckärsslen Tadels. Der Kriegsminister blieb in der Strenge der Verurtheilung nicht hinter ihm zurück. Die Ausrottung des UebclS ist aber sehr schwierig, da das Spiel in Deutschland keineswegs ein rein militärisches Laster ist. Inzwischen ist zu seiner Bekämpfung bekanntlich cur Erlaß des Kaiser- ergangen. Daß er auch der Oeffentlichkeik bekannt- aegeben worden ist, entspricht einer zehn Jahre alten Uebung, die jedoch ihrerseits mit der einer älteren Praxis in Widerspruch steht. Wilhelm I. bat Befehle dieser Art, also solche, die nur für Ojsiciere bestimmt waren, unter Um gebung deS Jedermann zugänglichen Publicationsmittels an die Ojsiciere gelangen lassen. Daß die Zeugeufchast der Oeffent- lichkcit militärischen Erlassen Nachdruck verleiht, hat die Er fahrung nicht gelehrt. Dagegen bieten bekannt werdende Fälle ihrer Nichtbeachtung einer hämischen und deshalb unfruchtbaren Kritik der Disciplinarverbältnisse eine begierig ergriffene Handhabe. WaS das Glücksspiel an langt, so existirt eine obrigkeitlich zugelassene Einrichtung, die wenig geeignet ist, den Abscheu vor dem sitten verderbenden Zeitvertreib zu erhöhen: der Totalisator. Auch die — diplomatisch gewiß nicht unvermeidlichen — Ehrungen, deren sich ein gefürsteter Bankhalter kürzlich am Berliner Hofe zu erfreuen batte, werben nicht dazu bei tragen, unter Officieren die Verachtung des Glücksspieles zu steigern. Zn vorgerückter Stunde und nicht unter der wüuschenSwerthen Theilnabme ist am Sonnabend im Reichs tag noch die Frage der kleinen Garnisonen beiührt worden. Mit dem Witze des Kriegsministers, daS beste Mittel zur Vermehrung der kleinen Garnisonsorte sei die Ver mehrung der Truppentheile, ist die Sache hoffentlich nickt rndgiltig abgetban. Womit nicht gewünscht sein soll, daß sie bei der diesmaligen dritten Lesung deS Etats noch mals vorgrbracht werden möge. Dies schon im Hin blick auf die Geschäftslage nicht. Die ist ungünstiger als je und zwar auch — was für den Reichstag nicht ohne Bedeutung ist — im preußischen Landtage. Dieser muß außer der noch gar nickt eingebrachten großen Canal- oorlage die mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche zusammen hängenden und deshalb keinen Aufschub vertragenden Zustiz- gcietze erledigen, ein bockst langwieriges und schwieriges Stück Arbeit. Der Reichstag, unerhört spät zusammen berufen, wirb bei Beginn seiner österlichen Panse, also nach höchstens vicrzebn S tzungen, anher dem Etat, dem bayerischen Senat und enva der Miliiärvorlaze nichts zu Ende gebracht und > ur sehr wenig gefördert haben. Die Vorlagen gingen ihm sehr spät zu. Außer den genannten haben nur das Bank- und das Znvalidengesetz die erste Lesung passirt, die Novelle zum Postgesetz, das Hypolbekengeiey, der Entwurf über die Fleischbeschau und der lex Heintze sind noch unberührt, und das Gesetz wegen deS Schutzes der Arbeitswilligen karrt mit weiteren Novellen zur Gewerbe ordnung noch der Einbringung. Dabei hätte es gar keinen Zweck, sich mit der ersten Bcratbung zu beeilen, denn alle diese Gegenstände erfordern ihrer Natur nach Com- missionsberalhung, und wenn man zu viel Commissionen bildet, fehlt es, wie die „Freis. Ztg." richtig bemerkt, an Mitgliedern zu ihrer Besetzung. An diesem Zustande trägt die regelmäßige Beschlnßunfäbigkeit des Hauses, die die Be endigung werthloser Erörterungen rerbieiest, namentlich aber die Unfähigkeit der Negierung zu richtiger Disposition die Schuld. DaS Ende vom Liede wird der Griff zu einem alten schleckten Auskunftsmittcl sein: man wird im Sommer, um die Arbeit in einer Reihe von Commissioncn nickt umsonst gelhan zu haben, statt deS ReickstagöschlusseS Vertagung bis zum Herbste verfügen. AuS dem Umstande, daß am Freitag im Reichstage die Redner aller büigerlichcn Parteien mit Ausnahme der beiden freisinnigen Gruppen,gemeinsam die socialdemokratiscken Angriffe ans die Heeresverwaltung abwebrten und daß bei dieser Gelegenheit die nationalliberalen Abgg. vr. Paasche und Graf Oriola die auf die Untergrabung der Religiosität abziclen- den Bestrebungen der Unisturzpartei sckarf beleuchteten, glaubt die ministerielle „Bert. Corr." den Schluß ziehen zu dürfen, daß nunmehr einem „festeren Zusammenschlüsse Ser staats- erhaltcnöen Elemente" gegen die die Grundlagen des Staatswesens untergrabende Propaganda nichts mehr im Wege stehe. Ob alte Mitglieder deS preußischen Staats Ministeriums diese optimistische Auffassung lheilen, wissen wir nicht; aber davon sind wir überzeugt, daß es ein verbängnißvoUcr Zrrlhum wäre, wenn die Seele dieses Ministeriums aus der bei dieser Gelegenheit hervorgetretenen Einigkeit bei der Abwehr socialdemokratischcr Vorstöße auf- eineEinigkeit auch beimAngrifse auf die Position der Umsturz partei ziehen und im Vertrauen auf diese vermeintliche Einigkeit getrost Vorbereitungen zu gesetzlichen Maßregeln gegen die Um stürzler treffen zu dürfen glaubte. So lange dasCentrumbe hauptet, nur durch völlige Freiheit „der Kirche" in den Stand gesetzt zu werden, sich mit Erfolg der Bekämpfung der Social demokratie zu widmen; so lange es deshalb die Auf hebung des Jcsi'.itengesetzeS und aller die Thäligkeit der Orden in den Einzelstaalcn einschränkenden Bestimmungen, d e Auslieferung der Scknle an „die Kirche" und die Knebelung ter nichtklerikalen Literatur fordert und, wie in Baben, be: Wahlen lieber socialdemokratische als nativnalliberale Cantidaten unterstützt: so lange kann von ter Bil düng einer festen Majorität zum Angriff ans di: socialdemokratische Position keine Rede sein. Es ist auch sicherlich den ReichstagSabgg. vr. Paasche und Graf Oriola nickt in den Sinn gekommen, von vornherein ihre Bereitwilligkeit zur Unterstützung von Anträgen zu bekunden, die etwa von klerikaler Seite angeblich zur Bekämpfung der Socialdemokratie, in Wahrbeit zur Bekämpfung aller nicht klerikalen Bestrebungen im Reichstage oder in den Landtagen der Einzelslaalen eingebracht werben könnten. Beibe Männer haben vor den letzten NeickStagSwahlen sich zu dem national liberalen Wahlaufrufe bekannt, in dem eS heißt: „Ten Ultramontcinismus, der die Staatsgewalt, die Schale, Kunst und Wissenschaft, Las gefammtr Volksleben der römischen Hierarchie unterwerfen will, bekämpfen wir nach wie vor. Dagegen wissen wir uns mit einem großen Theil unserer katho- lijchen Mitbürger eins in der hingedenden Arbeit für dir nationalen Aufgaben." Und ebenso sieben sie auf dem Boden des nationalliberalen Programms für die preußischen LandtagSwablen, in dem es unter Hinweis auf die „ultramontane Begehrlichkeit" in Pieußcn und auf das Trachten des preußischen Centrums nach gesetzlicher Auslieferung der Schule an die Hierokratie wörtlich heißt: „Wir hoffen und wünschen, daß unsere Politik der Gleich- berechtigung aller Consejsionen im Staatsleben, aber der Ab lehnung aller mit dem Gesammtwohl nicht verträglichen Ansprüche zum Heil des inneren Friedens immer mehr An- erkennnng finden wird. Weite Kreise unserer ihrem katholischen Glauben treu anhängenden Mitbürger fühlen sich in diesem Grundsätze, lowie überhaupt in ihren nationalen und liberalen Gesinnungen mit un« eins." Es kann den beiden nationalliberalen Abgeordneten also auch ebensowenig, wie ihren preußischen Gesinnungsgenossen in Len Sinn kommen, klerikalen Anforderungen deshalb enl- gcgenzukonimen, weil diese auch von conservativer Seile erhoben werden. Allerdings scheint man sich in den Kreisen deS CenlrumS und der preußischen Conservativen mit dieser Hoffnung zu tragen, denn die conservative Fraclion des preußischen Abgeordnetenhauses hat, wie schon gemeldet, be schlossen, folgenven Antrag zu stellen: „Dos Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die königliche Staatsregierung auszufordern, spätestens in der nächsten Session des Landtages einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher zur Be- jeitigung der bestehenden Härten die äußeren Verhält nisse der Volksschule, insbesondere deren Unterhaltung in gerechter Weise regelt, aber zugleich den confessionellen Charakter der Volksschule, sowie die Rechte der Eltern und Gemeinden aufrecht erhält und sichert." Das heißt mit anderen Worten die gerechte Regelung der BolkSschulunterhaltung und die Erleichterung der Schullasteu Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. MLrrz. Der Reichst«»» hat di« zweit« Lesung deS ordentlichen Militäretats in erträglich kurzer Zeit beendet. Dem preußischen Abgeordnetenhaus«, da« zur zweiten Beratbung de« so virle menschliche Saiten rührenden EisendabnetatS nicht ganz eine Stunde brauchte, darf sich daS ReichS- parlamrnt freilich noch nicht zur Seite stellen. Die rasche Erledigung deS Gesetzentwurf« über dir Errichtung eine bayerischen Senat« beim ReichSmilit ärgrricktS- hvf, dir in erster und zweiter Lesung am Sonnabend erfolgte, war durch die stoffliche und rechtliche Natur de« Gegenstände« geboten. Nachdem die Vereinbarung zwischen dem Kaiser und der bayerischen Krone erfolgt war, hieß eS: „Nehmen oder liegen lassen", Modifikationen waren ausgeschlossen und damit der Zugang zu einer praktisch nickt werthlosen Kritik versperrt. Der Abz. Schildler entschloß sich, mit der „über wiegenden Mehrheit seiner bayerischen Freunde" für Liegen lassen, angesichts der erdrückenden Mehrheit, die im Hause für daS Gesetz sicher war, kein beträchtliches Heldenstück. Den eigentlichen Ausbruch de« bayerischen Particularisten- zorne« beraumt der Bamberger Domherr für später und für die bayerische Kammer an. Nationale Abgeordnete aus Bayern verriethen aber in den Wandel gängen daS Gebeimniß, daß ihre Regierung vorläufig nicht im Mindesten zittere. Dazu hat sie auch keine Ursache, denn mit der vom Reichstag widerspruchslos entgegengenommenen, einer authentischen Interpretation gleichkommenden Erklärung deS Reichskanzlers, daß daS Gesetz über den bayerischen Senat nicht ohne die Zustimmung der bayerischen Negierung solle geändert werden können, ist hinsichtlich der obersten Recht sprechung im Heere tbatsächlich ein Neservatrecht Bayerns anerkannt, eine Auffassung, der vorher die Mehrheit deS ÄundeSratheS und die deS Reichstags entgegen waren. Für Bayern liegt also nach der formalen Seite em Gewinn vor, während eS materiell kaum mehr zvgestancen hat, als die Verlegung seines obersten Militär gericht- nach Berlin. Wir, die wir einer, nicht dem bayerischen Rechte, daS zu bestreiten war, wobl aber einer den Wünschen des Münchener HofcS Rechnung tragenden Lösung jederzeit daS Work geredet haben, sind mit dem Ausgange zufrieden, ohne eS deshalb gerecht fertigt zu finden, daß die meisten Redner von vorgestern etwas einseitig die Opferwill'gkeit deS Prinz-Regenten von Bayern hervorhoben. Auch die anderen deutschen ContingentS- Kerren baden, indem sie Bayern eine von ihnen nicht be« gehrte Ausnahmestellung zugestanden, ein Opfer gebracht, und auch die Vormacht erleidet dadurch, daß ein vom König von Bayern gebildeter Senat unter Umständen mit anderen Gliedern des NeichSmilitärgerichtS zusammen Recht zu sprechen haben wird, eine Einbuße auf die Lauer. Damit ist aber ein großer Fortschritt, den zu fordern die nationalliberale Partei seit Gründung de« norddeutschen Bunde- nicht müde geworden, keineswegs zu tbeuer erkauft. Trotz Allem bringt daS nun mehr vervollständigte Gesetz über daS Milirärstrasverfahren neben einem besseren Rechtsschutz eine Stärkung deS EinheilS- baude», ,daS sich um die deutsche» HeereStheile schließt. Feuilleton. A Wang-hgan-Ch6. Roman von Sylva Testa (L. Frsr. von StaN-Hokstein). Nachdruck »crdotta. Viert«» Capitel. Der Kaiser ruhte auf seinem Lager; neben ihm stand ein längliche« Tischchen, kunstreich mit eingelegten Perlmutter- «rabeSken verziert. Knirend reichten seine Diener ihm auS- erlesene Speisen auf goldenen Schüsseln: unzählige Gänge, von denen er nur wenig mittel» zweier Elfenbeinstäbchen zum Munde führte. Ein anmuthiger Knabe bot ihm den Trank in einer goldenen Schale. Nach beendetem Mahle streckte sich Chen-Tsung zum Schlum mer aus. Die Diener verschloanden lautlos mit den Gefäßen, zwei Knaben in lichtblaue Gewändern traten, mit großen Fliegenwedeln in den Händen, an das Kopf- und Fußende de» Bette». Da» Licht der Mittagssonne schien gedämpft durch die rosenrothen Fenster und ein einschläfernder Blumen« und Weih rauchduft erfüllte den Raum. — Nicht lange wäbrte de» Regenten Ruhe. Im Hofe erdröhnten Trommelschläge und der Kaiser fuhr jäh empor. Es war die Stunde, wo jeder Unterthan auf der schwarzen Tafel vor dem Palaste Klagen und Beschwerden niederschreiben djiyrste, und :wenn die Tafel gefüllt war, wurde die groß« Trommel gerührt, bi» der Kaiser mit seinem Geheimschreiber und den Mandarinen seiner Kanzlei im Hofe erschien. Der Schreiber übertrug dann, va» an der Tafel geschrieben stand, auf Elfenbeinblättchen, und der Kaiser sagte dem im Staube liegenden Volke, «r «erde alle Klagen und Bitten nach feiner göttlichen Gerechtigkeit prüfen und zum Wohle sein« Kinder, im Geiste der ihm verliohemn himmlischen Weisheit, entscheiden. Dan« zog er sich mit seinen Mandarinen zurück. Heut« mußte daffekb« geschehen. Ach, da» Prüfe« und Erwäge«, und vor Allem da» Ent- scheiden war nicht leicht, wo ein Riesenvolk über seine materiell« Lage zu murren begonnen hatte und tausend früher ungeahnte geistige Bedürfnisse zu empfinde« begann. Wo waren die Zeiten hin, die golden««, da Tage und Wochen verrannen, ohne daß di, Trommel auch nur einmal gerührt wurde? Ehen-Tsung sollte ihre Wiederkehr nicht erleben. YL«f1e»L,pitrl Ll» SHL-ma-Kuang seinen Palast erreicht hakt«, betrat er zunächst sein Arbeit»,immrr »ad schriet dort rin Tit.se, d. h. «in« Einladung»kartt folgenden Inhalt»: siebent« Tag diese» Monat» ist für Denjenigen, der diese» schreibt und Euer Alter ehrt, ein Festtag. Am fünften Tage wird er seine Basen reinigen lassen, am sechsten sie mit Wein füllen; er wird es alsdann wagen, die Sänfte seines Freundes in die Nähe seiner bescheidenen Wohnung einzuladen. In seiner Gesellschaft wird er sich erheitern, freudig sein und Kathschläge in Betreff der Festordnung vernehmen; er bittet da her um die Ehre der glänzenden Gegenwart Desjenigen, der reicher an Jahren ist als er. Nichts gleicht der ehrenden Herab lassung, die ihm durch dieselbe zu Theil werden wird. Diesen Freüdenbrief sendet Euch SHS-ma-Kuang, der, des AbeNdS geboren, sich bis zur Erde vor Euch verneigt." Auf ein weißes Blatt noiirte er darauf die Namen Der- enigm, die gleichlautende Schreiben erhalten sollten und trug seinem ersten Sekretär auf, di« Copien anzufertigen und mit ekligen Boten abzuschicken; bann erhob er sich grüßend und ver ließ da» dumpfe Gemach. Nach einem heißen und bewegitn Tage erschien die kühle Abendstill« dem erschöpften Minister besonders erquickend. Er wehte sich die würzige Lust mit einem großen Fächer zu, wäh rend er langsam auf labyrinthisch gewundenen Pfaden zwischen blühenden Sträuchern dahinwandelte. Dir immer verwickelter werdenden Staatsgeschäste drückten ihn; auch da» bevorstehend« Festmahl sollt« ihm keine Erfrischung bieten, keine frohwkllkommmen Gäste in» Hau» führen, wie man au» dem überschwänglichen Inhalt« der Einladungsschreiben hätte schließen können. Es war lediglich ein« Forderung der Etikette, der er mit diesem Festmahle genügte. Die Geladenen waren hohe Würdenträger, die meisten von ihnen ihm verächtlich. Diesmal sianld auch Wang-hgan-Chß auf der Liste. SH^-ma-Kuang näherte sich einem kleinen Hügel, ans dem «in Kiosk stand, dessen ausgeschweiftes Dach auf buntbemalten Säulen ein niedrige» Tischchen und einige Bambusrohrsessel be schattete. Hier faßen zwei Frauen emsig mit Stickereien auf kostbaren Seidenstoff beschäftigt. Sie lachten und plauderten und bemerkten den Herannahencken nicht. Dieser aber beflügelte seinen Schritt, al» er ihrer ansichtig wurde, trat leise hinter die Jüngere, nahm ihren anmuthigen Kopf in beide Hände und drückt« einen Kuß auf da» schwarze Haar. Mit einem Ausruf der Freude erwiderte sein Töchterchen die Liebkosung, und nicht minder zärtlich begrüßte ihn die Gattin. Jede Spur von Mißmuth war au» seinen Zügen gewichen, alt er nun dasaß, bei seinen Lieben, plaudernd von häuSlichrn Dingen, Freunden, verwandten und den Studien der Kleinen. Geflissentlich wurde hier Alle» vermieden, wa» an TageSfragen und öffentlich, Angelegenheiten streifte; in diesen trauten Kreit sollte ihr Unfriede nicht dringen. Di« Gemahlin de» Minister» war eine noch jugendliche Er scheinung am Anfang» der Dreißiger, dem hohen Range ihre» Satten entsprechend sehr prächtig gekleidet: von den herab- fallrüden Schullern, einem besonderen Kennzeichen chinesischer Schönheit, hing ein reich mit Gold und bunten Seidenfäden aus genähtes Helles Gewand in weichen Falten auf die rothseidenen Beinkleider herab. Den Nacken umschloß ein kunstvolles Hals band von Gold und Edelsteinen, und ein großer Diamant schmückte über der Stirn, an einem Bande befestigt, das glänzend schwarze Haar. Gao, ihr munteres Töchterlein, war ebenfalls reich mit Perlen und Steinen behangen und in feine Seide von zartem Rosenroth und Lichtblau gekleidet. Statt allen Kopfputzes hatte sie eine gelbe Rose hinters linke Ohr gesteckt und ebensolche an den Enden ihrer langen Zöpfe befestigt. Bei einbrechender Dunkelheit begann es sich auf dem See, den man vom Kiosk aus überschaute, immer lebhafter zu regen: Hunderte von Tschonken mit bunten Laternen strebten dem kaiserlichen Palaste zu, und am Ufer entlang eilten zahllose Fußgänger nach dem nämlichen Ziel. Ein Jeder trug die vor schriftsmäßige farbige Laterne mit Namen und Wohnort in weißen, transparenten Schriftzügen. Eine äußerst praktische Bestimmung, die eS einem Chinesen unmöglich machte, im Dunkeln unerkannt zu bleiben. DaS schaulustige Volk wollte sich an der Theater« und Gauklervorstellung im großen Schloßhofe ergötzen, den Tausende von Laternen, an hochgespannten Schnüren hängend, tageshell erleuchteten. Die Drei im kleinen KioSk genossen den heiteren Anblick des wogenden Lebens da drüben, ohne sich in das Gedränge zu wünschen. Al» eS vollends Nacht geworden war, zündete ein Diener die große Laterne aus durchsichtig geschliffenen Arster- schalen an, die von der Decke herabhing und ein anderer stellte «in reizendes Porzellanthceservice und Schalen mit Früchten und lockerem Gebäck von weißem Buchweizenmehl auf den Tisch. Jetzt erdröhnten drüben die ehernen Kesselpauken, zum Zeichen, daß die Mitglieder des kaiserlichen Hause» ihre Plätze eingenommen hatten. Es warrn aber nur die Kaiserin M6ng und der Prinz Jo-lu mit ihrem Gefolge unter dem Purpur baldachin erschienen. DaS Spitt konnte beginnen. ES würde das Märchen von der Prinzessin Tschi-fu auf geführt, die au» der Gefangenschaft, in welcher ein grimmige, Drache sie in einem Felsenschloffe hielt, von dem Ritter Huan befreit wurde. Der siegreiche, aber unendlich langwierige Kampf des Httden mit dem Ungethüm, das wütchende Schnauben, Brüllen und Schwanzringeln de» Rirsenwurmes riß die kahlköpfige Menge zu rauschendem Beifall hin. Den Schluß de» Schauspiels bildete der glänzende Hochzeitszug des Ritters und der Prinzessin. Di« Kaiserin und der Prinz gaben ihr Entzücken durö> stürmisches Fächeln nach allen Seiten hin kund. Noch lebhafter ging e» unter den Zuschauern her, al» die Schauspieler ab- und di« b«li«btrn Gaukler auftraten. Unter ohrenzerreißenvem Trommel- und Pfeifenlärm gaben sie ihre Kunst zum Besten: Da warf Einer einen Reifen in die Luft und ing zehn herabfallende mit seinem Stabe wieder auf; ein Anderer entnahm einem zusammengeknäulten Seidentuche, das nicht größer war wie seine Faust, zwölf mit Wasser gefüllte Porzcllanschalen; dann war das Wasser verschwunden und in edem Gefäße krümmte sich eine Giftschlange; nun wickelte er ich die greulichen Geschöpfe um Hals und Arme; plötzlich waren Schlangen und leere Schalen wie weggeblasen und nur noch das civene Luch in seiner Hand. Den größten Jubel jedoch erregte ein Dritter, der Fangball mit sieben langen Schwertern spielte, die er schließlich alle der - chluckte. Noch mehr der Zauberkünstler traten auf, säeten Korn in einen Blumentopf und ließen im Nu vor Aller Augen Halme emporschießen, Aehren sich entwickeln und reifen, Vögel sich in Reptilien verwandeln und dann wieder ihre ursprüngliche Gestalt annchmen und so fort, immer «in größeres Wunder nach dem anderen wurde der gaffenden Menge vorgezeigk. Aus einem offenen Fensterbogen, über dem Hauptportale, chaute der Kaiser aus das bunt«, bewegte Bild: „Mein Reich chwebt am Rande des Verderbens und die Kaiserin und cer Prinz, mein Bruder, ergötzen sich gedankenlos an albernen Schnurren; die Kaiserin, meine Mutter, hält an den starren Formen der Vergangenheit fest und SHL-ma-Kuang warnt vor dem Neuerer, dem Schwärmer, dem Einzigen, der vielleicht au« dem flüssigen Brei, in den Alles sich aufzulösen strebt, ein neues, '«stet» Gebilde zu formen vermöchte. Mein Staatsrath setzt sich aus feigen Narren zusammen und ich, Sohn des Himmels und Herr der Erde, stehe einsam da und hilslos auf meiner kalten, unnahbaren, gräßlichen Höhe! O, daß ich Mensch sein könnte unter Menschen; daß ich in der Freundschaft, in der Liebe frei geborener Seelen diesen unnennbaren Durst, der mich verzehrt, zu löschen vermöchte!" Er breitete die Arme sehnsüchtig aus: „Aber ich habe nur willenlose Diener, an deren Stirn der Staub klebt, in dem sie mich verehren, nur in Furcht oder Seligkeit, bei meinem Namen zitternde Sklavinnen." Er beugt« sich hinaus, da sah er hinter dem Sessel der Kaiserin eine schlanke Mädchengestalt stolz und aufrecht stehen und er gedachte des Adlerblickes, der ihm heute so kühl und kübn ins Antlitz geschaut hatte: „Bei den Geistern meiner hohen Ahnen", sprach er dumpf, „keinem Anderen als mir soll dieses Sternenpaar in Liebe leuchten, für Dich, o Dhsia, will ich Mensch sein." Die Darstellung war zu Ende. Der weite Hosraum leerte sich und Jedermann lief mit seiner Laterne nach Haus«. (Fortsetzung folgt.)
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