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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990308010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899030801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899030801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-08
- Monat1899-03
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Motion 1. «. I). i.v i.v. »neu i.v. i. I) i. v i. I). i. I). i. I). i. V. i. v i. v. i.0 t.v. i.v. i. v. i.v i. I). I. v. i. 0. i.v I o 1.1). 1.1). >. (slto> l. 1). »neu. 5 IU.t. Mtwo.w tte» <Lor:l. LLi.v.87: UV-7L^ ÄS ÄS dv «.v k-k- o. o. «arlc !2330'i I. 0 i. r> i.» i. v i.v i. 0 1.0 i. 0 1.0 I. o. i. v. i.0. 1.0. l.v i. V k«t 0 i. v i. 0 M--tv 8e»t V Llsrk Bezugs-Preis k» der Hauptexpedition oder den im Stadt« bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau- 5.50. Durch die Post bezogen jur Deutschland und Oesterreich: vierteliährlich 6.—. Directe tägliche Krenzbandleudung lech Ausland: monatlich 7.50. Tie Morgrn-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Redaclion und ErpeLMoni JohanntSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Ott* klemm's Lortim. (Alfred Hahn), Nniversitätsstrabe 3 (Paolinum), Lonts Lösche, Katharinevstr. 14, pari. und Königsplatz?. Morgen-Ausgabe. MpMer Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. 121. Mittwoch den 8. März 1899. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile LO Psg. Rrclamen unter dem Redactioaostrich ^ge spalten) 50/^, vor den Familiennachrichlen (6gespaiteu) 40/^. Größere Schriften laut unserem Prri-?- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsap nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderung .al 60.—, mit Pvstbrsörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Nbend-AuSgab«: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Truck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Englischer und deutscher Parlamentarismus. Sü Man schreibt uns: Wir wissen uns frei von jener besonders früher in Deutschland so verbreiteten Neigung, Alles zu bewun dern, was in England oder von Engländern geschieht. In mancher Hinsicht aber giebt England ein bewundernswürdiges und nachahmenswertes Beispiel: so in dem ungleich größeren Zuge, der den englischen Parlamentarismus gegenüber der Hal tung der deutschen Volksvertretung durchweht. Zu gleicher Zeit stehen in England und in Deutschland Hcere-sorderungen zur parlamentarischen Berathung. Nimmt man die englische Forderung im Derhälmiß zu der Prä senzstärke des englischen Heeres, so ist sie verhältnißmäßig größer als die deutsche Heeresforderung, ganz abgesehen davon, daß sie in Verbindung mit einer großen Flottenforderung steht, so daß dem Lande gleichzeitig große Opfer für Heer und Marine ab verlangt werden. Wie beneidenswerth aber ist es, daß die eng lische Regierung ihr absolutes Vertrauen auf die Opferwillig tkit des Landes mit stolzem Selbstgefühl aussprechen darf! Der erste Lord des 'Schatzes, Balfour, führte die Heeresvermehrung auf die größer gewordenen Interessen und die wachsende Riva lität der europäischen Völker im afrikanischen Erdtheile zurück und füg!« hinzu: „Ich bin über die Entscheidung des Landes nicht besorgt, wenn ihm die Frage klar unterbreitet wird, ob es bereit ist, Afrika unter die anderen Nationen vertheilt zu sehen, oder ob es bereit ist, der Steigerung des Militäretats, welche die von der Regierung eingeschlagene Politik erforderlich macht, zuzustim men." Daß auch die Parlamentarier sich darüber klar sind, daß das Land sich im Sinne der Regierungsvorlage entscheiden würde, ergiebt sich daraus, daß ein Antrag auf Herabminderung der Heeresvermehrung mit dreifacher Majorüät abgelehnt wurde. Danach muß entweder ein Theil der Opposition selbst gegen den oppositionellen Antrag gestimmt haben, oder es müssen sich viele oppositionelle Mitglieder der Abstimmung enthalten haben, um der Regierung ein« große Majorität zu ermöglichen. In der Commission des deutschen Reichstages ist ein Antrag auf eine nicht unwesentliche Verkürzung dec Heeresforderung nicht allein nicht mit großer Mehrheit abgelehnt worden, sondern vielmehr von einer Mehrheit angenommen worden. Es verlautet nun allerdings, daß in Folge der Verhandlungen zwischen der Regierung und dem Centrum ein Theil der in der ersten Commissionsberathung vor genommenen Abstriche wieder redressirt werden soll. Einmal aber wird auch dann noch ein Minus gegenüber den Forderungen der Regierung verbleiben, zweitens und hauptsächlich aber ist die Art und Weise, durch die die Wiederherstellung eines Theiles der gestrichenen Forderungen ermöglicht wird, Alles eher als schmei chelhaft für den deutschen Parlamentarismus. Denn es ist be kannt geworden, daß das Centrum nur auf Grund von Con- cessionen der Regierung sich geneigt zeigt, die geforderten neuen Eavallerie-Schwadronen zu bewilligen und den Abstrich an der Präsenzstärke der Infanterie um etwa 1000 Mann herabzu mindern. Gerade diese Handelsgeschäfte unterscheiden den deutschen Parlamentarismus unvortheilhaft vom englischen. In England denkt eine Regierung gar nicht daran, um der Bewilligung einer Forderung willen Concessionen zu machen, die auf einem voll kommen anderen Gebiete liegen. Ein Gesetzentwurf, der in Eng land eine Aufregung verursachte, wie «sie überhaupt nur in einem Lande möglich ist, wo das ganze Volk an den politischen Fragen den lebhaftesten persönlichen Antheil nimmt, war die Wahlreform v. I. 1831, die mit den berüchtigten „rotten boroussts" aus räumen wollte. Das Ministerium Gren hatte die furchtbarsten Kämpfe zu bestehen, um die Bill durchzuoringen. Der König er ¬ schien persönlich im Oberhause, um di« Auflösung des Parla ments anzukündigen, die heftigsten Kämpfe waren mit dem Ober hause durchzufechren, aber von Eoncessionen, von Handelsqeschäf- ren, war nicht die Rede. Der Kampf wurde ehrlich durchgeführt und das Ministerium drang durch. In Deutschland aber sind die Zustände des Parlamentarismus so -verfahrene geworden, daß die ganze innere Politik des Landes dadurch beeinflußt werden kann, ob und unter welchen Bedingungen ein paar Cavallerie- schwadronen bewilligt werden. Diese verfahrenen Zustände können gerade die besten Elemente des Volkes nicht dazu ermuthigen, an einer so kleinen und klein lichen Politik theilzunehmen. Aber auch für das Ansehen im Ausland« ist es nicht sehr günstig, daß bedeutsame nationale Fragen entweder nur nach schweren Kämpfen oder nur durch allerhand Abmachungen hinter den Coulissen zur Erledigung ge langen können. Die Heeresvorlage von 1887 konnte nur nach der Auflösung des Reichstages durchgesetzt werden; bei der Heeresforderung von 1893 war ebenfalls eine Auflösung erfor derlich; die Marineforderung des Jahres 1897 wurde zum größ ten Theile abgelehnt; die Marinevorlage von 1897/98 mußte geraume Zeit „hangen und bangen in schwebender Pein", bis sie endlich mit einer recht bescheidenen Mehrheit zur Annahme ge langt«; die gegenwärtige Heeresvorlage wird, wie erwähnt, von der ausschlaggebenden Partei als willkommener Anlaß zu Han delsgeschäften angesehen. Fragt man sich nach dem Grunde des Unterschiedes der Be handlung nationaler Fragen in der englischen und in der deut schen Volksvertretung, so muß man sich beschämt gestehen, daß in Deutschland das patriotische Empfinden noch nicht so zur -Selbstverständlichkeit geworden ist, wie in England, und daß in Deutschland die Dinge überhaupt nicht mit dem großen Maßstabe gemessen werden, wie bei den Vettern jenseits des Canals. Ein englischer Minister kann eben ruhig erklären: „Ja wohl, wir muthen euch große Opfer für Heer und Flotte zu, aber die Kosten werden sich schon durch die Position bezahlt machen, die uns unsere militärische Schlagfertigkeit verschafft." In Deutschland möchte die Opposition — und dies zeigt sich ganz be sonders auch bei den colonialen Fragen — am liebsten nach dem Grundsätze kleiner Kaufleute verfahren: „Hier Waare, bitte Geld". -Daß man Ausgaben auch für Zwecke machen kann, die sich nicht heut und morgen realifiren lassen, will ihr nicht ein leuchten. Napoleon I. hat die Engländer höhnisch als ein „Volk von Krämern" bezeichnet und dieses Wort wird noch heute, und oft auch von uns Deutschen, angewandt. Aber wenn wir unseren Par lamentarismus — und die Volksvertretung soll doch die Ver körperung der Volksgesinnung sein — mit dem englischen ver gleichen, wenn wir überhaupt den politischen Unternehmungssinn in Deutschland gegen den in England halten, so müssen wir, wenn wir ehrlich sein wollen, zugeben, daß die Gesinnungen des Kleinkrämerthums bei uns leider häufiger anzutreffen sind, als bei den vielgeschmähten Engländern. Die lex Rintelen und die Geschworenen. Aus juristischen Kreisen schreibt man uns: An dem selben Tage, an dem die erste Lesung der Reichstagscommission über die I«x Rintelen beendet worden ist, erhebt ein Geschworener in der „Kreuzztg." eine lebhafte Klage, die so recht darthut, wie sehr die lex Rintelen trotz der Erweiterung, die sie erfahren hat, doch nur Stückwerk ist. Der betreffende Geschworene drückt nur die Empfindungen aller seiner LerdenSgenossen aus, wenn er erklärt, daß die Institution der Schwurgerichte längst ihr« Popularität eingebüßt habe und bei all Denen verhaßt sei, die zur Ausübung der Geschworenenthätigteit „verdammt" seien. Der Einsender beschwert sich über drei Punkte: über den er forderlichen Geldaufwand, über die Versäumniß in der Berufs- thätigkeit und schließlich darüber, daß Geldaufwand und Ver- säumniß oft vollkommen überflüssig seien, weil es einem Ge schworenen passiren könne, immer wieder nicht ausgeloost oder aber abgelehnt zu werden. Werden doch nicht weniger als 30 Geschworene zu jeder Schwurgerichtsperiode berufen, während in jedem einzelnen Falle nur 12 Geschworene des Richteramtes zu walten haben. Aas den Geldaufwand anbdlangt, so ist er ja für manchen Geschworenen auch empfindlich, immerhin aber kann dieser Nachtheil durch zweckmäßige Einrichtungen gemildert werden. In manchen Provinzen giebt eS nämlich Geschworenencassen, in die ein mäßiger Jahresbeitrag zu zahlen ist. Dafür erhalten die Mitglieder dieser Lassen, wenn sie als Geschworene einberufen werden, einen anständigen Zuschuß zu dem erforderlichen Auf wande. Viel schlimmer ist unter Umständen der indirekte Verlust, der durch die Zeitoersäumniß entsteht. Wir können dies an einem drastischen Beispiele aus unserer Praxis darthun. Ein Geschworener beantragt während einer Schwurgerichtsperiodr einen eintägigen Urlaub, um am nächsten Tage, an dem in seinem Wohnorte Jahrmarkt ist, seinem Geschäfte verstehen zu können. Der Antrag wird abgelehnt, aber trotzdem fehlt am nächsten Tage der Geschworene. Tags darauf kehrt er zurück und wird vom Vorsitzenden benachrichtigt, daß er eine Ordnungs strafe von 100 zu zahlen habe. „Mit Vergnügen", sagt er; „hätte ich gestern mein Geschäft versäumen müssen, so würde ich mindestens 300 Schaden gehabt haben, also beträgt mein Nachtheil immer noch 200 --k weniger, wenn ich 100 c-i Strafe zahlen muß." Einem Gutsbesitzer oder dem Leiter einer großen Fabrik erwächst manchmal ein nicht geringerer Nachtheil. Um so erbitterter muß naturgemäß der Geschworene sein, wenn er, einen bedeutenden materiellen Schaden vor Augen, in der Schwurgerichtsstadt müßig herumlungern und von Kneipe zu Kneipe laufen muß, weil er entweder nicht ausgeloost worden ist oder weil ihn der Staatsanwalt abgelehnt hat, wenn er in dem Rufe großer Milde steht, oder der Vertheidiger, wenn er als „scharf" gilt. Das Institut der Schwurgerichte mag allen falls für Rentiers oder für Beamte, die am Schwurgerichtsorte selbst wohnen und von ihrer Einberufung keinen Nachtheil haben, eine angenehme Abwechselung sein, dem Gros der Geschworenen ist es verhaßt. Wer als Staatsanwalt oder Vertheidiger thätig gewesen und am letzten Schwurgerichtstage von den Geschworenen umdrängt und angebettelt worden ist, daß man sie doch nur ja ablehnen möchte, damit sie endlich nach Hause fahren könnten, der kann angesichts dieser Thatsache nur rin humoristische- Lächeln dafür haben, wenn Theoretiker behaupten, daß das Volk sich die Ehre, Geschworener zu sein, nicht werde nehmen lassen wollen. Wir haben hier absichtlich nur den persönlichen Stand punkt der Geschworenen hervorgehoben, die sachlichen Nach theile der Schwurgerichte in ihrer jetzigen Organisation haben wir ja oft genug erörtert. Wir meinen aber, daß dke persönlichen Beschwerden Derer, die in dem Geschworenenamte eine arg« Belästigung sehen, dock auch einen Anspruch auf Berücksichtigung haben. Den Beschwerden der Geschworenen kann am ehesten ab geholfen werden bei der Umwandlung der Schwurgerichte in große Schöffengerichte. Bei diesen großen Schöffengerichten würden an der Stelle von 12 Geschworenen nur 6 Schöffen ihres Amtes zu walten haben. Dies bedeutet an sich schon eine Verminderung des Apparates um die Hälfte. Nun würden aber auch bei den Schöffengerichten die AuSloosungen und Ab ¬ lehnungen in Fortfall kommen, so daß zu den Perioden nicht 30 Geschworene, sondern nur 6 Schöffen einberufen werden würden. Es würde also thatsächlich nur der fünfte Theil von Privatpersonen belästigt werden. Diese Schöffen würden allerdings während der ganzen Dauer der Periode täglich in Thätigkeit sein müssen, ober da sie sonst in dieser Zeit eine andere Beschäftigung nicht hocken, so würden sie die Arbeitslast sehr gut bewältigen können. Der Aerger, Zeit und Gela ver trödeln und dabei müßig herumlausen zu müssen, käme ganz in Fortfall. Ja, der Geldaufwand würde sogar ein geringerer sein, denn wer 6 oder 8 oder noch mehr Stunden am Tage thätig sein muß, hat nicht so viel Gelegenheit, Geld vuszugeüen, wie Derjenige, der aus purer Langeweile sein Geld verthun muß Das sittliche Gefühl, im Dienste der Allgemeinheit thätig zu sein, würde auch bei der andauernden Beschäftigung viel reger sein als bei dem ausgezwungenen Müßiggänge, dem ein Geschworener sich oft hingeben muß. Die lex Rintelen nimmt in ihrem Haupttheile, der sich auf Wiedereinführung der Berufung bezieht, Rücksicht auf Diejenigen die sich gegen die Strafgesetze vergangen haben sollen; es erscheint doch aber wohl die Forderung nicht unangemessen daß mindestens dasselbe Recht auf Rücksicht, wie die wirklichen oder vermeintlichen Misscthäter, Diejenigen haben, die berufen sind, das Richteramt über Missethäter auszuüben. Deshalo sollten Regierung und Commission sich, bevor die lex Rintelen an das Plenum gelangt — was ja ohnehin erst nach den Oster ferien der Fall sein wird — noch reiflich überlegen, ob nicht an die Stelle dieses Flickwerkgesetzes «ine durchgreifende Aenderung treten soll. Der Antrag Basiermann sieht ja ohnehin erst ein Inkrafttreten des Gesetzes Rintelen im Jahre 1904 vor. Biö zu diesem Termine kann bei einigem Flciße ein viel umsassenoerev Gesetz geschaffen werden, und selbst wenn ein solches erst 2 oder 3 Jahre später sollte in Kraft treten können, so würde das immer noch sehr diel besser sein, als wenn man rin oder zwei Jahre nach der Einführung der lex Rintelen schon wieder an ein« Abänderung der Strafproceßordnung gehen müßte. Deutsches Reich. Berlin, 7. März. (Katholische Gymnasien inSchlesien.) In einer Zeit, in der Regierung uno Con sevoative wetteifern, dem Centrum Freundlichkeiten zu erweisen muß man das Eisen schmieden, so lange es warm ist. Deshalb verlangt die „Köln. Volksztg." Tag für Tag etwas Anvere^ zur Durchführung der berühmten „Parität". So wird jetzi darüber Klage geführt, daß in den Regierungsbezirken Breslau und Oppeln noch nicht genug katholische Gymnasien vorhanden seien. Nun gehört Schlesien zu den Provinzen, die vom Polen thume energisch in Angriff genommen werden. In demjenigen Theile Mittelschlesiens, der an Oberschlesirn bezw. die Provin; Posen grenzt, ist die Zahl dec Polen nicht ganz unbeträchtlich, in Oberschlisien selbst ist sie sehr bedeutend. Man weiß nun männiglich, auf wie freundschaftlichem Fuße der Klerikalismuc mit dem Polenthume steht. Würde Vie Zahl der katbolischen Gymnasien in Schlesien vermehrt werden, so würden ebenso viele neue Brutstätten des Polonismus entstehen. Die Zeiten, wo der sehr verehrte gegenwärtige Reichstag-Präsident Graf Ballestrem den großpolnischen Agitatoren „aufs Maul klappen" wollte, sind längst vorüber; das Centrum hat sich in Schlesien vor den Polen tapfer nach rückwärts concentrlrt. Wie im politischen Leben, so würde auch in den Schulen dort, wo der Klerikalismuc- eine Rolle spielt, neben dem Katholici-mus das Polenthum sorglich gehütet und gepflegt werden. Derartige Bestrebungen zu fördern, hat die preußische Regierung wahrlich keinen Anlaß Rudyard Kipling. Na-trnck »ertöten. Wenn der deutsche Kaiser einem deutschen Dichter seine Theilnahme bezeigt, indem er sich nach seinem Befinden erkundigt, so macht e- ein gewisse- Aufsehen, wenn er aber eine so warm gehaltene Anfrage Uber einen fremden Dichter ergehen läßt, wie er sie an Rudyard Kipling'- Frau richtete, so muß er diesen Dichter wohl den größten zuzäblen. Es kann allerdings nicht be fremden, daß man in Deutschland herzlich wenig von Rudyard Kipling weiß und daß dem großen deutschen Publicum von den Gesängen, die Kipling zu Ehren der „Thateu der großen ge meinsamen Rasse" angestimmt hat, nur sehr wenig bekannt ist. Da» ist auch gar kein Wunder. Bei der eigentbümlicben Lage der deutschen Roman-Literatur, bei ihrer stiefmütterlichen Behandlung der BUHnenliteratur gegenüber, dürfte e« schon eine geraume Zeit erfordern, ebe sich «in deutscher Dichter Anerkennung bei seinem Volke erwirbt, um wieviel mehr ein fremder, d«r trotz der gemeinsamen Rasse unS doch persönlich nicht näher tritt und dessen Wege immerbin die deutschen nationalen Wege nur wenig oder gar nicht kreuzen. Unser Volk bat zwar eine große Vorliebe für da- Fremde, und englische Romane sind ihm ihrer hoben Spannung wegen oft lieber als hausbackene deutsche Familiengeschichten oder die tendenziösen Fabri kate einer sensationS- und geschlecht-lüsternen neueren Schule, aber Kipling ist kein gewöhnlicher Dichter, der der Lesewuth Zugeständnisse macht, und seine Werk« verlangen etwa» mehr al» nur di« Zeit, die Stilen zu Überfliegen und dann befriedigt da- Buch zuzuklappen. Einig« seiner Schriften sind in deutscher Sprache er schienen. Wir nennen hier „?lakn tnles krom tlw bist" und ferner seine „Schlichten Geschichten au- Indien", die uns Reclam's Universalbibliotbek in guter Uebersetzung vermittelt hat. All« anderen Werke sind wohl nur englisch zu lesen und sind zumeist, wenigsten- was die kleineren Sachen betrifft, noch in den verschiedensten Journalen und Magazin«» verstreut. Diese Verstreuung macht da« Studium d«S Dichter« nicht leicht, indessen ist sie jedenfalls für Kipling von großem Bortheil. Er ist durch sein« zahl reichen Beiträge in die verschiedenen Zeitschriften schnell bekannt, b«rühmt und b«li«bt geworden und hat dementsprechend auch die klingenden Früchte seiner Thätigkeit geerntet. Wurde dock erst jüngst wieder erzählt, daß „Parson'S Magazine" ihm für die Zeile einen Schilling gezahlt habe, ein Preis, der bei den schmalen Heilen gewiß «in hoher ist. CS soll nicht gesagt sein, daß wir in Deutschland nicht auck Schriftsteller hätten, denen rin glückliches Werk ein solche- Honorar in den Schoß werfe, allein diese Dichter sind doch recht selten und mit einem gewissen Neid kann daher unsere Dichter- und Schriftstellerwelt über den Canal blicken. Nun, trösten mag sie sich, nicht alle englischen Schriftsteller sind Kipling'- und nicht alle verdienen wie er. Die große Beliebtheit, die Kipling sich erworben hat, beruht auf zwei Gründen. Einmal ist er wirklich ein feiner Stilist und da- andere Mal ist rr ein Indier, zwar nur ein in Indien geborener Engländer, ab«r doch ein Mann, der sein Vaterland kennt, der mit klarem Blick die Vortheile und Schwächen de- indischen Besitze- für England erschaut und der nicht zögert, seiner Meinung, auch wenn sie von der üblichen abweicht, Ausdruck zu geben. Tbatsächlick bat seine erste in England erschienene größere Skizze „Kalkutta bei Nackt" (Dds cit^ ok äreacktul nigkt), die Aufmerk samkeit auf ihn gelenkt. In dieser Skizze deckte er schonungslos gewisse Uebelstände auf, die fick in diesem indischen London zeigen, und schonte, ein zweiter Zola, weder die Prüderie noch den Chauvinismus f«inrr Landsleute. Die Arbeit machte daher «in ganz gewaltige« Auf sehen und berührte peinlich. Da sie aber nur die Wabrheit enthielt, wurde sie in beiden Weltteilen mit großem Beifall ausgenommen und Kipling war plötzlich ein gesuchter Schriftsteller geworden. Gewiß halt« er nichts Neue- gesagt, nicht», was man nickt sckon wußte oder sich denken konnte, aber seine unerschrockene Veröffentlichung wurde gelobt und beifällig anfgenommen, wie man ja am liebsten da immer liest, was man schon weiß, weil man dann die Be stätigung sriner Meinung oder seine« Wissens schwarz auf weiß hat. Schon vor dieser Arbeit war er schriftstellerisch aus- aetretea. Im Alt«r von >9 Jahren veröffentlicht« er in Indien „Echo-" und blirb eifria journalistisch thätig. Zu dem Vorwurf für sein« Romane nahm er wohl immer da« indische Leben und schilderte mit größter Anschanlickk«it sein Adoptiv vaterland, die indisch«« Sitten, da« indisch« Volk und nicht zum Mindesten dir Engländer in Indi«n selbst. Und e« giebt wohl auch keinen B«rufener«n dazu al« ibn. Schon al» ganz junger Mann mack«« er große Reisen durch ganz Indien, besucht« Japan, Cbina und Nordamerika und studirte offenen Blicke- die Völker, reichnete Menschen, wie sie sind, und schrieb, wie sie waren. Kipling ist noch in einem verhältnißmäßig jungen Alter. Er ist am 30. December 1865 in Lahore geboren. Sein Vater ist Beamter in indischen Diensten und zugleich rin sehr gewandter Maler, dessen Werk „Least auck man la Inckia" sich großen Rufe- erfreut. Bis zum Jahre 1891 schrieb Kipling in Indien, sein Aufenthalt in England war nur von kurzer Dauer, denn im Jahre 1892 siedelte er nach New Nork über. Kipling'- Stil ist klar. In seinen Skizzen schlagt er tast immer einen ironisirenden Ton an, der der Behandlung de- Stoffes eine ungemeine Frische verleiht. Seine Ironie hat nichts Bitteres, sie ist gewissermaßen gemüthlich und verletzt nicht. Sein Humor ist tief und kommt von Herzen, er ist nickt gemacht, ungezwungen strömt er hervor und erwärmt den Leser. In seinen großen Romanen schildert rr anschaulich und verleugnet in den spannenden Situationen den englischen Romancier nicht. Er bat in seiner Schreib weise, vielleicht unbewußt, von den Franzosen etwa- an genommen, und seine sarkastischen Schilderungen sind voller Witz. Dabei schont er keine Gesellschaftsklasse, rr nimmt sie alle mit und erreicht dadurch überall Zustimmung. Eine kleine Probe aus seinen „Schlichten Geschichten" wird ihn am besten kennzeichnen: „In der Regel ist e« sehr überflüssig, sich in einem Lande mit StaatSangelcgenbeiten zu befassen, wo rS Leute giebt, welche sehr hoch bezahlt werden, damit sie dieselben besorgen. Diese Geschichte ist eine gerechtfertigte Ausnahme. Aller fünf Jahre stellen wir, wie bekannt, einen neuen Vicekönig an, und ein jeder Vicekö^'g importirt, mit seinem sonstigen Gepäck, einen Privatsekretär, welcher rntweder der wirkliche Viceköniz >st, oder nicht, wi« e« dem Schicksal gefällt. D«nn da- Schicksal sorgt für da- indische Rrich, weil «S so groß und so hilslo« ist. Einmal gab e« nun einen Vicekvnig, Wilcher «inen unge stümen Privatsekretär mit herüberbrachte — einen harten Mann nut sausten Manieren und einer krankhaften Arbrit«- sucht. Dieser Sekretär hieß Wonder — John Frnnil Wonder. Der Vicekönig besaß keinen Namen — nur eine Flucht von Grafschaften mit zwei Dritteln de- Alphabet« dahinter. Er pflegte im vertraulichen Gespräche von sich zu sagen, er sei die galvanisch vergoldete Gallionfigur einer goldenen Ver waltung; und er beobachtete in stillvergnügter Weise Wonder'« versuche, Dinge, die ganz außer seiner Sphär« lagrn, in Vie Hand zu bekommen. „Wenn wir einst alle Cherubim sind", sagte Seine Excellenz einmal, „wird mein lieber guter Wonder sich an die Spitze einer Verschwörung stellen, um Federn au- Gabriel's Flügeln au-znreißen, oder Petrus Schlüsselbund zu stehlen. Dann aber werde ich über ihn Klage führen." Diese kleine Geschickte, die Jeder bei Reclam selbst nach lesen kann, endigt ergötzlich. Auch als Poet hat Kipling sich Ruhm verschafft, seine..Department»! ckitties" sind in achter oder zehnter Auflage erschienen. Ans dieser Auflage mag man die Berühmtheit Kipling'- ermessen. Am 20. Februar diese- IakreS webte wieder einnial ein heftiger Blizzard (Sckneesturni) über New Aork. Der Dichter, er ist eine mittlere Persönlichkeit mit einem schwarzen Schnurr bärtchen und mit einer Brill«, um ihn vorzustellrn, erkältete sich und bekam eine Lungenentzündung. Seit diesem 20. Februar spielt nun der Telegraph in Amerika, England und Indien und die Zeitungen veröffentlichen täglich Bulletin- über da« Befinden des ZJjäbrigen Manne«. Man kann keine englisch« Zeitung in die Hand nehmen, ohne daß man nickt aus spaltenlange KrankbeitSberichte und Wünsche für sein Wohlergehen stößt. Alle Stunden ist man in London über jede Pbase seiner Krankheit unterrichtet und daS englische Publicum wie daS amerikanische nimmt daran ungeheuchelt Theil. Inwieweit nun aber gerade Deutschland durch da- Wolff'scke Bureau erfahren muß, daß dem Dichter auch ein kleines Mädchen von sechs Jahren gestorben ist, ist un« freilich nicht erfindlich. Chamberlain, Churchill, Marquis« of Lorn« (di« Tochter der Königin), nm unter den Viel«n rinige zu nennen, lassen sich tagtäglich Be richt erstatten und die Presse verzeichnet getreulich den Wort laut der Telegramme. Die Arbeit der Beantwortung dieser Anfragen nimmt gewiß Frau Kipling stark in Anspruck. Rudyard Kipling ist obn« Zweifel rin bedeutender eng lischer Romanschriftsteller, ehrlich und Überzeugt, nicht liebe dienerisch, sondern von den besten Absichten beseelt, dem deutschen Volke ist er indessen ziemlich unbekannt. Wir haben in Deutschland ebenso große Dichter, ebenso klare Köpfe, wir glauben aber nicht, daß man sie mit der- selb«n Aufmerksamkeit behandeln würde, daß man sie so feiern würde, wie man e« jetzt während feiner Krankheit mit Kipling thnt. Mag sein, daß da- deutsche Volk immer noch zu phlegmatisch ist, um seine Bewunderung für seine b«strn Laudileut« auSzudrückrn. Hat dock selbst ^pielbagen'S 70jäbriger GeburtStag nicht all« Deutschen mobil gemackt uns hat doch Mancher unter den Gratulanten gefehlt, von dem man sonst Aufmerksamkeit nach jeder Richtung hin g«- wöbnt ist. G. H.
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