Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990310023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899031002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899031002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-10
- Monat1899-03
- Jahr1899
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS-PreiS 1» der Hau-texpedition oder den im Stadt, bezirk and den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^<4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung inS Ausland: monatlich 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags'um 5 Uhr. Nedaction im- Expedition: Aohanntsgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: Vtt« Klemm s Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum). Louis Lösche, Latharinenstr. 14, Part, und KönigSplatz 7. Abend - Ausgabe. KjpMtt C agMaü Anzeiger. Amtsvlutt des Äönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Notizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4ge. spalten) 50^Z, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. ^rtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesvrderung 60.—, mrt Postbeförderung ./i 70.—. ^nnatsmeschloß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 126. Freitag den 10. März 1899. 93. Jahrgang. politische Tagesschau. * Leipzig, 10. März. Ter Zufall hat es gewellt, daß an einem und demselben Tage in den beiden ans Wahlen hervorgegangenen Berliner Parlamente» Material zur Beurtheilung der Frage eines Zusammengehens von Liberalen mit dem Centrum bei gebracht worden ist. Die Antwort muß dahin lauten, daß selbst die Conservativen, wenn sie ihrem Namen und ihrer Bergangenbeil treu bleiben wollen, mit dem Klerikalismus nicht gemeinsame Sache machen können. Cs war nun auch ein Conservativer, v. He ydebr and, der im Ab geordnet en - Hause, wo der Cultusetat zur Berathung stand, sehr zu seinem Schmerze, wie er hervorhob, das Centrum als eine Partei befand, die von ganz anderen Voraus- sctzungen auSgehe, als die staatserhaltenden Parteien. Der conservative Redner sagte das nicht gerade heraus, aber eS lag in jener doppelten Feststellung: einmal, daß die Ultra montanen im Reichstage nicht in einem Gefühl der Pflicht gegen das Reich, sondern nm parteipolitischer und kirchlicher Bvriheile willen sich den StaalSnvthweudigkeiten nicht mehr ganz verschließen; sodann, daß die katholische Kirche und mit idr daS Centrnm nickt Parität, die sie genießen, sondern Bvrtheile anstrcbcn. Beide Feststellungen waren freilich auch für eine» Conservativen unvermeidlich, nachdem der CentrumS- redner Dauzen berg einerseits die Politik des cko, ut des, andererseits die der völligen Freiheit, d. h. der unumschränkten Herrschaft der römischen Kirche, mit einer den diplo matischen Parteigenossen vielleicht nicht ganz erwünschten Aufrichtigkeit proclamirt hatte. Daß der nationalliberale Friedberg wie der freiconservative v. Zedlitz die klerikalen Ansprüche ebenfalls und in entschiedenerem Tone als der Conservative zuriickwiesen, braucht nicht gesagt zu werden, ebenso überflüssig ist es, hervorzuhebcn, daß der Redner der freisinnigen Bolkspartei, Herr Kopsch, kein Wort dcS Protestes gegen das fundamental freiheits- und schul-feindliche klerikale Programm sand; er hielt eine Hetzrede gegen den Minister v. Hammerstein. Das ist die Partei, deren Presse sich in den letzten Tagen den Anschein gab, als ob sie ein „schwarzes Cartell" be kämpfen wollte. Im Vergleich zu dem Wortführer des „ent- tchicdeneu Liberalismus" erschien der Minister Bosse wie ein wirklicher Liberaler oder Loch wenigstens wie ein Vertreter der Staats- und Lcr Schulintercssen. Sehr ernst darf man cs bekauutlich nicht nehmen, wenn der preußiscke Cultus- minister gegen das Centrnm eine „feste Sprache" führt. Seine Erklärung, daß er niemals in die Wiederherstellung der katholischen Abtheilnng bei seinem Ressort willigen werde, war denn auch mit einer abfälligen Kritik Les Cultur- tampfeS, mit freilich nur bedingten Coinplimciiteu für die geistliche Schulaufsicht und mit der Einladung an das Centrum garnirt, Anträge wegen Beseitigung der Cultur- kampfreste zu stellen. Der Minister zeigte sich sogar dazu bereit, den Klerikalen das bierzu etwa bcnöthigte Material zur Verfügung zu stellen. Immerhin schwang sich Or. Bosse zu der Erklärung empor, daß auf dem Kirchen- und Schulgebiete nicht so regiert werden könne, als ob in Prenßen Protestanten überhaupt nicht existirten. Mit einer durch diese Anerkennung bedingten Beschränkung der Zugeständnisse an den Ultra- montauiSmus wird sich dieser aber nicht zufrieden geben und darum bleibt es bei dem, was der Abg. Friedberg bemerkte: mit einer Partei, die das anstrebt, waS sie gestern wieder verlangte, ist ein Friede überhaupt nicht möglich. Dies zeigte sich auch im Reichstage. WaS die Regierung in ihrer lex Heintze, die gestern zur ersten Lesung stand, zum Gesetz erhoben sehen will, geht sehr weit. Die zu ihrem Entwürfe gestellten CcntrumSanträge über den Arbeitgeber- und die Kunst- und Literaturparagrapben würden das ge werbliche Leben und auch weite Gebiete deS Kunstlebens ersticken. Erfreulicherweise erscholl denn auch von allen Seiten daS Wort: unannehmbar. Wenigstens läßt die von dem Abg. Limburg zur Regierungs vorlage geäußerte Zustimmung vermuthen, daß auch die Conservativen für keine Bestimmung zu haben sind, die pjäffischer DenunciationSsucht Tbür und Thor öffnet. Die Negierung, darüber lassen die Erklärungen des Staats sekretärs Nieberdin g keinen Zweifel, wird festbleiben. WaS der Vertreter des Bundesratbes für sein en Vorschlag geltend machte, nämlich daß ein Niedergang der Sittlichkeit zu beklagen sei, ist eine Behauptung, die doch erst unter Beweis zu stellen wäre. Jedenfalls besteht keine Hoffnung, besonders scheußliche Fälle von Unsittlichkeit, wie sie den Gedanken zu diesem ganzen Acte eingegeben haben, durch Gesetze hint anzuhalten. Manches in dem Entwürfe scheint zweckmäßig, aber das Ganze ist, wie der nationalliberalc Abgeordnete vr. Endemann nachwies, der sich bei dieser Gelegenheit auch mit dem Abg. Paasche und dessen Anschauungen von Kirchlichkeit auseinandersetzte, ein sehr unorganisches Gebilde. Die Militärvorlage wird im Plenum dcS Reichstags schon nächsten Dienstag zur zweiten Lesung gelangen und eS ist dringend zu wünschen, daß dann der Reichstag vollzählig beisammen sei. Gegen die Abstriche, die vorgestern in der Budgetcommission nach den Anträgen der Centrumsmitglieder beschlossen worden sind, hat bekanntlich der Kriegsminister v. Goßler bereits schwere Bedenken geäußert; wie die „Nat.- lib. Corr." erfährt, werden die von der Commission aus gesprochenen Bewilligungen auch an maßgebendster Stelle nicht als ausreichend angesehen. In der Tbat sind die Ab striche so groß, daß sie den Hauptzweck der Jnfanteri-verstär- knng vereiteln. Bei diesen Abstrichen ist cs einerseits nicht möglich, die Grenzbataillone auf den erhöbten Etat zu bringen, dessen sie bedürfen, um im Falle des Krieges dem ersten Stoße des Feindes ein ausreichendes Gegengewicht zu bieten. Sodann ist eS nicht möglich, nach Erhöhung der bisherigen Bataillone mit dem niedrigsten Etat auf den mittleren Etat die gesammten Bataillone vom mittleren Etat auf eine derartige Etatsstärkc zu bringen, wie sie von allen militärischen Autoritäten für nötbig ge halten wird, um unter Beibehaltung der zweijährigen Dienst zeit die Truppen in der alten Schlagfertigkeit zu erhalten. Eine solche Vermehrung der Etatsstärken der mittleren Bataillone wäre nur durchzuführen, wenn man die Grenz bataillone noch unter den gegenwärtigen Status herabdrücken wollte. Von nationalliberaler Seite wird auch weiter Alles geschehen, um eine friedliche Lösung herbeizuführen; um so weniger aber glaubt das genannte Parteiorgan mit der Ansicht zurückhaltcn zu dürfen, daß krit isch e Entscheidungen nicht ausgeschlossen seien, wenn es bei den Beschlüssen der Commission bleibe. Die Haltung des Centrums ist jeden falls eine ganz ungewöhnliche. Die Windthorst'sche Oppo sition hat sich stets gehütet, in das militärtechnische Gebiet sich zu versteigen; selbst im SeptennatSconflicte bewilligte es — worauf es sich damals viel zu gute that — „jeden Mann und jeden Groschen" und wendete sich nur aus angeblichen staatsrechtlichen Be denken gegen die dauernde Bewilligung. Bedenken solcher Art sind diesmal nach den Ausführungen des Abgeord neten vr. Lieber völlig ausgeschlossen, so daß man nur annehmen kann, das Centrum wolle seine Macht anS Licht stellen und bei einer der wichtigsten nationalen Fragen den Beweis führen, daß sein Wille das höchste Gesetz sei. Gerade einem solchen Auftreten gegenüber wäre eS beschämend, wenn die Regierung klein beigeben müßte. Daß sie überhaupt vor diese Frage gestellt worden ist, verdankt sie übrigens nicht dem Centrum allein. Als am Mittwoch in der Commission Herr Or. Lieber sein „äußerstes Zugeständniß" gemacht hatte, bemerkte ingrimmig Herr Eugen Richter, eS würde wenig Zweck haben, noch ernstlich über die Sache zu sprechen. In der That ging Alles, wie der CentrumSfübrer eS vorschrieb, eS ging aber nur deshalb so, weil Herr Richter und sein Gefolge ge treulich hinter Herrn vr. Lieber hermarschirten. Die vom Abg. vr. Bassermann befürwortete Regierungsvorlage wurde mit 13 gegen 12 Stimmen abgelehnt. Hätten die Vertreter der freisinnigen Bolkspartei ebenso für die Vorlage gestimmt, wie es der Vertreter der freisinnigen Vereinigung gethan hat, so wäre diese angenommen worden und Herr Lieber wäre mit seinen Vorschlägen in der Minderheit geblieben. Wie in diesem Falle, so war eS auch im vergangenen Jahre bei der Marinevorlage und so war es schon unzählige Male. Immer wieder haben die Fortschrittler eS veranlaßt, daß Sein oder Nichtsein von der Gnade des CentrumS abhingen. Sie haben durch ihre ständige Negation die Zersplitterung und Ohnmacht der bürgerlichen Parteien veranlaßt. Es ist allerdings tief beschämend, daß wir immer wieder daS Schauspiel des triumphirendcn Centrums erleben müssen, aber die Männer von der freisinnigen Volkspartei handeln nicht klug daran, wenn gerade sie an die Wunde rühren. Denn die Beschämung über die Macht des CentrumS wandelt sich dann in den Zorn gegen diejenigen, denen diese Macht zu verdanken ist. In den letzten Tagen machte die Abreise des russische» Gesandten SchadowSki aus Belgrad, welche durch seine Nichteinladung zu einem Hoffest veranlaßt war, viel von sich reden, doch faßt man das Borkommniß allgemein so auf, daß es keinen Bruch Rußlands mit Serbien herbeiführcn wird. Da SchadowSki gegen allen diplomatische» Brauch gehandelt, wird er wohl abberufen werden, woraus allerdings noch nicht gefolgert werden kann, daß in den persön lichen russischen Beziehungen zu Milan eine Besserung eintreten wird. SchadowSki hatte sich schon vom Beginne seines Belgrader Aufenthalts zu Hof und Regierung in ein sehr unfreundliches Verhältniß gestellt. Er unter ließ eS, den Exkönig Milan, den Vater deS Königs Alexander und Obercommandanten der serbischen Armee, so oft er mit ihm zusammentraf, zu grüßen, so daß Milan schließlich, um auSzuweichen, seinen Aufenthalt nach Nisch verlegte. Dieselbe Unterlassung beging er dem Minister präsidenten gegenüber, der nicht immer in der Lage war, bei osficiellcn Gelegenheiten persönliche Begegnungen zu vermeiden, und oft in unmittelbarer Nähe SchadowSki's sich aufhalten mußte, obgleich dieser ihn beharrlich als Luft betrachtete. So unerträglich auch auf die Dauer der Verkehr von Hof und Negierung in Belgrad mit ihm sich gestalten mußte, so ist doch die Antwort mit der sofortigen Abreise von verblüffender Deutlichkeit und ein wahres Cabinetsstück in der an solchen Ucberraschungen nicht armen Politik der russischen Diplomatie. Man braucht nicht an Mentschikow und dessen Auftreten in Konstantinopel zu erinnern; es genügt, des General Kaulbars und auch des Vorgängers SchadowSki's, des Herrn v. Persiani, zu gedenken. Es ist aber in Anbetracht aller äußeren Anzeichen, in denen sich daS seit zwei Jahren veränderte Verhältniß zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland bisher gekennzeichnet hat, ganz unwahrscheinlich, daß das Verhalten SchadowSki's ein Symptom der russischen Orient-Politik darstellt, schon des halb, weil diese plötzlich auf den alten Weg zurückgekehrt sein müßte, wozu nirgends rin Anlaß wahrzunehmen ist. Auch die KaulbarS und Menlschikow gingen mit der kosakischcn Praxis, die sie in die Diplomatie einführten, viel weiter, als eS in den Absichten ihrer Auftraggeber lag, und sie wurden nachträglich verleugnet. So wird Wohl auch, wie zu hoffen steht, SchadowSki die Zurechtweisung nicht erspart bleiben, denn es sind doch auf Lein Balkan noch andere und wichtigere Dinge im Spiele, als die Uebertreibungen persönlicher Gereiztheit im diplomatischen Verkehr. In Belgrad giebt man sich der Erwartung hin, die Abreise SchadowSky's bedeute den Abschluß einer Gesandten- Thätigkeit, die reich an taktlosen Episoden war. Ma» hofft, daß die bedauerliche Sache nicht Lauernd die Beziehungen zwischen Serbien und Rußland beeinträchtigen werde, daß diese vielmehr bald in ein normales GleiS kommen werden, und zwar durch die Ersetzung SchadowSki's durch einen Diplomaten, der der Selbstständigkeit Serbiens nicht nahc- zutreten und die Gefühle des regierenden Königs nicht demon strativ zu verletzen, das Bedürfniß empfinden wird. Der augenblicklich zwischen Rutzland und England schwebende Streit wegen der chinesischen Nordbah» schien wieder dahin auSgehen zu sollen, daß beide Theile sich an daS Tsung li Damen hielten, daS angeblich Beiden daS Wort nicht gehalten, und nun durch neue Landforderungen sich bezahlt zu machen suchten. So hätte das Tsung li Damen abermals als dünne Scheidewand zwischen den Gegnern gedient, aber jedem der beiden Concurrenten hätte sich dabei das Gefühl erneuert, eS dürfte das letzte Mal gewesen sein, daß diese Scheidewand Stand hielt, leicht könnte es der Fall sein, daß sie plötzlich einstürzte und ver schwände und beide Feinde sich Auge in Auge gegen überständen. Diesen Punct hebt namentlich die „Westminster Gazette" bervor, indem sie eS als unnütz erklärt, stets nur mit dem Tsung li Damen unterhandeln zu wollen, statt mit dem Gegner direct. DaS Blatt schreibt u. A.: „Das Tsung li Damen hat gar keine Bedeutung; es registrirt einfach nur mechanisch die Kräfte. Es ist England nicht freund licher, als Rußland oder Deutschland, und befolgt die Politik des kranken Mannes, eine europäische Macht gegen die andere aus- zustacheln; kann es das nicht mehr, so befreundet es sich mit der gefähr lichsten. Im vorliegenden Falle wird die chinesische Regierung eine britische Einflußsphäre im Süden schaffen als Gegengewicht gegen den russischen Einfluß im Norden. Die schließliche Entscheidung aber wird davon abhängen, welche Macht von beiden China gegen die andere vertheidigen wird. Zum hundertsten Male müssen wir es sagen, daß eine befriedigende Lösung nur durch dirccte Verhandlungen zwischen London und Petersburg erzielt werden kann. Der russische Anspruch ist bekannt, nämlich, daß keine Macht vorwiegenden Einfluß über Eisenbahnen und Häsen nördlich vom Golk von Pctschili haben soll. Das kann eine übermäßig große Forderung sei» oder eine, welche wir bedingungsweise zugebcn können. Mag sie sein, wie sie will, jedenfalls werden wir sie nicht beseitigen, indem wir uns bemühen, das Tsung li Damen zu ver anlassen, ihr Widerstand zu leisten. Müssen wir der Forderung Fenilletsn. Wang-hgan-Ch6. Roman von Sylva Testa (L. Frfr. von Stavl-Holstein). Nachdruck vcrboNn. In jeden kleinen Käfig wurde nun ein Röhrchen gesteckt und das Thier schlüpfte, Schutz suchend, sofort hinein. Aber nicht lange durfte es sich seines Versteckes freuen, denn auf «inen Por- zellantellcr mit flachem Boden und steilen Seiten wurde es wie der hcrausgeblasen. Anfangs standen sie sich auf ihrer Arena dumm und stumpf gegenüber, rückten dann langsam vor und geciethen plötzlich, als ihre Fühlhörner sich berührten, in grimmige WUih, so daß sie auf einander losstürzten, sich packten unid hin- und herzerrten, bis der Eine todt auf dem Platze blieb. Ding-Pu hatte über dem Reisbranntwein und Grillenkampf seine schlimme Lage ganz vergessen, that so groß wie immer und prahlte unmäßig mit den Vorzügen seines Kämpen, bis dieser, ein Sieger in drei Turnieren, todt am Boden lag. Auch in ven weireren Zweikämpfen war das Glück meist auf des Prinzen Seit«, der vergnügt mit seiner schweren Zunge schnalzte und die endlosen Schmeicheleien seiner Clienten entgegennahm. Endlich, als hundert brave Grillen -ihr Leben gelassen hatten, wurde di« allein übrig«, «in« Ncuntödterin, zu ungeheurem Preise versteigert und die leichtfertige Gesellschaft brach auf, um den Rest der Nacht auf den berüchtigten Blumenbooten, die nicht kveit vom Palastc am Seeufer ankerten, im Kreis« plattnasiger Schönen zu verjubeln. Dreizehntes Capitel. Dhsia faß auf der Thürschwelle ihres Gemaches, das sich nach dem kaisrrlichen Garten öffnete und trank in tiefen Zügen den Duft der lauen Frühlingsnacht: Rosen nickten ihr zu Häupt«n; in der Ferne schlug die Nachtigall und rauscht« der Bach — es hätten die murmelnden Wellen des Dang-tse-Kiang sein können. — Ja, damals — ein armes Fischer Mädchen und doch im Besitze seiner Liebe unendlich reich — diel reicher als dir Kaiserin selbst. — Sie rief sich's Alles wieder zurück. Auf einem Schiff war er gekommen und ans Land gestiegen; in ihre Hütte war er getreten, so schön, -wie sie noch keinen Menschensohn gesehen; er hatte sich einen Krug Milch erbeten, und dann war er da geblieben und im Nachen mit ihr gefahren, ihre Netze zu heben. In stiller Abendfeier auf dem blauen Flusse hatten ihre jungen Herzen sich gefunden. Seitdem wichen sein strahlendes Bild und seine Worte ihr nicht aus dem Sinn, geheimnißvolle Worte von Menschenglück und Freiheit, und andere, die sie besser ver stand, von Liebe und Treue und Wiederkehr. — Ach, warum kehrte er nicht wieder? Hatte ihn und sein Schiff das große Meer verschlungen? Oder war er mit den weißen Segeln zur Sonne aufgeflogen? Ja gewiß, er war kein Sterblicher — er wohnte droben im goldenen Licht, und darum kam er nicht wieder; aber Noth und Elend kamen und klopften täglich an die Thür. Vater und Mutter sahen, Matten flechtend, am Boden und sangen: „Wir binden manch' geduld'gen Bast, Der gut und weich zur Matte paßt. Wir binden's für des Reichen Haus, Er schreite glücklich ein und aus. Und wenn die Hand den Faden zieht, Die Lippe tönt ein traurig Lied. Weit ist der Weg zu Brahma's Ohr, Manch' frommer Priester steht davor. Lang währt die Zeit, schwach ist die Kraft, Wann endigt je die Pilgerschaft? Der Tag zerrinnt, das Jahr geht hin. Uns Armen bringt es nicht Gewinn. Geboren in des Elends Schooß, Zieht uns das Elend alt und groß. Und schließt des Einen Lebens Lauf, Zu neuem Elend wacht man auf. D«r Gram hat's gut mit uns gemeint, Er bleibt bei uns als treuer Freund. Die alt« Noth kann nimmer ruh'», Macht stets um uns sich was zu thun. Der Hunger hat uns nie gehaßt, Er kommt zu uns, ein häuf'ger Gast. Es wankt der Felsen schwer Gewicht, Des Fluches Last bewegt sich nicht. So leben Tag um Tage wir. Was sollen Klag' und Thränen hier? Doch flechten wir in Bast und Lein Manch' arme Thräne mit hinein! Es klingt des ganzen Lebens Zeit Das alte Lied von uns'rem Leid. Es klingt und wird allein nicht müd' Von uns'rem Leid, das alte Lied. —" *) Es kam ein Schiff, das nach der großen Stadt fuhr, und die Leute sagten, dort gäbe es Verdienst genug; da zogen denn die Dreie mit hinab. In der großen Stadt saßen die Alten wie daheim an ihrem Binsengeflechtr, und Dhsia trug die bunten Matten auf den Markt. Hier sah em kaiserlicher Palastbeamter das schöne Mädchen und nahm es mit sich. Die Alten sollten Brod haben, sagte er, -und Dhsia schöne Kleider. Und nun war sie des Kaisers Gefährtin. Ja, mehr noch — seinem Herzen die Nächste; sein einziges, vertrautes»Lieb. Dhsia's Schicksal hätte alle Fürstentöchter Chinas bis in den Himmel erhoben — und sie — sie gedachte mit heißen Thränen eines Frühlingsabends im Fischerkahne auf dem blauen Fluß. Und doch war Chen-Tsung, der Erhabene, so edelmüthig und mild; ihr Leben hätte sie für ihn lassen können; aber ihre Liebe konnte sie ihm nimmer schenken. Wie war er heute wieder so bleich und sorgenmüd' gewesen, und nun wachte er noch in später Nacht mit jenem Wang, der zu jed«r Stunde bei ihm eintreten durfte. Heute, endlich hoffte sie, daß es ihr gelingen werde, den allmächtigen Günstling ihres Herrn zu sehen, denn hier mußte «r vorbcikommen, wenn er den Garten durch das geheime Gitterpförtchen verließ, zu dem der Kaiser ihm den Schlüssel hatte übergeben lassen. Da, horch, Schritte — sie beugte sich noch mehr vor; der Mond schien ihr hell ins Gesicht. Nun trat eine hohe Gestalt aus dem Mauer schatten und wandte unwillkürlich den Kopf nach ihrer Seite; «in Aufschrei — und die Langgetrennten hielten sich umfangen. Wortlos lagen sie einander in den Armen. Ach, sie hatten sich wi«der gefunden, um — für immer zu scheiden; aber das war ihnen in diesem seligen Augenblick nicht bewußt. Erst als sie einander unter lächelnden Thränen Alles gesagt hatten und ruhiger geworden waren, sprach Wang tiefbewegt: „Müssen wir uns auch trennen, Dhsia, und wirst Du dem Kaiser ein treues, liebendes Weib sein, so bleibst Du dennoch im höchsten Sinne mein, Du Blume meiner Seele: meiner großen Sache Fürsprecherin am Thron, der edle Schuhgeist Deines Freundes und unseres Volkes. Nie wird Dein Wang einer Anderen sein Herz schenken, er schwört es Dir mit heiligem Eide. Dhsia! Sei unserer Liebe werth, sei stark!" Und er machte sich sanft aus ihren Armen los, drückte ihre *) Leopold v. Schröder. Hände noch einmal mit einem Blick voll unsagbarer Liebe und verschwand im Schatten der Bäume. Es war der schwerste Kampf seines kampfreichen Lebens ge wesen und der herrlichste Sieg, den er jemals errungen hatte, dieser Sieg über sein junges Herz. „Dhsia, sei start", wiederholte sie sich, leis« schluchzend das Antlitz in den Händen bergend, „sei am Thron die Fürsprecherin der großen Sache, ein Schutzgeist Deines Freundes und Deines Volkes." Sie wollte ihm gehorchen, ihr Leben seinem Dienste weihen. — Ach, warum sagte er nicht: Entflieh' mit mir! Warum konnte sie nicht ihres Freundes Schutzgeist in der kleinen Hütte am Dang-tse-Kiang sein und Kaiser und Volk an seinem Herzen vergessen? — VierzehntesCapitel. Shö-ma-Kuang hatte sich mehr und mehr von den Geschäfien zurückziehen müssen, da es ihm nur zutam, den Kaiser zu be raten, wenn dieser ihn rustn Vieh, ihn zu befragen, oder ihm wichtige Aufträge zu ertheilen. Chen-Tsung rief ihn jetzt nie mehr, und so erwartete er, in beschaulicher Einsamkeit, di« Stunde, die ihm seinen Einfluß wiedergeben sollte; denn dem n«uen Staatsgebäude fehlte die, seiner Ueberzeugung nach, uner läßliche Basis: die Tradition. Das Luftschloß eines geistvollen Schwärmers und eines bethörten Kaiserjünglings mußte, wie «ine schillernde Seifenblase, im Wirbelwinde der Wirklichkeit verschwinden. „Nicht ich werde dem kühnen Reformator d-as Grab graben, das werden seine Mißerfolge thun", dachte der Weise, sich in Geduld fassend und die langenibehrtc Ruhe beinahe genießend. Seiner Gattin, die ihn liebevoll besorgt fragte, ob er nicht unter seiner Entfernung vom Machtcentrum schwer leide, entgez. nete er lächelnd: „Mein Garten ist jetzl meine liebe Welt, in der mir jeder Tag zu kurz erscheint: die sterbenden Sonnenstrahlen find«n mich auf einem Baumstämme sitzen, dem Fluge der Schwalbe und den Liften der Weihe zuschauend. Das Rauschen der Wasser, vag Gesäusel der Blätter im Winde, die Schönheit des reinen Him mels lullen mich in süße Träumerei; die ganze Natur spricht z« meiner Seele: ich verirre mich im Zuhörcn: der Mond überoscht mich, noch in Betrachtung versunken, und erst die Nacht führt mich langsam meiner Wohnung zu. Freunde kommen, mir ihre Werke vorzulesen und die meinen anzuhören. Der Wein erheitert unsere einfachen Mahlzeiten, denen ernstere Gespräche folgen, und wäh rend der Hof dem G«nusse zulacht, der Verleumdung sein Ohr leiht, Fesseln schmiedet und Schlingen stellt, rufen wir hier dir
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite