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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990313019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899031301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899031301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-13
- Monat1899-03
- Jahr1899
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/«? Uhr. dir Abend-Au-gabe Wochentag« um 5 Uhr. Ne-artion und Erpe-ition: JohanntSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Ltts Slemm'S Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Bezugs-Preis in der Hauptexpeditton oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus- «»bestellen abgeholt: vierteljährlich^4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrliährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung in» Au-land: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. MMcr Tageblatt Anzeiger. Aintsölatk des Königlichen Land- nnd Äintsgerichles Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. AuzeigenPreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rrclamen unter dem Redaction»fnich (»ge spalten) 50^j, vor den Familiennachrichien (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeicbniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Änuahmeschlnß für Anzeigen: Abeud«Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgr»«Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anreigea sind stets an di» Expedition zu richten. Druck und Berlag von E. Polz ln Leipzig. m. Montag den 13. März 1899. 93. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Geschäftsräume können in unserem Melde amt», Wächterstraße Nr. 5, am 14. diese» Monats und am 15. dieses Monats vormittags in Abtheilung I, Buchstabe Ll.—2. (für bleibende Einwohner), ferner am 15. dieses Monats in Abtheilung N (für Fremde) und in Abtheilung III (für Dienst boten) sowie am 16. und 17. dieses Monats in Abtheilung I, Buchstabe L.—1-. (für bleibende Einwohner) nur dringliche Geschäfte erledigt werden. Leipzig, am 8. März 1899. Das Polizeiamt der Stadt Leipzig. V. R. 1201. Bretschneider. H^ Versteigerung. Am Montag, den 13. d. M , und folgende Tage je von 10 bis gegen 2 Ubr sollen zu Leipzig, Lessingstraße, die zur tkonrnrSmasse Kauth gehörigen Waaren, nämlich: Fahrradbestandtbeile icder Art, al»: compl. Fahr radsätze» gespannte Räder, Felge», Kurbellager, Steuerungen, Ketten, Sättel, sowie Zubehörtheile, wie Glocken, Fuhhaken, Del- und Aeetylenlaternen re. in kleinen und größeren Partien öffentlich meistbietend versteigert werden. Wiederverkäufe! werden besonder» daraus aufmerksam gemacht. Leipzig, den 7. März 1899. Irnutsekolck, Localrichter. Aus dem Leben Albrecht des Geherzten. i. (Nachdruck verboten.) Im Jahre 1464 starb Friedrich der Sanftmüthige. Er hinterließ zwei Söhn«, Ernst, geboren 1441, und Albrecht, ge boren 1443. Zu seinen Lebzeiten hatte er sein Land getheilt, doch verordnet, daß sein« Söhne nicht vor ihrem 21. Jahre eine getrennt« Regierung hrrbeiführen sollten. Diese Bestimmung war hinfällig, denn beide hatten das zwanzigste Jahr über schritten als der Vater starb. Sie traten gemeinschaftlich die Regierung an, Ernst als Kurfürst, und haben sie in voller Ein tracht bis zum Jahre 1487 geführt. Sie hatten «ine gemeinsame Hofhalt-ung in Dresden und auch sonst thaten sie Alles gemein sam. Ernst war wohl der Bedächtigere, Albrecht mehr der leb haft Frische. Schon sein beherztes Auftreten im Rabensteiner Walde, als er von Kunz von Kauffungen geraubt, mit diesem rastet« und den Köhler Schmidt zu seiner Befreiung herbeirief, deutet auf eine gewisse Selbstständigkeit hin. Seine Erziehung war ein« rittirliche, mit Schulweisheit hat man ihn wohl in i jungen Jahren nicht zu sehr geplagt. Im Fechten, Reiten, Jagen l war er Meister, und mit Stolz erzählen die Geschichtsschreiber I von seiner ritterlichen Haltung und seinen Siegen im Turnier. Di« politischen Verhältnisse ließen es angezeigt erscheinen, eine engere Verbindung mit dem Böhmenkönig« Georg Podie brad «inzugehen. Das Haus Wettin hatte damals rin« ganze Anzahl Städte und Landschaften von der Krone Böhmen zu Lehen, und da Georg Podiebrad eine machtvolle Persönlichkeit war, die im Reich« etwas galt, und den abgünstigen und heim tückischen Kaiser Friedrich III., den Bruder von Albrecht's Muttrr Margarethe, in Schach hielt, so war es politisch klug, sich mit dem Könige von Böhmen gut zu stellen. Ein Blick auf eine Landkarte von dazumal lehrt, wie "verzweigt die Herrschaften der einzelnen Fürsten ineinander gingen und wie auch die Lehen vom Besitz abhängig gemacht waren. Georg Podiebrad gab seine Tochter Sidonie Albrecht zur Frau, und wenn auch Man cher und Manche daran mäkelte, daß sie nur die Tochter eines ge wählten Königs war, so verschloßen sich doch diese Stimmen dem politischen Nutzen der Heirath. Bei den vorausgegangenen Verhandlungen war insbesondere Achilles von Brandenburg in freundschaftlichster Weise thätig gewesen, wie sich in jenen Zeiten oft g«nug di« Freundschaft zwischen Sachsen und Brandenburg bewährt hat. Die Hochzeit Albrecht's wurde in Eger gefeiert, wie es scheint, mit großem Gepränge. Er wurde von Georg von Anhalt begleitet und dreißig Pferde waren für ihn bestimmt. Ferner wer den als Begleiter nöch angeführt: der alte Reuße, Friedrich von Schönburg und Veit von Schönburg, Heinrich von Wildenfels und Burggraf Jürge von Leisnig. Mehre Räthe (Rete) zogen mit gen Eger. «Auch eine Canzlei ward mit dahin befehligt, so wie etliche und sechzig Edelleute (Jungherrn). Georg's von Leis nig Gemahlin und einige andere Frauen höheren Standes, „sollten als Hofmeisteriirnrn auf die Königin ein Aufsehen haben, der alte Reuße aber und Heinrich von Bünau das Fräulein füh ren." Von den unteren Hofbedienren werden besonders genannt: reitende Köche, >Küch«nschreiber, Küchenmeister, Kammermeister, Essenträger und Steher vor dem Tisch«. Auch Geschenke durften nicht fehlen, denn „dieß wollt« gebührlich sehn". Dergleichen wurden zugedacht der Königin und ihrer nächsten Umgebung, so wie „der Herren Weiber aus Böhmen", doch wurden hierzu nur tausend Gulden festgesetzt. Auch für ritterliche Vergnügen ward gesorgt, denn es findet sich die Bestimmung: „die dec Königin Jungen sollen sehn, di« sollen renn«n und stechen." Eben so hatte Ehurfürst Friedrich den zur Begleitung nach Eger bestimm ten Edelleuten geschrieben, sie möchten „das Renn- und Stech zeug mit gen Altenburg bringen, damit es von da nach Eger geschafft werden könne, um ritterlichen Schimpf darin zu üben"*). Zur Zehrung berechnete man 500 Schock Groschen, und an Dit- mar von Nürnberg ward geschrieben, daß er sich zu Eger einfindc „mit guten vorläufigen und gemeinen Kleinoden"; auch sollte für Herzog Albrecht zu Nürnberg „ein Sammet, von Silber *) Diese Notizen sind entlehnt aus den Acten des damaligen Marschallamtes und aus dem Schreiben Friedrichs vom 23. Lctober 1459. — 2) Buchholz brandenburg. Gesch. III. S. 132. I wohl mussiret" gekauft werden. Siegmund und Titz von Miltitz, I so wie Caspar von Schönberg erhielten Weisung, an den Hof zu I kämmen, „um sich mit des jungen Herren Farbe bcseiden zu lassen". Theils zur Lieferung, thcils zur Fortschaffung des für das Hoflager bestimmten Weines, nahm man die Aebte zu Chemnitz, Celle, Buch und Grünhain in Anspruch; der Letztere allein sollte für den Transport von 14 Eimern bis nach Oels-nitz sorgen. Probst«, Aebte und Stände des meißner Landes waren verpflichtet, Wagen und Pferde, deren eine große Anzahl nöthig war, zu stellen. So, mit glänzendem Gefolge und nach fürst licher Sitte jener Zeit ging Albrecht von Sachsen nach Eger zur Vermählung mit der böhmischen Königstochter Sidonie. In das J-ahr 1466 fällt der Streit mit Heinrich von Plauen. Es war eine Lehensstreitigkeit, wie so viele, aber ssie wurde im blutigen Kampfe ausgefochten. Von den Wettinern wurde be hauptet, daß ihm von der Krone Böhmen das Vogtland zu Lehen gegeben sei, wogegen Heinrich die Lehnsoberherrschaft des Kaisers einwandte. Die beiden Brüder Ernst und Albrecht führten einen Schiedsspruch Georg Podiebrad's herbei, der zu Gunsten Al- brech-l's ausfiel und ihn zugleich mit der Ausführung des Schieds spruches beauftragte. Damit war es freilich nicht gethan, denn es mischte sich jetzt Rom mit in die Sache. Georg Podiebrad als Utraquist und Anhänger der hussischen Lehre war sowohl dem Papste als dem Kaiser verhaßt und man suchte nun, indem man Heinrich von Plauen unterstützte, Albrecht einzuschüchtern, der schon wegen der Heirath der Tochter des Utraquisten stark ver schnupft hatte. Besonders war es dem Papste darum zu thun, die Verbindung zwischen Sachsen und dem Könige von Böhmen in einem für Ernst und Albrecht nachlheiligen Lichte erscheinen zu lassen. „Es seh", schrieb Paul II., „ihm gemeldet worden, daß der Kurfürst von Sachsen durch den Ketzer Jürgen, der sich nenne einen König von Böhmen, mit verkehrter Hinterlist dahin ge führt (worden), daß er entsagt habe „dem rechtgläubigen Manne, des Papstes lieben Sohne, Heinrich von Plauen, und ihm mit ge waltiger Hand die Stadt und das Schloß Plauen abgenommen habe; in dieser gefährlichen Zeit, da der Ketzer sich nicht anders fleißige, und suche mit verstelltem Gemülhe, alle Rechtgläubige und allermeist seine Umsitzenden mit seiner verdammten Ketzerei zu beflecken." Hierauf drohte der Papst dem Kurfürsten mit dem Banne und dem Jnterdict, welches durch alle Orte der Kur- und fürstlichen Lande sollte aufs Härteste gehalten werden, wenn er nicht aller Gemeinschaft gedachten Ketzers und seiner schänd lichen und unwürdigen Freundschaft sich emhalie. „Eingedenk seyn solle der Churfürst seines klaren Namens, und wie bisher seine Vorältern gethan, so solle auch er jetzt ihren Fußtapfen in klaren Tugenden nachfolgen"; zuletzt erbot sich Paul dazu, den Streit zwischen Plauen und Sachsen durch seinen Sendboten, den Bischof von Lavant, cder durch einen anderen Richter nach des Kurfürsten Wahl, entscheiden zu lassen. So ergriff denn das Oberhaupt der Kirche diese Gelegenheit, um der ihm gefährlich erscheinenden Verbindung zwischen Sachsen und Böhmen, wenn auch nicht in den Weg zu treten, da dies zu spät war, doch aber die Folgen jener Verbindung möglichst zu beschränken, und ein noch näheres Ansch-ließen an Georg zu verhindern. Jenes Schrei den des Papstes ober hatte bei Ernst und Albrecht keineswegs die gewünschten Folgen. Sie würdigten mit Klarheit in einer ausführlichen Schrift, deren Verfasser sich als der Fürsten „ge nüge Sendboten" ankündigt, die Grenzen der päpstlichen Macht, und machten die ihnen als Fürsten, welche deutsche Reichsländer regierten, gebührende Selbstständigkeit geltend, mit nachdrückliche. Andeutung der in dem Bereich der weltlichen Dinge durch die Lage ihrer Länder und sonst gebotenen Staatsklugheit. „Wich tige Dienste", heißt es in jenem Schreiber, „haben die säcksiscben Fürsten der Kirche geleistet, sie haben es mit ihren Ohren ge hört, ihre Aeltern und Acltesten haben sie berichtet, der Werke und der Vortheile, die ihren Vorältern um (wegen) große, schwere, milde und löbliche Werke bezeiget worden, da ihnen die Sorge der Kriege wider die böhmischen Irrungen mit der römi schen Kirche, die Zeit eines ungezogenen Volkes, das sich zusam mengeworfen halte, vor anderen Fürsten und Churfürsten des Reichs befohlen ward." Hierauf geht das Schreiben auf die Verhältnisse von Sachsen zu Böhmen über, und es wird in dieser Hinsicht geltend gemacht, „daß sich kein Volk zu den Meißnern mehr genöthigt als die Böhmen, welche Städte, Schlösser und Länder weggenommen; jene Verbindung mit Böhmen seh alsv vielen Landen ein Jriedenschild gewesen, und obwohl das Un gestüm des Volkes (des böhmischen) mit Verwilligung der Vä:er im Concil zu Basel mit etlichem Vertrag gestillet und geschweige!, so habe es doch nicht abgelasien die Fürsten zu mühen und zu bekümmern. Nun seh auch König Georg Podiebrad durch ge meine Vereinigung aller Fürsten, Grafen, Herren, Ritter, Knechte, Mannen und Städte als König erkannt und gehalten: es seh ihm die Salbung als christlichem König gereicht worden, und auch der römische Stuhl habe ihn anerkannt; jene Zeit hätte es sich wohl gefügt die Dinge zu befürchten und zu besehen, die man jetzt den Fürsten (von Meißen und Sachsen) sehr ins Arge verdenke. Damals habe der Herzöge Vater dennoch den König nicht anerkannt, sondern ihn als seinen Feind behandelt, als Georg mehre sächsisch« Orte härtlich wieder gefordert; am Ende habe man sich friedlich vertragen und sey dahin übereingekommen, daß des Königs Tochter mit Albrecht vermählt, und so die Eini gung mit theuerbaren Pfänden befestet worden; der Papst aber habe sein Angesicht gar von den Fürsten gewendet, gleich als ob sie nie bekannt wären, und gleich als ob keine Tugend aus ihnen gehen möchte." Mit Beziehung auf die Verläumvungen und Gerüchte, die gegen Ernst und Albrecht, besonders durck Heinrich von Plauen, in Umlauf gebracht worden, da sie doch „wie junge Oelbäume, gleich die aus einem guten Stamme her, grüneten", beklagen sich die Herzöge über die Härte und Bitter keit des päpstlichen Briefes, und über die Beschuldigungen in selbigem. „Saget es ein anderer, ihres Gleichen, sie wollten anders dazu reden, aber seiner Heiligkeit wollten sie es zu Gute halten und mit Geduld überwinden; sie wären sicher in Wahrheit erfunden zu werden als sie fern von Betrug sehen". Unter den Heinrich von Plauen zur Last gelegten Thatsachen wurden be sonders gerügt: die Streitigkeiten, die er mit seinen Mannen ge- Fsnrlletsn Oie Heiratsvermittlerin. Humore-ke von Conrad Hübn«r. Nachdruck verboten. Der Stadtbahnzug enteilte dem geschäftigen Treiben der inneren Stadt und dampfte dem eleganten Westen entgegen. Auf der letzten Station war ein junger Mann eingestiegen, der alsbald zwei ihm gegenüber sitzende Damen anzustarren begann. Schon überlegte die ältere Dame, ob sie nicht mit ihrer Tochter in da» Nebrncoups gehen sollte, als der Herr plötzlich seinen Cylinder lüftete, sich vor ihr verbeugte und lebhaft sprach: ,,^Ii, maäamo la baronus, guollö zois clo vous truuver iei. Lv e'est ravis8Lut, guo msltsmowellg votro tills (hier ver beugte er sich vor der jüngeren Dame) vous acc-ompngns." . . . Die beide» Damen sahen ihn verwundert an, er aber fuhr unbeirrt fort: ,,<juancl etes-vous airivöes il Lerlin? Vous me permettrer cks vorm moutrvr ..." Die ältere Dame unterbrach ihn: „Wir verstehen ja recht toohl Französisch, aber da wir in Deutschland sind, so mögen Sie getrost Deutsch sprechen, m«in Herr." Der jung« Mann fuhr zurück: „Wie ist es möglich?" stammelt« er verwirrt. „Nein, diese Aehnlichkeit! Ich bitte tausendmal um Verzeihung, gnädige Frau, daß ich Sie be helligt habe, aber die Aehnlichkeit zwischen Ihnen und der Baronin de Neufville, die ich im letzten Sommer in Biarritz kennen gekernt höbe, ist zu verblüffend. Dieselbe Figur, die selben aristokratischen Gesichtszllge (hier umspielte die Lippen der Dame ein geschmeicheltes Lächeln), dieselbe elegante Haltung, und noch verblüffender, daß Ihr Fräulein Tochter Mademoiselle GSnedi-ve, der Tochter der Baronin, sprechend ähnlich sieht. Also ich bitte die Damen nochmals um Entschuldigung." Die ältere Dame nickte gleichmüthig. Sie schien dem Zwischenfall nicht die mindeste Bedeutung beizulegen. Der junge Mann merkte ober doch, daß ihn von Zeit zu Zeit «in prüfender und nicht eben mißfälliger Blick traf. Der Zug fuhr schnaubend und stöhnend in den Bahnhof „Zoologischer Garten" ein. Die beiden Damen verließen da« Coupe. Es fügte sich, daß auch der junge Herr auf dieser Station sein Ziel erreicht hatte, es fügte sich ferner, daß die älter« Dame, al» si< di« nach der Straße führende Treppe hinabstieg, «in kleines Packet fallen ließ. Der junge Mann hob es eiligst auf, überreichte e» ihr und bat sie nochmal« um Ent schuldigung, daß er sie vorhin anaesprochen hätte. Die freundlich« Antwort der Dame gab ihm den Muth, um die Erlaubniß zu bitten, sich vorskellen zu dürfen: „Assessor Bohmstedt." „Frau Commerztenrath Wvllmer". Er durfte die Damen bis nach ihrem Hause am Kurfürstendamm begleiten und verstand e«, sie so angenehm zu unterhalten, daß die Com- merzienräthin beim Nbschiednehmen sagte: „Uebrigen«, Herr Affeffor, mein Mann wird sich sehr freu«n, Sie kennen zu lernen." * Da» Diner beim Commerzienrath war beendet und man hatte sich in den behaglichen Salon begeben, um eine Tasse Kaffee zu schlürfen. Kurt Bohnstedt war in vorzüglicher Stimmung. Teufel auch, warum sollte er es nicht sein? Er hatte die reizende Ellen zu Tisch führen dürfen, die Weine waren cxcellent gewesen und die Küche des Commcrzienrathes war das Eldorado aller Feinschmecker. Heiter und angeregt, regte Kurt auch die anderen Gäste durch seine geistsprühende Unterhaltung an. Als er Einer der Letzten das gastliche Haus verließ, sagte der Commerzien rath: „Ich hoffe, Sie recht oft bei uns zu sehen, Herr Assessor. Ich bin der Baronin Neufville unbekannter Weise herzlich dank bar, daß sic, ohne es zu ahnen, unsere Bekanntschaft ver mittelt hat." Wieder ist es nach einem Diner beim Commerzienrath, wieder sitzt man in dem gemüthlichen Salon zusammen. Diesmal ist aber Kurt der einzige Gast und dicht neben ihm sitzt die schöne Ellen. Seit acht Tagen sind sie «in glückliches Brautpaar. Ellen schmiegt sich an ihn und sagt mit einem leichten Schmollen: „Das ist aber gar nicht hübsch von der Baronin, daß sie Deine -Vrrlobungsanzeig« noch nicht beantwortet hat. Ich habe doch ein paar so nette Zeilen darunter geschrieben und ihr gedankt, baß sie mich mit meinem Schatz zusammengeführt hat. Oder ist sie etwa gar zu stolz, uns schlichten Bürgerlichen ein paar Zeilen zu gönnen? Oder ist sie etwa vielleicht verdrießlich, weil sie gedacht hatte, daß Du ihre Gäneviöve —" Kurt schloß ihr mit einem Kuß den Mund. „Die Baronin wird schon schreiben. Du liebes Närrchen." Richtig bracht« auch acht Tage später Kurt einen Brief von der Baronin Neufville an. „Der Brief ist sehr nett, sehr herz lich", sagte Ellen, nachdem sic ihn durchflogen hatte, „aber weißt Du, Schatz, da« Französisch ist zwar sehr elegant, aber grobe orthographische Fehlen brauchte eigentlich eine Baronin nicht zu machen. Sieh 'mal, hier hat sie bei „ckonnes" das s weg gelassen." Kurt hüstelte, dann sagte er mit leichter Befangenheit: „Habe ich Euch denn gar nicht erzählt, daß die Baronin von Geburt Engländerin Ist? Sic ist die Tochter eine» bekannten englischen Sportsman», Baron Neufville lernte sie beim Derby kennen, verliebte sich in sie und entführte sie nach seinem Bater- lande. Trotzdem sie nun schon seit mehr als 20 Jahren in Frankreich lebt, beherrscht sie wohl die französische Sprache in der Unterhaltung, aber ihre Briefe erfreuen sich, wie mein kleiner Schulmeister bemerkt hat, einer mangelhaften Orthographie." „Also eine Engländerin ist die Baronin?" sagte Mama Commerzienrath: „Engländerinnen sind entweder sehr häßlich oder sehr hübsch." „Die Baronin Neufville ist natürlich daS Letztere", erwiderte der galante Kurt, „wie könnte sie sonst Dir, liebste Mama, ähn- lieh sehen." „Schmeichler", lachte die Commerzienräthin. „Du müßtest Dir ober wirklich einmal die Photographien von der Baronin und Fräulein GtneviKve schicken lassen, damit wir diese inter essante Aehnlichkeit feststellen können." „Kannst Du haben, liebst« Mama. Uebrigens, Mausi", wandte sich Kurt an Ellen, „das gehört sich doch gar nicht, daß ich nur die große Cabinetphotographie von Dir besitze; kannst Du mir nicht auch ein kleines Bild von Dir verehren?" „Gern, mein Herz." * * * Einige Wochen später betrachteten die Damen neugierig die Photographien, die ihnen Kurt präsentirte. „Tourtin, Boule vard des Italiens" stand auf der Rückseite. „Einer der tüchtigsten Photographen von Paris", erklärte Kurt. „Will's schon glauben,,, erwiderte Mama Commerzienrath. „Die Photographien sind sehr hübsch. Die Aehnlichkeit ist aller- bingS frappant, sowohl zwischen der -Baronin und mir, wie zwischen Göneviöve und Ellen. Selbst die Frisur ist eine ganz ähnliche." Auch Ellen fand die Photographien sprechend ähnlich, „aber", meinte sie mit verzeihlicher weiblicher Eitelkeit, „ganz so hübsch wie ich bin, ist Gönevieve doch nicht, meinst «Du nicht auch, Schatz?" „Natürlich nicht", erwiderte Kurt und brach dabei in ein Helles Lachen aus. „Worüber lachst Du?" fragte die leicht empfindliche Ellen. „Ich freue mich blos, Schatz, daß ich die hübschere von Euch Beiden bekomme. Nun gielb mir die Photographien wieder her und gieb Deinem galanten Bräutigam einen herzhaften Kuß." Also geschah es. * * * Kurt und Ellen sind standesamtlich getraut. Morgen soll das große Hochzeitsfest stattfinden, heute soll nur die Baronin Neufville, di« mit dem 6-Uhr-Zuge aus Paris eintreffen soll, an dem Familiendiner theilnrhmrn. Oskar, Ellen'» Bruder und ein hoffnungsvoller Primaner, ist nach dem Potsdamer Bahnhof gefahren, um die Baronin abzuholen. An -der auffallenden Aehnlichkeit mit seiner Mutter mußte er sie ja erkennen. „Wo die Baronin nur bleibt?" murrt der Commerzienrath. „ich hab« schon einen Mordshunger. Wenn Oskar sie verfehlt haben sollte, müßte er doch wenigsten» ohne sie zurückkommen." „Er wird ohne sie kommen", erwidert Kurt. „Was meinst Du damit?" fragt erstaunt Ellen. „Daß die Baronin nicht kommen wird", sagt Kurt mit ge künstelter Leichtigkeit. „Nicht kommen wird?" «chot e» von drei Lippenpaaren zurück. „Nicht kommen wird oder nicht kommen kann, da» ist ganz dasselbe", sagt Kurt mit verzweifelter Lustigkeit, „denn wer nicht existirt, kann auch natürlich nicht kommen." Ellen glaubt, daß Kurt plötzlich verrückt geworden ist und rückt entsetzt von ihm ab. „Nicht existirt?^ wiederholt sie mechanisch mit bleichen Lippen. Der Commerzienrath ist der Einzige, der noch einigermaßen seine Fassung behalten hat. „Darf ich bitten. Dich zu erklären?" sogt er in geschäftsmäßigem Tone. „Gern, lieber Papa",' antwortet der freche Kurt. „Also die Baronin ist eben nur ein Phantasiegebilde von mir. Wie ich damals in die Stadtbahn einstieg und Dich sah, meine Ellen, durchzuckte es mich wie ein elektrischer Schlag. Mit visionärer Sicherheit durchfuhr mich der Gedanke: „Die muß Deine Frau werden." Aber wie eine Anknüpfung finden? Erst dachte ich daran, ob ich Dich nicht zum Fenster hinausschleudern unv Dir nachstürzen sollte, um Dich zu retten. Aber das wäre unbequem und unsicher gewesen. Dann wollte ich den Zug zum Entgleisen bringen, um Dich aus der Ohnmacht, in die Du bann noth- wendiger Weise gefallen wärest, zu erwecken. Aber so etwas ist leichter gesagt wie gethan. Schließlich kam mir, Gott weiß wie, der Gedanke, Deine Mutter und Dich als Bekannte anzusprechen. Ich sprach Französisch, denn das zeigt den gebildeten Mann, und ich sprach von Biarritz, denn das macht einen wohlhabenden Ein druck. Ich habe nie in meinem Leben Biarritz gesehen." „Aber, Kurt, Du bist ja ein Hochstapler!" entfuhr es Ellen's zornigen Lippen. „Aber nur aus Liebe, mein Herz; kannst Du Dir denken, daß ein königlich preußischer Assessor so schwindeln wirb, wenn er nicht wahnsinnig verliebt ist?" Ellen rückte ihm wieder ein bischen näher: „Aber der Brief der Baronin?" „War von mir verfaßt und wurde, damit die Handschrift mich nicht verrieth, -von meiner Nichte, der ich vorredete, daß es eine Hebung für sie fein sollte, abgeschrieben. Die ortho graphischen Fehler hat sie hineingebracht." „Und deshalb sagtest Du, daß sie keine Französin sei. O, Du Schwindler!" „Aber Schatz, ob eine Baronin, die nicht existirt, keine Fran zösin ist, oder keine Engländerin, ist doch ganz egal." „Und die Photographien?" fragte die Commerzienräthin. „Waren Eure. Ich schnitt Euch die Köpfe ab, das heißt natürlich nur Euren Bildern, und klebte sie auf Photographien meiner Schwester und meiner Nichte, damit die Toiletten und Figuren andere wären. Dann schickte ich sie an -meinen Freund, der bei der Botschaft in Paris sich als Attache a-müsirt und weihte ihn in den Schwindel ein. Der ließ dann nach den Photo graphien-die Bilder bei Tourtin anfertigen, -wai auch anstandslos geschah. Ein französischer Photograph ist ja an manche Ab sonderlichkeit gewöhnt." „Na", meinte der -Commerzienrath, „Du paßt ja zu Deinem Amt bei der Staatsanwaltschaft sehr gut. Dir können di: Gauner keinen Wind vormachen, denn Du hast selbst ihre Kniffe raus." Nach dem Diner zog der wieder völlig versöhnte und durch die Freuden der Tafel heiter gestimmte Lommerrienrath Kurt in eine Nische und packte ihn scherzhaft am Ohrzipfel. „Sag' mal, Du verdammter Schwerenöther, wie oft in Deinem Leben hast Du denn schon das Manöver mit der Baronin gemacht, um mit Damen anzubändeln?" „Niemals, Papa", antwortete Kurt und sah den Commer- ztenmth dabei so recht treuherzig an. „Unsinn, das glaubt Dir ja kein Mensch", lach!« der joviale Commerzienrath. „Also rau» mit der Sprache!" „Wirtlich, lieber Papa, niemals .... diesmal aber war die Baronin meine He!rakh»vermittlerin."
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