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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990331018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899033101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899033101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe beschädigt
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-31
- Monat1899-03
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An Jahren wenig verschirden von dem großen Vorgänger, trat Fürst Chlodwig zu Hohenlohe in die höchsten Armter fast genau in demselben weit vorgerückten hohen Alter, in dem sie vom Fürsten Bismarck verlassen werden mußten. Schoa dieser Umstand verbietet jeden Vergleich. Aber einen Unterschied gebietet die Gerechtigkeit hervorzuhebrn. Da- preußische Minister präsidium, die deutsche Reichskanzlerschaft waren, al» Fürst Hodenlohe sie übernahm, durch eine vierjährige Uebuog etwa» wesentlich Anderes geworden, als sie beim Amtsantritt des Herrn Caprivi gewesen. Die Stellung des obersten DieuerS der Krone als die eines thatsächlichen Leiter- der StaatS- und Reichsgeschäfte, als die eines BeratherS, der vor wich tigeren Entscheidungen gekört zu werden al» sein Recht be trachten durfte, war vernichtet. Der greise Staatsmann hatte nicht erwartet uud konnte nicht erwartet haben, die alten Ver hältnisse wieder berzustellen, und so kann daS Fortbestehen des unter Caprivi eingetretenen Zustande« von ihm weder al» Enttäuschung noch al» Mißerfolg empfunden werden. Auf dem ihm belassenen Felde aber entfaltete und ent faltet Fürst Hohenlohe eine Wirksamkeit, die seine eigene genannt werden muß. Hat sich auch daS Verhalten der leitenden Kreise zum UltramontanismuS in der Amtszeit des von den Klerikalen dereinst so bitter befehdeten ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten nicht geändert, so fällt doch die Abkehr von einer in der Preisgabe oder Wertbverminde- runz des Errungenen bestehenden Colonialpolitik mit seinem Eintritt in das Kanzleramt zusammen. Aber auch auf anderen Gebieten, vielleicht auf allen anderen Gebieten bat es sich gezeigt, daß Fürst Hohenlohe daS patriotische Opfer, im höchsten Alter die Bürde eines höchsten Amtes auf sich zu nehmen, nicht umsonst gebracht hat. Die Spuren seiner Lhätigkeit sind schwer zu verfolgen, denn diese besteht vor Allem in dem, was er zu verhüten gewußt hat. Die Geschichte, die weiß und reden darf, wird für seine negativ scheinenden und doch höchst positiven Verdienste dem dritten Kanzler den Lorbeer nicht vorent halten, die Chronik muß sich auf Andeutungen beschränken. Es sei bervorgehoben, daß Fürst Hohcnlohe'S Wirksamkeit an der Spitze des Kanzleramtes dem Berhältniß der Berliner Regierung zu anderen Bundesregierungen außerordentlich zu träglich ist. Auch darf noch gesagt werden, daß des Kanzlers Staatskunst der Verwirklichung reactionärer Vellei- täten berufener und unberufener Nathgeber starke Hindernisse cntgegenstcllt. Fürst Hohenlohe hat in seine jetzige Stellung das Beste mitgebracht, was der oberste Beamte dcS jungen deutschen Bundesstaates besitzen kann: eine glühende, durch das Alter nicht geminderte Liebe zum Einheitsgedanken. Seine lange politische Laufbahn ist von diesem Gcsühle begleitet gewesen. Nachdem er parlamentarisch für das große Ziel gewirkt, übernahm er die Leitung der Negierung dcS zweitgrößten deutschen Landes, um an dieser hoch wichtigen Stelle die Einigung vorbereiten zu helfen. Das junge Reich fand ihn bereit, als Botschafter in Paris, als Statthalter von Elsaß-Lothringen ausgezeichnete Dienste zu leisten. Die Eigenschaften, die ihm in diesen Stellungen zur Seite standen, Scharfsinn, Menschenkenntnis, Feinheit, Bedächtigkeit und große Arbeitsamkeit, hat er als Reichskanzler nutzbar zu machen gewußt. Dazu eine stets gemehrte politische Erfah rung. Zn dem Fürsten Hobcnlohe sahen wir wieder einen Mann von GeschäftSkenntniß, von Beruf an die Spitze treten, doppelt werthvoll in einer in der Hervorbringung politischer Dilettanten äußerst fruchtbaren nnd zur Heber- schätzung de» Dilettantismus überaus geneigten Zeit. Wenn der Kanzler heute in stiller Zurückgezogenheit den Tag de» Uebertritt» in ein seltenes Greisenalter begeht, darf er auf rin reiche», gesegnetes, für das Vaterland gesegnetes, Leben zurückblicken, und er darf zur Arbeitsstätte mit der Ueberzeugung zurückkehren, daß ihm Deutschlands mit der Dank barkeit für da- Vergangene Vertrauen für die Zukunft ent- gegeubriugt. Krieg auf Lamoa. —9. Während zwischen den Cabinetten von Berlin, London und Washington freundschaftliche Verhandlungen schweben, deren Zweck e» ist, die jüngsten Vorfälle auf Samoa völlig aufzuklären, Schuld und Nicht-Schuld der Vertreter der 4>rrk Regierungen frstzustellen und eine Neuordnung der Ädrige berbeizuführen, ist es dort unerwartet zu neuen schweren Zusammenstößen zwischen den Anhängern Malietoa'S und Mataafa'S gekommen, bei denen auch die amerikanischen und englischen Schiffe Partei ergriffen uud sich in deu Kampf mischten. Wir erhalten folgende Meldungen: * London, 30. März. (Telegramm.) „Reuler'S Bureau" verbreitet folgende Meldung ans Apia vom 23. d. M.: Admiral Kautz veranstaltete eine Zusammenkunft der Consulu und älteste» Flottenokficiere an Bord der „Philadelphia", da Mataafa und seine Häuptlinge fortfuhren, im Widerspruche mit dem Berliner Vertrag zn handeln. Die Versammlung beschloß, die provisorische Regierung zu desavouiren. In Folge dessen erließ Kautz eine Proclamation, in der er Mataafa und seine Häuptlinge auf forderte, nach ihren Wohnplützen zurückzukehren. Mataafa verließ Mulinu (Stadttheil von Apia) und ging ins Innere. Der deutsche Consul erließ eine Gegenproclamation. Tie Leute Mataasa's sammelten sich kriegsmäßig und umzingelten die Stadt. Der britische Kreuzer „Royalist" brachte die ge fangen gehaltenen Anhänger Malietoa'S von den anderen Inseln. Die Amerikaner befestigten Mulinu, wohin 2000 Eingeborene der Partei Malietoa'S flüchteten. Die Mataafa» Leute verbarrikadirten die Straßen innerhalb der Grenzen der Municipalität und be setzten britischeHäuser. Daraus wurde ein Ultimatum an dieMataafa-Leute gesandt, durch das sie ausgefordcrt wurden, daS Gebiet der Municipalität zu räumen, widrigenfalls am 15. März 1 Uhr die Beschießung beginnen werde. Die Mataafa-Leute kümmerten sich nicht um das Ultimatum und begannen, die Stadt anzugreifrn. Auf Anweisung de^ amerikanischen und des britischen ConsulS eröffneten die „Philadelphia "und der „Royalist" dasFeuer auf die abgelegenen Dörfer Stunde vor dem fest gesetzten Beginn der Beschießung. Bei der dichten Bewal dung erwies es sich schwierig, den Standort der feindlichen Partei sestzustellen. Einige Userdörfer standen in Flammen. Ein fehlerhaftes Geschoß der „Philadelphia" platzte bei dem ameri kanischen Consulat. Davor stehende Marinejoldaten wären beinahe getödtet worden, einem wurde ein Bein zerschmettert und amputirt. Ein Eprengstück desselben Geschosses schlug durch das deutsche Consulat, wo das Küchengeschirr zer brochen ward. Tie Deutschen begaben sich darans an Vorb LeS „Falke". Des Nachts machten die Anhänger Mataasa's einen scharfen Angriff auf die Stadt und tödteten drei britische Matrosen. Ein britischer Marinesoldat wurde versehentlich von der britischen Schildwache in die Beine, ein anderer in di« Füße geschaffen. Lin amerikanischer Wachposten wurde am Platze getödtet. Dl, Beschießung dauerte langsam 8 Tage lang an. Die Bewohner der Stadl flüchteten sich an Bord des „Royalist", der gedrängt voll Menschen ist. Biele verließen Samoa, da der Capitän de» „Royalist" sie dringend darum ersucht hatte, damit sie di« militärischen Operationen nicht hinderten. Wie viele Einwohner getödtet sind, ist »och nicht anzugeben. DaS britische Kriegsschiff „Porpoise" nahm auch Lhril, beschoß die Dörfer östlich »ad westlich ApiaS und nahm viele Boote weg. Die Engländer und Amerikaner kämpften zusammen. Die Stimmung gegen die Deutschen ist erbittert. Eia Engländer und eia Deutscher wurden al» Spione verhaftet. DaS englische Kriegsschiff „Touranga", da» ans dem Wege »ach Torga gewesen sei» soll, wurde bei den Fidji-Jnseln auf seinem Wege eiugrhalteu. Der Telegraph hat die Kunde von diesen unheilvollen Kämpfen zuetst nach London übermittelt, uud die englische Presse nimmt bereits zu den Vorgängen Stellung. Hierüber geht uns folgende Nachricht zu: * Loiivon, 30. März. Die „Morning Post" sagt: „Wir stehen a^rmalS der Frage gegenüber, ob Kautz »ad seine Ge hilfen berechtigt sind, die provisorische Regie rung abzusetzrn, oder nicht. Wir sind aoch immer überzeugt» daß die Bestimmungen de» Berliner Vertrag- vom Irlre 1889 einer Revision im Sinne einer größere» Wah >' c' der deutsche» Interessen bedürfen, aber ma,'n darfl rüg, sche Blaujacken :icht leichthin der Vorliebe eines deutschen ConsulS für einen schwarzen König gegenüber einem andern opfern." — Der „Standard" schreibt: Die deutschen Behörden in Apia, die die auf ständische Regierung rrmuthigt hätten, e» bis zum Aeußersten zu treiben, hätten eine schwere Verantwortung auf sich genommen. Es sei schwer arzunehmen, daß sie in Berlin Rückhalt finden würden, angesichts der zwischen den Cabinetten von Berlin, London und Washington neuerdings herrschenden versöhnlichen Stimmung. — „Daily Mail" meint: „Wir sind der Meinung, daß bei der end- giltigen Auseinandersetzung, die nun in Samoa erfolgen muß, die Wünsche Deutschlands g ebührend zu beachten sind. Deutschland hat England kürzlich einen Beweis freund schaftlicher Gesinnung gegeben, nnd England sollte sich daher eine ehrliche und ehrenvolle Erwiderung derselben angelegen sein lassen. Die Freundschaft Deutschlands ist der Stiitzpunct unserer auswärtigen Politik." ES ist yanz zweifellos, daß durch die neuen Ereignisse die Verständigung zwischen den drei Vertragsmächten erheb lich erschwert wird. Noch gestern meldeteun» ein Londoner Telegramm, die Verhandlungen würden in freundschaftlicher und zufriedenstellender Weise geführt. ES ist sehr fraglich, ob das letzt noch möglich sein wird. „Daily Mail" hat ganz Recht, wenn sie sagt, daß nunmehr eine endgiltige Auseinandersetzung nicht mehr zu umgehen sei, und Deutschland wird nicht umhin können, bei derselben noch entschiedener aufzutreten, als eS bisher geschehen ist. Unsere Nachgiebigkeit hat offenbar nur den Erfolg gehabt, daß die Vertreter Englands und Amerikas in Apia — entgegen anderen Meldungen — keine Anweisung bekommen haben, die deutschen Interessen und die deutschen Rechte zu respectiren und vor Allem den provi sorischen 8tatu3 guo zu achten und anzuerkennen. Der Bericht des „Reuter'schen BureauS" ist natürlich wieder in Deutschland feindlichem Sinne stark gefärbt, aber man kann zwischen den Zeilen lesen, daß die neuerlichen Unruhen nicht durch die Haltung der Deutschen verursacht, sondern durch die Amerikaner und Engländer provocirt worden sind. Sonst würde der Bericht sich nicht mit der nichtssagenden Phrase begnügen: „Mataafa und seine Häuptlinge fuhren fort, im Wider spruch mit dem Berliner Vertrage zu handeln." Wa» sie verbrochen haben, wird nicht gesagt. Uud wa» soll die weitere Verdächtigung: „Die Stimmung gegen die Deutschen ist erbittert?" Was haben die Deutschen sich denn zu Schulden kommen lassen? Der von der erdrückenden Mehr beit der Somvaner gewählte Mataafa hat die Zügel der Regierung provisorisch ergriffen, wie einstimmig beschlossen war, und die Deutschen haben ihm dabei loyaler Weise nichts in den Weg gelegt. DaS ist die ganze Schuld der Deutschen und ihre» Protegs» Mataafa. DaS, die „Vorliebe eine» deutschen ConsulS für einen schwarzen König gegenüber einem andern", wie die der englischen Regierung nahestehende „Mornig Post" sich „freundschaftlich" auSzudrücke» beliebt, war eS, waS die Gegenpartei nicht ruhen ließ. Sie konnte e» nicht verwinden, daß ihr Protegö unterlegen war und Mataafa von dem ihm zustehenden Rechte thatsächlich Gebrauch machte. Ter „Standard", da» Organ SaliSbury's, hat die Dreistigkeit, zu behaupten, die deutschen Behörden hätten Mataafa an gestiftet, „zum Aeußersten zu greifen", aber er soll diese horrende Verdächtigung erst beweisen und augeben, was Mataafa denn „AeußersteS" gethau hat! Die Proclamation de» englischen und amerikanischen Consul» ist offenbar eine Verletzung de» Berliner Vertrag», und die Gegenproclamation de» deutschen ConsulS ist zu Recht geschehen. Wenn trotz der selben die amerikanischen vr» ^ie englischen FchisiV Apia beschossen haben, so hat diese Partei sich deS Weiteren eines schweren Friedensbruches schuldig gemacht, der sie völlig ins Unrecht setzt und bei den endgil- tigen Verhandlungen hoffentlich zu Gunsten der deutschen Ansprüche in die Waage fällt. Zum Glück hat der Com Mandant des „Falke" sich nicht dazu hin reißen lassen, nun auch seinerseits Partei zu ergreifen. Er bat sich nicht an dem Kampfe betheiligt und sich damit begnügt, die deutschen Bewohner ApiaS, deren Leben aufs Aeußerste gefährdet war, an Bord zu nehmen. DaS war durchaus correct, und wird in London und Washington anerkannt werden müssen. Die liberalen englischen Blätter sprechen eS offen aus, daß „die Wünsche Deutschlands gebührend beachtet werden müssen, und auch die Regierungspreffe giebt zu, daß eS einer „größeren Wahrung der deutschen Interessen bedürfe". Wir werden ja sehen, ob, wenn eS zur endgiltigen Auseinander setzung kommt, die englische Regierung in diesem Sinne handeln wird. Hier muß eS sich zeigen, ob England wirklich der „ehrliche Makler" ist, als welchen eS sich un» empfohlen hat. Deutsches Reich. * Leipzig, 29. März. Gutem Vernehmen nach ist bezüglich der in diesem Herbste vorzunebmenden LandtagS- wahlen als Zeitpunkt für die Wah lmännerwahlen die letzte Woche deS Septembers, als Zeitpunkt für die Ab geordnetenwahlen die zweite Woche deS Oktober- in Aussicht genommen worden. Diese Termine würden denen Les Jahres 1897 entsprechen. U Berlin, 30. März. (Socialdemokratische Innungen.) Die „B. P. N." schreiben: Es ist jetzt als sicher anzusehen, daß die Verwaltungen einiger auf Grund des Handwerks organisationsgesetzcs gebildeiec Zwangsinnungen in socialdemokratische Hände gelangt sind. Wir führen als Beispiele nur die Schuhmacher- Zwangsinnungen in Köln und in Lübeck an. Zwar ist die Zahl solcher Innungen nicht groß, auch sind nur gewisse Berufszweige von einem solchen Mißgeschick betroffen, da glücklicherweise der weitaus größte Theil der deutschen Handwerker auf dem Boden Fcuilloton. Die Hohenlohes. Skizzen zum 80. Geburtstage des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe, 31. März. Bon Robert Berndt. Nachdruck vcrboien. Seit mehr als 700 Jahren spielen die Hohenlohes in der deutschen Geschichte eine bedeutende Rolle. Geschlechter kamen und gingen, das deutsche Reich blühte und vermorschte, brach zusammen und wurde-neu auferbaut, — die Hohenlohes über dauerten all diese Wandlungen und dienen heut dem neuen Reiche wie dermaleinst dem alten. Wohl setzte das Schicksal dann und wann auch ihrem Hause hart zu, aber ihr Wahlspruch „Lx flammig orior" erwies sich gerade dann als ein Wahrspruch und dem Phönix gleich stieg das unverwüstlich« Geschlecht zu neuem Leben auf. So ist seine Geschichte durch die lange Dauer deS Hauses und die Bedeutung seiner Erlebnisse zu einer be sonders interessanten geworden, und gar mancherlei Anziehendes weisen ihre Blätter auf: hier rin Stück Weltgeschichte, dort einen Novellenstoff oder eine Anekdote, ein merkwürdiges Menschengeschick, da und dort eine geschichtlich wichtige Per sönlichkeit. Werfen wir einen Blick auf diese Blätter. * * * Im 12. Jahrhundert treten die Hohenlohe'S auS dem Dunkel der Namenlosigkeit hervor und bald nehmen sie auch «ine ein flußreiche Stellung ein. In allem Wandel sind sie den Staufern treu und vergeblich wendet sich Papst Jnnocenz IV., um Gott fried von Hohenlohe dem Sohne des gebannten Kaisers Friedrich II. abspenstig zu machen, 1251 mit einem direkten Schreiben an ihn, dem er nachrühmt, daß er das Laster ver schmähe, der Tugend nachstrebe und an ehrfurchtsvoller Liebe des göttlichen Namens seine Freude habe. Tapfer im Streite, war dieser Gottfried auch ein Mann von feiner Sitte und ver suchte sich auch als Dichter; Rudolf von Ems hat überliefert, daß er die Thaten der Ritter der Tafelrunde des Königs Artus „uns wisliche genannt" habe. So ist das wohl das erste Mit glied der Familie, dessen Bild uns durch die Ueberlieferung etwas bestimmter gezeichnet wird; zumeist bleiben die Grafen jener alten Zeiten für uns bloße Namen ohne erkennbare Physiognomie. Nur hier und da leuchtet ein menschlicher Zug auf. Sv in der Geschichte vom traurigen Turnier zu Nürnberg. Im Jahre 1289 hielt Rudolf von Habsburg in der alten Reichsstadt ein Stechen, bei dem ein ungestümer junger Herzog von Bayern einen anwesenden Herrn von Hohenlohe — man weiß nicht genau, welcher es war — wiederholt aufforderte, mit ihm einen Gang zu machen. Der Hohenloher weigerte sich lange; endlich trat er doch zum Kampfe an und wandte einige Male seinen Speer seitwärts, um den jugendlichen Gegner zu schonen. „Zuletzt aber, man weiß nicht, wie es zuging, traf er seinen Hals und die Lanze durchbohrte die Halsberge, so daß der Herzog schwer verwundet vom Rosse sank." Der unglückliche Fürst starb, der von Hohenlohe aber ritt von dannen, Niemand setzte ihm nach denn Niemand konnte eine Klage gegen ihn erheben. So weiß die Ueberlieferung zu melden. Sie hatte sich mit den Hohenloher Herren noch mehrfach zu beschäftigen; keinem aber hat die Erinnerung deS Volkes ein so treues Gedächtniß bewahrt, wie jenem Hans von Hohenlohe, der als der „Held vom Cremmer Damm" in der brandenburgischen Geschichte ein rühmliches Dasein führt. Der war der Feldherr des ersten Hohenzollern in der Mark und führte des Burggrafen Friedrich Heer, als der märkische Adel, die schlimmen Quitzow's voran, mit den Pvmmerherzögen verbündet, gegen ihn zog. Hans Hohenlohe besetzte die feste Stadt Cremmen, und hier kam es am 24. Oktober 1412 zu einem heißen Gefechte. Die Pommern waren die Stärkeren, vergeblich kämpften die Brandenburger mit der größten Tapferkeit, vergeblich gab Johann ihnen ein leuchtendes Beispiel, — sie mußten zurück und auf jenem Damme, der durch das Sumpfterrain führte, artete der Rückzug in wilde Flucht aus. Da fiel HanS Hohenlohe mit seinen Getreuen, als er den Rückzug deckte. Sein Andenken lebt bis auf den heutigen Tag, auf der Wahlstatt in einem Kreuze, das 1845 erneuert wurde, in der Klosterkirche zu Berlin in einem Gemälde das seinen Heldentod darstellt, am frischesten jedoch in dem alten Liede, das von ihm und seiner Tapferkeit in kräftigem Tone erzählt. * * * Als durch das deutsche Land die gewaltige Bewegung der Geister ging, die Martin Luther angeregt hatte, da finden wir wieder einen dieses streitbaren Geschlechtes auf dem Schlachtfelde, — diesmal auf dem des Geistes. Siegmund von Hohenlohe war Domdechant zu Straßburg und gab 1525 da» vielgenannte ..Kreuzbüchlein" heraus, das die Geistlichkeit in markiger Sprache zu einem gottgefälligen Leben mahnt und eine Ablösung der Kirch« von erstarrten Bräuchen, eine Verinnerlichung del Gottesdienstes verlangt. „Ich sage und Gott weiß, daß ich wahr sag', sofern mir immer möglich wollt' ich gern helfen und rathen, daß unser Stift in allem dem göttlichen Wort nach aus das best gereformirt wurd und ein wahrer Gottesdienst du aufgerichit", — also betheuert der eifrige Mann. Er hatte die Genugthuung, die Reformation in seiner Heimath siegreich zu sehen. In den Hohenlohe'schen Landen gab es keinen Kampf um sie, still und friedlich ward sie eingeführt und beherrschte bald das ganze Land. Doch hielten sich die Grafen dabei von allen Demonstrationen und Extremen fern, wie überhaupt eine gewisse maßhaltige Besonnenheit an vielen Mitgliedern der Familie als charakteristischer Zug bemerkt wird, und so blieben sie auch vom Schmalkaldener Bunde weg und ersparten so ihrem Lande die Heimsuchung des schmalkaldischen Krieges. Das 16. Jahrhundert war eine Blllthezeit für das Hohen- lohe'sch« Haus, das damals eine Reihe interessanter Persönlich keiten erzeugte. Zwei davon wollen wir uns vergegenwärtigen. Graf Wolfgang (1546—1610) ist in seinem Lebenslaufe und seinen Neigungen ein vortrefflicher und sympathischer Typus eines großen Herrn jener Zeit. Nach der Universität ging er nach Frankreich und England, um sich weiter zu bilden, und gewann so einen großen Gesichtskreis. Dann trat er in den tailerlichen Dienst und vermählte sich 1567 mit der Gräfin Magdalene von Nassau. Zu Dillenburg fand die großartige HochzeitSseier statt. 6 Grafen und 15 Freiherren wohnten ihr bel und brachten 205 Pferde mit. Die Aemter verehrten an Geld und Naturalien Hochzeitsgaben im Werth« von 1250 Gulden, und die Speisekarte eines Mittagsmahles zeigte nicht weniger als 36 Gerichte. Graf Wolfgang bewährte sich als ein trefflicher Regent; in einem Mißjahre sagt« er einmal zu den Hilf« Suchenden: „Tnd
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