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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990407025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899040702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899040702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-07
- Monat1899-04
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Größer« Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferosas nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuog >li 60.—, mrt Postbefürderung ^l 70.—. Ännahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 175. Freitag den 7. April 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. April. Zn spakkcnlangcn Correspondcnzen auS Oesterreich müht sich die „Germania" mit dem Beweis ab, daß die L o s o o n R o m - B e w e g u n g in O e st e r r e i ch mit der Religion absolut nichts zu thun habe, sondern eine politisch-revolutionäre, hochverräthe- rische Bewegung sei. Aus dieser Boraussehung zieht die „Ger mania" nicht nur den Schluß, daß die evangelischen Reichsdeut schen jene Bewegung nicht unterstützen dürften, sondern sic r i ch- tet auch an die verbündeten Regierungen Deutschlands den Appell, zu verhindern, daß eine materielle oder intellektuelle Unterstützung der Los von Rom-Be wegung durch Reichsdeutsche stattfinde. „Ein Qrdnungsstaat wie Deutschland", so ruft die „Germania" aus, „hat die mora lische Verpflichtung, einem Nachbarstaat zu helfen und ihn zu u'.tersti'tzen." — So einseitig die Behauptung ist, daß die Los von Rom-Bewegung mit Religion absolut nichts zu thun habe uno yochverrätherisch sei, so falsch ist die Folgerung, daß die Reichsdeutschen jene Bewegung nicht unterstützen dürften und von den verbündeten Regierungen daran zu verhindern seien. Ueber- aus seltsam aber muthet in den Spalten der „Germania" der Hinweis auf die Pflichten an, die dem deutschen Reich als einem Ordnungsstaat gegenüber dem verbündeten Oesterreick erwüchsen. Wenn es sich um jene Macht handelt, die mit Deutschland genau ebenso wie Oesterreich verbündet ist, um Italien, dann läßt die klerikale Presse jene Rücksichtnahme auf den verbündeten Staat vollkommen vermissen. Kein Wort ist der deutschen Cen- truinspressc zu scharf, um die socialen Zustände Italiens als ganz verrottet, das Beamtenthum als corrumpirt und willkürlick* die Sclbstoerwaltungskorper als brutal und verkommen erscheinen zu lassen. Und mit welchen Mitteln dieselbe Presse das ita- lienischeKönigthum herabzuwürdigen und seine Autori tät zu unterwühlen beflissen ist, das ersieht man gerade heute wieoec aus eben der Nummer der „Germania", in welcher sie gegen oie Los von Rom-Bewegung als eine hochverräterische und antidynastische eifert. Die „Germania" druckt nämlich aus dem Pariser , Matin " eine ganz klerikal gefärbte römische Cor- respondenz ab, in der es heißt: „Kürzlich Wohnten 60 000 Römer in der St. Peterskirche dem Tedeum zur Feier der Wiederher stellung Leo's XIII. bei. Fast an demselben Tage hielt der König eine große Truppenschau im Macao ab. Der königliche Zug bewegte sich durch die Straßen inmitten eines eisigen Schwei gens, kaum konnten die aufgebotenen PolizeiMannschaften ein abfälliges Gemurmel verhindern. Heute sind die Basiliken und großen Kirchen mit Pilgern gefüllt; Niemand schenktdem „Konli" vonSavoyennoch Aufmerksamkeit . . . So hat in den letzten 21 Jähren der heilige Stuhl sich ununter brochen aufwärts bewegt, während die italienische Monarchie den umgekehrten Weg verfolgt hat." — Die „Germania" macht hinter diese Stelle drei Gedankenstriche! Und in der That, wem sollte es nicht sehr viel zu denken geben, daß eine deutsche Zeitung nach französischem Vorbilde dem verbündeten Herrscher von Italien jene verächtliche Bezeichnung „ reali oon Savoyen" giebt, die etwa der geschichtlich gewordenen Wendung „ Mar quis de Brandebourg" entspricht? Aber was halten wir uns bei den Worten der deutschen Centrumspresie auf, da doch die Thaten des Parteitages des Centrums, der „Gene ralversammlungen der Katholiken Deutsch lands", eine viel beredtere Sprache sprechen. Der immer wiederkehrende Beschluß, welcher die W i e d e r h e r st e l l u n g des Kirchen st aates fordert, bedeutet doch nichts Anderes, als die unverhüllte Unterstützung der hochverrätherischen und anti dynastischen italienisch-klerikalen Umtriebe, deren Ziel die Zer reißung der Einheit Italiens ist. Bon dieser Einmischung in die politische Cardinalfrage Italiens sagt allerdings die betref fende Resolution der katholischen Generalversammlungen: jede von Gott gesetzte weltliche Gewalt handle im wohlverstandenen eigenen Interesse und Wirke zur Wiederherstellung der erschütter ten Gesellschafts-Ordnung mit, wenn sie die vom .Heiligen Stuhl erhobenen „Rechtsansprüche" erfolgreich unterstütze. So ist eben der Ultramontanismus: Zum Vortheile der römischen Weltkirche thut und unterstützt er revolutionäre 'Schritte; gesetzmäßige Schritte aber, welche der römischen Weltkirche Abbruch thun könnten, verketzert er als hochverrätherisch und ruft gegen sie die verbündeten Regierungen zum Eingreifen auf. Den Ultramon tanismus derart mit zweierlei Maß messen zu sehen, wird aber Niemand in Erstaunen fetzen, der Wesen und Geschichte desselben kennt. Tic moderne Gesetzgebung arbeitet mit solcher Schnellig- keck, daß man sich nicht wundern kann, wenn hin und wieder Omissionen vorkommen, welche in der Praxis zu Zweifeln und Mißständen führen müssen. Ein eclatantes Beispiel bietet in dieser Hinsicht der 8 179 des Reichsgesctzes über die Angelegen heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17./20. Mai 1898, welcher für die Landestheile mit sprachlich gemischter Bevölkerung von Bedeutung ist und dessen Inhalt in Nr. 7 der „Deutschen Juristenztg." pro 1899 näher besprochen wird. Nach der Vor lage der verbündeten Regierungen war die Zuziehung eines Dol metschers bei Aufnahme von gerichtlichen oder notariellen Ur kunden davon abhängig gemacht, daß der Betheiligte nach der Ueberzeugung des Richters oder Notars der deutschen Sprache nickt mächtig ist, und in Uebereinstimmung damit vorgeschrieben, daß in dem Protokolle festgestellt werden müsse, der Richter oder Notar hätte die Ueberzeugung gewonnen, daß der Betheiligte der deutschen Sprache nickt mächtig ist. Im Reichstage wurde auf Veranlassung der Polen und Socialdemokraten die jetzige Fassung beschlossen. Danach muß ein Dolmetscher zugezogen werden, falls ein Betheiligter erklärt, der deutschen Sprache nicht mächtig zu sein. Der Unterschied springt in die Augen. Der Richter muß auf die bloße Erklärung hin den Dolmetscher zu ziehen, wenn er auch positiv weiß, daß die betreffende Person sehr wohl Deutsch sprechen kann. Damit ist namentlich der national polnischen Agitation in den Provinzen Posen, Westpreußcn und Oberschlesien ein ergiebiges Feld eröffnet. Die Warnungen der Regierungsvertreter sind leider unbeachtet geblieben! Nun ist aber in dem 8 179 weiter gesagt: „Im Protokoll muß festgestellt werden, daß der Betheiligte der deutschen Sprache nicht mächtig ist." Dies ist ein offenbarer Lapsus! Eine solche Feststellung kann der Richter oder Notar gar nicht treffen, wenn er die Ueberzeugung des Gegentheils hat. Er kann in diesem Falle in das Protokoll nur den Vermerk aufnehmen, daß der Betheiligte jene Erklärung abgegeben hat, was allerdings den Worten des Gesetzes und seiner zwingenden Vorschrift („muß") nicht ent spricht, aber aus seinem Grunde und Zwecke von selbst folgt. Ueber die wenig ersprießliche Wirksamkeit deutscher Je suiten in der vaticanischen Bibliothek berichtet di« römische „Tribuna". Dieser jüngste Scandal zeigt zugleich, wie wenig beliebt die Jesuiten bei anderen geistlichen Gemeinschaften sind. Wie die Jesuiten früher eifrig am Werke waren, den stellvertreten den Archivar der vaticanischen Archive, Luigi Tosti, und den Bibliothekar der vaticanischen Bibliothek, Jsidoro Carini, zu verdrängen, concentrirten sie später ihre Thätigkeit auf die Er langung der wichtigen Posten. Carini galt insbesondere bis zu seinem Tode als ein italienischer Patriot, der zu Crispi die besten persönlichen Beziehungen unterhielt. Papst Leo VIII., der diese Beziehungen kannte, schätzte den pflichttreuen Beamten seiner Bibliothek, bis es den Jesuiten endlich gelang, Carini zu ver drängen, der inzwischen gestorben ist. Rach der „Tribuna" war es dann der bayrischeCardinal von der Gesellschaft Jesu, Andreas Steinhubcr, der deutsche Jesuiten an die früher von Tosti und Carini verwalteten Stellen brachte. Dies waren der Jesuiten pater Franz Ehrle, der zum Präfecten der päpstlichen Bibliothek, und Msgr. Peter Wenzel, der zum Unter-Archivar ernannt wurde. An Angriffen, in denen die wissenschaftliche Bedeutung dieser Gelehrten bestritten wurde, fehlte es nicht. Insbesondere richten sich diese Angriffe gegen den Jesuitenpater Ehrle, dem die schlimmsten historischen Versehen in seinem Werke über die Ge mächer des Borgia vorgehalten werden. Im Vatikan tauchte nun sehr bald die Version auf, nach der Pater Giuseppe Cozza-Luzi, der gelehrte Entdecker eines Fragments des Strabo, sowie eines bisher unbekannten Manuscriptes mit „Gedanken" Leopardi's, der Urheber «der Angriffe auf den Jesuitenpater Ehrle sein soll. Der Widersacher der Jesuiten soll nun aber nach der „Tribuna" von der päpstlichen Jurisdiction zur Rechenschaft gezogen werden. Für die deutschen Jesuiten in Rom macht dieser von der „Tri buna" als piooolo soanckalo gekennzeichnete Vorgang jedenfalls keine Propaganda. -Obwohl die Friedensbestrebungen, die im Laufe der letzten Jahre in verschiedenen Ländern stärker zu Tage treten, auf der skandinavischen Halbinsel einen besonders guten Boden vor finden, entwickeln Schweden und Norwegen in derStärkung ihrerVertheidigung einen beneidenswerthen Eifer. So wohl diesseits wie jenseits der Kjölen stehen die militärischen Fragen fortwährend in erster Reihe. Man verbessert das Heer und versieht es mit moderner Bewaffnung, man plant und baut neue Festungen, und man erneuert die Flotte. Angesichts der Er wägung, daß der Krieg eine ewige Nothwendigkrit bleiben wird, wäre eine vernünftige Instandhaltung der Vertheidigungsmittel, vom Gesichtspunkt der Sicherung der schwedisch-norwegischen Union aus betrachtet, auch eine sehr natürliche Sache, aber merkwürdiger Weise betrachten die beiden Theilhaber dieser Union, Schweden und Norwegen, gegenseitig ihre militärischen Maßnahmen mit größtem Mißtrauen, während es doch im In teresse beider Länder liegt, in einem etwaigen Kriegsfälle vereint mit Nachdruck einem äußeren Feinde entgegcntreten zu können. Dieser Gesichtspunkt scheint aber den Schweden und Norwegern ganz abhanden gekommen zu sein, und Beide haben sich all mählich daran gewöhnt, immer den anderen als „Feind" zu be trachten. Dieses Mißtrauen ist natürlich in dem ewig ge spannten Verhältniß zwischen Schweden und Norwegen zu suchen; man kann sich daher nicht wundern, wenn in letzter Zeit, nach dem Norwegen öfter Schweden im Verdacht gehabt hatte, daß es gegen Norwegen rüste, zur Abwechselung in schwedischen Zeitun gen wiederholt der Ruf ertönte, daß man in Norwegen geheime Rüstungen betreibe. Worin diese bestehen, erfuhr man nicht, und wahrscheinlich lief die Geschichte nur darauf hinaus, den schwedi schen Reichstag scharf zu machen, denn es standen dort umfang reiche Militärforderungen auf der Tagesordnung, für deren Durchführung die Aussichten keineswegs günstig waren. Nun dürfte man in der Hauptsache erreicht haben, was man erreichen wollte, denn der Reichsrath hat, wie wir meldeten, gestern an sehnliche Summen zum Ankauf von Gewehren und zu Befesti gungen bewilligt. Die Petersburger Stndentenunruheu nehmen durchaus nicht den friedlich-schiedlichen Ausgang, wie vielfach vermuthet wurde. Bekanntlich sind an der Universität und am technologischen Institute sämmtliche Studirenden neuerdings ausgeschlossen und es ist verfügt worden, daß diejenigen Stu direnden, welche wieder ausgenommen zu werden wünschen, Ge suche in diesem Sinne an den Rector und die Jnstitutsbehörven zu richten haben, in denen sie zugleich ihre volle Unterwerfung unter die Studienordnung zu erklären haben. Diese Ver fügungen wurden durch den Wiederausbruch von Studenten unruhen veranlaßt, die durch den folgenden Vorfall hervorgerufen wurden: Einer der nach dem jüngsten Streike wieder zum Studium zugelaffenen Studenten erschien statt in dem vor schriftsmäßigen Uniformüberzieher, den er angeblich versetzt hatte, in einem gewöhnlichen Ueberzieher. Dieses Kleidungsstück er regte die Aufmerksamkeit eines der Aufseher in den Hörsälen, und er sah sich veranlaßt, den Ueberzieher zu durchsuchen. Dabei fand er Papiere, die geheime Proclamationen, nach einer anderen Version nur für den Inhaber compromittirende Briefe gewesen sein sollen. Hierdurch scheint der politische Charakter der Bewegung erwiesen. Die Confiscation der Papiere veranlaßte nicht nur den betreffenden Studenten zu heftigem Widerspruche, sondern rief auch unter dessen Collegen lebhafte Erregung hervor, die sich in mehrfachen Ordnungs störungen kundgab. Für den Augenblick vermochten wohl die Schulbehörden die Ordnung herzustellen, ohne, wie im früheren Falle, die Intervention der Polizei anzurufen oder unmittelbar mit der Schließung ver Universität oorzugehen. Allein der Rector war darauf vorbereitet, im Falle der Erfolglosigkeit der Bemühungen der Professoren sofort schärfere Maßregeln zu ergreifen. Nun gelang es allerdings den Professoren, an diesem einen Tage die Ruhe herzustellen, der Geist des Wider standes blieb jedoch unter der Studentenschaft wach. Noch am selben Tage versammelten sich etwa 1500 Universitätshörer, um über ihre Stellungnahme zu den Vorgängen in Moskau und Kiew zu derathen. Die Studirenden an den Universitäten dieser beiden Städte hatten nach Petersburg zu wissen gethan, daß eine Anzahl von Universitätshörern, welche wegen der jüngsten Unruhen ausgeschlossen worden waren, die Erlaubniß zum Wiederbesuch« der Kollegien von den Universitätsbehörden nicht erlangt haben. Da diese Studenten sich durch ihre Solidarität mit den Petersburger Collegen compromittirt hatten, so verlangten sie jetzt von diesen ein gleiches Verhalten. Die erwähnte Versammlung beschloß nun mit einer Majorität von 240 Stimmen, den eben beendeten Universitätsstreik wieder auf zunehmen. Sicher ist, daß die Universitätsbehörde in der Aus wahl der wieder zuzulassenden Studenten sehr strenge Vorgehen wird. Einige in SüSbrasilien erscheinende deutsche Zeitungen be richteten vor einiger Zeit, daß ein Angestellterdesdeut- schen Consulates in Curitiba von brasiliani schen Soldaten angegriffen und mißhandelt worden sei. Der Vorfall ist, wie der „Hamb. Corr." auf Grund zuver lässiger Erkundigungen aus Brasilien erfährt, von den dortigen Blättern iheilweise übertrieben worden und hat sich wie folgt zu getragen: Am 20. Januar d. I. Abends 6 Uhr wurde ein bei dem erwähnten Konsulate beschäftigter Beamter beim Nachhausegehen von einem brasilianischen Soldaten an der Brust gepackt, als er durch einen Trupp von etwa zehn Soldaten, die sich auf dem Bürgersteige befanden, hindurchgehen wollte. Der Angegriffene stieß den Soldaten zurück, worauf dieser ein Rasirmesser hervor zog und Miene machte, zum Angriffe vorzugchen, woran er in dessen durch seine Kameraden gehindert wurde. Konsul Baerecke, der dem vor einiger Zeit in ein Berufsamt umgewandelten Kon sulate in Curitiba vorsteht, machte die Angelegenheit am nächsten Fenilleton. »i Zen;i. Roman von M. Immisch. Nachdruck vnbotkii. „Univ gerade jetzt muß dieser Unglücksmensch wieder kom men", setzt sie hinzu, „es ist schrecklich. So dicht vor Thores Schluß werden Vie armen Menschen abermals auseinander ge rissen, viel härter und grausamer als das «rste Mal. Und ich Unselige bin Schuld an Senzi's Elend; durch mich wurde ihr Leben verpfuscht; das kommt daher, wenn der Mensch in seinem Dünkel und Eigensinn Schicksal spielen will. Die paar Jahre, die ich noch zu leben hab«, ich gäbe sie mit Freuden hin, wenn ich Senzi dafür loskaufen könnte. Aber er wivd sich hüten, seine Ansprüche an sie aufzugeben, und selbst, wenn er es wollte, es nutzte nicht viel, denn verheimlichen läßt es sich doch nicht. Wäre er nur acht Tage später gekommen, dann konnten auch sie auf ihr Recht pochen, aber so es ist gerade, als hätte der Himmel selbst sich verschworen, sie so unglücklich als möglich zu machen, als zeigte er ihnen wie im Possenfpiel das Glück so recht nahe, nur um es dann höhnisch vernichten zu können. O du großer, barmherziger Gott, giebt es denn gar keinen Ausweg mehr!" Bitterlich weinend schluchzte sie in ihr Taschentuch, und selbst vr. Rainer, dem sonst alles Lamentiren verhaßt war, sah ganz consternirt vor sich hin. „Das ist ja eine nett« Bescheerung", brummte er rathlos; „eine recht nette Ueberraschung, das muß ich sagen. Der Junge wird sich freuen, wenn zum Hochzeitstag der tödtgeglaübte Ehe mann angerückt kommt. Denn, wenn der morgen weiter geht, kommt er gerade am M«nd vor der Trauung nach Zürich. Himmel, Kreuzmillion! Da möchte man doch gleich llberecks durch die Luft sausen." „Wie soll ich es nun Senzi in der Geschwindigkeit beibrin gen", jammerte Liese, „so ohne alle Vorbereitung, in der zwölften Stunde noch. Soll ich telegraphiren oder lieber gleich selber hinreffen?" „Keins von beiden", entschied vr. Rainer. „Sie erfahren es früh genug durch Auer selbst. Das Beste ist, er fährt morgen früh um sieben Uhr mit der Post; Mittags ist er in Romanshorn und ein paar Stunden später in Zürich. Doch weiß er's denn schon?" „Kein Wort, ich bracht' es noch nicht über mich", erwiderte Liese. „Der Arme sieht so elend und krank aus, daß er mich in der Seele dauert. Wie es scheint, ist es ihm recht schlecht er gangen." „Nun, so bring vih.r herein, ich werd' ihm die Sache aus einandersetzen", sagte Ör. Rainer. „Geschehen muß es doch, cklso je schneller, desto besser." „Verzeihen Sie, daß ich mich in Ihre Angelegenheiten menge", sagte vr. Rainer, als Martin Auer sich ihm auf seine Auf forderung gegenüber gesetzt hatte, „allein durch eine Verkettung von Umständen bin ich gewissermaßen dabei betheiligt. Vor allen Dingen muß ich Ihnen sagen, daß alle Welt Sie für todt hielt. Auch das Gericht hielt dies für erwiffen, denn vor ca. drei Monaten wurde aüf Grund von Nachforschungen, die dieses Re sultat ergaben, die gesetzliche Todeserklärung über Sie ausge stellt. Es kann sie Wohl kaum befremden, daß nach Ihrem spur losen Verschwinden auf hoher See und nach Ihrem langjährigen Schweigen diese plötzliche Heimkehr etwas außerordentlich Ueber- raschendes hat, und ich möchte mir die Frage erlauben, wie es kommt, daß Sie es bis heute unterlassen haben, auch nur das kleinste Lebenszeichen von sich zu geben." In Martin Auer's blasses Gesicht stieg bei dem kategorischen Ton des Doctors eine schwache Röthe und seine mageren Hände fuhren nervös über Stirn und Augen. „Aus dem einfachen Grunde, weil ich völlig unfähig dazu war", erwiderte er nach einer Pause. „Bis vor drei Wochen war ich in einer Heilanstalt in England. Nach jener Katastrophe hatten Schiffer mich gefunden, nachdem ich viele Stunden lang, an eine Planke geklammert, umhergetrieben. Auch sie hielten mich für todt, und als ich nach vielen Bemühungen wieder zum Leben erwachte, da stellte es sich heraus, daß Schreck, Angst und Ver zweiflung meinen Verstand umnachtet und mein Gedächtniß völlig ausgelöscht hatten. Der Ort, an dem man mich gefunden, war weit entfernt von dem Schauplatz jenes Unfalles; man konnte nicht mit Sicherheit annehmen, daß ich zu jenen Unglücklichen gehört. Ich hatte nichts bei mir, was Aufschluß über Namen und Herkunft gegeben hätte, und nur dem Mittleid der Menschen hatte ich es'zu danken, daß ich in jener Heilanstalt ausgenommen wurde. Mir selbst fehlt der Maßstab für die Zeit, die ich dort zugebracht. Jahre lang galt ich für unheilbar, bis durch eine eigenartige Methode mein Zustand sich allmählich besserte. Man hat mir gesagt, daß die Art und Weise meiner Heilung großes Aufsehen erregt habe. Ich glaube, ich war mehr ein Versuchsobject für die Herren Aerzte. Nur durch die Kraft der im Zustand der Hypnose aus geübten Suggestion soll ich mein Gedächtniß zurückerhalten haben und zwar geschah dies erst vor mehreren Wochen. Man hat auch Erkundigungen eingezogen, sowohl in Hamburg als auch in Ch. Ich erfuhr, daß Senzi schon seit mehreren Jahren nicht mehr in Ch. lobt. Deshalb kam ich zuerst hierher, wo ich sie bestimmt zu finden hoffte. Ich komme ärmer zurück als ich gegangen. Durch die Wohlthätigkeit der Menschen, die sich für mich intereffirten, erhielt ich das Reisegeld, und im klebrigen bin ich nicht viel mehr als ein Bettler." Es lag eine ruhige, aber unendlich schmerzliche Bitterkeit in diesen Worten,-und dem leidenden Antlitz sah man es an, daß er den Stachel einer solchen Heimkehr tief empfand. „Auch das Geld, das Ihr mir anvertraut habt, Bäs, ist ver loren, und ich muß für alle Ewigkeit Euer Schuldner bleiben", wandt« er sich an Liese. „Wie leid es mir thut, kann ich Euch gar nicht aussprechen. Nachdem ich wieder wußte, wie es um mich stand, wollte ich erst schreiben, -aber ich fürchtete, etwas Schlimmes als Antwort zu erfahren. Von einem Tage zum anderen verschob ich es, und ich dachte, es wäre besser, wenn ich gleich selbst komme. Auch war ich ganz krank vor Sehnsucht und Heimweh. Ich bringe nichts mit für Weid und Kind, nicht einmal Gesundheit und Kraft, und nur der Gedanke an Senzi's Güte und Großmuth hielten mich aufrecht, wenn ich 'vor Kummer und Scham schier darüber verzagte. Aber nun bitt' ich Euch, Bas, quält mich nicht länger, sagt mir, wo Senzi ist und was in der Zwischenzeit vor gefallen." „Ich wünschte, ich könnte Euch Besseres berichten", sagte Liese. „Ihr wißt, in welch' traurigen Verhältnissen Senzi zurückblieb. Monate, ja Jahre lang hoffte sie trotz Allem immer noch auf eine Nachricht von Euch. Zu mir wollt« si« nicht kommen, und so plagte und quälte sie sich, um sich und das Kind zu ernähren. Drei Jahre nach Eurem Weggang wurde das Kind krank und starb, und Senzi wäre Shm wahrscheinlich gefolgt, wenn nicht günstige Umstände sie aus ihrem Elend herauSgeriffen hätten." Martin sagte kein Wort über diese «rste nikderschlagende Mit theilung; nur ein paar Thränen rollten schwer und langsam über seine blassen Wangen, und die Lippen unter dem graug«wordenen Barte zuckten und zitterten. Er hatte den Knaben sehr geliebt und sich in zärtlicher Sehnsucht seit seiner Genesung das Wieder sehen des theuren Kindes tagtäglich aus-gemalt. Und nun war es todt, verloren auf immer. Ein unendlicher Schmerz schnürte ihm.das Herz zusammen, und dazu gesellte sich die Gewißheit, baß dies erst der Anfang des Unheilvollen, was ihm zu tragen bestimmt. .Weiter, ich bitt' Euch, macht's kurz", sagte er heiser, als Liese voll Mitleid schwieg, bemüht, d«n wenigst verletzenden Ausdruck für das Kommende zu finden. Liese warf einen auffordernden, hilfeflehenden Blick zu dem Doctor hinüber, der eifrig und mit möglichst martialischer Miene feinen Schnurrbart strich, denn um keinen Preis hätte er zu gegeben, daß der Anblick des armen Mannes vor ihm ihn ergriff. „Ihr wißt ja, daß Senzi mit den Kindern dieses Hauses früher eng befreundet war", fuhr Liese beklommen fort. „Ge rade damals war die Frau Hofrath eben von langer Krankheit genesen. Sie hatte immer eine rege Theilnahme für Senzi be wahrt, und da sie von ihrem trüben Geschick erfuhr und für sich selbst ein« ihr sympathische Gesellschaft wünschte, so suchte sie Senzi auf, nahm die ganz Erschöpfte und Leidende zu sich, und ihrer Güte und Liebe ist es zu danken, daß Senzi sich wieder völlig erholte. Die arme, liebe Frau! Sie hätte Vas Beste verdient und hat nun so jung sterben müssen. Vergangene Woche war eS gerade rin halbes Jahr, daß sie gestorben ist." „Wer, dir Frau .Hofrath? O, das ist sehr traurig", mur melte Martin, „aber Senzi, was ist mit Senzi?" „Die ist noch immer bei dem Herrn Hofrath", sagte Liese, „er hat sic an Kindesstatt angenommen, wirklich und wahrhaftig vor Gericht adoptirt, um Bertha's letzten Wunsch zu erfüllen, und soweit ging« es ihr ja sehr gut, nur " Wieder stockte sie, und ein angstvoll flehender Blick forderte den Doctor auf, ihr doch zu Hilfe zu kommen. „Die Sache ist nur, daß " nahm vr. Rainer jetzt das Wort, „hm " er räusperte sich verlegen, „nun, um es kurz zu machen, es war Ihnen ja seinerzeit bekannt, daß Senzi und mein Sohn sich liebten. Damals hielten wir es nur für eine flüchtig« Jugrnderinnrrung, gewissermaßen »ine leichte Fort setzung der Kinderfreundschaft und thaten denn auch das Mög lichst«, um die Beiden auseinander zu bringen. Wie es scheint, hatte diese Jugendliebe aber doch eine weit tiefere Macht, als wir angenommen. Mein Sohn ist ihr sozusagen bis auf den heutigen Tag treu geblieben, und Senzi, die sich seit Jahr und Tag verwittwet glaubte, hat sich vor einem halben Jahre mit ihm verlobt, nachdem sie sich nach einer Trennung von zwölf Jahren zum ersten Male wiedersahen. Wäre meine Tochter nicht ge storben, so wären die Beiden wahrscheinlich schon seit Monaten verheirathet, so aber kommen Sie gerade noch früh genug, um dies zu verhindern, denn in zwei Tagen sollte die Hochzeit sein." Er hätte dies mit einer Art grimmiger Bravour hervor gestoßen und w^tf nun einen fast feindseligen Blick nach dem un glücklichen Störenfried hinüber. Aber er that ihm nun doch auf richtig leid. Aschfahl, mit erloschenem Blick, zusammengesunken
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