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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990418028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899041802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899041802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-18
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Neclamen unter demRedaction»strich (4go- spalten) LO-H, vor den Familieanachrichten (ögeivaltenl 40/H. Größere Schriften laut unserem Preis- »erzeichniß. Tabellarifcher und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Veila,tu (grsalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbefvrderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. JiAnahmeschlnß für Än;eigen: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» tu Leipzig, 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. April. Der Reichstag ist leer und seine Verhandlungen, obwohl in dem Fleischbeschaugesetz ein ergiebiges Streitobjekt vorliegt, matt. Die politische Aufmerksamkeit Berlins con» centrirt sich, namentlich seit die Samoa-Anlegenbeit etwa» bei Seite gerückt ist, auf die Mittelland-Lanalfrage. Diese befindet sich aber auch in einem höchst interessanten Entwickelung»-, möglicher Weise auch Rückbildungs stadium. Es geht jetzt viel vor in Berlin und wer den kleinen Teufel, der die Dächer von den Häusern abhebt, für sich gewinnen könnte, vermöchte, ein ZukunftS- Vusch, überreiches Material für ein groß angelegtes Invis- cretionS-Unternebmen zu sammeln. Der gewöhnliche Mensch und Zeitungsschreiber weiß so viel nicht und von dem, wa» er weiß, verschweigt er klüglich das Bessere — „theil- dieserhalb, theilS außerdem". Genug, so lebhafte Auftritte sich auf der Bühne deS preußischen Abgeord netenhauses abspielen: waS hinter den Coulissen vorgebt, ist die eigentliche TageSgeschichte, und der künftige Geschichts schreiber wird bei diesem Abschnitte der Historie lange verweilen, weil er in ihm das Wesen deS neuen Curses mit seinen konstitutionellen und sonstigen Eigenheiten in getreuem Ab bilde sehen darf. Die MittellandScanal-Angelegenheit ist mit den fremdartigsten Elementen versetzt worden, die eigentliche Signatur erhält ihr gegenwärtiger Stand einmal von der zweifelsfreien Thatsache, daß Friedrich der Große und andere bedeutende Hohenzollern Canäle geschaffen haben, sowie von dem wenigstens „technisch" unanfechtbaren Urtbeil, daß der Bau deS Rhein-Weser-Elbe-CanalS in der Thal ein groß artiges Unternehmen wäre. Ob daS Hineinspielen ge schichtlicher GlanzeSfragen dem Projekte nützt oder schadet, wird sich am Schlüsse Herausstellen. Vorläufig hat es genützt. Vier preußische Minister, der Vicepräfident deS Staatsministeriums vr. v. Miquel unter ihnen, zeigen sich nicht nur „mit etwas Dampf" erfüllt wie bis noch vor Kurzem, sie arbeiten wie dis an die Grenze der Aufnahmefähigkeit geheizte Maschinen für den Canal. Von Herrn v. Miquel'S großer BertheidigungSrede wollten allerdings Graf Kanitz und die „Freis. Ztg." den Eindruck gewonnen haben, als ob dieser Staatsmann die Vorstellung hätte, daß Norddeutschland auch ohne den Canal existenzfähig bleiben könnte. Aber der agrarische Abgeordnete und das freisinnige Blatt haben eine ältere Empfin dung auf diese Rede übertragen. Es ist möglich und nickt einmal unwahrscheinlich, daß Herr v. Miquel bis zu dem am Schlüsse der vorigen Woche bei Anwesenheit deS Kaisers veranstalteten Herrendiner kein begeisterter Freund des Canals gewesen ist. Diese Vermuthung wird nicht abgrschwächt durch den Umstand, daß zu diesem Mahle kein einziges Mitglied der die wärmsten und unterrichtetsten Fürsprecher der großen Wasserstraße unter sich zählenden nationalliberalen Fraktion geladen war. Aber die Rede, die der Vicepräsident deS Staatsministeriums an dem jenem Diner folgenden Tage gehalten hat, ist sehr zu Unrecht mit der berühmten pro-coutru — mehr coutru-Rede Miquel'S auö den Tagen deS Streites um den russischen Handelsvertrag verglichen worden. Sie ist ganz Canalliebe und nicht etwa nur die Erklärung eines Hum Eingehen einer Vernunftheirath nach reiflichem Erwägen entschlossenen Mannes. Und die übrigen Minister sind nicht weniger seurig. Vielleicht sogar zu sehr. So dürfte z. B. der LandwirtbschaftS- minister von Hammerstein-Loxten über das Ziel ge schossen haben, als er — verrieth, daß daS Staat-Ministerium sich für den Fall der Ablehnung der Canalvorlage bereits dahin schlüssig gemacht habe, „der Privatindustrie anheim zu geben, den Canal zu bauen". Die preußischen Conser- vativen sind nicht derart socialistisch inficirt, daß ihnen diese Möglichkeit principielles Grausen verursachen könnte. Und was die angedrohte praktische Consequenz der privaten Inangriffnahme anlangt, so wird sie nie verwirklicht werden können. Der Minister meinte nämlich, Privatunternehmer würden den Canaltarif nach Belieben gestalten. Daraus wurde aber zutreffend erwidert, daß der Staat bei der Ver leihung deS Expropriationsrechts seine Tarifbedingungen stellen könne und müsse. Das „zieht" also nicht. Auch dem Handelsminister Brefeld kann man nicht nachsagen, daß er Raubbau auf dem Boden der Besonnen heit trieb, als er die Conservativen einerseits und die schle sischen Freisinnigen andererseits aufforderte, „nicht Sonder interessen einzelner Landestheile" wahrzunehmrn. Diese Aeußerung war der Widerschein jener Auffassung, die in dem Canalbau etwas Anderes als ein rein geschäftlick nüchternes Unternehmen sieht. In VerkchrSangelegenheiten, die nur als solche behandelt werden, ist es wohl berecktigt, locale und territoriale Interessen zu Rathe zu ziehen. Bleibt nur die Frage, ob der Osten sein Interesse richtig ver steht, wenn er bei der Opposition beharrt. Eine Umkehr sollte aber jedenfalls der sachlichen Erwägung anheimzestellt und nicht durch dauernde politische Pressionsmittel angeslrebt werden. Wenn die „Köln. Ztg." unausgesetzt auf den Wunsch des Kaisers, den Canal gebaut zu seben, hinweist, und wenn sie dabei Sätze schreibt, wie den: „Der Kaiser ist einer der gründlichsten und besten Kenner unserer Verkehrs politik", so ist das gewiß sehr deutlich, vielleicht aber auch sehr zweckwidrig. Die Warnung, die in der dem wesentlichen Inhalte nach im heutigen Morgcnblatte enthaltenen Kundgebung des „Reichsanzeigers" über die Beamtenvercine enthalten ist, ist leider ebenso am Platze, wie die Begründung ihrer Nothwendigkeit zutreffend. Insbesondere gilt dies auch von dem zwischen den Zeilen zu lesenden Gedanken, daß eine ausschreitende Bcamtenagitation der socialdemokratischen Propaganda Vorschub leistet. Die Kundgebung kommt nicht überraschend. In Preußen hatte Herr von Miquel, im Reichstage Herr von PodbielSki die Nothwendigkeit größerer Zurückhaltung der für ihre Interessen eintrctenden Beamten mit Ernst betont. Auch in der Budgetcommission des Reichstages ist diese Auffassung laut geworden und Herr vr. Lieber ist ihr beigetretcn. ES fragt sich nun, ob jetzt, wo die Erregung eines „Sturmes gegen Bevormundung" vielleicht parteipolitisch nicht ganz unrentabel sein wird, die Centrumspresse den Spuren des Parteiführers folgen wird. Die Beamtenkategorien, die die Regierungskundgebung im Auge bat, können sich über die Verwarnung nicht beschweren. Sie hätten an dem in Preußen bis vor Kurzem geradem dürftig bedachten und darum keineswegs zufriedenen Richt er stände, sowie an anderen in der gleichen Lage befindlichen Staatödienerkreisen ein leuchtendes Beispiel maßvoller, mit der Beamteneigenschaft niemals unvereinbarer Vertretung ihrer Interessen gehabt. Die amtliche Erklärung kann ferner deshalb begründete Beschwerden nicht Hervorrufen, weil im Reiche wie in Preußen neuerdings sehr viel für die Besserstellung der Beamten geschehen ist. Einzelne Gruppen, namentlich vielleicht bei den Staatseisenbahnen Preußens, mögen noch nicht entsprechend bedacht sein. Aber eine Sprache, wie wir ihr z. B. zu unserem maßlosen Erstaunen in Petitionen an den preußischen Landtag begegnet sind, sollte auch Denen nicht verstattet werden, die noch berechtigte Wünsche zu äußer« haben. Es geht nicht an, dem Publicum gegenüber als Organ der Autorität functioniren und gleichzeitig in der eigenen Sphäre die Autorität mißachten zu wollen. Wer geglaubt hat, daß die in der Wiener „Ostdeutschen Rundschau" zu Wort kommenden österreichische« Deutsch- Nationalen nach der Erklärung de» Staatssekretärs von Bülow ihr wegwerfendes Urtheil über diesen Staats mann corrigiren würden, bat sich getäuscht. Nicht einmal die Tonart ändert daS Wiener Blatt. Es meint, Herr von Bülow habe sich „durch ein geradezu unhonorigeS Vor gehen einen billigen Triumph verschafft, indem er eS unterließ, die Anfragsteller davon zu unterrichten, baß einzelne besonders scharfe Stellen der Anfrage durch die Ereignisse überholt und gegenstandslos gemacht worden waren." So wäre eS ihm rin Leichtes gewesen, die Chauvinisten unter dem Freuden- gebrülle aller Neichsfeinde abzuschlachten. Die vollständige Haltlosigkeit der im Vorstehenden bekundeten Auffassung springt so in die Augen, daß wir kein Wort darüber ver lieren. Welches Maß von Gewissenlosigkeit die „Ostdeutsche Rundschau" bei ihrer Beurtheilung der samoanischen Frage sich gestattet, erhellt aber noch deutlicher aus folgenden wahrhaft klassischen Sätzen: „In Wirklichkeit hat sich das deutsche Reich wieder einmal schwächlich gezeigt und durch daS Eingehen auf die von England mit Gewalt erpreßte Revision des Samoa - Vertrage- aller Wahr scheinlichkeit nach auf eine Ausdehnung seine- EinflußgebieteS auf Samoa für alle Zukunft verzichtet." Eö sind glücklicher Weise nicht alle Deutsch-Nationalen in Oesterreich, die durch das Auftischen derartig verkehrter Urtheile über die deutsche Politik das Ansehen deS Deutsch- thumS in Oesterreich schädigen. Beispielsweise läßt sich das „GrazerTagblatt" ganz zutreffend wie folgt vernehmen: „England hat in der Samoasrage angesichts der entschlossenen Haltung der deutschen Reichsregierung nach gegeben und uoch in 11. Stunde der Einsetzung einer gemischten Commission . . . rück- haltslo» zugestimmt. Damit ist für da» deutsche Reich ein großer diplomatischer Erfolg errungen. Sind auch alle Schwierigkeiten . . . noch lange nicht beseitigt, so hat doch die ent schiedene Erklärung des Staatssekretärs von Bülow der Erbitterung der öffentlichen Meinung in Deutschland vollauf Rechnung getragen, und seine Versicherung, daß das deutsche Reich von seinen Rechten auf Samoa nicht rin Jota preisgeben werde, wird in allen deutschen Gauen den freudigsten Widerhall wecken." Solche Auslassungen nächststehender Gesinnungsgenossen sollten die „Ostdeutsche Rundschau" zu ernster Selbstprüfuug anhalten. In den belgischen Regierungskreisen blickt man der Zukunft nicht gerade mit großer Zuversicht entgegen. Gegen wärtig ist die parlamentarische Stellung des Cabinets allerdings eine sehr feste, dasselbe kann aber trotz dem nicht so verblendet sein, die Gefahren zu verkennen, die ihm aus der Verwirklichung des von seinen Gegnern ins Auge gefaß ten Bündnißplanes erwachsen können. Man verhehlt sich auch in conservativen Kreisen nicht, daß «ine Coalition der L ibera len, Ra d i ca le n und Socialisten den Bestand des Ministeriums arg bedrohen würde, und ein großer TheLl der Oppositionellen ist be greiflicher Weife sogar fest überzeugt, daß ein« solche Coalition die Regierung unausbleiblich zum Falle bringen würde. Eine kleine Kraftprobe hat diese Coalition bereits im vergangene« Monate geboten, indem bei einer Kammerersatzwahl in Lüttich der gemeinsame Candidat der drei Oppositions-Fraktionen, Herr Micha, mit 81164 Stimmen über den conservativen Bewerber Herrn Fracotte, der nur 43 797 Stimmen erhielt, gesiegt hat. Die Bedeutung dieses Erfolge» in einem einzelnen Falle auf einem für die Opposition günstigen Boden darf allerdings nicht überschätzt werden, sein symptomatischer Charakter wird aber von Niemandem bestritten. Die von Manchen noch immer fest gehaltene Hoffnung, daß eine Neugestaltung der ganzen parla mentarischen Lage durch die Bildung einer Centrums partei gelingen könnte, wird vom größten Theile der politi schen Welt als trügerisch bezeichnet. Man ist vielmehr davon überzeugt, daß die künftige Entwickelung der Dinge nur davon abhängt, ob ein Bündniß aller oppositionellen Gruppen zum Sturze der Regierung zu Stande kommt oder nicht. Don großem Einflüsse auf die Entscheidung dieser Frage wird der Charakter des neuen Wahlgesetzentwurfes des Ministers des Innern, Herrrn Dan den Peerebom, sein. Sollte diese Borlage in allen wichtigen Einzelheiten den Forderungen der Altliberalen entgcgenkommen, dann wäre wohl das erwähnte Bündniß frag lich. Wenn sich aber die erwähnte Fraktion enttäuscht fände, so würde die Coalition der Regierungsgegnrr nicht ausbleiben. Die letztere Eventualität ist aber gewiß als die wahrscheinlichere an- zufehen, da man lebhaft bezweifeln muß, daß das Cabinet, um die ihm von liberaler Seite her drohenden Schwierigkeiten zu überwinden, sich der Gefahr aussetzen werde, den Groll der eigenen Anhänger durch Zugeständnisse an die Altliberalen hervorzu rufen. Es scheint, daß die Conservativen vorläufig unnach giebig bleiben und den Kampf selbst der geeinigten Opposition gegenüber aufnehmen wollen. Jedenfalls ist unter diesen Um ständen eine bewegte und lange Kammertagung vorauszusehen. Da die Debatte über das neue Wahlgesetz allein mehrere Wochen in Anspruch nehmen dürfte, wird sich die Session möglicher Weise selbst bis zum August hinziShen, ohne daß man gerade eine dieser langen Dauer entsprechende Fruchtbarkeit erwarten könnte. I« den Besprechungen, welche der neue griechische M i - nisterprästdent Theotokis vor seiner Berufung an die Leitung der Staatsgeschäste mit dem König« hatte, über nahm Ersterer die bindende Verpflichtung, die Neuorganisation der inneren Verwaltung, der Rechtspflege und des Heerwesens, wie sie der König in der feiner Zeit an JaimiS gerichteten Bot schaft forderte, in ihrem vollen Umfange durchzuführen. Hierbei eingeschlossen ist besonders die Berufung deutscherHeeres- ausbildner, sowie die eines bewährten europäischen Fach mannes an die Spitze des obersten DerwaltungshofeS, wofür Herr Numa Droz in Aussicht genommen ist. Don wesentlicher Be deutung ist sodann die Ernennung Romanos' zum Mi nister des Aeußern, di« in den diplomatischen Kreisen einen sehr guten Eindruck gemacht hat. Entgegen dem früheren Brauche ist dies Ministerium im vorliegenden Falle einem Manne übertragen worden, welcher seine Befähigung für diesen Posten nicht als Parteipolitiker, sondern durch eine langjährige diploma tische Schulung erlangt hat. Herr Romanos war lange Zeit in Wien, Konstantinopel und London diplomatisch t'hätig und kennt auch die übrigen europäischen Länder aus eigener Anschauung. InDeutschland ist er sehr oft gewesen, und er beherrscht die deutsche Sprache ebenso gut, wie die englische, französische und italienisch«. Durch seine Gattin steht der Minister in nahen Be- Errungen. 7s Roman von M. Buchholtz. Nachdruck verdaten. Fürst Dietrich lachte und ging dann, um sich, wie er sagte, dem alten Herrn von Tarden vorstellen zu lassen, von dem er bis jetzt zwar nicht viel Gutes gehört, dem er aber, um der schönen Tochter willen, in nächster Zeit «inen Besuch machen würde. Wirklich hatte sich Hella einen Augenblick zu 'Greta gesetzt. Die Frage des Fürsten, als er ihr Greta's Schönheit ge rühmt, ob sie ihm auch nicht böse darüber wär«, hatte sie verlctzt. Sie fand es nach ihrer kurzen Bekanntschaft denn doch zu arro gant von ihm, daß er glauben konnte, sie fände ihn so un widerstehlich, daß sie sich darüber kränken würde, wenn er andere Mädchen außer ihr hübsch fände. Das setzte denn doch ein Ge fallen seinerseits bei ihr voraus, das im Grunde wirklich nicht da war, und wenn ihr seine offen dargebotene Huldigung auch schmeichelte und es ihr nicht angenehm war, ihn Greta's Schön heit rühmen zu hören, da ihr zwar nicht seine Person, aber sein Name und Reichthum begehrenSwerth erschien, so durfte er das nicht wissen oder sich zu wissen einbilden. Ms er sie nach beendetem Tanze verlassen, sah sie zu Greta, die nicht weit von ihr stand, hin, und ihre große Aehnlichkeit mit dem Bruder ließ in dem leicht beweglichen Herzen Hella's plötzlich «ine Sehnsucht nach dem fernen, ihr in tiefer Liebe zu- gethanen jungen Mann erwachen. StaniSlau»! Er war doch anders als der Fürst, der sich nicht einzubikden brauchte, er dürfe nur wollen, um sie an sich zu fesseln. In ihrer Bvust war der Kampf zwischen Liebe und Verlang«« nach stolzem Besitze noch nicht entschieden, und in diesem Augenblick schien ihr der Entschluß, Stanislaus für Glanz und Reichthum an des Fürsten Seite lassen zu sollen, unendlich schwer. Don diesem Gädanken beseelt, ging sie auf Greta, für die sie den ganzen Abend noch kein freundliches Wort gefunden hatte, zu und sagte liebenswürdig: „Jetzt will ich mich ein Weilchen, wenn Sie gestatten, zu Jhmn s«tz«n, Fräulein von Tarden, ich mache mir Vorwürfe, es bisher noch nicht gethan zu haben, da Sie sich sicher noch sehr fremd hier fühlen, aber meine vielen Bekannten nahmen mich bis jetzt in Anspruch." Greta, die von Comtesse Hella auf ihre am Anfang des Dalles an sie gerichtete Ansprache nur eine abweisende kurze Ant wort erhalten hatte, säh erstaunt die junge Dame an, die in herz gewinnender Liebenswürdigkeit jetzt mit ihr zu plaudern begann. Aber Greta war viel zu unbefangen und freundlich, um nicht bald in ihrer offenen Weise auf Vas G«spräch einzugchcn und auf Hella's Fragen ihr von ihrem stillen Leben in Domnika und ihren Pflichten und Beschäftigungen im Elternhause zu erzählen. „O, Sie scheinen mir riesig wirthfchaftlich zu sein", lacht« Hella, „und dies ist wirtlich Ihr erster Ball? Nein, Vas ist aber zu traurig!" „Traurig? Nun, das finde ich nicht!" „Nicht? Amülsiren Sie sich denn nicht?" „Nun ja", bam es zögernd von Greta's Lippen, „aber ich bin eben so gern daheim. Das Verkaufen vorhin", setzte sie eifrig hinzu, da sie einen ironischen Zug um Hella's Lippen bemerkte, „hat mir aber sehr vi«l Freude gemacht, es war zu hübsch." „Sie haben wohl viel eingenommen?" „Ja, 'Herr von König erzählte mir soeben, daß mein« Casse die bei weitem beste gewesen sein soll." Hella gvub ihre kleinen Zähne «inen Augenblick tief in ihre Lichten, um ihrem bei dieser Antwort emporsteigenden Aerger nicht Ausdruck zu geben; dann fragte sie wieder leicht: „Es war natürlich auch Ihr erster Bazar? Sie hatten Wohl vorher keine Ahnung, wie es auf einem solchen zugeht?" „Nein, eigentlich nicht, obgleich mir mein Bruder schon viel von dergleichen Josten erzählt hatte." „Sie haben einen Bruder?" fragte Hella wie erstaunt, wäh rend ihr Herz schnell«! schlug, nun sie «üblich mit Greta auf den Geliebten zu sprechen kam, ,/was ist er?" Greta erzählte ihr in beredten Worten von dem Geliebten, nicht ahnend, daß Diejenige, die durch immer erneute Fragen sie bei diesem Thema festzuhalten wußte, Stanislaus nur zu gut kannte und sein ganzes Herz besaß. „Ach ja", sagte Greta, „Stanislaus ist dazu geschaffen, das Loben, die sich ihm darbietenden Freuden zu genießen. Wenn nur das Leben als Officier nicht so viel kosten möchte. Sie glauben gar nicht, Comtesse", setzte sie treuherzig hinzu, „wie schwer mein Brüder trotz seiner Zulage auskommt; ober er muß eS lernen, sich nach der Decke zu strecken, denn Vater wird ihm bei der diesjährigen schlechten Ernte di« bis jetzt gegebene hohe Zulage sicher noch verringern." „Verringern?" fragte Hella ordentlich entsetzt, „aber, wenn die Zulage doch bisher kaum, wie Sie sagten, gereicht?" „Dann muß «r oben besser haushalten und sich einschränken lernen." Einschränken! Da war es wieder, >VaS häßliche Wort, das Hella haßte, wie kein arideres. „O", sagte sie dann, indem sie «inom inneren Gedanken nachgab, „Ihr Herr Bruder sollte in diesem Falle um den Ab schied einkommen und dann das väterliche Gut übernehmen." Greta lachte fröhlich auf. „Um Gottes Willen! Erstens würde Papa die Wirthschaft noch lange nicht albgeb«n, und Stanislaus sich als Landwirth zu denken, das Wäre unmöglich! Viel Arbeit und >wenig Vergnügen, dafür ist Stanislaus nie mals gewesen, und wenn seine dereinstige Frau nicht sehr wohl habend wäre, dann müßte sie wenigstens sehr wirthfchaftlich und gleich ihm von Morgens bis Abends in Haus und Hof thätig sein." Hella schaudert« bei diesen Worten zusammen. Nein, für diese Aussicht dankte sie denn doch, und ihr bisher so liebens würdiges Gesicht nahm allmählich einen gelangweilten, ver schlossenen Ausdruck an, so daß Greta plötzlich in ihrem Ge plauder inne hiekt und wie entschuldigend sagte: „Ich bespreche so ausführlich Dinge, die Sie gar nicht interes- siren können, bitte, verzeihen Sie, aber —" „O bitte!" entgegnete Hella kühl und gönnerhaft, als wäre sie«» nicht gewesen, die durch ihre Fragen diese Erzählungen, die ihr allerdings nun wenig gefielen, hervorgerufen hätte. „Warum soll ich mir von Dingen, die mir allerdings sehr fern liegen, nicht erzählen lassen! Sie Haden ja so wenig Gelegenheit, andere allgemeine Interessen zu pfl«en." Greta war dunkelroth. Eine heiße Erregung stieg in ihrem Herzen bei diesen Worten Hella's auf, und ihr Mund öffnete sich schon zu einer Herden Entgegnung, als in diesem Augenblick Gräfin Zitttberg an ihre Tochter herantrat und mit eisigem Blick auf Greta zu Hella vorwurfsvoll sagte: „Ich bitte Dich, Hella, Du plauderst, glaube ich, schon «in« halbe Stunde mit der fremden Dam«, gegen die Du gar keine Verpflichtungen hast, während viele der Anwesenden, denen Du einige freundliche Worte schuldest, bis jetzt noch virgebenS darauf warten. Da Fräulein von Tarden das Fest, auf dem sie gänzlich fremd ist, mitzumachen wünschte, muß sie schon sehen, wo sie anderen geeigneten Anschluß findet. Du kannst Deinem guten Herzen nicht läng« folgen, bitte, komm!" „Ja, da ich mir aus Mangel aus andevwritigem Gesprächs stoff auch schon die ganz« Lebensgeschichte von Fräulein von Tarden habe erzählen lassen", sagte Hella, sich erhebend, „so war unsere Conversation auch so wie so ziemlich beend«t, nicht wahr? Run schauen Sie nur zu, daß Sie sich weiter gut amü- siren, und denken Sie jetzt nicht über schlechte Ernten und leicht lebige Brüder nach!" Während Hella diese Worte in ihrer leichten, ironischen Weis« sagte, neigte sie leicht den Kopf und rauschte mit iHrer Mutter davon. Greta blieb empört und tief gekränkt zurück, und hatte sie sich schon den ganzen Abend auf dem Balle fremd und nicht hingehörig gefühlt, so kam ihr jetzt der glühende Wunsch, fort, nach Hause zu können. Die Luft in dem Saale kam ihr auf einmal zum Ersticken schwül vor, das Stimmen gewirr drang wie ein brausendes Geräusch fast schmerzhaft an ihr Ohr, und ihre Augen brannten ihr von zurückgchaltenen Thränen heiß und trocken. Sie stand auf. O, nur allein, einen Augenblick allein sein! Da sie nicht durch das überfüllte Nebenzimmer gehen mochte, das sie, wenn sie den Saal verlassen wollt«, gezwungen war, zu durchschreiten, so hob sie den Licken Friesvorhanz auf, der die Thür, die aus dem Saal nach dem Garten führte, verdeckte und ließ ihn hinter sich herab. Hier stand sie nun in dem ver- hältnißmäßig kühlen, dunklen Raum und pießre ihre glüchen-d« Stirn gegen die feuchten Scheiben der Glasthiür. So verweilt« sie eine Lange Zeit, während ihre aufgeregten, schmerzlich bewegten Gedanken immer um daS Eine kreisten, die eine Frage, die sie schon oft 'beschäftigt und die sie sich nie hatte beantworten können. „Warum blickte man aus sie und ihre Eltern herab wie auf etwas Geringeres, warum lebten sie so einsam und weltfremd und warum führte der Vater so bittere Reden, w«nn er aüf seine Standesgenossen zu sprechen kam?" Plötzlich zuckte sie zusammen. Ihr Name drang an ihr Ohr, und aus ihrem Sinnen aufgeschreckt, vernahm sie, wie zwei Herren, die vor dem Vorhang, der sie verdang, stehen geblieben Waren, sich über sie und ihre Eltern zu unterhalten begannen. Sie hielt unwillkürlich den Athem an und hörte, wie der eine der Herren, an dessen Stimme sie Fürst Rhaden erkannte, sagte: „Habe mich soeben dem alten Tarden auf Domnika vor stellen lassen; mußte lang« suchen, ehe ich ihn in einem der Hinteren Zimmer fand, mit Herrn Müller und Schulze oder Kunze oder dergleichen Namen tragenden Herren hoch jenen. Sonderbarer Mensch, von dem mir mein Vater schon wenig Gutes erzichlie, scheint auch in der besseren Gesellschaft wenig angesehen zu sein. Wie kommt das, Herr Leutnant Prahl? Er ist Loch Edelmann und nennt ein großes Gut sein eigen?" „Uebrr letzteres ist man allgemein schr im Zweifel, soll heil los verschukvet sein", lachte der als Leutnant Prahl angeredet« Herr, „und Laß man nicht nach d«m Brrkehr mit der Familie
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