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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990427013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899042701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899042701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-27
- Monat1899-04
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etlsi». v. »nen. I . U.L i. e»s.vL7: IWV.S0S BezugS-PreiS in der Hauptexpkdition oder den im Stadt bezirk und den Borortru errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^l 4.50, vei zwrimaliaer täglicher Zustellung in« Hau- 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliädrlich 6.—. Direkte tägliche trreuzbandsenvung tu» Ausland: monatlich ^tl 7.50. Li« Morgen-AuSgab« erscheint um V,? Uhr. dt« Abend-AuSgab» Wochentag« um b Uhr. Redaktion «ud Expedition: JohanniSgasfe 8. Lte Erpedtttoa ist Wochentag« nnnnterbroche« geöffuet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale«: Otta Klemm'« Sorttm. (Alfred Hahn), Umversität«strabe 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und KSn1g«platz 7. Morgen-Ausgabe. MpMcr.TaMalt Anzeiger. Änrtsvlatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Molizei-Ärntes der Stadt Leipzig. Anzeigen Preis die 6gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dein RedactionSstrich (4ga- spalten) 50-^, vor den Familiennachrichlen (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Taris. (krtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderuug VO.—, mit Postbesörderung 70.—. ^nnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von ik. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang. Donnerstag den 27. April 1899. Die Bayerische Gewerbesteuer. i. 2m Jahre 1856 legte Bayern seine vielseitigen Gewerbe steuern zusammen und im Jahre 1881 verbesserte es diese Gesetzgebung. Vor einigen Jahren führte es dir Capital- steuer ein. Allein so viel Spielraum auch dem Steuerausschuß in der Beurtheilung der Steuerfähiakeit deS Einzelnen gegeben war, so machten doch die Fortschritte de« Pandels und Gewerbes, ihre große Ausbreitung und dre Annahme anderer Formen, unterstützt von der Agitation deS länd lichen Grundbesitzes, der sich für höher belastet hielt als daS städtische Gewerbe, eine Aenderung nöthig. Die bayerische Regierung legte den Kammern einen neuen Gesetzentwurf vor, der zwar das Gerippe des alten Gesetzes übernahm, doch immerhin viel Neues bietet und in seinem Be streben, eö Allen recht zu machen, eigeutlich ein non plus ultra von Steuergesetzgebung ist. Wir in Sachsen, die wir nur die Einkommensteuer kennen, die sich immer mehr und besser ausbaut, die uns mit ihrem leider noch nicht voll ständigen DeclarationSzwang in Fleisch und Blut über gegangen ist, sinken das Gewerbesteuergebäude Bayerns sehr complicirt. Mag sich nun auch in der Praxis so manche verzwickte Bestimmung leichter handhaben lassen, als man meint, für uns mit den klaren Bestimmungen der Besteuerung ist es eine Warnung, diese Art Gesetzgebung etwa auf comuiunalcm Gebiete, wie man hier und da wünscht, einzu führen. In Bayern freilich hat man sich daran gewöhnt, und der Entwurf der Regierung ist nach dieser Seite hin ernstlich nicht beanstandet worden; was unS heute vorliegt, ist das in der Kammer durchberathene Gesetz, das nur noch der Zustimmung der Reichsräthe harrt. Der Ausschuß der Letzteren hat zwar einiges geändert, indessen dürfte eS nicht allzuviel sein; die Hauptbestimmungen, die dieses Gesetz vor dem von 1856 auszeichnen und die von der Sorge um den Mittel stand angeregt worden sind, sind geblieben. Insofern als man dieses Gesetz als ein MittelstandSgesetz bezeichnen kann, hat eS ein mehr als steuerliches Interesse, und weil eS schon daS erste Feuer der parlamentarischen Berathungen, daS aller dings nicht sehr glühte, hinter sich hat, kann man mit ihm, als etwa« thatsächlichem, im Gegensatz zu Miquel'S preußischen Tastversuchen, rechnen. Dem Gesetze sollen die im Lande betriebenen Gewerbe und gewerbsmäßig auSgeübten Erwerbsarten einschließlich deS Bergbaues, der Ausbeutung von Steinbrüchen, sowie der auf die Gewinnung von Kalk, Cement, Thon und dergleichen ge richteten Unternehmungen unterliegen. Cbarakterisirt wird die gewerbsmäßige Ausübung eines Erwerbes mit der Beschäfti gung von Gehilfen, mit gewerblichen Vor- und Einrichtungen oder sonstigem BetriebScapital und wenn das Gewerbe in einem offenen Laden oder mit offenem Angebot betrieben wird. Unter den steuerbaren Gewerben ist nicht begriffen der Betrieb der Land- oder Forstwirthschaft, sowie der Jagd und Fischerei, soweit sich diese Erwerbsarten auf die Gewinnung der bezüg lichen Produkte erstrecken. Ebenso ist der Verkauf der vor- erwäbnten eigenen Erzeugnisse, sei es, daß dieselben roh oder in einem Zustande verkauft werden, welcher in dem Bereiche deS treffenden WirthschaftsbetriebS oder Erwerbs liegt, nicht al« steuerbares Gewerbe zu erachten. Die im Umher ziehen betriebenen Gewerbe einschließlich der Wanderlager bleiben, soweit deren Besteuerung durch besonderes Gesetz geregelt ist, von den Bestimmungen deS gegenwärtigen Gesetzes unberührt. Zweigniederlassungen von Geschäften außer Landes unter liegen denselben Bestimmungen. Die Gewerbesteuer zerfällt in eine Normalanlage und in die Betriebsanlage. DaS sind zwei Begriffe, die man nur schwer klar machen kann. Beide haben sich geschichtlich entwickelt und könnten kaum vermißt werden; wir in Sachsen haben nichts Aehnliches. Die Normalanlage wird in verschiedenen Stufen festgesetzt, sie stellt gewisser maßen das Uriheil des Besteuerers über daS Geschäft dar. Sie richtet sich nach Aeußerlichkeiten, nach intime» Verhältnissen, nach der Größe der Stadt, kurz nach allem Möglichen, was über das vermulhliche gewerbliche Einkommen eines Unternehmens bekannt ist. Es ist gewissermaßen die Steuer, die gezahlt wird für die Existenz deS Unternehmens, unbeschadet seines Ertrages. In dem dem Gesetze beigegebenen Tarife findet sich daher eine Scala, die für die Normalanlage in der Regel vier Stufen festsetzk. Beispielsweise beträgt die Normal anlage für Apotheker in den Stufen u—ä 9, 18, 30, 60 .6, für Buckhäudler 18, 30, 60, 100 Die Betriebsanlage faßt daS Gewerbe nach seinen Einzelheiten und nach seinem Ertrage an. Für die Be messung der Betriebsanlage haben vorbehaltlich nach folgenden Bestimmungen folgende AnhaltSpuncte zu dienen: a. die Zahl der in einem Gewerbe verwendete» Gehilfen und Arbeiter; b. die Mengedes Verbrauchs oder der Erzeugnisse ;o.vie Zahl und Art der zum Zwecke des Gewerbebetriebs auf gestellten und im Gebrauche befindlichen Vor- und Ein richtungen, Maschinen und dergleichen. Die vorstehend an gegebenen Betriebsmerkmale kommen nach dem Stande der der Steueranlage unmittelbar vorausgegangenen beiden Jahre für die Betriebsanlage in der Weise zur Berücksichtigung, wie dies der Gewerbsteuertarif bestimmt. Bei den Durch schnittsberechnungen werden Brucktheile, welche die Hälfte übersteigen, für ein Ganze« gezählt. Für Gewerbe, bei welchen dies im Gewerdsteuertarife besonder« vermerkt ist, oder bei welchen die Vorschriften nach vor stehenden als AnhaltSpuncte der BetriebSanlaAe dienenden Merkmalen einen zu hoben oder zu niedrigen Steuersatz er gebe», wird die Betriebsanlage nach dem jährlichen Ertrage deS Gewerbes bemessen. Der Ertrag ist im Jahresanschlage nach dem Durchschnitte der der Steueranlage unmittelbar vorangegangenen beiden Jahre zu berechnen. Wenn die Er trägnisse noch nicht so lange bestehen, so sind sie nach dem Durchschnitte des Zeitraumes ihres Bestehens, nötbigenfalls nach dem muthmaßlichen Jahresbetrage in Ansatz zu bringen. Die gleichen Grundsätze gelten für die Berechnung der Ausgaben und zulässigen Abzüge. Große Klarheit wird man diesen Bestimmungen nicht nach rühmen können. Die Zahl der Gehilfen, die Menge des Verbrauchs, die Zahl der Maschinen, also im weiteren Sinne der Raum, sind ja auch Ideen Miquel'S, von denen man freilich nicht weiß, ob es seine wirklichen Pläne für die Be steuerung sind. Man scheint in Bayern auch das Un geheuerliche dieser Bestimmungen gefühlt zu haben, denn, ,,wenn diese Merkmale einen zu hohen oder zu niedngen Steuersatz ergeben, wird die Betriebsanlage nack dem jährlichen Ertrage des Gewerbes bemessen". Mit anderen Worten, wenn die veraltete Steuertechnik, die man jetzt zu neuem Leben erwecken möchte, sich als absolut unmöglich erweist, kommt man auf die einzige praktische Besteuerung, die des Einkommens, zurück. Einen bescheidenen Anfang hat man damit gemacht, als man die Gewerbtreibenden, welche Handels bücher nach Vorschrift deS Handelsgesetzbuches führen — und daS sind nach dem neuen Handelsgesetz eine gegen früher erheb- licheMenge gewerblicherPersonen — nach demGeschästSertrag be steuerte. Diese Veranlagung tritt technisch beim Handelsbetriebe für die Betriebsanlage ein, während die Normalanlaae als etwas Feststehendes auch erhoben wird. Die Art der Erforschung deS Geschäftsertrages, die zuzurechnenden und abzurcchnenden Posten, die beinah- die im preußischen Gesetz übersteigen, sind für uns von größtem Interesse, weil bei uns der berechtigte Wunsch nach einer größeren Berücksichtig»»» der dem Einzelnen aufgebürdeten persönlichen, moralischen Lasten bei der Veranlagung immer allgemeiner wird. Wir theilen daher die Bestimmungen deS Artikel 9 deS bayerischen Gesetzes vollständig mit: Der steuerpflichtige Ertrag eines Gewerbes ist für die jenigen Gewerbtreibenden, welche Handelsbücher nach Vor schrift des Handelsgesetzbuches führen, nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das genannte Gesetz vorgesckrieben sind und sonst dem Ge brauche eines ordentlichen Kaufmannes entsprechen. Bei Gewerbtreibenden, welche nicht Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches sind, hat die Berechnung des Ertrag« aus der Gegenüberstellung der jährlichen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zu erfolgen. In beiden Fällen haben jedoch nachstehende nähere Be- stimmungen in Anwendung zu kommen. 1) In den gewerblichen Ertrag sind namentlich einzu rechnen: a. der erzielte Preis für alle gegen Baarzahlung oder auf Credit verkauften Maaren und Erzeugnisse; b. die für geschäftliche oder gewerbliche Leistungen jeder Art ge- währten oder bedungenen Vergütungen, Provisionen oder sonstigen Gegenleistungen; o. der Gewinn au- den zu SpeculationSzwecken abgeschlossenen Geschäften und aus der Betheiligung an derartigen Geschäften abzüglich der etwa auS gleicher Vcranlassung»entstanvenen Verluste; ä. die Zinsen des im Gewerbebetriebe angelegten eigenen Capital« des Steuerpflichtigen. 2) In Abzug dürfen gebracht werden die Betriebsausgaben, zu welchen insbesondere zu rechnen sind: a. die Anschaffungs kosten für die eingekauften Roh- und Hilfsstoffe und Maaren, sowie für die sonst im Betriebe erforderlichen Materialien; d. die Kosten der Unterhaltung der dem Betriebe dienenden Gebäude oder Gebäudetheile und sonstigen baulichen Anlagen, sowie die Kosten zur Erhaltung und Ergänzung des vor handenen lebenden und tobten Betriebsinventars ; c. die Kosten für die Versicherung der dem Betriebe dienenden Gebäude oder Gebäudetheile, sowie der Waarenvorräthe und deS gewerblichen Inventars Igegen Brand und sonstigen Schaden; ä. der Pacht- und Mietbzins für die zum Geschäfts betriebe gepachteten oder gemietheten Grundstücke, Gebäude, Geräthschaftcn und Bewegungskräfte; s. die Ausgaben für die im Betriebe erforderliche Heizung und Beleuchtung; f. die Löhne und Naturalleistungen an die im Gewerbe betriebe verwendeten Personen mit Ausnahme deS Unter nehmerS und der nicht honorirten Mitglieder seiner Familie, dann die von dem Steuerpflichtigen für die vorbezeichnete» Personen gesetz- oder vertragsmäßig zu entrichtenden Beiträge zu Kranken-, Unfall-, Alters- und Jnvalidenversorgungc, Wittwen-, Waisen- und PensionScassen; 8. die Grund - und HauSsteuer nebst Umlagen von den im Eigenthum des Steuerpflichtigen stehenden, dem Gewerbebetriebe dienenden Gebäuden oder Gebäudetheile» und Grundstücken; ii. der Betrag der uneinbringlichen nnd eine angemessene Quote für zweifelhafte GeschäflSauSstände; i. ein angemessener Betrag für die Abnützung der dem Gewerbebetriebe dienenden Gebäude oder Gebäudetheile, Maschinen und Gegenstände des Betriebsinventars; Ic. die Zinsen oder ähnliche geldwerthe Vergütungen, welche der Gewerbeinhaber in Folge der Gründung, Erweiterung oder Erwerbung des Geschäftes oder für zum Geschäftsbetrieb geliehene und in demselben ver wendete Capitalien nachweislich zu leisten hat. 3) Keine Betriebsausgaben und daher nicht abzugSsäbig sind: a. die Verwendungen von gewerblichen Erträgnissen zur Verbesserung oder Erweiterung der gewerblichen Anlage, die Verwendungen zu Capilalsanlagen oder zu CapitalSabtragungcn, die Verwendung zur Deckung von Eapitalöverlusten; d) Geldentnabmen aus den gewerblichen Einnahmen für den Haushalt des Steuerpflichtigen und zum Unterhalt seiner Angehörigen einschließlich des GeldwertheS der zu gleichem Zwecke den Betriebsbeständen entnommenen Maaren; o) die für daS Gewerbe an den Staat und öffent lich-rechtliche Verbände entrichteten Steuern und Umlagen; ck) die au« dem Ertrage geschöpften Tantiemen und ähnlichen Zuwendungen. Auf den weiteren Inhalt des Gesetzes, insbesondere aus die Berücksichtigung der Forderungen der sogenannten Mittcl- standSpolitik kommen wir zurück. Deutsches Reich. -2- Leipzig, 26. April. Die Generalversammlung des Nationalliberalen Vereins für da« König reich Sachsen wird, wie nunmehr frststebt, am Sonntag, den 4. Juni, in Chemnitz im Hotel Römischer Kaiser stattfiuden. L. Berlin, 26. April. (Gerichtsferirn, Bürger liches Gesetzbuch und Publicum.) Zu den mancher lei Vorschlägen, die schon gemacht worden find, um den Richtern vor der in 8 Monaten bevorstehenden Einführung des Bürger lichen Gesetzbuches Zeit zum Studium des Gesetzes zu geben, gehört auch der, in diesem Jahre nicht zwei, sondern drei Monate Gerichtsserien anzusetzen. Ein ungeeigneterer Vorschlag könnte nicht wohl gemacht werden. Für di« Richter wäre damit gar- nichts gewonnen, denn die dreimonatige Pause würde zur Folge haben, baß nach den Ferien die Arbeitslast eine unendlich ge steigerte wäre; das Publicum aber Würde empfindlich geschädigt werden, wenn die Zeit, in der die meisten Civilsachen kein« Er ledigung finden, noch verlängert würde. Außerdem würde aber auch di« Zahl der noch unter dem alten Rechte anhängig gemachten ». i. i. i. .o >. i. c » c l». c» Hill it.vssocm. l.o. ».li. «.o. »v. «.o. »o. «.o. »o. »o. »o. Ult TL A Et«t0. LE-eV. U7W—»-0. ktrtSik FrirrHeton» Äuf dornenvollen Wegen. Der meiningensche Oberkirchenrath hat, wie auch in -diesen Blättern erwähnt wurde, an di« Pfarrämter des Herzogthums einen Aufruf erlass«», in welchem «r es als eine Ehrenpflicht der edangelifschen Bevölkerung Deutschlands bezeichnet, die evan gelischen Brüder in den neu begründeten deutschen Schutzgebieten in Asien und Afrika kirchlich zu versorgen. „Wir müssen", heißt es in dem Erlaß, „in freudiger Bewahrung des Glaubens der Väter deutsche Art und Sitte in der Fremd« Pflegen, damit auch den rohen Naturvölkern die Segnungen -des Evan geliums zu Theil werden." Möchte dieser ebenso sehr von politischem wie kirchlichem Nationalgefühl zeugende Appell an das deutsch-evangelische Volks bewußtsein Widerhall finden nicht nur innerhalb der engen Grenzen des Meininger HerzogthumS, sondern überall wo Deutsche woh nen und die ewigen Heilswahrheiten des welterneuernden, völ- kcrbeglückenden Evangeliums in deutscher Sprache verkündet wer den! Möchte aber Mancher einen Ansporn zur Unterstützung des großen evangelischen Missionswerkes auch dadurch empfangen, daß er sich vergegenwärtigt, welch heroische Opfer die Sendboten der Kirche in jenen weltfernen, jeglicher Lultur noch baren Län dern bringen müssen, um in langen Jahren oft nur einen Schritt vorwärts zu kommen. Diese unverdrossenen, nur in dem helden haften Glauben an die große Sache, der sie selbstlos dienen, immer neue Kraft zu schwerem Tagewerk schöpfenden Pionir« der Cultur, diese Pfadfinder der Eivilisation — wie gewaltig« Hindernisse haben sie zu überwinden, welche Mühen und Ent behrungen zu ertragen, welchr Enttäuschungen zu erfahren! Der verdiente Schriftführer der Sächsischen Missionscon- ferenz, k. C. Paul, hat soeben die dritte Auflage d«S vierten .HefteS der von drm verstorbenen Pfarrer in Mülsen R. W. Dietel herauSgegebenen, weit über die kirchlichen Kreise hinaus das leb hafteste Interesse erweckenden „Missionsstunden" in erweiterter Form im Friedrich Richter'schen Verlag in Leipzig erscheinen lassen. Es behandelt Südafrika und enthält eine kaum erschöpf bare Fülle anschaulicher Bilder aus dem Löben der Missionare im schwarzen Erdtheil, die all« erkennen lassen, wie hart und auf reibend die Arbeit dieser Wackeren ist, und wie sie die ganze Selbstverleugnung «ines an dem Vorbild deS Dulder» auf Gol gatha gestählten Charakters verlangt. Hier nur einige wenige, aber charakteristische Beispiele! Begleiten wir einen Missionar bei seiner Arbeit unter den Käftern in Südafrika. Die Kaffern nahmen den „unakunäiai" (Lehrer) Dohne freundlich auf, in der Hoffnung, von ihm aller lei Gute« zu empfangen, nur nicht«, wa» mit seinem Beruf all Träger de» Geiste-Ehristt in Zusammenhang stand. Dohne mußte zuerst an den Bau einer eigenen Hütte gehen. ! Niemand stand ihm bei. Die Kaffern sind so überaus faul und träge. Unter vielen Mühen und Drangsalen vollendete er die ungewohnte Arbeit und hatte wenigstens einen eigenen Herd. Dir häuslichen Verrichtungen aber nahm ihm natürlich Niemand ab. Er mußte sich sein Essen selbst bereiten, seine Wäsck^e selbst waschen, seine Geräthschaftcn selbst unfertigen, und dazu kamen die anfänglich völlig vergeblichen Versuch«, dem Evangelium Ein gang zu verschaffen. Unter derartigen körperlichen und geistigen Anstrengungen war es kein Wunder, daß Dohne bis auf den Tod erkrankt«. Einsam und verlassen lag «r in seiner armseligen, baufälligen Hütte, allen Zufällen preisgegeben. Ein Wunder, daß er wieder genaß. Nach der Bauarbeit kam das Erlernen der Kasfernsprache. Das Dolmetschen hilft nicht viel und hält sehr auf. Der Missionar muß zu- -den Heiden in ihrer Muttersprache reden, sonst dringt das Wort nicht weiter als ins Ohr, ohne den Weg in die Herzen zu finden. Di« Kasfernsprache ober zu erlernen, ist schon ein Werk von unsäglicher Mühe und Anstrengung. Man höre nur das Wort Dandi-bendingasakubandibenditandile. Das sind 14 Silben und sie bedeuten: „Ich würde nicht geliebt haben"; oder das andere: amashumiamatatuamantatu, d. h. 33. An Wohllaut fehlt es der Sprache nicht und die Kaffern wissen sich recht geziert auszudrücken, ab«r wer in ihr das Einmaleins auswendig lernen muß! Mühsam mußte sich Dohne, nur mit einem kleinen, unvollkommenen Wörterbuch bewaffnet, in dem Labyrinth der fremden Ausdr.ücke und der ungewöhnten Sprach weise zurechtsuchen. Er war oft bis zum Tode erschöpft, durch -di« kopfzerbrechende Arbeit dieser linguistischen Studien unter der heißen Sonne des Kaffernlairdes. Schon in kurzer Zeit gelang es Döhne bei so angestrengter Arbeit, den Kaffern versuchsweise in der Landessprache zu predigen. Wenn sich diese nun auch darüber freuten, daß der weiße Lehrer in ihrer Sprache zu ihnen redete, war von einem tieferen Eindruck doch nichts zu spüren, und seine eigene Freude wurde sehr gedämpft, als er zu Weihnachten Zeuge sein mußte, wie in unmittelbarer Nähe seines Predigtplatzes ein Regenmacher sein« Zauberkünste trieb, und welch' peinliche Situation für -den Missionar, als sich wirklich Regen einstellte und sodaS Heidenthum triumphiren konnte. Zu dieser Zeit beschloß der Häuptling deS Kaffernstammes, seinen Wohnsitz zu »erlegen, und Döhne entschloß sich sofort, ihm zu folzen. Die Reis« war furchtbar beschwerlich. Bei einem Flußürergang stürzte der Wagen im Wasser um. In einzelnen Stücken mußt« die Ladung, sowie das Gefährt anS Land ge schafft werden. Ms endlich das Ziel erreicht war, mußte Döhne wieder weiter ziehen, denn der Platz war bereits besetzt. Endlich fand ec «ine ihm zusagende Station, dir er Bethel nannte. Ine Anfang ging es wieder äußerst kümmerlich zu. Eine alte Ttrohhütt«, welche Wind und Wetter nicht abhielt, war Döhne'» erste Wohnung. Nothgedrungen mutzte er sich da» zweite Mal zu einem festeren Bau entschließen. Da sehen wir den unverdrossenen Arbeiter, wie er Steine bricht und hinzu schafft, wie er Bäume fällt und behaut, und endlich ist das neue Heim fertig, aber leider so mißrathen, daß der Wind und der Regen von allen Seiten Eingang fanden. So sauer es Döhne ankam, er mußte nochmals an die schlimme Arbeit heran. Mit unsäglicher Mühe und Anspannung aller Kräfte brachte er envlich etwas Ordentliches, seinem Zweck Entsprechendes zu Stande. Aber oftmals war er bei der Arbeit vor Erschöpfung umgesunken. Dazu gesellten sich noch andere Schwierigkeiten. Da auf dem neuen Platze noch kein« Ernte gehalten werden konnte, trat der schlimmste Mangel an Lebensmitteln ein. Die Kaffern hatten ihre Worräthe verzehrt, ohne an die Zukunft zu denken. Der Missionar konnte sich nicht einmal für Geld seine ordentliche Kost oerschaffen. So hat er thatsächlich in Hunger und Kummer sein Leben fristen müssen. Dabei nicht die geringste körperliche Be quemlichkeit oder Pflege, keine Aussprach« mit theilnehmcnden Herzen. Auf Fleischnahrung mußte er verzichten; es gab oft ein Vierteljahr hindurch keinen Bissen Fleisch. Diesmal war wenigstens der Hausbau gelungen und das Haus konnte bezogen werden. Dieser Noth war also «in Ende gemacht, aber nun begann erst recht eine andere. Die Kaffern zu bekehren zeigte sich immer mehr, als annähernd das, was man Sisyphusarbeit nennt. Wenn Döhne biblisch« Geschichten er zählte, hörten sie ganz gerne zu. Es galt ihnen eine solche als ein« Neuigkeit, aber wenn der Missionar fertig war, mußte er Reden hören, wie die folgenden: „Lehrer, wir haben heute das Wort gehört, nun gieb uns auch Fleisch und Brod zu essen. Willst Du uns rufen, daß wir Dein Wort hören, so kannst Du uns auch etwas dafür geben. Wollt ihr Lehrer das nicht thun, so könnt ihr gehen." Sollten die Kaffern bei d«r Arbeit helfen, so klagten die starken, kräftigen Burschen: „Die Arbeit tödtet uns". Andere wieder verspotteten die Arbeitenden und nannten sic Ochsen der Weißen. Noch ärger ist der Spott und Hohn, den die Missionare mitunter von den Kaffern zu hören bekomm«». Ein solcher schreibt: „In jämmerlich schmutzigen Hütten wohnen, geringe Kost genießen und zerrissen gekleidet gehen, gehört noch zu -den allergeringste» Entbehrungen eines Missionars. Das Häuser bauen und Lehmschmieren ist auch nicht angenehm, doch das läßt sich ertragen. Aber wenn man vom ersten Tagesschein bis in die dunkl« Nacht von den rohesten d«r Kaffern umgeben ist. die einen bis aufs Blut um Tabak und Geschenke plagen, die höhnen und spotten über den armen Wicht", der sich's bei d«r Arbeit sauer werden läßt, die mit der größten Ungeschliffenheit sich als groß« Herren einführen, nur immer Essen fordern, nur immer sich groß thun wollen, die einen anreden als Duzbruder, Kerl, Lügner Betrüger, Armer u. s. w., die einen für blödsinnig oder verrückt halten, weil man nicht lügen, heucheln und verdrehen kann wie sie, die einem frech in» Gesicht sagen, man sei nicht bester wie sie, kurz, die sich in ihrer Nacktheit und Gemeinheit für die feinsten und klügsten Leute halten, uns aber für den Auskehricht der Menschheit .... das sind die großen Leiden eines Missionars unter -den Kaffern." Als Döhne endlich es soweit hatte, daß in seiner kleinen Kirche sich sonntäglich 50—70 Zuhörer einfanden, war von An dacht kein« Red«. Ohne Bedenken wurde während des Gottes dienstes gelärmt, geschwatzt, gelacht, hinausgelaufen, geraucht, geschlafen! Wer zum Gottesdienste kam, glaubte dafür etwas beanspruchen zu müssen. Es war ein« gewöhnliche Redensart: „Heute bin ich andächtig um Tabak, um ein Tuch" u. dergl. Der Charakter der Kaffern ist nicht lobenswerth. Der Grundzug des selben ist Lüge». Ein Häuptling sagte einmal: „Wenn wir nicht lügen dürfen, können wir nicht leben." Der Hang zum Diebstahl ist fast unbesiegbar. Namentlich ist der Pferdediebstahl in den Grenzgebietender holländischen Bauern gang und gäbe. Ein Missionar stellte einem Viehhirten die seiner Fassungskraft angemessene Frage: „Wie nun, wenn ihr in dec Hölle auf ein glühendes Pferd gesetzt werdet, aus dem ihr ew>. gequält werdet und von dem ihr trotz alles Schreiens und Rufen nicht wieder könntet herunterkommen?" Der Missionar sagt: ihm, er solle einmal seine Hand ins Feuer stecken und eine Zei: lang darin lassen; und da er versicherte, er vermöge das »ich:, so fragte ich, fährt der Missionar in seiner Erzählung for:, weiter, wie «r dann die ewige Pein in -der Hölle aus- halten wollte, wenn er sich durch Diebereien dahineinbrächte. Ueberdies machte ich ihn aufmerksam, wie oft die Kaffern beim Stehlen in der Colonie schon todtgcschlagen worden seien. „Nun", sagte er, „wenn Einem das widerfährt, dann läßt ihn: Gott wohl nach dem Tode Ruhe?" „Nein", sagte ich, „seine Strafe wird darum nicht aufhören." „Diese Dinge sind uns alle ganz neu", erwiderte er. „Wir haben vorher nicht gewußt, Laß es ein« Hölle giebt, bis ihr gekommen seid und es uns gesagt habt." „Wirst Du Dich denn nun aber dadurch warnen lassen?" fragte ich ihn. „Wirst Du nun hingehen und stchlen?" „Ich denke doch", war die Antwort, „daß ich «8 einmal versuchen mu ß." .Fürchtest Du denn aber die Hölle nicht?" „Ich fürchte sie wohl", erwidert« er, „aber mein Herz liebt nun einmal, so zu handeln, wie meine Landsleute, ich kann nicht anders." Döhne's Frau war aus Europa nach seiner Station ge kommen, aber sie starb ihm nach der Geburt d«S ersten Kindes. Auch dieses starb. Döhne war wieder mutterseelenallein. Dann brach Krieg aus mit England wegen Ermordung eines Missionars. Damit wurde aber di« MiffionSarbeit im Koffern lande für'S Erste unmöglich gemacht. Die Missionare mutzten mit Widerstreben ihre Station verlassen, die Saat, die sie aus- gfftreut, zu Grunde gehen sehen! E« wäre tokl^hn gewesen, hätten sie unter dem Kriegssturm dort au»halt«n wollen. Döbne verließ seine mit so viel Mühe gegründete Station Bethel damals für immer, um — weiter zu wandern auf dornenvollen Wegen... 0.S.
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