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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990427027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899042702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899042702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-27
- Monat1899-04
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Größere Schriften laut unserem Preis» vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l> 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschlvß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen»Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig AL Donnerstag den 27. April 1899. 93. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 27. April. Ter Reichstag, der gestern den in der vorigen Woche ausgefallenen Schwerinstag nachholte und socialpolitische Anträge aus dem Hause berieth, war trotzdem wieder sehr schlecht besucht; der Tisch des Bundesratheö war sogar ganz verödet. Nur auf ganz kurze Zeit — zufälliger weise (?) während einer Rede des Abg. v. Stumm — erschien der Director im Reichsamt des Innern v. Woedtke, ohne jedoch das Wort zu ergreifen. Wenn die Regierung ihre Wertschätzung der Initiativanträge des Hauses im All gemeinen und der sociaipolitischen im Besonderen auf solche Weise bekundet, so giebl sie den „Neichsfaulen" einen bequemen Vorwand für ihre Pslichtversäumnih. Gestern aber war die Verödung deS Bundesrathstisches besonders beklagenswert. Es bandelte sich um einen Eentrumsantrag auf Errichtung von Arbeitskammern und einen Antrag Rösicke-Pachnicke auf Errichtung eines Reichs-ArbeitSamtS. Zu dem erst genannten Antrag hatten die Abgg. Frhr. v. Hehl und Gen. einen Zusatzantrag gestellt, der die Zuständigkeit der Gewerbegerichte auf die Fabrikbetricbe ausgedehnt sehen will, während der Abg. Pachnicke noch die Aner kennung der Berufsvereiue forderte. Es war vorauszusehen, daß es über diese Anträge zu lebhaften und scharfen Debatten kommen würde und daß besonders die Antrag steller mit dem Abg. v. Stumm scharf aneinander gerathen würden. Und cs lag ferner auf der Hand, daß diese Debatten und Zusammenstöße wohl über die Stellung der Fractionen zu der Frage der Wetterführung der socialen Reformpolitik einige Klarheit verbreiten, die Stellung der Regierung aber völlig im Dunkeln lassen würden, wenn die Reichsboten „unter sich" blieben. Eine Klarheit ist allerdings besonders insofern erwünscht, als sie völlig daS Gerücht zerstreut, der nationalliberale Abg. v. Heyl habe vor einiger Zeit die süd deutschen Fractionsgenosseu um sich vereinigt und mit ihnen sich dahin geeinigt, einen Stillstand in der socialpoliti schen Reformgesetzgebung herbeiführen zu helfen. Sein Antrag und seine und vr. Basser man »'s Reden, die wir, sobald der stenographische Bericht Vorsitzen wird, ausführlich mit theilen werden, bewiesen, wie unbegründet jene Gerüchte waren. So werthvvll ihre Zerstreuung aber auch sein mag, un gleich werthvoller wäre eine Erklärung vom Rezierungstische ge wesen. Eine solche hätte vielleicht dazu beigetragen, die Schärfe der in der Debatte zu Tage tretenden Gegensätze zu mildern. Es ist selbstverständlich, daß die Vertreter verschiedener An sichten um so schärfer aneinander gerathen, je mehr sie sich darauf beschränken müssen, ihr „Princip" zu vertheidigen, und je weniger sie wissen, wie der reale Boden aussiebt, auf den der Macktfactor der Negierung sich stellt. Hoffentlich erfährt man das am nächsten Schwerinstage, wenn die gestern abgebrochene Debatte fortgesetzt wird. Hoffentlich wirkt auch die scharfe Mahnung, welche die „Nat.-lib. Corr." heute an diejenigen, die in erster Linie für die Beschlußfähigkeit des Hauses zu sorgen haben, richtet, günstig auf die Theilnahme der Mitglieder ein. Sie lautet: „Die Klage des Rcichstagspräsidenteu über die fortgesetzte Beschlußunsähigkeit des Reichstags und die dringende Mah» nung an die abwesenden Mitglieder, sich Loch endlich in Berlin ein zufinden, sind, wie ein Blick in den Sitzungssaal zeigt, ungehört verhallt. Die Bänke sind so leer wie bisher und die Last der Plenarberathungen bleibt nach wie vor auf den Schultern der Wenigen, die sich verpflichtet fühlen, weil sie das Plenum doch nicht veröden lassen können, auch noch 3—4 Stunden nach mühsamer Commissionsarbeit den Reden von der Tribüne standzuhalten. Wie bedrückend dieses Schauspiel wirkt, gebt daraus hervor, daß selbst die klerikale Presse, die bisher der Kritik dieser Vor gänge nach Möglichkeit aus dem Wege gegangen ist, sich nun daran betheiligt. Allerdings in einer Art, die eine Besserung dieses heillosen Zustandes nicht verspricht. Denn, wenn man ein Uebel beseitigen will, muß man an die Wurzel gehen: mit der berühmten Diagnose, daß die Armuth von der „Poberteh" herkomme, ist diese parlamentarische Krankheit nicht zu curiren. Die Beschlußunsähigkeit, so äußert sich zum Beispiel die „Kölnische Volkszeitung", ist nicht dem „Reichstag" als solchem zum Vorwurf zu mache», noch diesem Reichstag, sondern nur den Abgeordneten, die bei ihren heimischen Herdseuern bleiben, und schließlich Len Wählern! Diese aber trifft die Hauptschuld, denn „warum" haben sie solche Abgeordnete gewählt, die nicht die genügende Rücksicht auf die Würde des Reichs tags nehmen, wo doch diese wie die Rücksicht auf das Reich und das Volk gebieterisch nur Abgeordnete verlangen, welche wenigstens durch stetige Anwesenheit in Berlin die Geschäfte des Reichstags fördern! Mit dem Trost, daß nur der „Wähler" für diese Misere verantwortlich zu machen sei, können sich ernsthafte Leute nicht abfinden. Die Geschäftsführung des Reichstags liegt in den Händen eines klerikal-conservativ-sreisinnigen Präsidiums. Da raus ergiebt sich ganz von selbst, daß die Parteien, die ihre Ver treter auf diesen verantwortungsvollen Posten geschoben, damit auch die Verpflichtung übernommen haben, für eine beschlußfähige Präsenz zu sorgen. Aber wie sich tagaus tagein die Tribünenbesucher überzeugen können, einigermaßen besetzt sind nur die Sitze der Nationalliberalen und der Socialdemokraten. Rechts sind die meisten Bänke leer, und die Sitze des Centrums und der ihm iiüchstbefreundeten Parteien sind nur dann gefüllt, — wen» entweder der Jesuitenantrag durchzubringen ist oder das Bedürfniß, denr Reiche eine vitale Forderung zu verweigern, alle centrisugalen Kräfte mobil macht. Es ist kein Urtheil, sondern eine Thatsache, daß die Beschlußunsähigkeit des Reichstags chronisch geworden ist, seitdem das Präsidium und damit die oberste Leitung der Geschäfte in klerikale Hände hinübergegangen ist. Diese unter der Cen trumsleitung stehenden Reichstage sind es, die von diesem Uebel fortgesetzt heimgesucht werden. Diese Thatsache darf sich das deutsche Volk nicht verschleiern lassen, wenn es einmal besser werden soll." Das Organ der socialdcmokratischen Partei in Hannover forderet, wie schon berichtet, die Parteigenossen auf, bei der am nächsten Dienstag stattfinbenden Stichwahl in Melle- Diepholz für den wclfischcn Candidaten zu stimmen, und auch bas Berliner Centralorgan der socialistischen Partei ver kündet triumphirend: „Die Socialdemokraten des Kreises werden geschloffen für den Welfen eintreten". Wenn man nicht im nationalen Interesse wünschen müßte, daß der gegenwärtige Zustand der Dinge in der Provinz Hannover erhalten bleibt, so könnte man es den Socialdemokraten nur gönnen, daß die welfischen Aspirationen sich verwirklichten. Das siegreiche Welsenthum würde dann den Socialdemokraten schon zeigen, Weh Geistes Kind cs ist. Wie zu den Zeiten der Borries, Platen und Kielmannsegg in der Mitte der Mer Jahre würde die Freiheit der Presse unterdrückt, die Justiz bevormundet, die Verfassung annullirt werden. Mit "den „Genossen" und ihren Parteiorganen würde kurzer Proceß gemacht werden, während sie sich unter der Herrschaft des preußischen Regiments in Hannover ungehindert bewegen können. Die politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Anschauungen des stark reactionären Wclfen- tk/ums sind den socialdemokratischen Anschauungen in allen Dingen schnurstracks entgegengesetzt. Nur in einem Puncte berühren sich der wetfische feudale Baron und der „Genosse" mir der Ballonmütze: in 'dem Hasse gegen das bestehende deutsch« Reich. Und dieser Haß reicht vollkommen aus, um die Socialdemokraten alle Unterschiede vergessen und sie welfische Reichstagscandivaten unterstützen zu lassen, gegen wen immer eS auch sei. Nicht blos von englischer Seite, sondern auch von demokra tischer österreichischer Seite werden allerhand Versuche angestellt, das Verhältniß Deutschlands zu Ruß landzu verschlechtern. Man kann es wenigstens nur als einen derartigen Versuch vnsehcn, wenn das „Neue Wiener Tagblatt" die bereits im heutigen Morgenblatte erwähnte Meldung bringt, der Vcutschc Kaiser wolle am Tage des Zusammentritts der Abrüstungskonferenz eine Amnestie für alle politischen Vergehen erlassen, um dadurch zu documentiren, wie sehr er mit dem hochherzigen Gedanken des russischen Kaisers sympathisire. Es versteht sich von selbst, daß diese Mittheilung auf Erfindung beruht. Erstens nämlich steht die Amnestie politischer Verbrecher nicht im ge ringsten inneren Zusammenhang mit der Friedens- conferenz, bei der es sich um die Verbesserung oer internationalen Beziehungen, nicht um eine treuen äei im Innern handelt. Zweitens wäre es sehr die Frage, ob der russische Kaiser «inen Act der Gnade gegenüber politischen Verbrechern als ein Zeichen der Sympathie mit seinen Anschauungen ansöhen würde. Gerade in Rußland springt man mit politischen Verbrechern nicht sehr milde um, uNd deshalb würde man auch dort kein Ver- ständniß dafür haben, wenn andere Staaten, noch dazu ohne jeden Anlaß, solche Milde walten lassen wollten. Es wäre interessant, wenn sich feststellen ließe, wer diese Nachricht in das Wiener Blatthineinlancirt hat. In gewissen österreichischen Kreisen möchte man cs wohl ganz gern sehen, wenn zwischen Deutsch land und Rußland eine Verstimmung einträte, und diese zu erzielen, scheint in der That die Absicht des Gewährsmannes des Wiener Blattes zu sein. In diesem Falle wäre Deutschland nicht in der Vage, jederzeit zwischen Oesterreich und Rußland optiren zu können, und dies in Wien zu verstehen zu geben, wie zur Zeit der berüchtigten Rede des Grafen Thun und gelegentlich der schärfer hervortretenden tschechischen Jntriguen gegen den Bestand des Dreibunds. Wenn das österreichische Blatt seine hiermit gekennzeichnete Notiz mit der Bemerkung einleitet, daß der deutsche Kaiser die Bemühungen einer auf die Zerstörung der deutsch-russischen Freundschaft gerichteten Hintertreppenpolitik durchkreuzen wolle, so weiß man nicht, ob man diese Einleitung als eine Infamie oder als eine Selbstpersiflage oder endlich als eine Dummheit ansehen soll. Denn es ist ja nicht ausgeschlossen, das das Wiener Blatt bona kicko handelt und daß ihm ein Kuckucksei in das Nest gelegt worden ist. Die Angriffe, die von klerikaler tschechischer Seite gegen den Fürstbischof Vr. Kopp wegen Begründung eines deutschen Priesterseminars gerichtet werden, veranlassen einen österreichischen Feldmarschall-Leutnant a. D„ in der Wiener „N. Fr. Pr." folgende Darlegung zu veröffentlichen: „Ich war jahrelang in Königgrätz und Budweis in Garnison und habe das in der Nähe gesehen. Einmal sprach ich mit dem damaligen Bischof Hais, der ein sehr wohlwollender, versöhnlich gesinnter Herr war. Er sagte, er bedauere es ja selbst, in deutsche Pfarren tschechische Priester senden zu müssen, aber er habe keine oder doch viel zu wenig deutsche Priester. Warum aber? Weil den Deutschen die Existenz in den ganz tschechischen Seminarien unleidlich gemacht wird. Das wird jetzt noch viel ärger sein als damals und die Errichtung ganz getrennter deutscher Seminarien, wie es Cardinal Kopp thui, isi das einzige Mittel dagegen. Die Sache hat aber nicht allein eine nationale und politische, sondern auch eine rechtliche Seite. Die tschechischen Geistliche» tschechisiren die Namen, also fälschen die Namen und die Matrikeln. Daher die vielen Sulc, Solc, Susir, Snajdr, Sudrt u. s. f. Das kann für die Betreffenden unter Umständen recht unliebsame Folgen haben, ist aber (so unrecht es ist) ein ganz wesentliches Tjchechisirnngsmittel der Matrikelnsührer." DaS sind ja recht erbauliche Enthüllungen. Daher stammen also die vielen deutschen Namen mit tschechischer Endung in Böhmen. Hoffentlich wird man im Ministerium zu Wien auf Grund dieses glaubwürdigen Zeugnisses gegen die Fälscher einschreiten. Nack den „Times of Jndia" soll, wie gemeldet, Rußland ein Recht auf einen Hafen am Persischen Meerbusen er worben baden, von dem es, wenn es ihm beliebe, Besitz ergreifen könne. Der in Frage stehende Hafen sei Bender- Abbas. Nachrichten aus englischer Quelle über Rußlands Vorgeben in Asien sind aus leicht begreiflichen Gründen stets mit einiger Vorsicht aufznnebmen, das gilt auch von der gegenwärtigen. Die Vermuthung liegt, wie die „Münchner Allg. Ztg " wohl zutreffend meint, nahe, daß es sich hier nur um einen Fühler gewisser englischer Kreise handelt, um hinter die wahren Pläne Rußlands zu kommen. Ueberdies wäre ein solcher entscheidender Vor stoß Rußlands gerade im jetzigen Zeitpunkt, kurz vor dem Zusammentritt der vom Zaren einberufenen Abrüstungs konferenz, unwahrscheinlich. Er würde einen bewaffneten Zusammenstoß zwischen beiden Mächten erheblich näher rücken. Hiervon abgesehen, würde eine derartige russische Unter nehmung an und für sich freilich nur als eine durchaus natürliche Consequenz der bisherigen asiatischen Expansions politik Rußlands erscheinen. Wie eS für das sibirische Ver kehrssystem einen Ausgang zum Stillen Ocean suchen mußte, so muß eö auch auf frühere oder spätere Herstellung einer Ver bindung seiner centralasiatischen Besitzungen mit dem nächstge legenen Weltmeere, dem Indischen Ocean, bedacht sein. DaSgroß- artige System der transkaspischen Bahnen endet doch, nack Süden zu, vorläufig im todten Winkel und kann zu einer Hauptader im Weltverkehr nur werden entweder durch eine Verbindung mit dem angloindischen Bahnnetz oder aber durch Schaffung eines Auswegs zum Arabischen Meer, beziehungsweise Persischen Golf quer durch Persien. Ersterer Verbindung steht außer den gewaltigen Natur hindernissen besonders die Schwierigkeit entgegen, zu einem Einvernehmen mit England zu gelangen. Auch Persien bietet für eine Durchquerung mit Schienenwegen mächtige Hindernisse und auch hier hätte Rußland mit der Rivalität Englands zu kämpfen. Aber man bliebe dock außerhalb des englischen Gebiets. Daß man in russischen Kreisen thatsächlich seit längerer Zeit mit persischen Bahn- bauprojeclen umgeht, ist bekannt, aber die Ausführung liegt aus mannichfacken Gründen noch in weiterer Ferne, nicht zum Wenigsten deshalb, weil Rußland vor läufig noch mit dem Ausbau der sibirischen Bahn ge nug zu thun hat. Immerhin wäre cS kein unrationelles Verfahren, sich vorerst wenigstens eine geeignete End station für einen transpersischen Verkehrsweg zu sichern. Bender Abbas, eine Hafenstadt von gegen 10 000 Einwohnern, liegt an der Nordküstc der Straße von Hormus gegenüber dem nordöstlichsten Vorsprunge der arabischen Halbinsel, hatte ehemals einen sehr bedeutenden und auch heute noch einen Feuilleton. Errungen. Iks Roman von M. Buch Holtz. Nachdruck vklbolkn. In stiller Einförmigkeit waren die Tage für die Bewohner von Domnika dahingegangcn, in unermüdlicher Pflege hatte Greta Tag und Nacht am Krankenbett der Mutter gewacht, und sah mit froher Hoffnung, wie sich ihr Befinden in den letzten Wochen leffe, ganz leise zu bessern ansing. Sic durfte jetzt hin und wieder ihr Bett verlassen; wenn die Kräfte freilich auch nicht weiter reichten, als di« wenigen Schritte bis zu dem Lehn stuhl an ihrem Fenster zu machen, so war es doch immerhin ein Fortschritt, wie auch die zuerst so schwer verständliche Sprache sich entschieden gleichfalls sehr gebessert hatte. Herr von Tarden war in der ersten Zeit der Krankheit seiner Frau weit häuslicher als sonst gewesen, aber nun ging er wie vorher seinen Beschäftigungen und Vergnügungen nach und war er daheim, dann war er von einer so leicht gereizten Stimmung, daß Greta dft vertagte, dazu dir quälende Angst, daß die tiefe Verstimmung des Vaters hauptsächlich aus ihn bedrückenden Geldsorgen entsprang. Ach, es war nicht leicht, und gar oft weint« sie sich in den Schlaf. Ihre einzige Auffrischung war in dieser Zeit Ransau, der in nie ermüdender Aufmerksamkeit ihr die kleinsten Wünsche abzulauschen schien und an dessen heiterem Zuspruch sie immer wieder neue Kraft schöpfte. Er wußte ihr alle Wirthschaftssorgcn fern zu halten, und der Gedanke, daß unter seiner Hand Alles in guter Hut war, ließ sie nach dieser Richtung hin ruhig und wohlgemuth sein. Dies Gefühl des Ver trauens, das sie vom ersten Augenblick Ransau gegenüber gehabt hatte, wuchs von Tag zu Tag zu ihm. Den Fürsten hatte sie nur einmal, ganz in der ersten Zeit der Erkrankung ihrer Mutter, wiedergesehen. Sie war zufällig in das Zimmer gekommen, in dem er mit dem Vater gesessen, ais er am Tage nach der Reitpartie nach Domnika herübergekommen war, um sich persönlich nach dem Befinden der Kranken zu erkun digen. Da hatte sie nicht umhin gekonnt, einige Worte mit ihm zu wechseln, aber sie begriff nicht, was ihn dazu antrieb, plötzlich von solch liebenswürdiger Zuvorkommenheit zu sein. Sie traute ihm nicht. Seine Worte: „ein hübsches Mädel, osIL mv vrr, da sieht man über di« Eltern weg!" tönten ihr noch immer in den Ohren und ließen sie sein« jetzige Handlungsweise danach be- urtheilen. Anders faßte Herr von Tavden das Entgegenkommen des Für sten auf. Daß es ihm nicht gelte, das sagte er sich. Natürlich merkte er, daß Jener, wie man sich eben in ein schönes Mädchen verliebt, sich in Greta verliebt hatte, ohne weitere ernste Absichten gN hegen. Ihm war das aber lieb, denn bei seiner augenblick lichen sehr bedrängten Lage konnte der junge, reiche Mann ihm nur von großem Vortheil sein, und so war er auch nicht blöde, bei einer der nächsten Gelegenheiten ihn um ein größeres Dar lehn zu bitten, das er natürlich in der nächsten Zeit zurückzuer statten versprach. Mit entgegenkommender Liebenswürdigkeit hatte der Fürst diesen Wunsch erfüllt. Den Vater des schönen Mädchens sich zu verbinden, war ihm lieb; das machte auch sie ihm gegenüber wohl liebenswürdiger und zugänglicher. Leider war die Krankheit der Mutter einem Wiedersehen mit ihr sehr hindernd, aber die mußte ja vorübergehen. In der Zwischenzeit am'üsirte er sich auch ohne sie ganz gut. Seit seiner Anwesenheit in Schloß Rahdenau kam man aus den Vergnügungen gar nicht mehr heraus. Bald waren es kleine Diners oder Jagden, zu denen die Damen später folgten, oder kleine Tanzvergnügungen, kurz der Fürst hatte mit seinem jeg lichen Vergnügungen so geneigten Sinn Alle angesteckt, und eine rege Geselligkeit hatte sich in H . . . und Umgegend entfaltet, wie man sie bisher hier kaum gekannt hatte. Hella schwamm vergnüglich in dem munteren Treiben oben auf. Sie ließ sich vom Fürsten den Hof machen, dachte mal sehn süchtig an Stanislaus, konnte sich jedoch noch immer nicht ent schließen, ihm sein Wort zurückzugeben, und verschob es von Tag zu Tag. Gräfin Zittberg nahm die versteckten, ebenso wie die ziemlich unverblümten Andeutungen ihrer Bekannten über die wohl bald bevorstehende Verlobung Hella's mit Fürst Dietrich Rahden sehr gnädig auf, lächelt« gütig und geheimnißvoll, und sagte mit un nachahmlicher Würde: „Gott, Hella ist noch «in Kind und denkt in ihrer süßen Unbefangenheit sicher noch an kein Verloben!" Es war am Nachmittag eines Novembertages, als Fürst Dietrich in seinem Schaukrlstuhl saß, «inen Brief, den er soeben gelesen, zusammenfaltete, dann den Kopf an das Kissen des Stuhles lehnte und gedankenvoll vor sich hinstarrte. Nach einigen Minuten stand er auf, nahm seine Mütze und Flinte und pfiff seinem Hunde. „Komm, Diana", sagte er, „wir wollen noch ein biss'l hinausgehen. Die Mutter hat Recht, «in Junggeselle führt «in langweiliges Leben und ist nur ein halber Mensch." Langsam sinnend schritt er, von dem Hunde gefolgt, einen schmalen Feldweg dem Walde zu, während er noch immer in Ge danken die Worte der Mutter bedachte, die sie ihm heute ge schrieben, und in denen es deutlich zwischen den Zeilen zu lesen war, was er aus ihren Worten vor seiner Abreise schon gemerkt hatte, nämlich, daß sie sehnlichst wünsche, «r solle sich verloben — und zwar mit Hella von Ziltberg verloben. „Ein niedliches Mädel, ja", sagte er schließlich laut. „Aber ich weiß nicht, zehn solche Mädel für eine Greta!" Er lehnte sich an einen Baum und sah in den nebligen Wald hinein, von dessen Aesten die Wassertropfen niederfielen, gleich als weinten die Bäume, daß sie nun, all ihres Schmuckes beraubt, so kahl dastehen mußten. «Des Fürsten Gedanken beschäftigten sich, wie oft in diesen letzten Wochen, wieder mit Greta, die er nur selten gesehen, und deren Bild sich doch in sein Herz gestohlen hatte, wie bisher kein anderes einer Frau. Worin bestand eigentlich der Zauber dieses Mädchens, das ihn so kühl und abweisend behandelte, wie er, der reich«, junge Mann, rs nie gewohnt war? Wo hatte er im An fang nur sein« Augen gehabt, daß er gemeint, er könnte ihr anders begegnen, da man ihm erzählt, daß ihre Eltern kein besonderes Ansehen genossen. Ja, wäre Hella Greta, gern, noch heute würde er hingehen, um ihr seine Freiheit zu opfern und Alles zu Füßen zu leg«n, was er besaß. Aber so? Nun ja, er machte ihr den Hof; aber wie forderte sie ihn auch dazu heraus, und den Hof machen und heirathen, das ist doch zweierlei. Wie er so stand und sann, da sah er, wie sein Hund, der zu seinen Füßen im feuchten Moos lag, plötzlich die Ohren spitzte und gespannt nach einer Richtung schaute, aus der er, seinem Blicke folgend, Greta heraustreten sah, di« ihn augenscheinlich nicht gesehen hatte und mit leichten Schritten gerade auf ihn zukam. Die frische Luft hatte ihre Wangen geröthet, und der kleine, braune Filzhut, der zu dem ein fachen Costiim aus gleicher Farbe Paßte, stand ihr vorzüglich. Des Fürsten Herz schlug schneller. Wie schön sie war, wie wunderschön! Sei es im Hauskleide oder in Balltoilette, zu Pferde od«r zu Fuß, immer vornehm und chic und von einer stets ihn von Neuem entzückenden Lieblichkeit. Als sie schon ganz dicht neben ihm stand, ließ sie das leise Knurren des Hundes auf merken und sich umschauen, und unwillkürlich fuhr sie zusammen, als jetzt der Fürst, der tief seinen Hut vor ihr zog, vor sie hintrat. „Pardon, mein gnädiges Fräulein, wenn ich Sie erschreckt habe, es lag nicht in meiner Absicht." „O", entgegnete Greta, „ich muß um Verzeihung bitten, daß ich mich verleiten ließ, auf fremdem Boden spazieren zu gehen. Es war so wunderbar still und geschützt im Walde, daß ich weiter und weiter ging, ohne darauf Acht zu haben, daß ich längst den Rahdenauer Wald betreten hatte." „Sie werden mir auch ohne Versicherung glauben, gnädiges Fräulein, daß ich mir den Vorzug, Sie in meinem Walde be grüßen zu dürfen, hoch anrechne. Ist mir doch die Ehre, Sie zu sehen, schon lange nicht zu theil geworden!" Greta's Augen, die zuerst verwirrt geblickt hatten, sahen nun schon wieder ernst und fremd den Fürsten an, und in ihrer, ihm gegenüber stets festgchaltcnen abweisenden Art sagte sie: „Das ist natürlich, da mich meiner Mutter Pflege in An spruch nimmt und ich mir nur jeden Tag auf des Arztes Wunsch einen Spaziergang gestatte, den ich heute über Gebühr ausgedebnl habe! Jetzt muß ich aber eilen, nach Hause zu kommen", und mit einer leichten Verneigung wollte sie sich zur Rückkehr wenden, als der Fürst an ihre Seite trat und bat: „Auf meinem eigenen Grund und Boden habe ich wohl das Recht, an Ihrer Seite zu bleiben, mein gnädiges Fräulein", und ohne eine Zustimmung ihrerseits abzuwarten, begann er neben ihr hinzuschreiten und von Diesem und Jenem zu plaudern. Greta hätte ihm am liebsten gerade herausgesagt, wie uner wünscht ihr seine Begleitung war. Nach dem Befinden ihrer Mutter fragte er heute wieder nicht, natürlich! Und mit wie dreisten Blicken er sie anschaute! „Das Mädel ist hübsch, oeln ms vu, über die Eltern stehl man hinweg!" Es klang ihr immer in den Ohren, und ein Gefühl grenzen loser Erbitterung stieg wie immer bei seinem Anblick in ihr auf und ließ sie seine freundlichen Bemerkungen so kurz wie möglich beantworten. Jetzt endlich nach einer längeren Pause fragte er: „Pardon, ich vergaß unverantwortlicher Weise bisher nach dem Befinden Ihrer Frau Mutter zu fragen, wie geht es ihr?" „Danke, besser!" klang es lakonisch zurück, während ein ironi sches Lächeln um ihren Mund spielte. Der Fürst, der seinen Blick nicht von ihr trennen konnte, be merkte dieses spöttische Lächeln sehr gut und fragte, durch ihr ihm unbegreiflich abweisendes Wesen gereizt, geradezu: „Meine Begleitung, gnädiges Fräulein, scheint Ihnen im höchsten Maße unerwünscht zu sein, und ich zermartere mir den Kopf, wodurch ich mir Ihre Ungnade zugezogen habe, da ich mir keines Unrechts bewußt bin, im Gegentheil mich bemüht habe, Ihren Wünschen entgegen zu kommen!" „Ich habe weder Wünsche geäußert, noch Ihre Aufmerksam keit beansprucht!" entgegnete Greta herb.
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