Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960701022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896070102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896070102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-01
- Monat1896-07
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Die Morgrn-AuSgab, erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe MochentagS um 5 Uhr. g in» m für , ... , vierteljährlich X 6.—. Directr tägliche Kreuzbandsenduilg Filialen: Htt» Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), Uviversitätsitraße 3 (Paulinum), -»«iS Lösche, Kathannenstr. K, Part, und Königsplatz 7. Ne-artion and Expedition: JohanneSgaffe 8. Lk Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Bezug« Preis ter Hauptexpeditioi oder den im Stadt- oezirk und den Boro ten errichteten AuS- aaoestellen abgeholt! vierteljährlich ^(4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung Vaus 5.50. Durch die Post bezöge! Deutschlands und Oesterreich: viertellä in- Ausland: monatlich 7.50. Hcifyilftr Tagtlilall Anzeiger. Amjsvsatl -es königlichen Land- und Ämtogerichtes Leipzig, -es Rathes un- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzcigcn'PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reckamen unter dem RedactionSstrich (4 ge spalten) 50^z. vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zisfernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung X 60.—, mrt Posibesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen - Ausgabe: Nachmittags 4 UhQ Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Juli. Die Generaldebatte, mit der gestern im Reichstage die dritte Lestng des Bürgerlichen (Nesctzbnchcs begann, bat einige Ueberraschungen gebracht, die den Freunden des Zu standekommens deS großen nationalen Werkes lebhafte Genug- tbuung zu bereiten geeignet sind. Gleich der erste Redner, Abg. Kauffmann, überraschte das HauS mit ver Erklärung, daß die freisinnige Volkspartei einmütbig trotz aller Bedenken nn Einzelnen für das Gesetzbuch stimmen werde. Als dann später der deutsche Volksparteiler Hauß mann im Namen seiner Partei einen förmlichen Panegyrikus auf das einheitliche bürgerliche Recht hielt und den Reichstag ermahnte, möglichst einmüthig sein Siegel unter die große Urkunde zu drücken, welche das Recht des kommenden Jahrhunderts für das deutsche Volk enthalte, wußte nun, daß auf der Linken nur die Stimme der Socialoemokraten gegen das Gesetzbuch würden ab gegeben werden. Daß die Socialdemokraten trotz des Eifers, mit deu sie sich an den Berathungen und an den Versuchen zur Urigestaltung einzelner Theile des Werkes betheiligt haben, bei ihrem schon früher angekündigten Nein beharren würder, wurdevomAbg.Stadthagen unter einem ungewöhn lichen Aufwande von Phrasen verkündet, deren Abgedroschenheit selbst die „Genossen", Herrn Frohme ausgenommen, zum Schweigen bestimmte. Es fragte sich nun noch, wie die Dissen- tirendm auf derRechten zu dem Gesetzbuch sich stellen würden. Im Hinblick auf ihre bisherige Haltung überraschten die Antisemiten das Haus einigermaßen mit der durch den Abg. Vielhaben abgegebenen Erklärung, daß die deutsch-sociale Reformpartec sich der Abstimmung ent halten werde. Die Herren scheinen trotz aller Obstructions- gelüste doch nicht den Muth gefunden zu haben, die Ver antwortung für ein rundes Nein ihren Wählern gegenüber zu übernehmen. Eine Erklärung gleichen Sinnes gab der Abg. Winterer für die Elsaß-Lothringer ab. Den würdigen Schluß der Reihe der halben und ganzen Gegner des Gesetzbuches machte der als — Spaßmacher des Reichs tags bekannte Abg. vr. S i g'l, der an der ganzen Berathung nicht theilgenommen hat, aber zur dritten Lesung gekommen ist, um unter Berufung auf einen anonymen berühmten „Preuß" und ebenso anonyme „juristische Größen" in München das Bürgerliche Gesetzbuch für ein nationales Unglück zu erklären und seine Stimme gegen dasselbe ab- zuzeben. In der Opposition steht also eigentlich das Fähnlein Stadthagen-Sigl allein. Auf Seiten der Freunde des Gesetz buchs sprach zuerst der Abg. v. Kardorff, der wohl weniger im Hinblick auf die Gegner, als um die den Mahnungen der „Hamb. Nachr." zuwiderlaufende Haltung der Reichspartei hinsichtlich der Erledigung des Gesetzbuches in der laufenden Session gu rechtfertigen, nochmals die Gründe recapitulirte, welche für die Beendigung dieses Werkes in dieser Tagung sprechen. Die Conservativen ließen durch Freiherrn v. Manteuffel ihre Zustimmung zu den Beschlüssen der zweiten Lesung erklären; von Dissentirenden in der konser vativen Partei war keine Rede mehr. Kurz und bündig war die Stellungnahme des nationalliberalen Wortführers, des Abg. EnnecceruS, der im Uebrigen den Abg. Vielhaben wegen seiner anmaßenden Aeußerungen über die Interesse losigkeit des bürgerlichen und bäuerlichen Mittelstandes an dem Gesetzbuch scharf ins Gebet nahm. Abg. Rickert er klärte sich im Namen der freisinnigen Vereinigung für das Werk. Im Namen des Centrums sprachen die Äbgg. Bachem und Gröber, von denen der erstere sich gegen den Mittwoch den 1. Juli 1896. Sv. Jahrgang. Abg. Vielhaben wandte, während der letztere den Abg. Sigl erbarmungslos dem Gespötts des Hauses preisgab. Das ist in großen Zügen der Verlauf der Generaldebatte, die bewiesen hat, daß die Gegner des nationalen Werkes auf ein sehr, sehr kleines Häuflein zusammengeschmolzen sind. In der Specialdiscussion wurde das erste Buch (allgemeiner Theil) ohne Debatte er ledigt. Auch der größte Theil des zweiten Buches (Recht der Schuldverhältnisse) wurde debattelos genehmigt. Die einzige Acnderung, welche getroffen wurde, besteht in einer Milderung der Bestimmungen über die Ersatzpslicht, welcher der Besitzer eines Thieres unterworsen ist, das einen Menschen verletzt oder lödtet. Ter von dem Abgeordneten Haußmann wieder ausgenommene Antrag, beim Wildschaden die Ersatz pflicht für den durch Hasen angerichteten Schaden auszu sprechen, wurde mit 1<>8 gegen 85 Stimmen abgelehut. Die Berathung wurde bis gegen den Schluß des dritten Buches (Sachenrecht), nämlich bis zum 8 ll7 l (die Grund schuld betreffend) gefördert. Heute findet die Fortsetzung und, wie man annimmt, der Schluß der Berathung statt. Als erster Gegenstand steht auf der heutigen Tagesordnung die Berathung der Vorlage, betreffend die Vertagung des Reichstages bis zum 10. November. Prinz Ludwig von Bayern hat sich, wie die „Köln. Ztg." aus Berlin erfährt, über deu Verlauf seiner Reise nach Kiel sehr befriedigt ausgesprochen. Jedenfalls hat er dazu allen Anlaß, mag er nun, wie der „Franks. Ztg." aus München versichert wird, auf dringenden Wunsch seines Vaters, des Prinz regenten, oder, wie die meisten bayerischen Blätter anuchmen, aus eigener Entschließung die Reise unternommen haben. Und um sich den guten Eindruck, den er in Kiel bekommen, nicht durch demonstrativen Empfang oder grollendes Schweigen der so bitter enttäuschten Münchner Sonderbündler verderben zu lassen, zieht er es dem rheinischen Blatte zufolge vor, vorläufig gar nicht nach München zu gehen, sondern von Berlin auf seine ungarischen Besitzungen zurückzutchreu. Damit aber die Enttäuschten über seinen Empfang in Kiel und über das Diner, das ibm zu Ehren der Reichskanzler Fürst Hohenlohe gestern veranstaltet hatte, wenigstens etwas erfahren, hat er dafür gesorgt, daß zu diesem Diner auch der Herr Graf Conrad Preysing cingeladen wurde, den bekanntlich oie Moskauer Rede des Prinzen zu einem particularistischen Hymnus auf denPrinzen begeistert hatte. Jedenfalls bat der.Herr Graf dafür im Rcichskanzlerpalais aus dem Munde deS Prinzen den gebührenden Dank empfangen und den Auftrag erhalten, seine bayerischen Gesinnungsgenossen nicht im Un klaren über die Empfindungen zu lassen, die ihre Hetzereien in dem oeutschen Herzen des bayerischen Thronfolgers Hervor rufen mußte. Für Len Fall, daß der Herr Graf an Ge dächtnisschwäche leiden und auf dem Wege von Berlin nach München etwas von den Worten des Prinzen vergessen sollte, ist der Münchener Officiosus der „Augsb. Abendztz." beauf tragt worden, Alle, die daraus eine Lehre ziehen können, über den Zweck der Kieler Reise des Prinzen und seine An sicht über seine hetzerischen Schmeichler folgendermaßen zu belehren: „Der Schritt des Prinzen bildet in der That eine so deutliche Kundgebung, daß er unmöglich mißverstanden werden kann. Prinz Ludwig hat von seiner Moskauer Verwahrung, zu welcher er als Vertreter des Königs bezw. Regenten von Bayern nach unserer An- sicht nicht nur berechtigt, sondern geradezu verpflichtet war und welche zudem nicht von jener demonstrativen Schärfe erfüllt war, wie man nach den ersten Berichten der Wiener Blälter vermuthen mußte, nichts zurückzunehmen und nichts zu erläutern; gegen eine Mißdeutung derselben seitens des Kaisers war der Prinz schon durch die Sachlage, sowie Lurch seine Person und bewährte deutsche Gesinnung, dann auch Lurch die von ihm an das Reichsoberhaupt gerichtete, schriftliche Mittheilung gesichert. Was Prinz Ludwig jetzt thut, hat eine ganz andere Bedeutung, richtet sich an eine ganz andere Adresse: mit der Reise znm Kaiser, die in ihrer Spontaneität ganz dem energischen Wesen des Prinzen entspricht, desavouirt er mit derselben Bestimmtheit, mit der er in Moskau der ungehörigen Aeußerung des bekannten Fest redners entgegentrat, jene unwürdige Agitation, jene hetze rische» Ausschreitungen gegen das Reich und die preussi schen Reichsg enojsen, welche demagogische Elemente in Roth und Schwarz in Gemeinschaft mit einer die niedrigsten Volksleidenschaftcn geschäftlich ansbeutenüen Scandalpresse im Anschluß an die Moskauer Rede und unter Fälschung der Tendenz derselben in Scene gesetzt haben. Wer etwa bisher ge glaubt hat, daß Prinz Ludwig an diesem Treiben Gefallen habe, daß er sich mit diesen Hetzereien in irgend eine Verbindung bringen lassen werde, der dürfte jetzt doch wohl eines Besseren belehrt sein; alle guten Bürger aber, die es mit Bayern und dem Reiche wohl meinen, werden die Kunde von der Fahrt des künftigen bayerischen Königs zum Kaiser mit Freude und Genugthuung vernehmen." Auch heute ist derkretcnsischcLand tag noch nicht zusammen getreten, dagegen hört man, daß die türkischen Zugeständnisse den Kretensern nicht mehr genügen. Das Athener Regierungs blatt „Paliugenesia" sagt, vor dem 12. Mai würden die Zu geständnisse genügt haben, heute, nachdem ihre Heimath ver wüstet worden sei, könnten die Kretenser unmöglich das türkisch: Joch länger ertragen. Das bewaffnete Kreta verlange die Vereinigung mit Griechenland und die Vertreibung der Vertreter des Sultans. Auf die Drohungen Abdullah Paschas mögen die Waffen der Kretenser Antwort geben. Mittlerweile versendet im Auftrage des treten fischen Neformcomitös der in Berlin lebende griechische Schriftsteller vr. Kleanthes Nico- laidcö eine au die Diplomatie, die Parlamente und die Presse des Dreibundes gerichtete Denkschrift über die Ursachen und Ziele der autonomistischen Bewegung auf Kreta. Die Ursachen des Aufstandes sind bekannt. Aus den Zielen des Coinilös ist anläßlich der erfolgten Ernennung des gegen wärtigen Bali Abdullah Pascha zum Militair-Gou- verneur zu erwähnen, daß die Kretenser dieses Amt gänzlich abgeschafft wissen wollen, daß der Civilgouverneur als Chef der autonomen Verwaltung auch das Ernennungs recht für die Ofsiciere der Miliz und Gendarmerie haben solle, die beide nur aus der einheimischen Be völkerung zu rccrutiren wären. Diese Forderungen sind be rechtigt, denn die Erfahrung hat gelehrt, daß der Militair- gouverneur, natürlich auf Weisung der Pforte, stets den Bemühungen des christlichen Civilgouverneurs schroff ent gegentritt und diese Einrichtung illusorisch macht, und die Erfahrung hat ferner gezeigt, daß die albanische und kurdische Miliz und Gendarmerie in Kreta wie in Feindesland haust, zumal sie so gut wie keinen Sold erhält. Zur Besserung der wirthschaftlichen Verhältnisse verlangt bas Comits — und auch darin kann mau ihm zum Theil bei pflichten — Zollvereinigung mit Griechenland, aber mindestens einen Specialtaris für den Güterverkehr mit dem Königreich, zugleich Zoll-Abfertigung durch die autonome Landesverwaltung, da die türkischen Zoll beamten durch systematische Plackereien jeden gesetzlichen Handelsverkehr unmöglich machen und die Geschäftskreise entweder zur Bestechung der Beamten oder zur Aufsuchung von Schleichwegen nöthigen. Die Verwaltung der Insel anlangend, so schlägt das Counts vor, daß das Recht der Pforte und den Mächten einen Gouverneur vorj- zuschlagc» dem König von Griechenland übertragen werde oder daß wenigstens die Mächte unter sich über eine geeignete Persönlichkeit sich einigen ohne Vorschlag von griechischer Seite. Dieser letztere Wunsch dürfte nicht unannehmbar sein. Weiter heißt es in dem Schriftstück: „Zum Schluffe darf und kann allerdings nicht verschwiegen werden, daß das letzte Ziel aller nationalen Wünsche der Kretenser der staatliche Anschluß an Griechenland ist und bleiben wird. Gleichwohl aber besitzen die Führer der Bewegung so viel politische Einsicht und Maßhaltung, daß sie sich einem Schiedssprüche der europäischen Mächte, welcher eine Reform des Vertrages von Haleppa nach den vorbezeichneten Grundsätzen garantirt, unterwerfen würden. Dagegen haben dieselben in der bestimmteste» Weise erklärt, daß sie sich dem etwaigen Versuche, die Insel an läßlich des jetzigen Aufstandes unter die sogenannte Schutz herrschaft irgend einer europäischen Macht zu stellen, ebenso sehr widersetzen würden, wie der Fortdauer der bisherigen vertrags widrigen türkischen Gewaltherrschaft". Man kann nicht sagen, daß dieses Programm bis auf deu Anschluß an Griechenland allzu weitgehende Forderungen auf stellt. Aber einzelne derselben, wie die Zolleinigung mit Griechenland und das Vorschlagsrecht des Königs von Griechen land, wären vorläufig besser zurückbehalten worden. Diese Ziele werden ja später gewiß einmal erreicht werden, sie aber jetzt programmmäßig auch nur andeuten, heißt die Regelung der kretensischen Angelegenheit, d. h. die Gewährung jetzt erfüllbarer Forderungen erschweren, wenn nicht vereiteln. Der Wunsch nach Vereinigung mit Griechenland müßte ganz unterdrückt werden. Zudem fragt es sich noch sehr, ob dieses formell immerhin gemäßigte Programm den Forderungen der Mehrzahl der Kretenser entspricht. Nach dem Eingangs Mitgctheilten und nach übereinstimmenden anderweiten Mel dungen scheint der Ruf: „Los von der Türkei, Anschluß au Griechenland!" daS allgemeine Feldgeschrei auf Kreta geworden zu sciu. WaS aber schließlich den Appell des Comitss an den Dreibund anbetrifft, so müssen wir er klären, daß derselbe an eine falsche Adresse gerichtet ist. Es ist nicht Sache des Dreibundes als solchen, den Kretensern zu ihrem Rechte zu verhelfen, oder überhaupt Ordnung im Orient zu schaffen. Dies ist die Ans gäbe aller europäischen Großstaaten. Sie halten sicb zur gemeinsamen Lösung derselben verpflichtet und LaS ist überall in Europa, wo man die Aufrollung der Orientfragc im Interesse des Friedens möglichst lange hinzuzögern wünscht, mit größter Genugthuung begrüßt worden. Der Versuch Les kretensischen Comites, Zwiespalt zu stiften, muß daher m:l Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Zweifellos wird cr in Deutschland ebensowenig wie in Oesterreich und Italic» Anklang sinden. Wenn man den Kretensern ratheu soll, so begnügen sie sich mit der Revision des Vertrags von Haleppa, welcher u. A. die Beschränkung der türkischen Garnisonen am die festen Plätze, die Ueberweisung der Hälfte der Einnahme» an die Negierung der Insel und die pflichtmäßige Kenntnis; der griechischen Sprache für alle Beamten festgeslellt und be stehen im Uebrigen nur auf der Vereinigung der Militan und Civilgewalt in der Hand des christlichen Civilgouverneurs und der Unabsetzbarkeit des Letzteren. Das Fürstelithum Wales hat sich den Lupus einer eigenen Universität gegönnt. Sonst pflegt man die Gründung neuer Hochschulen als einen Fortschritt der Cultur mir Freuden zu begrüßen, in diesem speciellen Falle aber hat der Ent schluß der Waliser, sich von London zu emancipiren, einen etwas bitteren Beigeschmack. Jedenfalls dürfte cr der heule mehr denn je bedrohten Reichseinheit nicht gerade dienlich FeitiHetsn. Jim Pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Osbourne. 3s Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. Ich besann mich, daß daSHauS höchstenssechsStockwerke besaß, ich mußte mich also mindestens drei Stockwerke über dem Dache befinden. Mein natürlicher Humor wurde durch diese übernatürliche Erscheinung nicht wenig gereizt. „Mein Zimmer muß hier sein", sagte ich mir, und trat mit vorgestreckten Armen zur Thür, aber o Wunder, ich stieß weder auf diese noch auch auf eine Wand, dafür gähnte mir ein unendlicher, finsterer Gang entgegen, der gar kein Ende zu haben schien. All dies passirte mir in einem Hause, dessen Front nur drei schmale Zimmer und einen noch schmäleren Treppenabsatz isammt Stiege umfaßte! Ich begann die Geduld zu verlieren. sJn diesem kritischen Augenblick offenbarte sich mir ein neues Wunder: auS einer Mauer flackerte mir ein schwacher Licht- «rahl entgegen. Ick streckte meine Hand aus und siehe da, sie hielt eine Thürscbnalle umfaßt! Ohne Umstände trat ich »P ein Zimmer. Eine junge Dame in tiefstem Negligee 'machte gerade Miene, inS Bett zu steigen. „Ich bitte Sie, msir meine Zudringlichkeit zu entschuldigen, ich wohne im Zimmer zwölf, aber irgend etwas scheint heute in diesem verfluchten Hause nicht richtig zu sein", stotterte ich verlegen. . Sie sab mich eine Weile prüfend an, bevor sie entgegnete: /Warten Sie einen Augenblick draußen vor meiner Thür, tch werde Sie alsdann zu der Ihrigen führen." / Diese Scene ging auf beiden Seiten mit vollständiger *GemüthSrube vor sich. Ich that, wie mich die Dame geheißen, ehe ich mich'S versah, trat sie, in einen Morgenrock gehüllt, zu mir, erfaßte ohne viel Federlesen meine Hand, führte mich eine Treppe höher — dies war bereits die vierte über dem Niveau deS Daches — und schob mich in mein Stübchen, wo ich, von den außerordentlichen Wanderungen ermüdet, wie ein Kind einschlief. Ich erzähle die Geschichte, wie ich sie damals erlebt zu haben glaubte, freilich, als ich am nächsten Morgen erwachte und mein Gedächtniß auf die Zeugenbank rief, konnte ich mir nicht verhehlen, daß sie viele «»wahrscheinliche Momente aufwieS. Ich verspürte durch aus keine Lust, inö Atelier zu gehen und schleuderte im Luxembourg-Garten zwischen den Sperlingen, den Statuen und dem herabfallenden Herbstlaub umher, um meinen Brummschädel etwas abzukühlen. Ich hatte von jeher eine Vorliebe für diesen Garten, denn man sitzt dort auf einem öffentlichen Platz voll geschichtlicher und poetischer Erinne rungen. Barras und Fouchs haben aus diesen Fenstern ge blickt, Loustcau und De Banville auf diesen Bänken gedichtet. Außerhalb des Gitters herrscht reges, bewegtes Leben, aber hier drinnen ist's still, nur die Bäume rauschen, Kinder und Sperlinge zwitschern um die Wette und die Statuen blicken stumm von ihren Postamenten herab. Ich nahm auf einer Bank gegenüber dem Eingang zur Gemälde - Galerie Platz, um über die Ereignisse der vergangenen Nacht nach zudenken und, wenn möglich, die Wahrheit von der Ein bildung zu sondern. Mein Hotel wies bei Tageslicht wieder seine ehrlichen sechs Stockwerke auf, und ich konnte, trotz meiner architekto nischen Erfahrungen, beim besten Willen keinen Platz darin sinden für die vielen ober- und unterirdischen Treppen und den langen Gang, die ich in der Nacht durchstreift hatte. Auch stieß ich auf eine noch größere Schwierigkeit: die junge Dame. ES soll Vorkommen, daß sich in den Augen Je mandes, der üppig gespeist und über den Durst getrunken hat, ein Haus erweitert und vergrößert, oder der Occan eintrocknet, ein Fels in der Sonne schmilzt oder der Mond wie ein reifer Apfel vom Himmel fällt, ohne daß der be treffende Philosoph in besondere Verlegenheit und Verblüffung geräth. Ganz anders lag der Fall mit der jungen Dame, deren ich mich ganz deutlich erinnern konnte. Langes Nachsinnen brachte mich auf den Gedanken, ihre Gefälligkeit dem Umstande zuzuschreiben, daß sie vor dem Berauschten Angst gehabt und sich seiner am raschesten da durch zu entledigen hoffte, daß sie ihn in sein Zimmer führte. Als ich mir aber ins Gedächtniß zurückrief, was ich mit ihr gesprochen und oaß wir Beide uns der englischen Sprache bedient hatten, glaubte ich annehmen zu können, daß die ganze Geschichte aus einer optischen Täuschung beruhte: die Katakomben, die vielen Treppen und die mildherzige Dame waren offenbar nur die Gebilde eines lebhaften Traumes. Gerade als ich zu diesem Schluß kam, fuhr ein heftiger Windstoß durchs herbstliche Laub des Gartens, ein Schauer von welken Blättern fiel herab, und zahlreiche Sperlinge flatterten laut zwitschernd über meinen Kopf dahin. Diese angenehme Unruhe in der Luft bauerte nur einen Augenblick, aber sie schreckte mich wie ein plötzlicher Anruf aus meiuen Grübeleien, ich sprang auf, und mein Blick traf die Gestalt einer Dame in brauner Jacke, mit einem Malkasten in der Hand. Ein junger Mann, der um einige Jahre älter sein mochte als ick und eine Staffelei trug, schritt an ihrer Seite. Aus der Richtung, die sie einschlugen, und aus den obgenannten Gegenständen schloß ich, daß sich die beiden in die Galerie begaben, wo die Dame zweifellos irgend ein Bild copiren wollte. Wer beschreibt mein Er staunen, als ich in ihr die Heldin meines nächtlichen Aben teuers erkannte. Ich vermag mich wirklich nicht mehr zu erinnern, ob sie schön war oder nicht, aber sie hatte sich mir gegenüber so verständig benommen, und ich hatte in ihrer Gegenwart eine so lächerliche Rolle gespielt, daß mich plötzlich der Wunsch erfaßte, mich ihr auch in einem günstigeren Lichte zu zeigen, der junge Mann an ihrer Seite war vielleicht ihr Bruder — und Brüder in diesem jugendlichen Alter pflegen sich gerne zu Beschützern aufzuwerfen, um ihre Männlichkeit zu be weisen. Es schien mir auf alle Fälle gerathen, etwaigen Ver wickelungen durch eine Entschuldigung vorzubeugcn. Gerade als ich, um meinen Entschluß auszuführen, in die EingangSthür der Galerie trat, kam mir der junge Mann entgegen. So geschah eS, daß ich meinem dritten Schicksal von Angesicht zu Angesicht gcgenüberstand. Meine Laufbahn wurde nämlich von drei Elementen bestimmt: von meinem Vater, dem neuen Capitol zu Muskegon und meinem Freunde Jim Pinkerton. Was die junge Dame betrifft, mit der sich damals mein Geist vorzüglich beschäftigte, so muß ich ge stehen, daß ich seit jener Stunde sie nicht wiedergesehcn und nichts mehr von ihr gehört habe — ein glänzender Beweis für das Blindekuhspiel, das wir Leben nennen. Drittes Capitel. Der Fremde, der mir, wie bereits erwähnt, um einige Jahre älter erschien als ich, war von guter Gestalt, hatte sehr lebhafte GesichlSzüge, ein bewegliches, herzliches Wesen und graue, flinke Augen wie ein Huhn. „Darf ich Sie auf ein Wort bitten?" sprach ich ihn an. „Mein lieber Herr, ich weiß nicht, WaS Sie von mir wünschen, aber ich gewähre Ihnen gern hundert Worte, wenn Sie wollen." „Ich habe Sie soeben an der Seit« einer jungen Dame gesehen, deren Gefühle ich — freilich ohne jede Absicht — verletzt habe. Mit ihr selbst zu sprechen, wage ich nicht auS Furcht, sie, von Neuem in Verlegenheit zu bringen, ich ziehe, eS daher vor meine Entschuldigung und die Versicherung meiner Hochachtung für die Dame bei einem meines Geschlechts an den Mann zu bringen, der ihr Freund und vielleicht sogar ihr natürlicher Beschützer sein dürfte", schloß ich mit einer Verbeugung. „Sie sind mein Landsmann!" rief er. „Ihre zarte Rück sichtnahme gegen eine Dame beweist eS mir. Sie lassen ihr übrigens nur Gerechtigkeit widerfahren. Sie ist ein kluges Mädchen. Ich bin ihr gestern Abend bei Freunden vorgeslellt worden, habe sie vorhin zufällig getroffen, konnte also nickt weniger thun, als ihr die schwere Staffelei abzunehmen. Wie heißen Sie, mein lieber Herr?" Ich war enttänscht, zu finden, daß mein Unbekannter nur in so oberflächlicher Beziehung zu der Dame stand und ich hätte mich, trotzdem ich ja seine Bekanntschaft gesucht hatte, am liebsten schleunigst aus dem Staube gemacht, aber etwas in seinem Auge fesselte mich, und ich entgegnete: „Ich heiße Loudon Dodd und bin ein Kunstjünger, der aus Muskegon hierher gekommen ist, um Bildhauer zu werden." „Bildhauer?" fragte er, als ob er dies am wenigsten erwartet hätte. „Ich heiße James Pinkerton und freue mich, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben." „Pinkerton!" Nun war die Reihe, erstaunt zu sein, an mir. „Sind Sie der Stuhlbrecher Pinkerton?" Er gab dies mit vergnügtem Lachen und knabenhaftem Errötheli zu. In der That hätte jeder Bewohner deS StukentenviertclS stolz sein dürfen, sich einen Spitznamen auf so tapfere Weise zugezogcn zu haben. Wieso er zu demselben gekommen, muß ich hier erzählen. Damals herrschte in vielen Pariser Ateliers die Unsitte, Neuankömm- lingo mit grausamen und unanständigen Quälereien zu martern. Zwei Vorfälle, die einander auf dem Fuße folgten, brachten eine Wandlung zum Besseren, doch batte man zu barbarischen Mitteln greifen müssen, um dies zu erreichen. Ein armenischer Jüngling, der einen Fez auf dem Haupte und, wovon Niemand etwas wußte, einen Dolch in der Tasche trug, war angekommen und arbeitete in dem Atelier eines berühmten Meisters. Die Quälereien wurden in der gewöhnlichen Weise in Scene gesetzt und, vielleicht in Folge der ungewohnten Kopfbedeckung deS Opfers, toller noch als sonst betrieben. Der Armenier ertrug sie geduldig, als sich aber einer der Studenten eine besonder» unverzeihliche Freiheit gegen ih»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite