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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960715028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-15
- Monat1896-07
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Dir Morgeu-AuSgabr erscheint um '/,? Uhr. dir Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Ne-action vnd Expedition: JshanneSgaGe 8. DieExpeoition ist Wochentag» ununterbrochen gevffnrt von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: Dtt« Alemm's Tortim. (Alfred Hahn). Uviversitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kathartnenstr. 14, part- und Königsplatz 7. Bezugs-Preis h« der Hauptexpedition oder den im Stadt« bewirk und den Bororten errichteten Aus- aaoestellen ab geholt: vierteljährlich vei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandjeudua- iu« Ausland: monalltch 7.50. Abend-Ausgabe MpMerTagtblall Anzeiger. ÄUlsktatk -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Nolizei-Ämtes -er Stadt Leipzig. Mittwoch den 15. Juli 1896. Anzeigen PreiS dte 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reclameu unter demRrdactionSstrich («ge spalten) 50^, vor den Jamiliennachrichtea (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördernng SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Ilnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr, Margen-AuSgabe: Nachmittag« «Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde frnher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 9V. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. Juli. Die „Nordd. Allgem. Ztg." behauptet, der weitaus überwiegende Theil der deutschen Presse habe Zu stimmung zu der Betheiligung Deutschlands an der Pariser Weltausstellung bekundet, die „Nation allib. Corr." dagegen habe sich abfällig über die Entschließung der Regierung geäußert. Gegen beide Behauptungen wendet sich heute die „Nationallib. Corr.", indem sie ausführt: „Wir haben uns, und das ist an anderer Stelle auch richtig ver standen worden, lediglich dagegen ausgesprochen, daß die Frage der Ausstellungsbeschickung so behandelt werde, daß die Industrie zweige, denen ihr wirthschaftliches Interesse das Fernbleiben gebietet, schließlich unter dem Gesichtspunkt der engagirten nationalen Ehre sich zur Tbeilnahme gezwungen sehen könnten. Zu dieser Ver- 'wahrung hatten wir unsere guten, der Erfahrung entnommenen Gründe, und die von der „Nordd. Allgem. Ztg." mitgetheilten Redensarten, in denen ein Blatt wie die „Frankfurter Zeitung" schon jetzt sich ergeht, bestärken uns in der Ueberzeugung, daß eS von Uebel wäre, sich in dieser Angelegenheit enthusiaSmiren zu lassen. Das politische Moment war von uns ganz außer Betracht gelassen worden. Nicht weil ihm keine Bedeutung zukäme, sondern weil es sich um eine, zudem unabänderliche Entscheidung handelte, die, soweit politische Erwägungen maßgebend waren, die Regierung allein hatte treffen müssen." Wir können zunächst bestätigen, daß der größere Theil der Presse auch bis heute noch entweder sich in Schweigen gehüllt oder Bedenken geltend gemacht hat. Die „Nord deutsche Allgemeine Zeitung" verräth selbst, wie gering die Auswahl unter den ihrem Zwecke zur Verfügung stehenden Preßstimmen ist. Sie citirt ein nationalliberales Blatt, das sich inzwischen vorbehaltlos auf den Standpunkt der „National!. Corr." gestellt hat, sodann ein klerikales Organ und — die „Frankfurter Zeitung", deren — gelinde ausgedrückt — Sympathien für Frankreich bekannt sind. Das Regierungsorgan hätte sich allerdings auch noch auf den „Vorwärts" berufen können, der Feuer und Flamme für die Beschickung der Ausstellung ist und dabei von demselben Instinkte geleitet wird, wie das Organ des Herrn Sonnemann. Die Zurück haltung, welche die „Nationallib. Corr." nach der politischen Seite bin sich auferlegen zu sollen geglaubt bat, hielten wir von Anbeginn nicht und halten wir jetzt um so weniger für geboten, als die „Nordd. Allg. Ztg.", und zwar in einer gegen das „Leipziger Tageblatt" gerichteten Aus lassung, auf dasselbe Terrain sich begeben hat. Nachdem es die Versicherung einer süddeutschen Zeitung, die Beitrittserklärung des Reiches sei in Paris „stellenweise mit herzlicher Freude" begrüßt worden, citirt, schreibt dasRegierungs- organ: „Man wird erwarten dürfen, daß die Betheilmung deS deutschen Reichs an dem gewerblichen Wettbewerb der Nationen in der französischen Hauptstadt nicht nur in wirthschaftlicher, son dern auch in politischer Beziehung gute Früchte tragen wird." Welche Umstände diese Erwartung rechtfertigen, wird nicht gesagt. Etwa die Vorkommnisse bei dem Pariser Aufenthalt der Kaiserin Friedrich? Oder das Verhalten der Fran zosen bei derKieler Canalfeier vor einem Jahre, in der — beiläufig bemerkt — die in diesem Punkte merkwürdig schlecht unterrichtete „Magdeb.Ztg." eine Ermuthigung zurTheilnahme an der Pariser Ausstellung erblickt? Wir werden nach den bei jeder nicht herkömmlichen Annäherung an Frankreich ge machten Erfahrungen sehr zufrieden sein, wenn die Beziehungen zwischen den beiden Ländern im Oktober 1900 nicht schlechter sind, als sie vor der Anmeldung der Theilnahme an der Weltausstellung waren. Feuilleton. Jim Pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd OSbourne. 18s Nutorisirt« Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. Ich glaube nicht, daß eS noch einen zweiten Menschen in ganz Frisco giebt, der im Stande gewesen wäre, die letzten 10 000 noch aufzutreiben! Mir ist's gelungen", rief er, vor Selbstbewnnderung glühend. „Doch wir haben noch Eins zu bedenken. Ursprünglich hatte ich gehofft, daß Du das Opium wirst auf den Inseln losschlagen können, eS wäre sicherer und nutzbringender ge wesen. Aber durch diesen Dreimonattermin ist das zur Unmöglichkeit geworden. Du mußt Dich sofort nach Bergung der Ladung auf den Seeweg nach Honolulu machen. Ich werde Dir den Verkauf deS OpiumS zu erleichtern trachten, indem ich Dich mit einem Menschen in Verbindung setzen werde, der diesen Geschäftszweig betreibt. Sobald Du Dich den Inseln näherst, sei auf dem LugauS, denn es ist leicht möglich, daß er Dir in einem Walsischboot oder in einem kleinen Dampfer entgegen kommt und Dir die Dollar« direkt an Bord bringt." Wie sehr hatte doch, durch meinen Aufenthalt in San Francisco mein moralisches Gefühl gelitten! Ich lauschte aufmerksam den Erklärungen meines Freundes und bäumte mich gegen die Zumuthung, ein Schmuggler zu werden — noch dazu ein Opiumschmuggler — nicht auf! Ohne Wider rede, aber nicht ohne Gewissensbisse, ging ich darauf ein! „Wie aber, wenn das Opium so gut versteckt ist, daß ich eS nicht finden kann?" unterbrach ich Jim. „Dann wirst Du die Brigg in Kleinholz zerschlagen lassen, und dieses mit Deinen eigenen Händen zersplittern", rief er in höchster Erregung. „Das Zeug ist an Bord, das ist so sicher, wie einmal eins eins ist und es muß gefunden werden! Aber das ist nur eine Saite unseres BogenS. Noch ehe ich auch nur einen Cent ausgenommen, und trotz der Idee, die mir in den Kopf ge fahren, war ich bemüht, mich eines passenden SchoonerS zu versichern. Die „Norah Creina" ist 60 Tonnen schwer — groß genug für unsere Zwecke, da der Reis wegfällt — und Die bevorstehende Beendigung des Zollkrieges mit Spanien veranlaßt in der Presse Zusammenstellungen über die Entwickelung des Handelsverkehrs zwischen Deutschland und Spanien. Dabei wird auch auf die zunehmende Ver wendung spanischer Eisenerze in Deutschland bingewiesen. Da dieselben auch während des Zollkrieges zollfrei cingingen, so blieb dieser Zweig des spanischen Exports von den Wirkungen des Zollkrieges durchaus verschont und an' ihm zeigt sich wohl am deutlichsten, welcher Steigerung der deutsch-spanische Handelsverkehr unter günstigen Bedingungen fähig ist. Die Einfuhr spanischer Eisenerze in Deutschland betrug in den ersten fünf Monaten des Iabres 1889 1 937 893 Doppel- Centner. Im gleichen Zeitraum 1893 belief sie sich auf 3 248 247 Doppel-Centner und für Januar-Mai 1896 hat sie sich auf 4 792 472 Doppel-Centner gesteigert. Diese zunehmende Einfuhr entspricht nur dem vermehrten Bedarf an spanischen Eisenerzen in der deutschen Eisenindustrie. Die Zahlen allein enthalten schon eine scharfe Kritik des seiner Zeit von agrarischer Seite ge stellten Verlangens, die spanischen Eisenerze mit einem Zoll in Höhe von 20 Procent ihres Werlhes zu belegen. Graf Kanitz regte diesen Gedanken schon in der Neichstagssitzung vom 26. Januar 1895 an und die „Deutsche Tageszeitung" hat ihn mit einem verdächtigen Eifer vertreten. Alle Argu mente, welche von den Sachverständigen der Eisen industrie dagegen eingewendet wurden, auch der Nachweis, daß die spanischen Eisenerze für die deutsche Eisenindustrie unentbehrlich seien, wurden von dem agrarischen Organ in den Wind geschlagen. Glücklicher Weise haben die ver bündeten Regierungen nickt ein Gleiches gethan mit den Warnungen des Abg. Dr. Hammacher, der dem Abg. Graf Kanitz gegenüber dringend davon abrieth, in „kritikloser Be nutzung der Macht" Maßregeln zu ergreifen, welche die wirthschaftlicken Interessen unseres Landes fundamental ver letzen würden. Die Reichsregierung hat gezeigt, daß sie auch ohne die von agrarischer Seite gewünschte Schädigung der Industrie zum Ziele, zur Beseitigung des Zollkrieges, gelangen konnte. Dieser Verlauf der Dinge sollte doch etwas miß trauisch machen gegen die agrarischen Nathgeber und Propheten. In Frankreich ist die Feier des Nationalfestes, welche durch die Anwesenheit Li-Hu.ng-Tschang's, des außer ordentlichen Bevollmächtigten des Kaisers von China, ein besonderes Relief erhielt, durch einen Gewaltakt gegen den Präsidenten Faure jählings gestört worden. Wir berichten an anderer Stelle ausführlich über das „Attentat". Hier können wir uns darauf beschränken, hervorzuheben, daß man es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit einem anarchistischen Anschlag auf das Leben des Präsidenten der Republik u la Caserio, sondern mit der That eines nicht völlig Zurechnungsfähigen zu thun hat, der an Ouerulantenwahn zu leiden scheint und sich von aller Welt verfolgt glaubt. Man darf sonach, falls das weitere Verhör und die polizei liche Nachforschung nicht zu einem anderen Resultate gelangt, was aber kaum anzunehmen ist, dem Verhafteten seine Ver sicherung, er habe nur die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich ienken wollen, gern glauben. Auch in Paris ist diese Auf fassung allgemein. Wie man uns meldet, erklären die Blätter einstimmig, daß der Anschlag ohne jede politische Tragweite und nur die harmlose Tbat eine« Narren sei, die nichts verdiene, als Mitleid und das Narrenhauß. Im Verhör beschränkte sich der Attentäter FrantzoiS darauf, sich über seine früheren Vorgesetzten, sowie über die Feigheit der Menge, welche ihn fast zerrissen hätte, zu beschweren. Im weiteren Verlaufe deS Verhörs machte er unzusammenhängende daS schnellste Fahrzeug im Hafen von Frisco. Ich habe mich mit dem Besitzer auf 200 Dollars Prämie, und 300 Dollars monatlich -für die Befrachtung geeinigt, für diese Summe steht sie unö vollständig zur Verfügung. Ich rechne noch 400 Dollars für Löhne und Proviant hinzu — ein Tropfen mehr in diesem Meere von Auslagen. Seit zwei Stunden wird sie bereits ausgeladen — denn sie war zum Theil befrachtet — auch habe ich John Smith beauftragt, die nothwendigen Schiffsvorräthe zu liefern. Das heißt doch ins Zeug gehen?" „Kein Zweifel! Aber ich brenne schon darauf, endlich Deine „Idee" zu hören," bemerkte ich ungeduldig. „Nun denn, Du theilst doch meine Ansicht, daß BellairS gewillt war, noch höher zu steigern?" „Ja — ah, ich verstehe! Also da hinaus zielst Du?" „Errathen, Loudon! Wenn Bellairs oder vielmehr sein Auftraggeber gewillt ist, mir das Wrack abzunehmen, werde ich mich keinen Moment besinnen." Ein unbehagliches Gefühl beschlich mich. Wie, wenn ich durch meinen kindischen Uebermuth diesen Plan vereitelt hätte? Es wäre wohl jetzt meine Pflicht gewesen, Pinkerton von dem Vorkommniß in Kennrniß zu setzen, aber Scham schloß mir die Lippen, und ich ver schwieg ihm mein Erlebniß am Telephon. „Allem Anschein nach hat er ursprünglich 50 000 Dollars für den Ankauf festgesetzt, gab ich zu, „so wenigstens be hauptete BellairS Aber wenn wir die Ausgaben herauS- schlagen wollen, die wir für das Mietben des SchoonerS und die Aufnahme des Geldes bereits gemacht haben, müßte er noch ein nettes Sümmchen daraufzahlen!" „Ich glaube, daß BellairS bis 60 000 Dollars gehen und sehr zufrieden sein wird, für seine Vermittelung 100 Dollar« zu bekommen", entgegnete Pinkerton. „Man muß nur mit dem Scheusal umzugehen verstehen." „WaS BellairS betrifft, theile ich Deine Meinung voll kommen, aber ich fürchte nur, daß 50 000 das Aeußerste ist, was er zu bieten bevollmächtigt worden." „Wenn dem wirklich so sein sollte, Loudon, so werden wir ihm die „fliegende Lerche" für 50 000 überlassen", sagte Pinkerton mit außergewöhnlichem Ernst und in Miene und Stimme. „Ich ziehe einen kleinen Verlust der Ueber- anspannung unseres CreditS vor." „Ja, stehen wir denn so schlecht Jim?" rief ich höchst be unruhigt. „Wir stecken in einer faulen Haut, mein Junge, denn die Angaben, welche bewiesen, daß er zwar nicht völlig wahnsinnig, aber von großer geistiger Schwache befallen ist und an Verfolgungswahn leidet. Was den Empfang Li-Hung-Tschangs anlangt, so ist derselbe von Seiten der Presse ein sehr reservirter, ja zum -ihecl recht mißtrauischer, was sich daher erklären mag, daß der Vertreter des Kaisers von China, nachdem man ihn in Moskau etwas enttäuscht hat ziehen lassen müssen, in Deutsch land, dessen besonders freundschaftliche Beziehungen zu China er so auffällig markirt hatte, von gewisser Seite geradezu un verständliche Ovationen erhalten hat. Die officiellen Repräsen tanten der Republik fassen die Sache freilich ruhiger, kühler und daher auch unvergleichlich vernünftiger auf. Sie jagen sich offenbar: Li-Hung-Tschang hat das Füllhorn seiner Gaben in Deutschland nicht ausgeschüttet, man hat ihn dort zwar hofirt und umschmeichelt, aber man war doch zu bescheiden, von ihm Bezahlung für gute Dienste geradezu zu verlangen. Man hat Nichts gefordert und darum hat man Nichts be kommen. Machen wir es klüger, d. h. seien wir dreister und winken wir so deutlich mit dem Zaunspfahl, daß der Vertreter des Himmlischen Reichs uns nicht mißverstehen kann. Sagen wir es ihm auch gleich, damit er rechtzeitig für England Dispositionen treffen kann, wo man schon ganz sicher ist, Herrn Li um das Vollgewicht seines großen Geldsackes zu erleichtern. So hat denn auch Felix Faure in seiner Erwiderung aus die Ansprache Li's nicht verfehlt, hervorzuheben, daß Frankreich „seit langer Zeit schon China Beweise seiner Sympathie gegeben hat und geneigt ist, die Freundschaft noch enger zu gestalten", daß man aber auch der zuversichtlichen Erwartung sich hingebe, der Botschafter werde, „wenn er die großen industriellen Anlagen Frankreichs gesehen habe", nickt vergessen, beim Kaiser von China seine „mächtige Unterstützung" den- jenigen Landsleuten des Präsidenten zu Theil werden zu lassen, welche dort den Handel und den Austausch der Industrie-Erzeugnisse beider Länder bereits vermitteln und noch vermitteln werden. Das ist doch deutlich genug. Ob aber das dreiste Angebot acceptirt werden wird, bleibt doch noch sehr die Frage. China hält Frankreich durch die bekannten Grenzregulirungen für abgefunden, WaS Li in seiner Ansprache an den Präsidenten auch andeutete, und schließlich wird doch England liefern, was China braucht, weil eS am billigsten liefern kann. Unsere Ansicht, daß bei dem italienischen Mi nister - schub, den die Rudini so unvermuthet in Scene gesetzt, nicht die Militairvorlage Ricotti's das treibende Moment gewesen ist, sondern der Wunsch deS Ministerpräsidenten, ein „homogenes" Ministerium insofern zu schaffen, alS es nur ihm ergebene Freunde enthielt, die seiner Führerschaft widerspruchslos Gefolgschaft leisten, findet ihre Bestätigung durch die Thatsachc, daß außer Ricotti noch vier Collegen desselben, darunter der Minister des Aus wärtigen, der Herzog di Sermoneta, auSgeschifft worden sind. Differenzen waren ja von Anfang an in dem Cabinet Rudini zu Tage getreten, namentlich in Bezug auf die in Abessinien zu befolgende Politik. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen und unserm Verwundern über die sonder bare Bespannung des Staatswagens Ausdruck gegeben. Der zum Minister des Auswärtigen designirte Marchese Emilio Visconti-Venosta ist in Mailand am 22. Januar 1829 geboren. Ec kämpfte 1848 während der fünf Märztage gegen die Oestrrreicher, betheiligte sich später an den Mazzini'schen Verschwörungen gegen die Fremdherrschaft und wurde 1859 vo» Cavour zum königlichen Commissar bei Garibaldi's Freischaaren ernannt. Von 1870—1886 war er Abgeordneter für lombardische Wahlkreise, Senator ist er seit 50 000 Dollars, die wir für die „Lerche" bezahlen, werden sich eigentlich auf 70 000 belaufen, wenn wir die Bergungs kosten des Wracks dazu rechnen und die 10 Procent Zinsen, die ich monatlich bezahlen muß. Ich konnte das Geld nicht billiger beschaffen und kein lebender Mensch hätte es können. Es ist nur ein Wunder, Loudon, daß eS mir überhaupt gelungen ist. Ja, wenn wir vier Monate Frist hätten, würbe ich mir kein graues Haar wachsen lassen.... Vielleicht gelingt es uns auch so, wenn Du Dich der Sache mit demselben Eifer und Verständnis; annimmst, wie der Picnic. Kommt das Schlimmste znm Schlimmen, so mnßt Du eben den Schooner mit derselben Energie und demselben Genie zur Midway-Jnsel führen, wie Deine Ausflügler an ihren Bestimmungsort. Mensch, wenn wir diese Geschichte zu einem glücklichen Abschluß brächten, wie ständen wir da! Ganz Frisco würde bewundernd zu uns aufblicken, und unseren Scharfsinn anstaunen. Welch' prächtige, noch nie dagewesene Reclame wäre das für uns! Bis an unser Lebensende würden wir mit Stolz und Genuathuung an dieses Unternehmen zurückdenken. Aus jeden Fall aber", brach er plötzlich ab und verfiel aus seinem begeisterten Ton wieder in einen sehr ernsten, „ans jeden Fall müssen wir erst mit dem Winkeladvocaten verhandeln. Sicher ist sicher." Ich kämpfte abermals mit mir, ob ich Pinkerton nicht reinen Wein einsckänken und ihm bekennen sollte, daß ich im Besitze der Adresse unseres geheimnißvollcn Mitbewerbers sei. Wie thöricht von mir, mir vorhin den günstigen Moment entschlüpfen zu lassen! DaS batte meine peinliche Lage erschwert, denn mußte ich Pinkerton außer meinem schlimmen Bubenstreich nicht auch meine Verheim lichung beichten? Dabei konnte ich den bedrückenden Ge danken nicht los werden, daß eS zu spät sei, daß der Fremde vor zwei Stunden San Francisco verlassen hatte und daß ich eS war, der die Schuld hieran trug. Ich schwieg also wieder, und gab zu, daß Pinkerton dem Winkeladvocat tele phonisch unseren Besuch ankündigte. BellairS wohnte in einem Hause, daS von außen wenig stens Halbwegs anständig aussah und einen ländlichen Anstrich hatte. Auf dem Treppenpfciler stand auf einer schwarzen Tafel in Goldbnchstaben: Harry D. BellairS, Rechtsanwalt, Sprechstunde von 9 bis 6. Nachdem wir die Stiege erklommen hatten, fanden wir uns einer Thür gegenüber mit der Aufschrift: Rechts anwalt BellairS zu Hause gegenüber. DaS Gemach, welches wir jetzt betraten, war sauber, aber dem 7. Juni 1886. Nachdem er als Abgesandter der italienischen Regierung die Verhandlungen über die Gebietserweiterungen im Jahre 1860 geführt hatte, wurde er unter Minghetti 1863—1864 Minister des Auswärtigen und schloß als solcher die September- Convention mit Frankreich ab. 1867 wurde er wieder Minister des Auswärtigen unter Ricasoli, ebenso 1869 bis 1873 unter Lanza, wobei er die Einverleibung des Kirchenstaates mitmachte, und endlich leitete er nochmals die auswärtige» Augelegenhciten unter Minghetti von 1873 bis 1876. Diese letztere Amtsführung war für ihn entscheidend, denn obwohl er vordem ein Freund Frankreichs und der Napoleoniden gewesen, überzeugte er sich damals von der N othwendigkeit des Anschlusses an die Mittelmächte und begleitete 1873 den König aus seinen historischen Reisen nach Wie» und Berlin. Auch fällt der Besuch Kaiser Wilhetm's in Mailand im Jahre 1875 noch unter sein Ministeramt. Seit 1876 hat er übrigens am politischen Leben keinen hervorragend thätigen Antheil mehr genommen. Ter neue Kriegsminister Luigi Peil oux ist 1839 in Savoyen geboren und ging 1857 als Artillerie-Lieutenant aus der Kriegsakademie zu Turin hervor. Er kämpfte 1859 und 1866 mit, befehligte 1870 als Major die Beschießung der Porta Pia, später war er Oberst im Geueralstab und Generalsecretair im Kriegs ministerium unter General Ferrero, dessen Armeevermehrungkplane er anfangs der achtziger Jahre in der Kammer lebhaft und ge- schickt vertrat. Pelloux war Abgeordneter für Livorno von 1880 bis 1890 und Kriegsminister unter Rudini und Giolitti vom sFebruar 1891 bis Tecember 1893. Er vertrat damals Len Ärund- atz, daß 246 Millionen für das Kriegsbudget die äußerst zulässige Grenze der Ersparnisse sei, und widerstand mit Erfolg den Einschränkungsplänen des damaligen Finanzministers Colombo. Der an Colombo's Stelle tretende Schatzminister Luigi Luzzatti, geboren 1841 i» Venedig, ist ein hervorragender Kenner des italienischen Wirthschaftslebens und Gründer Les Genossenschafts wesens in Italien. Er ist Professor der National-Lekonomie in Perugia, vorher Padua, und seit 1870 Abgeordneter für venezianische Wahlkreise. Unter Crispi's erstem Ministerium wurde Luzzatti als Unterhändler für den Handelsvertrag nach Poris geschickt, unter Rudini war er von 1891 bis 1892 Sckatzminister, wobei er sich minder hartnäckig in der Sparpolitik zeigte als Colombo. Nachher bekämpfte er als Abgeordneter die Finanzvorlagen Sonnino's, besonders die Abzüge an den Rentenzinsen, bezweifelte die Herstellung des Gleichgewichts durch Sonnino und hob die Nothwendigkeit der Steuerreform hervor. Bei der letzten Anwesenheit Les deutschen Kaisers in Venedig hat dieser ihn durch lange Unterhaltung über sociale und wirthschaftliche Fragen ausgezeichnet. Lin eifriger Ver- treter der Steuerreform ist auch der neue Minister für öffentliche Arbeiten Giulio Prinetti, er ist etwa 45 Jahre alt, seines Zeichens ist er Ingenieur und Fabrikant von Fahrrädern in Mailand. Seit 1882 gehörte er der Kammer als Abgeordneter für Como und Brivio an und war dort einer der streitbarsten Politiker der Rechten, bekämpfte scharf die Steuervermehrung der vorigen Regierung und befürwortete verständige Einschränkung Der Minister für Post und Telegraphie, Emilio Siueo, und der Civilcommissar für Sicilien, Codronchi, sind politisch noch nicht hervorgetretcn, doch gehören, soviel bis jetzt be kannt ist, die ncuernannten Minister sämmtlich der Rechten an, eine schwere Enttäuschung für die Radikalen, welche zum mindesten gehofft hatten, in Cavalotti regierungsfähig zu werden. Die Rache wird nicht ausbleiben. Zwischen Schweden und Norwegen will die nationale Eifersucht nicht zur Ruhe kommen. Augenblicklich ist es wieder die Flaggenfrage, welche Norwegen Anlaß zum Streit gegeben hat. Das diesjährige Storthing hat bekanntlich ein Flaggengesetz angenommen, dem der König die Be stätigung vorentbalten hat. DaS Flaggengesetz schreibt für HandelSzwecke die „reine" norwegische Flagge vor, in der also das im obern Winkel befindliche Unionöabzeichen, das sowohl in der schwedischen wie in der norwegischen Flagge ent halten ist, fehlt. Bereits 1893 brachte die radikale Stor- thingSinehrheit das Gesetz durch, aber auch damals dürftig. An der einen Wand lehnte ein sebr altmodisches Schreibpult, und vor diesem stand ein ziemlich abgenutzter Stuhl. An einer anderen Wand hing ein Bücherregal mit einem halben Dutzend juristischer Werke, und ich kann mich beim bestcnWillen nicht daran erinnern, sonst noch ein Möbelstück gesehen zu haben. Daraus schloß ich, daß Bellairs die Gewohn heit habe, auf dem einzigen Stuhl zu sitzen, und seine Clienten stehen zu lassen. Am entgegengesetzten Ende des Gemachs bemerkten wir eine mit rothen Friesvorhängen verhüllte Thür, die wahrscheinlich ins Innere der Wobnung führte. Erst nachdem wir uns durch Räuspern und Stampfen be merkbar gemacht, trat Bellairs hinter derselben hervor. Zögernd und ängstlich, wie Jemand, der sich vor einer körperlichen Züchtigung fürchtet, kam er auf uns zu, um, nachdem er unS erkannt, wie ein Gnminimännchen in die Höhe zu schnellen, und in einen ParoxiSmuS von Höflichkeit zu verfallen. „Ah, Herr Pinkerton und Comp.!" rief er grinsend. „WaS verschafft mir die Ehre? Ich will sofort Stühle herbeischaffen." „Nicht nöthig," entgegnete Jim, kalt wie ein Eiszapfen. „Keine Zeit. Stehen viel lieber. Geschäft ist Geschäft. Wie Sie wissen, mein Herr, habe ich beute Morgen das Wrack der „fliegenden Lerche" gekauft." Der Advocat nickte. „Und ick habe es um einen Preis erstanden, der in gar keinen Verhältnis zu der Ladung steht," fuhr Jim fort. „Nun haben Sie sich eine- Besseren besonnen und möchten die Geschickte wieder loS werden?" unterbrach ihn Bellairs mit pfiffigen Lackeln. „Ich kau» eS Ihnen nickt verhehlen, daß mein Client mit mir unzufrieden ist, weil ick das Wrack so hoch in die Höbe getrieben. Wir waren eben beide zu hitzig in der Sache, Herr Pinkerton. Das macht die Nebenbuhlerschaft, der Geist des Wettbewerbes. Aber ick weiß, wie ich mit einem Gentleman umzugehen habe. Ich will daher aufrichtig sein und Ihnen offen ge stehen, daß ich, wenn Sie die Sache vertrauensvoll in meine Hände legen, im Stande wäre, meinen Clienten zu bewegen. Ihnen das Wrack wieder abzunehmen und zwar so daß Ihr Verlust — er streifte unsere Gesichter einen Augenblick prüfend mit seinen Schielaugen — „gleich Null sein wird", fügte er dann rasch hinzu. Pinkerton'S Antwort und Haltuna verblüfften mich. „Das genügt mir nicht. DaS Wrack gehört nun einmal mir und ich will eö auch behalten, denn ich weiß, eS ver birgt kostbare Waare. WaS ich von Ihnen will, sind Auf-
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