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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960718022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896071802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896071802
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-18
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Kar dorff sich ver anlagt, in der „Post" das Centrum wegen seiner Mitarbeit am Bürgerlichen Gesetzbuch gegen den Verdacht „böser Ab sichten gegen den Reichsgedanken und die Reichs einheit" in Schutz zu nehmen und darauf hinzuweisen, daß „der weitere schwere Kampf gegen die Social demokratie und das Manche st ertbum" ohne die thätige Beihilfe de- Centrums nicht mit Erfolg geführt werden könne. Daß man das Centrum, so lange eö im Reichstage eine ausschlaggebende Stellung einnimmt, nicht geradezu vor den Kopf stoßen darf, liegt auf der Hand; die Reichstagsdebatte über die letzte Interpellation des Centrums in Sachen deS Iesuitengesetzes hat auch bewiesen, daß man auf allen Seiten des Hauses an nichts weniger als an eine Zurückstoßung des Centrums denkt. Die Stellung dieser Partei zur Po len frage und die Unterstützung, welche socialdemokratische Candidaturen nicht selten auf ultra montaner Seite finden, sollten aber Herrn v. Kardorff an der Aufrichtigkeit der deutschnationalen Gesinnung des Centrums doch etwas zweifelhaft macken und ihn veranlassen, seine Parteigenossen, statt znm Vertrauen auf einen so zweifel haften Bundesgenossen, zur Verdrängung desselben aus seiner Position zu ermahnen. Wie das Cenlrum und seine An hänger die Ausstellung von günstigen Zeugnissen zu belohnen pflegen, davon wird heute den „Münch. N. N." aus Straß burg ein neues interessantes Beispiel mitgetheilt. Es lautet: „Bekanntlich haben unsere elsässischen Ultra montanen mehr als ein Jahr hindurch die Hetze gegen die Straßburger Uni versität und ihre Professoren als eine Art Sport mit wahrem Feuereifer betrieben. Das Ausbleiben jeglicher Antwort scheint ihnen aber endlich die Lust an diesem unfruchtbaren Thun benommen zu haben, wenigstens sind die Angriffe seit einigen Wochen eingestellt. Dafür ist nun aber neuerdings das höhere Schulwesen wieder an die Reihe gekommen, und da für einen älteren beleidigenden Artikel gegen dieses und seine Leiter, speciell gegen Ober schulrath Or. Albrecht, der „Elsässer" mit einer ziemlich erheblichen Geldstrafe belegt worden war, so läßt das Gefühl der Rache dafür diesen neuesten Vorstoß psychologisch wohl erklärlich erscheinen. Allein trotzdem ist man über die Heftigkeit de» Angriffs erstaunt, wenn man sich erinnert, wie bei den Straßburger Ge meindewahlen im Juni gerade vr. Albrecht mit Herrn Emil Petri einer der Hauptträger des Compromisses zwischen der Rathhaus. Partei und den Ultramontanen gewesen und Arm in Arm mit Abbs Müller-Simonis, dem Herausgeber des „Elsässer", in den Wahlkampf gezogen war. Noch viel seltsamer aber nimmt sich dieser Angriff auf den Verbündeten von gestern aus angesichts Les wirklich großenDiensteS, den Vr. Albrecht erst kürzlich einem Führer der Ultramontanen, Landesausschuhmitglied und Gemeinderath in Straburg, geleistet hat. Der Sohn dieses Herrn hatte sich im Mai dieses JahrrS am kaiserlichen Lyceum hierselbst zum Abiturienten-Examen gestellt und war rite durch gefallen. In drei Hauptfächern (ich glaube, es war Lateinisch, Mathematik und Geschichte) waren seine Leistungen nicht genügend, und nur im Französischen, der Haussprache dieses Notabelnsohnes, war etwas wie eine Compensation vorhanden, die aber jenen dreifachen Ausfall natürlich bei Weitem nicht decken konnte. Das Lehrercollegium erklärte denn auch einstimmig den Jungen für unreif und durchgesallen und blieb auch, als Regierungscommissar vr. Albrecht aufs Uebcrredendste für ihn eintrat, bei seinem Votum. Da geschah das Unglaub- liche: vr. Albrecht legte gegen diesen unanfecht- baren Beschluß des ganzen betheiligtrn Lehrercolle- giums sein Beto ein und suspendirte die Entscheidung, und wenige Tage darauf erschien ein Rescript des Staatssecre« tairs, das den jungen Notabeln für bestanden und reif er klärte. Man kann sich denken, mit welchen Gefühlen das Lehrer collegium diese Verfügung über sich ergehen ließ, und eS war daher ein ebenso natürliches als mannhaftes Verfahren des Directors der Anstalt, daß er den Schülern der Prima mittbeilte: der Abiturient T ist zwar bei seinen Lehrern durchgesallen, ist aber ohne unsere Mitwirkung durch Ministerialentscheid dennoch für bestanden erklärt worden." Gegen diesen selben Obersckulrath vr. Albrecht, der dein im Examen durchgefallenen Sobne eines ultramontanen Führers ein Reifezeugniß verschaffte, richtet sich jetzt die ultramontane Hetze! Wir wollen Herrn v. Kardorff nicht wünschen, daß er für das nationale Reifezeugniß, das er jetzt dem Centrum ausstellt, auf ähnliche Weise belohnt wird. Denn nicht er allein würde unter diesem „Danke vom Hause Lieber" zu leiden haben, sondern mit ihm das Reich, das um so mehr gefestigt werden und um so eher die von der Social demokratie drohende Gefahr abwenden wird, je früher und gründlicher Vie Macht des Centrums gebrochen wird. Eine westfälische Zeitung bringt die Berichte in Er innerung, welche vor einiger Zeit eine Abordnung englischer Industrieller über die festländische Eisen- und Stahl industrie erstattet hat. Jene Abordnung hat bekanntlick den wenig löblichen Nebenzweck der Auskundschaftung verfolgt; dieser Umstand kann jedoch den Werth ihrer Beobachtungen und Feststellungen nicht beeinträchtigen. Wir unsererseits kommen auf die Berichte zurück, weil es zur Zeit ihrer erst maligen Veröffentlichung in Deutschland versäumt worden ist, ihnen ein für die deutsche Loctalücmokrattc überaus bezeich nendes Urtheil gezenüberzustellen, das nicht lange vorher der von Herrn Liebknecht geleitete „Vorwärts" gefällt hatte. In den englischen Berichten wird gesagt: „Warum ist der deutsche Arbeiter besser (als der englische)? Weil Staat und Arbeitgeber Alles aufbieten, um möglichst viel aus ihm herauszubekommen, nicht indem sie ihn zu Tode jagen, nicht mittels der vielen Aequivalentr der Sklavenpeitsche, sondern indem sie alle mögliche Fürsorge für feinen Körper tragen und Geld und Nachdenken auf ihn ver wenden, damit er seinem Arbeitgeber und dem Gemeinwesen möglichst viel nützt. Der Staat giebt ihm ziemliche Gewiß heit, daß er niemals in Armuth gerathen wird wegen Krankheit, Unfall oder Alter. Di» Bismarck'sche Arbeiter gesetzgebung hat, obwohl von Zeit zu Zeit auch in Deutschland Beschwerden darüber austreten, dem deutschen Arbeiter ein Gefühl der persönlichen Sicherheit verliehen Außer dem, was der Staat den Arbeiter zwingt, für sich selbst zu thun, und was er den Arbeitgeber zwingt, sür den Arbeiter zu thun, thut der Arbeitgeber viel, wozu er nicht gezwungen ist. Er kaust Land und baut gute, billige Häuser für seine Arbeiter; er vermiethet ihnen die Häuser znm niedrigsten Preise: er ermuthigt die Arbeiter, sich die Häuser zu kaufen; er richtet Hospitäler für die Kranken und zu Schaden Gekommenen ein und eröffnet Schulen auf den Werken." Das erwähnte Urtbeil des „Vorwärts" aber geht dahin: „Da unser deutsches Unternehmerthum in Bezug auf politische und gesellschaftliche Bildung hinter dem aller übrigen Länder zurückstrht, so ist es auch den Arbeitern gegenüber roher und rücksichtsloser, als das irgend eines anderen Landes. Der englische Arbeitgeber — das hatten wir schon öfters Gelegenheit hervorzuheben — beutet ebenfalls aus, das liegt eben in der Natur des Unternehmerthnms, aber er betrachtet und behandelt den Arbeiter doch als ein gleichberechtigtes Wesen und achtet seine politischen Rechte. Anders der deutsche Arbeitgeber, der trotz seines im Durchschnitt unglaub- lich niederen Bildungsgrades in Lein Arbeiter ein untergeordnetes Wesen sieht und ihm selbst die spärlichen Reckte zu rauben sucht, die der Staat dem Proletarier belassen oder gewährt hat. Nirgends wird die Hungerpeitsche so brutal geschwungen, nirgends mit den schwarzen Listen ein solcher Unfug getrieben, nirgends sind die Unternehmer so allgemein gegen die politischen Rechte der Arbeiter verschworen wie in Deutschland." Wir stellen diese ReminiScenzen den Führern der deutschen Socialdeinokratie behufs Verwerlhung auf dem demnächst in London statlsindenden internationalen Socialisten- congreß zur Verfügung. Falls sie eine Illustration wünschen, so seien sie aus eine eben veröffentlichte Aufstellung der Actieugesellschaft „Union" in Bochum aufmerksam gemacht, aus der hervorgeht, daß dieses Werk im Jahre 1895 323 375 an Beiträgen für Kranken-, Wittwen- und Waisen-Cassen, Invaliditäts-, Alters- und Unfallversicherung u. s. w. gezahlt hat. Die schon kurz erwähnte Verordnung über die Schaffung von Kron land und den Erwerb von Grundbesitz im Schutz gebiet von Kamerun bringt, worauf die „Post" aufmerksam macht, ein vollständig anderes Princip zum Ausdruck als das in der Verordnung vom 26. November vor. I. aufgestellte mit Bezug auf die Ueberlassung von Kronland an Privat personen und Gesellschaften in Deutsch-Ost-Afrika. In letzterer ist bekanntlich vom kaiserlichen Gouvernement der Grund satz aufgestellt worden, daß nach der erwähnten Verfügung alles herrenlose Land Kronland sei, daher auch die orts eingesessenen Häuptlinge (Iumben) nicht berechtigt seien, Land an Private oder Gesellschaften durch Verträge abzulassen. Die Negierung selbst steht, um aus dem Kronlande einen Ertrag zu ziehen, auf dem Standpunkte, welchen beispielsweise die Holländer in Java einnehmen, nämlich keinerlei Kaufverträge mit Interessenten abzuschließen, sondern da» beanspruchte Land nur in Erbpacht auf 99 Jahre zu geben. Tie ersten fünf Jahre sind vollkommen vachtfrei, für die übrige Zeit wird sür den Hektar mit Kaffee bepflanzten Landes eine Ab gabe von 2 Rupien im Jahre entrichtet, für den Hektar nicht bepflanzten Kaffeebodens 1 Rupie, für alles übrige Land eine halbe Rupie. Obwohl .diese Bedingungen außerordentlich mäßig erscheinen, ist von verschiedenen Seiten beim Reichs kanzler dagegen Einspruch erhoben worden, und cs wird sogar — ob mit Recht, sei dahingestellt — geltend gemacht, die verhältnißmäßig noch schwache Betheiligung deutschen Capitals an der Erschließung Deutsch-Afrikas sei eine Folge dieser Maßregel. Ob man an maß gebender Stelle unserer Colonialverwaltung nachträglich zu derselben Ueberzeugung gekommen ist, vermag die „Post" nicht zu sagen, bezeichnet cS aber immerhin als sehr inter essant, daß die neue, auf Kamerun bezügliche Verordnung ausdrücklich vorsieht, daß die Ueberlassung von Kronland durch den Gouverneur und zwar entweder durch Ueber- tragung zu Eigenthum oder durch Verpachtung erfolgt. Auf dem ungarischen La ndeS - UnterrichtScong r eß, welcher vor Kurzem in Pest tagte, wurde von mehreren maß gebenden Persönlichkeiten, darunter CultuSministrr l)r. Wlas- sicS, die Nothwendigkeit betont', in Ungarn allmählich die einheitliche nationale Schule herzustellen, und hierzu eiue gründliche Revision des bestehenden Volksschulgesetzes, sowie die Verstaatlichung deS Lehrerbildungswesens als nächst liegendes Mittel angeführt. Hierzu wird den von der Pesler Negierung gern als Sprachrohr benutzten „Bert. Pol. Nachr." geschrieben: Aus dies-n Enuntiationen suchen nun die ungarfeiüblichen Nationaliläten Capital zu schlagen, wobei sie von der antiliberalen kirchenpolitischeu Reaction des In- und Auslände» geflissentlich unterstützt werden. Ta sich auch deutsche Blätter fanden, welche in dem erwähnten Reformbestreben der ungarischen Regierung die chauvinistische Absicht erblicken, man wolle den nichtmagyarifchen Nationalitäten, darunter auch der deutschen, von der Schule aus den Lebensfaden abjchneiden, so dürste es nicht überflüssig sein, darauf hinzuweisen, daß bei dem erwähnten Vorhaben der leitenden Kreise Ungarns rein kulturelle Beweggründe maßgebend waren und daß damit eine Unterdrückung der Nationalitäten, namentlich der deutschen, nicht im Geringsten beabsichtigt werden kann. Tie Zustände innerhalb der meisten national- confessionellen Schulen sind die denkbar unzulänglichsten. Bei den Rumänen, Serben, Ruthenen und einem Theile der oberungarischen Slowaken wird der Unterricht in den Elementarschulen zumeist von Leuten ertheilt, die nicht nur keine diplomirten Lehrer sind, sondern überhaupt einen unverantwortlich niedrigen Bildungsgrad besitzen, jo daß sie selbst ost kaum uothdürstig des Lesens und Schreibens kundig sind. Ihre Bezahlung ist ganz dem entsprechend. Anstatt des Minimal- gehalies, den der BolkSschullehrer in Ungarn beziehen sollte, 300 Gulden jährlich, erhalten solche Lehrkräfte 150, 100, ja stellenweise 40—50 Gulden auf das Jahr. Speciell unter den Rumänen zählt notorischer Weise eiue große Anzahl dieser Lehrer über dies zu den Geschäftsträgern oder Agitatoren der Lakorumänischeu Lulturliga, und daß auch bei den übrigen ungarfeindlichcn Nationalitäten die schlecht bezahlten Volksbildner für die Zwecke dec nationalistischen Umsturzpropaganda leicht zu Haven sind, ist nach dem Erwähnten leicht begreiflich. Die uugarländischen Deutschen hingegen zahlen ihren Lehrern sämmtllch anständiges Gehalt und verwenden keine halb- oder viertelgebildeten Volksverhetzer, sondern nur diplomirte Fachleute zum Unterrichte der Jugend. Die deutschen Schulen sind die brstbesuchten deS Lande-, und die staats feindliche Jrredenta hat darin nicht, wie bei anderen Nationalitäten, ihre ungestörte Pflanzstätte gesunden. Es ist da hernach keiner Rich tung hin ein Grund vorhanden, die pflichtgemäße Obsorge, welche die ungarische Regierung zur Verbesserung des Unterrichts unter den Nationalitäten aufzuwenden gedenkt, als ein gegen die politischen Rechte der Nichtmagyaren, namentlich der Deutschen, gerichtetes Attentat auszufassrn. Wir bemerken demgegenüber, daß auch wir, obwohl nickr zur „antiliberalen kirchenpolitischen Reaction" gehörend, in der beabsichtigten Nationalisiruug der ungarischen Volksschule ein neues Mittel vermuthen, die nicht magyarischen Natio nalitäten zu magyarisiren, da namentlich die deutsche Schule, obwohl sie zugestandenermaßen keine „Pflanzstätte staats feindlicher Jrredenta" ist, unter der rücksichtslosen Magyari- firungstendenz der ungarischen Negierungen genug zu leiden gehabt hat und noch leidet. Gleichwohl halten wir cö für loyal, von der officiösen Erklärung, cs seien bei der in AuSsickk genommenen Reform „rein culturelle Beweggründe maßgebend und eine Unterdrückung der Nationalitäten nickt beabsichtigt, Act zu nehmen, werden aber nicht verfehlen, die selbe als Prüfstein an jeden Schritt der ungarischen Re gierung auf dem Gebiete der Schulreform anzulegen. Lim Pinkerton und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Osbourne. 18j Autorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. Wohl nur die wenigsten meiner Leser werden je Gelegenheit gehabt haben, einer Komödie beizuwohnen, wie sie jetzt vor sich ging. Die Schifffahrtsgesetze der Vereinigten Staaten sind im Geiste väterlicher Strenge abgefaßt, und halten sich durch aus an die Hypothese, daß Matrosen in der Regel Schwach köpfe, die übrigen an dem Contract betheiligtrn Parteien aber durchaus Schurken und Schufte seien. Ein langes und schwülstiges Schriftstück — Schiffsvorschriften genannt — wird jedem einzelnen Mitglied der Mannschaft separat vor gelesen. Ich hatte das Vergnügen, eS fünf Mal hinter einander zu hören. Man sollte meinen, daß ich den Inhalt nun ganz genau erfaßt haben könnte. Aber keine Spur. Da der Commifsar den ganzen Tag eigentlich nichts anderes thut, als diese» Schriftstück vorlesen, leiert er es so rasch herunter, daß selbst ich, ein gebildeter Mensch mit geschulter Auffassungsgabe, nur einzelne wichtige Stellen aufzugabeln vermochte. Die Matrosen begreiflicher Weise gar nichts. So viel wurde mir klar, daß man sich beim Ertheilen von Befehlen keine Rohheiten zu Schulden kommen lassen, daß man keine Scheidenmeffer tragen, daß der Eapitain die Midway-Insrl und jeden ihm beliebigen Hafen anlaufen und daß die Kreuzfahrt nicht sech« Kalender monate überschreiten dürfe. Nach jeder einzelnen Vorlesung schöpfte der Commifsar tief Athem und wandte sich dann mit seiner gewöhnlichen Stimme freundlich an den betreffen den Matrosen: „Sie, mein Junge, beziehen so und so viel Dollar» in amerikanischer Geldmünzr. Setzen Sie Ihren Namen hierher, d. h. wrnn Sie einen haben und schreiben lönnen." Nachdem Alle mit schwerer Mühe unterschriebe« hatten, machte sich der Commifsar an die Autfüllung de» die Personrnbeschreibung enthaltenden officiellcn Bogen». In seinem Bemühen, ein schriftlich Portrait zu entwerfen, ging er ganz willkürlich vor. E« siel mir auf, daß er auch nicht einen einzigen Blick auf seine Modelle warf. Doch unter stützte ihn der Capitain durch Cvmmentare, wie: Haare bla«, Augen roth, Nase fünf Fuß sechs Zoll, Statur stumpf. — Scherze, die so alt sind wie die amerikanische Marine. „Nun, Capitain", bemerkte der Beamte, als die Leute fort waren und er seine Papiere wieder zusammengebunden hatte, verlangt das Gesetz noch, daß Sie einen Arzneikaslen und eine genügende Menge von DesinfectionSniitteln mit sich führen." „Weiß ich ohnehin", bemerkte NareS trocken. Bald darauf entfernte sich der Commifsar und ich stellte Nares darüber zur Rede, wie es sich mit den beiden letztgenannten Dingen verhalte, denn ich wußte, daß wir weder einen Arzneikasten, noch auch Desinfectionsmittel an Bord hatten. „Liegen nicht sechzig Pfund „niggvrlisack" *) und zwanzig Pfund Salz draußen am Kai ?" knurrte er. „UeberdieS setze ich niemals meinen Fuß an Bord, ohne einige schmerzstillende Mittel in meinem Koffer mitzubringen." Wie ich mich später überzeugte, batte sich der Capitain wirklich mit den üblichen Quacksalbermitteln der Matrosen versehen und verschlang täglich, dadurch seine Un beständigkeit und Abwechslungsliebe bekundend, eine tüchtige Dosis des Einen oder deS Anderen. Ich pflegte ihn auch dabei zu überraschen, wie er, vor einigen halbvollen, mit Schimmel bedeckten Flaschen stehend, daran schnüffelte und be merkte: „Dieses Zeug riecht wie ein Medikament gegen Diarrhöe. Ich wollte, ich wüßte, was es ist und könnte eö kosten." Mit unseren DeSinfectionSmitteln war eS dagegen wirklich arg bestellt. So werden selbst die bestgemeinten und segens reichsten Gesetze umgangen. Die charakteristische Scene mit dem Commissar bildete nur einen Augenblick diese- an Aufregungen und Laufereien so reichen TageS. Um vom Morgengrauen bis zur Abend dämmerung einen Schooner segelfertig zu machen und gleich- zeitia ein Hochzeit-fest vorzubereiten, bedarf e» wohl über menschlicher Anstrengungen. Den ganzen Tag rannten Jim und ich straßauf, straßab, bald lachend, bald dem Weinen nabe; wir hielten wichtige Beratbungen ab, machten bei einer Modistin Bestellungen, thaten einen Sprung auf den Schooner, spornten John Smith zur prompten Ablieferung des Pro viant» an rc., dabei wurden wir an jeder Straßenecke durch unsere eigenen riesigen Plarate an unsere verzweifelte Lage gemahnt. Zwischendurch mußte ich noch so viel Zeit finden, um vor einigen Iuweiierschaufenstern stehen zu bleiben und *) Die verschlungenen Wurzelstöcke der Riedgräser und Farren- keäuler. mich für ein Hochzeitsgeschenk zu entscheiden, das dann von Marnie dankbarst entgegengenommen wurde. Wenn ich nicht irre, war dies das letzte Geschäft, welches ich erledigte, ehe ich den schäbig gekleideten, aber milden, alten Priester aus seinem Hause abholte und in unser Bureau brachte. Hier in dec zunehmenden Dämmerung, im Angesichte der zweihundertgrädigen Dreizehnsternbatterie und der landwirth- schafllichen Mgscchmx, segnete der würdige Mann den Bund Mamie's mit meinem Freunde ein. Die lluigebung war nicht sehr anheimelnd und feierlich, aber die Ceremonie um so rührender und wirksamer. Die Maschinschreiberinnen machten als Brautmädchen so freundliche Gesichter und nahmen so schöne Posen ein, Marnie sah so ernst und sittsam aus, und Jim — wie soll ich den armen, verklärten Jim schildern?! Er begann damit, daß er den Geistlichen in die entfernteste Ecke des Zimmers zog. Ich weiß nicht, was er ihm dort sagte, aber ich habe Grund zur Annahme, daß er seine Unwürdigkeit betbeuerte, denn er weinte und ich hörte, wie der alte Herr, selber tief bewegt, ihm Trost und Muth zusprach. Darauf wandte sich Jim an mich; trotzdem er nur meinen Namen stammeln und mir die Hand drücken konnte, verpflanzte sich seine innere Erregung wir ein elek trischer Strom auf mich. Endlich schritte» wir zur eigent lichen Feier. Jim war ganz bei der Sache und der Geist liche verrieth ,in Wort und Benehmen seine Sympathie; er schloß mit einer väterlichen Anrede, in welcher er der Braut zu einem so vortrefflichen Gatten gratulirte und versicherte, daß er noch selten ein so interessantes Paar getraut habe. In diesem feierlichen Augenblick traf von DouglaS B. Long- burse eine Gratulatiouskarte samml vier Dutzend Perrier- Ionet ein. Wir ließen sofort einen Pfropfen knallen. Der Geist liche trank auf das Wohl deS Brautpaares und ich hielt, das volle GlaS in der Hand, eine humoristische Rede. Die Braut mädchen nippten und schlürften von dem prickelnden Weine, nur der arme Jim berührte ihn nicht. Ich hatte ihm nämlich zugeslüstert: „Laß' Dich nicht verleiten, auch nur einen Tropfen zu kosten, denn in Deiner jetzigen Verfassung würdest Du so fort berauscht sein." Und Jim entgegnete, mir dankbar die Hand drückend: „Gott segne Dich, Loudon, Du hast mich schon wieder gerettet!" Sofort nach der Trauung begaben wir unS zum Souper, bei welchem es mit wehmüthiger Heiterkeit zuging. Von da fuhren wir mit der Hälfte der Perrier-Jonct — mebr wollt« ich nicht annthmen — in einer Droschke zur „Norah Creina". „Welch' berziges kleines Schiff!" rief Marnie, al« wir ihr unfern Miniatur-Schooner zeigten. „Und wie tapfer müssen Sie sein, Herr Dodd, daß Sie sich in einem so winzigen Ding so weit in den Ocean wagen!" fügte sie bewundernd hinzu. Ich war augenscheinlich in ihrer Achtung gestiegen. DaS herzige kleine Schiff bot, als wir es betraten, das Bild der ärgsten Verwirrung und seine Inhaber das der Ermüdung und schlechten Laune. Der Koch speicherte im Lazareth allerlei Büchsen auf, welche ihm die Matrosen schwitzend und verdrießlich aus der Kühl reichten. Johnson saß, dreiviertel eingeschlafen, vor dem Tisch, während der Capitain, eine Cigarre paffend, in der Schlafkoje ruble. „Sie sind'S?", rief er, sich erhebend. „ES wird Ihnen leid thun, gekommen zu sein. Wenn wir morgen in die See stecken wollen, können wir die Arbeit jetzt nicht einstellen. Ein Schiff, daS man zur Abfahrt rüstet, ist kein Aufenthalt für Gäste. Sie würden meine Leute nur stören." Mein Blut wallte auf und ich wollte diesem Grobian meine Meinung sagen; aber Jim, der mit dieser Nasse um- zugehen verstand, legte sich dazwischen. „Capitain, ich weiß Wohl, daß wir nur im Wege sind. Ich weiß auch, daß Sie nach der anstrengenden Arbeit müde sind, aber wir wollten Sie nur bitten, ein Gläschen Perrier-Jonet mit unS zu trinken, den Longhurst zu Ehren meiner Vermählung und Loudon'S — Herrn Dodd'» — Abreise gespendet bat." „Nun, es ist Ihr Wunsch! Auf eine halbe Stunde soll'ö mir also nicht ankommrn! Halloh, Burschen! Ab lösung!" wendete er sich an die Matrosen. „Ich geb' Euch ein« halbe Stunde Feierabend, damit etwa» Leben in Euch kommt. Aber nachher soll die Arbeit flotter von Statten gehen, das rath' ich Euch! Johnson, sieh' zu, ob Du nicht »inen Stuhl für die Dame abwiscken kannst!" Seine Sprache klang ebenso verdrießlich, wie er auSsab, aber unter dem sanften Feuer von Marnie'» Augen, die ihm vertrauensvoll erzählte, daß er der erste wirkliche Seecapitain sei, dessen Bekanntschaft sie je gemacht, daß er ihre Er wartungen bei Weitem übertreffe und daß sie seinen Muth bewundere, wurde unser Bär zufehciid» weicher, und e« hörte sich halb wie rin« Entschuldigung an, al» er, zwar noch immer in mürrischem Tone, eine Schilderung seiner heutigen Plackereien und seine» Aergcr» entwarf. „Den ganzen Tag nickt« als Verdruß! Die kalben Schiffsvorräthe hat Smith falsch geliefert. Ich werde diesem Galgenstrick di« Geschickt« noch «intauchen; er kann sich freuen! Dan» kamen zwei unverschämte ZeittingSschmierir un» be mühten sich, au» mir Stoff zu Berichten kerautzzuschiagen.
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