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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.07.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960725011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896072501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896072501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-25
- Monat1896-07
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Reclamen unter dem Redaction-strich (4 ge spalten) 50 vor den Familiennachrichteo (6 gespalten) 40/^. Lrößere Schriften laut unserem Preis- verzeichnitz. Tabellarischer und Ztfferasatz uach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung ^l 70.—. Jlnnahmeschlvß fir Atyeigen: Abrnd-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Ex-edition , zu richten. —-o—k>« > Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig 98. Jahrgang. Leiden der Deutschen im Osten. Ein au» dem Westen gebürtiger Herr, der eine längere Reihe von Jahren als Beamter in den ehemals polnischen LandeStheilen Preußens thätig war, schreibt der „Köln. Ztg." Folgende»: „Ich pflog während meiner Anwesenheit daselbst näheren Umgang mit einem der wenigen katholischen Geistlichen deutscher Nationalität. Der Herr war im Nebenamte auch in der Militairseelsorge thätig, und sein Verkehr bestand fast ausschließlich aus Officieren und höheren Beamten. ES konnte nicht auSbleiben, daß das Gespräch zu gewissen Zeiten auf die nationalen Verhältnisse sich lenkte, und mit der ibm eigenen, liebenswürdigen Offenheit theilte der Herr „Propst" unS dann mancherlei mit, waS ebenso interessant zu hören war, als es charakteristisch ist für die polnischen Tendenzen und die Art und Weise ihrer Durchführung. „Meine LeidenSzeit begann schon auf dem Gymnasium, welches damals noch zu mehr als neun Zehnteln von polnischen Schülern besucht wurde und dessen Lehrercollegium außer dem evangelischen Religionslehrer nur noch einen deutschen Professor besaß. Ein gewisses Nachlassen in den Verfolgungen meiner Mit schüler trat erst ein, als ich der polnischen Sprache, welche ick anfänglich nur höchst mangelhaft beherrscht hatte, ziem lich mächtig geworden war. Erst da war es mir möglich, das jedem Schüler eigene Bedürfniß nach kameradschaftlichem Aussprechen zu befriedigen — in deutscher Sprache hätte sich keiner der „ritterlichen" Polen mit mir unterhalten, obgleich sie fast ohne Ausnahme sich ebenso aut auszudrückcn wußten, wie in ihrem nationalen Idiom. Es waren allerdings noch zwei andere deutsche Schüler in der Abtbeilnng, aber uns von den übrigen abzusondern und uns in unserer Mutter sprache zu ergehen, das hätten wir am allerwenigsten gewagt. Ich hörte als Schüler auch schon Vieles (was mir später im vollen Umfange bestätigt wurde) über die höchst un angenehme Stellung, in welcher sich der deutsche Professor befand. Er besaß trotz seiner langjährigen Thätigkeit an der Anstalt unter seinen Collegen zwar verschiedene Duz brüder, indessen keinen Freund. Wohl aber waren manche unerbittliche Feinde und Hasser des harmlosen Mannes da, be sonders der katholische Religionslebrer, der eigentlich da» Ganze leitete und dessen Wünschen der Director kaum jemals einen Widerstand entgegenzusetzen wagte. Dieser Director war aller dings nicht nur seinem Namen, sondern auch seiner Geburt nach ein Deutscher, indessen fiel es Niemand ein, ihn noch als solchen anzusehen, so sehr hatte der schwache Herr „den Ver hältnissen Rechnung getragen". Doch das eigentliche Fege feuer — beinahe dürfte ich auch „Hölle" sagen — sollte ich erst später kosten, als ich nach bestandenem Abitu rienten - Examen Zögling der erzbischöflichen Lehr anstalt für katholische Theologen wurde. Hier herrschte der national-polnische Geist im verzehnfachten, im denkbar höchsten Maße. Ein einziges deutsches Wort hätte mich unglücklich gemacht. Doch war dieses noch keineswegs das Schlimmste. Ich sollte meine Muttersprache, mein Deutschthum nicht bloS ver leugnen, sondern mich auch als direkten Gegner desselben bekennen^ mich zu einem fanatischen Polen umgestalten, der in jede Schmähung der deutschen Nation und des preußischen Staates einzustimmen bereit wäre. Wie ich das Alles ertragen habe, weiß ich kaum mehr. Wäre mir nicht von Natur eine ge wisse Zähigkeit und Energie eigen und hätte ich nicht in Hinsicht aus den von mir erwählten Stand mir von vornherein vorge nommen,mich im christlichen Dulden, im „passiven Widerstande" nach meiner ganzen Kraft zu üben, ick glaube, ich wäre entweder zu Grunde gangen oder hätte die Flinte inS Korn geworfen. Nur wenige meiner Eollegen, sämmtlich junge Herren aus vornehmen Familien und der gepriesenen polnischen Ritterlich keit nicht ganz bar, traten mir anders gegenüber, und ich glaube auch, daß dieselben auf die übrigen Berufsgeuossen in einer für mich günstigen Art eingewirkt haben. Im Uebrigen hatte ich einen doppelten Trost: den Ausblick auf die Zukunft, wo es ja, wenn auch nicht gut, doch besser werden mußte, und den Rückblick aus die Vergangenheit. War ich wenigstens doch als Gymnasiast nicht Zögling des Eonvicts gewesen, an dessen Spitze der oben gezeichnete Religionslehrer stand und auf dieseWeise der dort herrschenden ähnlichen Tyrannei und, was das schlimmste gewesen wäre, einer möglichen und wahr scheinlichen Vernichtung meines deutschen Wesens und Be wußtseins in dem so bildsamen und nachgiebigen Knabenalter entgangen." Von Len mitgetheilten Auslassungen des geist lichen Herrn ist die letzte vielleicht augenblicklich die bedeut samste, denn sie berührt unmittelbar eine augenblicklich in den Vordergrund tretende Frage, die durch den Erzbischof von Stablewski beabsichtigteGründung einesKnabenseminars. Das letztere würde jenes Gymnasial-Convict — dessen Zöglinge nicht ausschließlich dem geistlichen Stande bestimmt waren — an Craßheit der nationalpolnischen Tendenzen selbst verständlich noch weit übertreffen. Oder sollten unsere Ullramontanen etwa glauben, in den Jahren, welche seit den Erlebnissen deS deutschen Propstes verflossen sind, hätten sich ihre polnischen Freunde und Bundesgenossen wesentlich ge ändert? Nein, das glauben die Herren ebenso wenig wie wir es glauben, und die mit den Verhältnissen in Posen und Westpreußen auch nur oberflächlich bekannten unter ihnen wissen ebenso gut wie wir, daß ein polnisches Knabenseminar etwas ganz anderes ist als ein deutsches, und ein polnischer Priester sich von einem deutschen nicht nur durch die Nationalität unterscheidet!" So der Gewährsmann deS rheinischen Blattes, der also die Hoffnung deS so grausam behandelten Herrn „Propstes" auf die Zukunft nicht theilt. Begreiflicherweise! Hat er doch jedenfalls in der „Nordd. Allgem. Ztg." gelesen, daß der preußische CultuSminister I)r. Bosse keine gesetzliche Handhabe zur Verhütung der vom Erzbischof v. Stablewski beabsichtigten Gründung finden zu können glaubt, und weiß er doch als früherer Beamter in dem ehemals polnischen LandeStheilen Preußens, wo die Protektoren des Terro rismus zu suchen sind, unter dem die Deutschen zu leiden haben. Diese Protektoren, auf die nicht einmal die bekannten kaiserlichen Kundgebungen und Mahnungen einen Eindruck machen, werden schon dafür sorgen, daß der gequälte Propst Leidensgefährten bekommt. Daran werden auch alle Interpellationen im preußischen Abgeordnetenhanse nichts ändern, so lange das ausschlaggebende Eentrum seine schützenden Flügel über die polnischen Terroristen breitet, der Papst dem Treiben der Letzteren mit wohlwollender Neutralität zusieht, die preußische Regierung die Unterstützung deS Eentrums nicht missen kann oder mag. Bei dieser Sachlage ist die Besorgniß kaum abzuweijen, daß schließlich unter den Deutschen der ehemals deutschen Landcstheile Preußens der Gedanke an Auswanderung Boden findet. Wer könnte es ihnen auch verdenken, wenn sie in der Hcimath einen Kampf aufgäben, den sie selbst im Auslände siegreicher zu führen vermöchten? Eine größere Gefahr, entgermanisirt zu werden, droht ihnen in der fremde fast nirgends; sie wurden im Gegentbeile fast überall freier ibr Deutschthum bekennen und bethätigen können, als auf heimischem Boden. Und wenn sie in der Fremde wirklich zu leiden hätten, weil sie ihre Muttersprache und ihr Deutschthum nicht verleugneten, so hätten sie wenigstens den Trost, unter einer fremden Re gierung mißhandelt zu werden. Möge man das an maßgebender Stelle bedenken. Es wäre ein für ganz Deutschland tief beschämendes Schauspiel, wenn eine auch nur mäßige An zahl von Deutschen in Posen und Westprenßen den Beweis lieferten, daß sie im AuSlande ihres Deutschthunis sicherer und froher zu werden hofften, als auf deutscher Erde unter dem Schutze der deutschen Vormacht. Deutsches Reich. tll. Leipzig, 24. Juli. Auf das Preisausschreiben de» Centralvorstandes des Evangelischen Bundes, betreffend eine populäre Flugschrift über die llnterscheidnngslehren der evangelischen und der römischen Kirche, sind im Ganzen 28 Arbeiten eingereicht worden. Tas Schriftchen sollte bei „einem Umfange von 16 Seiten in erster Linie zur Mitgabe an Eonfirmirte dienen, aber auch geeignet sein, dem evan gelischen Theile in gemischten Brautpaaren, sowie solchen evangelischen Ehristen in die Hand gegeben zu werden, welche in Gefahr stehen, ihre Kirche zu verlassen und in die römische überzutreten". Die Bedingungen sind vollständig von keiner der eingereichten Schriften erfüllt worden, so daß keiner derselben der Preis ertheilt werden konnte. Es zeichneten sich aber drei derartig aus, daß der Vorstand beschlossen hat, sie für den Evangelischen Bund zur Veröffentlichung zu er werben und jedem der Verfasser eine Entschädigung von l5v zu gewähren. Verfasser der drei Schriften sind: Professor I)r. H. Kratz in Neuwied, Pastor Patze in Arns berg, Pfarrer Schreckenbach in Rastenburg (Weimar). /V Berlin, 24. Juli. Auch die diesjährigen Berichte der Fabrik- und Gewerbe-Inspectorcn lassen erkennen, daß die verschärften Bestimmungen der Gewerbeordnung über die Beschäftigung von Kindern in Fabriken zweischneidig sind. So erfreulich es an und für sich ist, Laß die Gewerbe ordnungsnovelle vom 1. Juni 1891 die Wirkung gehabt hat, die Zahl der in Fabriken beschäftigten Kinder unter 14 Jahren mehr und mehr zusammenschmelzen zu lassen, so läßt sich andererseits doch nicht verkennen, daß dieser Wechsel der Verhältnisse keineswegs immer und überall im Interesse der Kinder liegt. Im vergangenen Jahre wurden nur noch 802 Kinder unter 14 Jahren in Fabriken beschäftigt. Trotzdem ist es eine von allen Sach verständigen zugegebene Thatsache, daß die gewerbliche Aus nutzung der Kinder eher im Steigen als im Sinken begriffen ist. An die Stelle der Fabrikarbeit ist eben das Klein aewerbe und namentlich die Hausindustrie getreten. Auch im vergangenen Jahre haben sich auf Grund dieser Beobachtung zahlreiche Gewerbeaufsichtsbeamte mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise etwa Kinder, die in Fabrikbetrieben keine Aufnahme fanden, anderwärts beschäftigt worden sind. Alle sind zu dem Ergebniß gelangt, daß diese Kinder in kleingewerbliche, vor allem aber in bausindustrielle Betriebe ausgenommen worden sind. Alle Gewerbeaussicktsbeamte, die dieser Frage näher getreten sind, constatiren aber auch, daß die Beschäftigung dieser Kinder, weil sie den Schntzbestimmungen de» tz. 135 der Gewerbe ordnung nicht unterworfen ist, die geistige und körperliche Ent wickelung ungünstig beeinflußt. Diese Thatsache wird von ver schiedenen GewerbeaufsichlSbeamten mit genaueren Daten be legt. Es kann also nickt bestritten werden, daß die Befürch tungen, welchen bei der Berathung der Gewerbeordnungs novelle vom Jahre 1891 Ausdruck gegeben worden ist, sich in vollem Umfange als berechtigt erwiesen haben; ebenso wenig kann aber auch noch ein Zweifel darüber bestehen, daß die damals von nationalliberaler Seite entschieden befür wortete Ausdehnung der Gewerbeinspection auf die Hausindustrie als nothwendige Ergänzung zu der Novelle vom Jahre 1891 angesehen werden muß. O. II Berlin, 24. Juli. Ein socialistischer inter nationaler Studenten- und Akademiker-Congreß soll zu Weihnachten in Brüssel stattfinden. In Deutsch land hat seiner Zeit namentlich der ehemalige Revacteur der „Magdeburger Volksstimme" Iw. Lux für socialistischc Akademiker-Vereinigungen Stimmung zu macken gesucht, aber die bekanntesten socialdemokratischen Führer sprachen sich ganz entschieden dagegen aus, weil die Bildung solcher Vereinigungen zu einer Absonderung unter den „Genossen" führen würde. I)r. Lux hat sich deshalb aus der Bewegung fast ganz zurückgezogen und die vor drei bis vier Jahren ins Leben gerufenen deutschen socialisiiscken Studenten-Vereinigungen scheinen sammt und sonders bis auf die Berliner wieder emgegangen zu sein. Auch die Berliner Vereinigung vegetirt nur kümmerlich im Geheimen, und das einzige Lebenszeichen, daS sie seit Jahresfrist gegeben, ist das Niederlegen eines Kranzes auf dem Kleinen Kirchhof im Friedrichshain, wo die Märzgefallenen ruhen. Die in Brüssel erscheinenden deutschen Akademiker dürften also Wohl an den Fingern einer Hand abzuzählen sein, weil stärker aber dürften Frankreich und Spanien vertreten sein; in Belgien selbst hat der SocialismuS unter den Studenten fruchtbaren Boden gefunden, besonders unter den Medicinern und den Juristen. Es ist übrigens der vierte internationale socialistische Studentencongreß, der in Brüssel abgebalten werden wird. Die früheren drei sind ziemlich spurlos vorübergegangen und auch der vierte wird keine well bewegenden Thaten zeitigen. Immerhin wird er aus den romanischen Ländern stärker als die früheren beschickt werden, und das ist immerhin ein bemerkenswerthes Symptom. * Berlin, 23. Juli. Nachdem die „Kreuzzeitung" in letzter Zeit mehrfach den Gedanken einer parlamentarischen Cooperation der Conservativen mit demEentrum Feuilleton» Carl Laron Torresani. Eine literarische Charakterstudie von M. Uhse. Die Werke Torresani's tragen in so auffälliger Weise die Signatur der Epoche, in der sie entstanden sind, und der heimathlichen Umgebung des Autors selbst an sich, daß des letzteren literarische Physiognomie wohl als markanter Typus der modernen österreichischen Schaffensweise bezeichnet werden kann. Dieser TypuS macht sich auch dem oberflächlichen Be obachter gleich dadurch bemerkbar, daß der Autor mit Vor liebe im österreichischen ConversationS-Stil schreibt. Von der Kritik ist ihm dies vielfach zum Vorwurf gemacht worden, wir jedoch können den Gründen, mit denen er sich dagegen vertheidigt (Vorrede zu „Der beschleunigte Fall", zwei Bände) unsere Zustimmung nicht versagen. Torresani sagt hier unter Anderem: „Man wolle bedenken, daß ich Len specisisch österreichischen Roman pflege. Localcolorit obne locale Dar- stellungSweise kann nie vollkommen sein. Nun denke man sich einen Oesterreicher, der in den Schrank geht, um sich zum VeSperbrod einen Topf Sahne heranSznholen. Das geht nicht. Er muß um einen Topf Rahm zu seiner Jause in den Kasten gehen; dann stimmt eS. Wohlgemerkt, das ist keine Tendenz, welche auf Trennung der einigen Literatur hinausgeht; ich will durchaus nicht den österreichischen Dialekt zur Schriftsprache erheben. Der Spielraum, den ich verlange, bezieht sich nur auf Worte und Ausdruckswendungen, die der Sprachweise der gebildeten Stände entnommen sind und auf Aufnahme in den deutschen Sprachschatz alle Berechtigung haben. Warum sollen wir Oesterreicher immer als Deutsche zweiter Kategorie figuriren? Schließlich ist unsere Sprache schon die deutsche gewesen, als östlich der Oder weit und breit nur Slawen wohnten; und sie ist so kräftig und ausdrucksfähig, daß eS nicht mehr als billig ist, ihr endlich einmal ihre Rechte angedeihen zu lassen." An derselben Stelle wehrt er sich auch gegen die nicht minder häufig laut werdende Mißbilligung seiner „leichthingeworfenen Schreibweise" und de» „übermäßigen Gebrauche« von Fremd wörtern". Letztere sind nun allerdings im österreichischen Salonton so häufig, daß sie bei einer derart getreuen Wieder gabe desselben, wie Torresani sie erstrebt, durchaus selbst verständlich erscheinen. Andererseits trifft auch zu, WaS er sagt: „Niemand wird leugnen, daß der deutschen Sprache für die Wiedergabe krankhaft verfeinerter GemüthS- und Empfindungsnuancen, wie sie dem Ende de« neunzehnten Jahrhunderts eigenthümlich sind, oft die richtigen Worte abgehen. Aber nicht nur der Sinn, auch der Wohlklang fordert ost die Anwendung von Fremdwörtern. So enden in der deutschen Sprache die Ausdrücke für die meisten abstracten Eigenschaften auf „ung" und „keit". Welche ein tönige Reihe, so eine Zusammenstellung verschiedener Eigen schaften! und wie dankbar ist der Autor dem französiscken oder lateinischen Worte, da« ihm euphonisch zu Hilfe kommt *)!" Was nun seine anscheinend „leichtfertige" Schreibweise betrifft, so begründet sie Torresani mit der Ansicht, „daß der Romanschriftsteller nicht so eigentlich schreiben als unttels der Feder sprechen soll; daß er trachten soll, eS dem Leser recht warm und behaglich zu machen, als säße er, ein guter Freund, ihm gegenüber beim Glase Wein und erzähle ihm seine kleinen Erlebnisse von gestern Abend". Diese Auffassung deckt sich mit seiner gesammten sonstigen, mehr realistischen als poetischen Wesenheit und ersckeint natürlich und dem gemäß als individuell berechtigt. Als allgemein giltig können wir aber durchaus nicht gelten lassen, wenn der Autor weiter hin sagt: „Dieses nonchalante Schreiben ist nicht so leicht, wie es auSsieht, und kein Satz dürste so oft unter die Feile gekommen sein, wie eben jener allernachlässigste, der nur so von der Feder weg hingespritzt erscheint." Es ist jedoch zweifellos sehr viel leichter, so zu sprechen und zu schreiben, wie einem der Schnabel gewachsen ist, als, speciell für einen österreichischen Reiterofsicier, der Torresani von Hause ist, sich in einem schwungvollen, dichterisch abgeklärten Pathos dem Leser verständlich zu machen, ohne Banalität, aber auch ohne Schwulst und obne Phrase. Die Zahl der berufsmäßigen Schriftsteller hätte in den letzten Jahrzehnten keine so enorme Höbe erreichen können, wenn der moderne Geschmack nach Torresan'S eigenen Worten sich nicht mit einer unterhalten den Wirkung begnügte, sondern wie früher Anspruch auf Ver edlung, Bildung und ethische Förderung bei dem Roman- sckriststeller erhöbe. Unsere Literatur hat sich ausgebreitet und verflacht; amüsante, geistvolle Plauderer haben wir mehr als je, wahre Dichter so wenige wie fast nie. Daß ersterer dadurch „Der Stempel der Pedanterie" — auch Terrosani's Worte — genommen wurde, ist unbestreitbar; unbestreitbar aber auch, daß ihr jetzt das Merkzeichen der Tiefe fehlt. Und an be sonderer Tiefe gebricht eS auch allen den Darbietungen des Autors, mit denen er in erster Linie durch seine leicht ge fällige und flotte, zeitweise überkecke Plauderkunst wirkt. Aber welch blendenden Eindruck weiß er mit dieser zu erzielen! was hat er damit aus dem geistig wenig gehalt vollen Roman „Aus der schönen wilden Lieutenants- Zeit" (2 Bände, 3. Auflage), in dem eS sich in der Haupt *) Nach unserer Erfahrung ist der Reichtbum de» deutschen Sprachschatzes ein so grober, daß derartige „Einförmigkeiten und Mißklänge" sich sehr woht vermeiden lassen. DieRed.d.„Lripz.Tagebl." fache nur um einen großen „Regimentstratsch" handelt, zu machen gewußt, was aus den stofflich ziemlich seichten, ähnliche Motive wie jener verwerthenden Novellen „Schwarzgelbe Rei terge schickten" (2. durchgesehene und vermebrte Auslage) und den „ernsten und ausgelassenen Soldatengeschichten Jbi Ubi"! Wie frisch und lebensvoll sind die interessanten Typen ans den österreichischen Cavallerieregimentern dargeslellt, welch anschauliches Bild von dem kameradschaftlichen Zusammenleben der Ofsiciere, ihren socialen Gepflogenheiten und ihren Anschauungen von Frauen und Liebe entrollt der Autor vor den Augen Les Lesers, und welch ein Reichthum an launigen Einfällen versetzt diesen mehrfach in die heiterste Stimmung! Gelegentlich freilich er fährt letztere auch eine Trübung, wenn dem feinfühligen Künstler der derbe Reiterofsicier in den Nacken schlägt, eine schlüpfrige Pikanterie, Wohl auch eine Zote den geistsprühenden Humor mit einem Mißklang unterbricht. Dann tritt Torresani's Theorie von dem Autor, der „als guter Freund dem Leser beim Glase Wein gegenüber sitzt", in ihr Recht, dies aber sicherlich nicht zum Vortheil der Gesammtwirkuna. Der genannte Roman „AuS der schönen wilden Lieutenants zeit" ist bas erste Werk, mit dem Torresani als Schriftsteller an die Oeffentlichkeit trat, und mit dem er gleich überzeugend nachwies, baß es wahrlich kein dilettantisches Gelüste war, das ihn bewog, den Pallasch mit der Feder zu vertauschen. Um sich der Schriststellerei zu widmen, brach unser Autor mit einer aussichtS- und ehrenvollen militairischen Carriöre. Seine Erziehung batte er anfangs in der Theresianischen Ritter-Akademie zu Wien, später in der Militairakademie zu Wienerneustadt erhalten. Er diente zuerst im 13. Ulanen- Regiment Graf Trani, dann wurde er Ordonnanzofsicier des Generalmajors Baron Taxis und später ebensolcher des Generalmajors Baron Appel; studirte dann an der Kriegs akademie, kam als GeneralstabSosficier zuerst nach Laibach, dami—nach Görz und Graz. Von hier aus rückte Torresani zur Truppe ein, und zwar nach Wien zum 6. Ulanenregiment Kaiser Franz Joseph, mit welchem er dann nach Ungarn ging. Nach 11 jähriger Dienstzeit trat er als Rittmeister aus dem Dienst. Während der Vertheidigung TyrolS durch Kuhn gegen Garibaldi hatte Carl Freiherr Torresani von Lanzenseld und Camponero, so lautet der volle Name unseres Autors, Ge legenheit, eine überraschende Attake auSzuführen, für die er mit dem Militairverdienstkreuz mit der Kriegsdecoration aus gezeichnet wurde. Auch geschah dieser Waffenthat im General stabswerke ehrenvolle Erwähnung. Reich an Anregung war der heut zu Tage nicht mehr denkbare Marsch, den er von Verona aus über Tirol, Karnthen, Steyermark, Ungar» und Galizien nach Tarnopol an der russischen Grenze mitmachle, und der vom 10. Octobrr bi« 13. Januar 1867 dauerte. „Die Fülle von Gesichtern", die während dieser seiner militairischen Laufbahn auf Torresani eindranzen, spiegelt sich nun in seinen Werken getreulich wieder und verleiht ibnen ein außerordentlich eigenartiges Gepräge, das allerdings ebensoviel von Einseitigkeit wie von Mannigfaltigkeit an sick Kat. Die charakteristischen Erscheinungen der OssicierS- und der diesen nahe stehenden Gesellschaftskreise sind contrastreick genug, daß der Autor mit ihnen, Dank seinem rühmenS- werlhen DarstellungS- und Erfindungsvermögen, stets neue Effecte zu erzielen vermag. Immerhin ergiebt sich, daß sein Beobachtungöfeld ein ziemlich beschränktes ist; es sind immer nur Typen einer bestimmten Coterie, an denen er sich versucht und dieselben Probleme, soweit von solchen überhaupt die Rede sein kann, denen er nachspürt. So liegt seinen drei Romanen „Aus der schönen wilden Lieutenantszeit", „Der beschleunigte Fall" und „Oberlicht" dasselbe Motiv, das des Ehebruchs, begangen von der Frau, zu Grunde, mit allerdings ver schiedener BebandlungSweise, bei der sich gleichzeitig eine höchst bemerkenswerthe Steigerung der künstlerischen Leistungs fähigkeit des Autors kundgiebt. Der erstgenannte Roman zerstückelt sich noch zu sehr in Episoden, die an sich wobl interessant sind, aber doch zu keinem einheitlichen Eindruck kommen lassen, weil sie in einem allzu losen, vielfack auch gar keinem Zusammenhänge mit der eigentlichen Fabel stehen. Auch in „Der beschleunigte Fall" und „Oberlicht" ist daS episodische Beiwerk ein sehr weit verzweigtes, trotzdem gliedern sich die tragenden Pfeiler der Handlung vollständig klar vor den Augen des Lesers, Dank der reiferen Ge staltungskunst des Autors, die ferner auch in der sorg fältigeren psychologischen Motivirung und in der un widerstehlich packenden Gewalt zu spüren ist, mit der er tragische Entwickelungen zu schildern vermag. Den Höbc- punct seiner Leistungsfähigkeit nach dieser Richtung hin Hal Torresani wohl in dem Roman „Oberlicht" erreicht, ein Werk, Laß die crasse Farbengebung des brüsken Realismus aufweist und dabei doch eine wahrhaft bewunderungs würdige dichterische Beseelung erkennen läßt. Mit diesem Werke bewegt sich der Autor auch in einer ganz anderen Gesellschastsfphäre als sonst: in den Künstlerkreisen Wiens mit ihrem unvermeidlichen Anhängsel von Lebemännern und Weltdamen mehr oder minder pikanten Genres. Jedoch auch diesen Modellen gegenüber erweist er sich als Charakter maler ersten Ranges, der in der prägnanten Darstellung per sönlicher Eigenart seines Gleichen sucht. Die tragischen Wendungen, die Torresani den durch die erwähnten Romane dreifach behandelten Eheconflicten zu Theil werden läßt, zeugen dafür, daß er trotz aller gelegent lich laut werdender frivoler Lebensauffassung, trotz allen ostentativ betonten Widerstrebens (gegen die sittlich geregelte Zusammengehörigkeit der Ehegatten, doch innerlich vollkommen überzeugt ist von der Berechtigung solcher Institution. Es
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