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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.07.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960724028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896072402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896072402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-07
- Tag1896-07-24
- Monat1896-07
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Corr." ohne jeden Zusatz wie eine selbstverständliche Kundgebung abgedruckt. Um so nöthizer ist es, auf jene Auslassung zurück- zukommen. Unser Berliner 42 - Correspondent schreibt uns über dieselbe: „Vielleicht mehr aus Mangel an sonstigem Stoff, als aus innerem Drang, haben etliche private Marine politiker und desgleichen Cameralisten die Frage der Flotten vermehrung und eine Biorsteuererhöhung auf die Tages ordnung gesetzt. Diese Erörterungen haben das Gute, daß man ihnen jede Aufmerksamkeit verweigern kann, ohne, wie Abgeordnete, die sich den Parlamentsverhandlungen fern halten, wenigstens Gewissensbisse zu empfinden. Es find sommerliche Luftgebilde, die verschwinden, sobald die Parlamentszeit näher rückt, oder auch früher, wenn es z. B. den Engländern gefällt, etwas mehr Armenier, als der Durchschnitt beträgt, von den Türken umbringen zu lassen. Ernster vielleicht — vielleicht, denn auch Ofsiciöse bescheint die HnndstagSsonne — ist eine Auslassung zu nehmen, in der ein von dem preußischen Finanzminister und auch anderen Regierungsstellen häufig benutztes Organ die Träume von einer Marine-Anleihe und der Biersteuer- erhöhnng behandelt. Bei dieser Gelegenheit wird nämlich als Voraussetzung für jede Ausgabenerhöhung im Reiche die Convertirung der Reichs schuld bezeichnet, eine Auffassung, der auch Der entgegeiureten muß, der sich auf eine Umwandlung der 4procentigen Anleihen gefaßt gemacht hat. Läßt man einen Zusammenhang zwischen Con vertirung und Äusgabenvermchrung gelten, so entrückt man die Conversionsfrage der volkswirthschaftlichen Betrachtungs weise und macht sie zu einer fisca li sch en Frage. Das nicht zu wollen, hat auch die Regierung oft genug erklärt. Will sie das aber nicht, so darf sie weder die Gehaltserhöhung der Beamten, noch sonst einen Mehr bedarf mit der Convcrsion in Verbindung bringen. An der Herabsetzung des Zinsfußes von 4 auf 3*/, Proc. sind im Reiche nnr 2>/^ Mill. Mark zu ersparen. Stellt man sich nun auf den Standpunkt, daß die Convertirung nach dem Geldbedarf zu bestimmen sei, so muß man, da die genannte Summe nicht einmal zurGehaltSerhöhnng, geschweige denn zu einer minimalen Flottenverstärkung ausreicht, con- segueulerweise die Convertirung auch der Z^procentigen Neichsanleihen zur Stunde vornehmen und nicht vor dem Gedanken des Grafen Mirbach, der schon an Herabsetzung auf 2>/z Procent denkt, zurückschrecken. Nicht wenn der Staat das Geld „gut gebrauchen kann", sondern wenn ein Zinsfuß durch die sicher als stetig erkannte Minder- bewertlmng des Geltes einer Bevorzugung der Staatögläubigcr aus Kosten der Steuerzahler gleich käme, darf eine bedächtige Regierung zur Zinsherabsetzung schreiten. Daß es mit den 4prvc. Papieren vis zu diesem Puncte gekommen sei, wird noch vielfach angezweifelt. Jedenfalls kann aber zur Zeit kein niedrigerer Zinsfuß als der zu 3*/? Procent mit Sicherheit als ein solcher bezeichnet werden, mit dem solide und vorsichtige Capitalisten in Zukunft sich begnügen werden." — Augenscheinlich hatte der Herr Verfasser, als er Fenilletsn. Lim Pilikerlon und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd Osbourne. 23s Aulorisirte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. Der Koch, ein unleugbarer Chinese in seiner charakteristischen Nationaltracht, stand allein abseits auf den Campagnestufen. In größtes Erstaunen setzte mich das mit „E. Goddedal, erster Osficier" bezeichneten Mannes Gestalt. Er, den ich nie gesehen hatte, war vielleicht die Quelle und der Schlüssel ingleich all der Geheimnisse, die uns umgaben. Mit den Augen eines Detectives prüfte ich seine GcsicktSzüge. Er war groß von Gestalt und anscheinend blond wie ein Wikinger, sein Haar ringelte sich in Locken um seinen Kopf, zwei ungeheure Bartkoteletten hingen ihm nie die Hauer irgend eines fremdländischen Thieres von den Wange». Mit kiesen männlichen Anhängseln und der heraus fordernden Haltung, in der er stand, harmonirle sein Gesicht nur schlecht. Es war wild und muthig und doch weibisch. Goddedal machte auf mich den Eindruck eines sentimentalen Menschen. Eine Zeit lang verdaute ich meine allerneuste Entdeckung im Stillen und dachte darüber nach, wie ich sie dem Capitain am esfectvollstcn beibringen könnte. Plötzlich siel mir mein Slizzcnbuch ein. Ich fischte es auS den vielen Dingen, die am Fuße meiner Koje lagen, heraus und schlug die Seite auf, wo ich Capitain Trent nebst den Ueberlebenden von der „Fliegenden Lerche" in der Schenkstube von San Francisco ssizzirt hatte. „NareS, ich habe Ihnen erzählt, wann und wc ich Trent zuerst gesehen, wie er mit seinen Leuten, — ciner davon ein Kanake mit einem Canarienvogel im Käsig — in die Schenkstube getreten war? Und wn iw ihn dann später zu Tode erschreckt und über dir Höhe der Summe erstaunt bei der Auktion wieder sah? Nun. dies ist der Mann, den ich gesehen habe." Damit legte ich die Skizze vor ibn hin. „Die- ist der 'FriScor Trent und dies seine Mannschaft. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Cie mir auch nur Einen dieser Leute auf dem Gruppenbildr herauSsänden." die Vermuthung aussprach, der Hinweis auf die ZinS- herabsetzuug der Reichsschuld als erstes Mittel zur Beseitigung des Mißverhältnisses zwischen Ausgabebedarf und den Deckungsmittel» sei lediglich ein Hundstagsgedanke eines Officiösen, die letzten Nummern der „Köln. Ztg." und des „Hamb. Corr." noch nicht gelesen. Mindestens beweisen diese Nummern, daß beide Blätter die Bedeutung und Trag weite des Convertirungsgedankens unterschätzen und daß daher alle Organe der öffentlichen Meinung, denen der Schutz der berechtigten Interessen jener Kreise, die vorzugsweise ihre sauren Ersparnisse in Reichsanleihe festlegen, am Herzen liegt, verpflichtet sind, rechtzeitig ihre Stimmen gegen eine so tief einschneidende fiskalische Maßregel zu erheben. Wie in allen übrigen Dingen, legt die „deutsche" Social demokratie auch in der Beurtheilung des Duells einen ver schiedenen Maßstab an, je nachdem Deutsches oder Aus ländisches in Betracht kommt. Im April dieses Jahres hat Herr Bebel im Reichstag eine Rede gegen den Zweikampf mit folgenden Sätzen geschlossen: „Jedenfalls bedachte ich diese mit Wissen und direkter Absicht begangene Verletzung nicht nur der eigenen Religions- und Moral gesetze, sondern auch der Strafgesetze, als einen Zustand mora lischer Verlumptheit — ich habe keinen anderen Ausdruck dafür. Nur eine Classe, die aller Ideale bar geworden ist, die kein höheres Ideal mehr kennt, die nur noch dem ganz gemeinen materiellen Genuß in allen Lebensbeziehungen sröhnt und sich nur um ihn kümmert, kann Zustände unterstützen und aufrecht erhalten, wie sie im Duellunsug zu Tage treten. Wenn Sie glauben, daß Sie im Interesse Ihres Staates und Ihrer Gesell schaft diesen Unfug weiter ausrecht erhalten müssen, nun, so kann uns auch das recht sein, wir haben schließlich allein den Vortheil davon." Wie aber steht es mit dem socialdemokratischen Vortheil und der moralischen Verlumptheil der Duellanten in Italien? Dort, in Florenz, hat sich am 14. Juli der italienische Socialisten-Congreß nicht nur mit dem Duell im All gemeinen , sondern auch mit der Species deS Socialisten- Duells beschäftigt, er hat die Frage sehr viel anders behan delt, als Herr Bebel, unv die deutsche socialdemo kratische Presse bat, obwohl ihr die Thatsache nicht entgangen war, bis heute kein Wort der Kritik dafür gefunden. Der Congreß hat vor allen Dingen den Antrag abgelehnt, aus die Erörterung deS Gegenstandes zu verzichten. Damit ist anch die Begründung des Antrages zurück gewiesen, die dahin gegangen war, daß der Congreß das Proletariat vertrete und bas Proletariat nichts mit dem Duell zu thun habe — angesichts der Tbatsache, daß Lassalle, Mirmau und andere berühmte socialdemokratische Duellanten sich gleichfalls Vertreter deS Proletariats nannten ober nennen, ein Beschluß, der von größerer Ehrlichkeit zeugt, als sie bei den deutschen Sociallsteuführern wahr zunehmen ist. Man trat also in die Verhandlungen ein und dabei zeigte cS sich, daß die Zugehörigkeit zur internationalen und völkerbefreienden Socialdemokratie nicht gegen das, was Herr Bebel moralische Verlunipl- heit zu nennen beliebte, immunisirt. Nicht davon zu reden, daß ein Genosse Namens Verro, der kürzlich selbst em Duell auSgekänipft hat, sein Verhalten rechtfertigte; auch Redner, die sich nicht persönlich zu entschuldigen hatten, entwickelten Ansichten, die sie, wieder nach Herrn Bebel, aller höheren Ideale bar zeigen. Es wurde der Antrag gestellt, socialistische Zweikämpser mit einem einfachen Tadel zu bedenken. Anderen schien selbst diese Abndung zu streng; sie wollten, daß den socialislischen Bezirksausschüssen das Recht zuerkannt würde, von Fall zu Fall zu prüfen, die NareS verglich die beiden Bilder schweigend. „Dies nenn ich eine Erlösung!" sagte er endlich. „Der Horizont klärt sich. Wir hätten aus den doppelten Truhen etwas Aehnliches schließen können." „Erklärt cs denn etwas?" forschte ich verblüfft. „Es würde sich alles ausklären, wenn diese Auclionsquetsche nicht wäre. Alles würde genau stimmen, wenn die Art, wie die Leute den Preis des Wracks in die Höhe geschraubt haben nicht wäre. Aber da stehen wir vor einer Steinwand. Was immer es ist, die Geschichte bat einen Haken, Herr Dodd. „Und sieht wie Piraterie aus", fügte ich hinzu. „Täuschen Sie sich nicht! Weder Ihr Kopf, noch der meinige ist schlau genug, um dieser Geschichte den rechten Namen geben zu können." Vierzehntes Capitel. Tag um Tag unerfüllter Hoffnung, unerträglicher Hitze und rastloser Arbeit verstrich. Nackt für Nackt legte ich mich mit schmerzenden Gliedern, zerschuudenen Händen und von physischer Arbeit erschlafftem Geist zur Ruhe. Meine Um gebung, die Natur meiner Beschäftigung, die rohe Sprache und die noch roheren Gesichter meiner Arbeitsgenossen, daS Gekreisch von Myriaden von Seevögeln und vor Allem das unbehagliche Gefühl der vollständigen Absonderung von der Welt mit ihrer Cultur und ihren Ereignissen — all dies ver stimmte mich sehr. Der junge Morgen wurde durch keine Zeitung eingeleitet, sondern einzig und allein durch den Sonnenaufgang; der Staat, die Kirche, die bevölkerten Reiche, rie Kriege und die Kriegsgerüchte, die Stimmen der Kunst, alles war stumm geworden, wie in der Urzeit, so lagen die Verhältnisse in meiner damaligen LebenSphase. DaS Vorcastell war mit Schiffskrämerwaaren angefüllt, cer Kielraum niit Reis, daS Lazareth mit Thee und Seide, ,ll' dies mußte geborgen werden und bildete nur einen Bruch- iheil unserer Aufgabe. Der Kielraum war durchaus ver schalt; ein Theil desselben, der vielleicht früher einmal eine mpsiudliche Ladung barg, war außerdem noch mit Brettern >elcgt, und zwischen allen Balken befanden sich bewegliche öaneele. Hinter jeder einzelnen Paneele, hinter jeder Quer- oand der Kabine oder zwischen den Bauhölzern deS Schiffs- cumpfes konnte das Opium verborgen sein. Es ergab sich daher die Notbwendigkeit, einen großen Theil des Schiffs- innern zu zerstören und das Uebrige zu auScnltiren, wie ein Irzt eine kranke Lunge auscnltirt. Wo wir in einer Quer wand einen hohlen oder verdächtigen To» hörten, wurde mit Ursachen de» Duells, daS „Milieu" in Anbetracht zu nehmen und dann zu entscheiden, ob der Duellant Tadel verdiene oder nicht. „Milieu" im Proletariat, welche Ketzerei! Bei uns in Deutschland hat der socialdemokratisch aufgeklärte Proletarier einfach Proletarier zu sein und das zu denken und zu empfinden, was die nach Herkunft, Lkonomistischer Lage und Lebensweise dazu berufenen Herren Singer, Lieb knecht, Schönlank rc. als in den proletarischen Gedanken- und Empsindungskreis passend bezeichnen. Der Beschluß des italienischen Socialistencongresses fiel entsprechend seiner Discussivn aus. Er nahm eine nach dem Recept „Wasch' mir den Pelz und mach' mich nicht naß" eine lex imperfecta an, eine Tagesordnung, welche den Zweikampf mißbilligt, aber der Antrag, Duellanten aus der Partei auszu schließen, wurde abgelehnt und nicht einmal der auf Ertheilung eines „einfachen Tadels" fand Annahme. Hin gegen wurde der Genosse Lazzari, der den letztgenannten, das „Verbrechen tollorirenden" Antrag gestellt hatte, in den Executiv-Ausschuß der Partei gewählt. Und der „Vorwärts" schweigt. In dem zu Ungunsten des französischen „Genossen" Jaurcs in zweiter Instanz vom Toulouser Appellations gericht entschiedenen Proceß Resseguier-Jaurös — letzterer wurde bekanntlich zum Ersatz des dem Ersteren dadurch zuaefügten Schadens vernrtheilt, daß er die in Car- maux bei Resseguier beschäftigten Arbeiter zum Streik und zur Fortsetzung desselben aufhetzte — handelt es sich um die Entscheidung einer von principieller Bedeutung für das ganze Erwerbsleben erfüllten Contraverse, wesbalb es an gezeigt ist, den für das Unheil des Toulouser Gerichtshofes maßgebenden Gedaukengang kurz zu recapituliren. Das Ur- theil entwickelt die Veranlassung und die Geschichte des Streikes in Carmaux. Indem die Arbeiter ausständig wurden — heißt es weiter —, zerrissen sie zwar den Arbeitsvertrag, den sie freiwillig eingegangen waren, allein das war ihr Recht (!). In Folge dieses Vertragsbruches stellte Resseguier, der damit auch seinerseits von Innehaltung des bisherigen Vertrages entbunden war, für die Wieder eröffnung der Fabrik und die Annahme von Arbeiter» neue Bedingungen aus, wobei auch er nur innerhalb des Rahmens seiner persönlichen RechtSspbäre blieb. An diesem Puncte der Entwickelung des Verhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und seinem streikenden Personal setzten nun die Hetzereien des Deputirten Jaurös und der ihm secundirenden Umsturz blätter ein, denen das erstinstanzliche Urtheil die Einmischungs- besugniß uneingeschränkt zuerkannt hatte. Das zweitinstanz liche Urtheil nun ist weit entfernt von der uneingeschränkten Verwerfung eines Einmischungsrechtes Dritter. Aber es macht die Legalität einer solchen Einmischung von gewissen Voraussetzungen abhängig. Es bestreitet, daß die Befugniß Dritter,sich in Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und seinem Personal zu mischen, ipso juro auS dem Wesen der CoalitionS- und Streikfreiheit folge und deren natürliche Ergänzung bilde. Vielmehr fällt eine solche Einmischung Dritter unter die Bestimmungen des gemeinen, bürgerlichen Rechts, d. h. die Einmischung Dritter in Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitern beruht nur dann auf einem Rechtstitel, wenn der oder die betreffenden Intervenienten selbst ein reelles Interesse an der Sache haben. Dieses nachweisbare reelle Interesse begründet dann nach Art. 1106 des Locke civil das Recht zur Wahrnehmung des in Rede stehenden Interesses. Ohne das Vorhandensein eines solchen persön lichen reellen Interesses giebt es auch kein Recht zur Ein mischung in fremde Händel. Im concreten Falle nun hat den blanken Beilen darauf losgehauen — eine aufreibende und in Anbetracht des in hohem Grade vorhandenen Fäulniß- schwammes auch sehr lästige Arbeit. Jede Nacht sah einen tieferen Eingriff in die Knochen der „Fliegenden Lerche"; immer mehr Balken wurden zersplittert und zerschlagen, immer mehr Planken abgelöst und zur Seite geschoben. Und dabei blieben wir jede Nacht gleich weit entfernt von dem Ziele unserer Wünsche. Trotz der fortwährenden Ent täuschungen verließ mich mein Muth keinen Augenblick, aber meine frohe Laune schwand dahin, und sogar NareS wurde schweigsam und mürrisch. Nach dem Abendessen verbrachten wir gewöhnlich gemeinsam eine Stunde in der Cajütc, zumeist jedoch, ohne ein Wort mit einander zu wechseln. Ich ver suchte zu lesen, und NareS beschäftigte sich damit, Seemusckeln vermittelst eines Instrumentes, der sogenannten Aankee-Fiedel, zu durchboren. Ein Fremder hätte denken können, daß wir uns entfremdet hätten; dem war aber nicht so — im Gegeu- theil: während dieser stillen Kameradschaft der Arbeit nahm unsere Freundschaft noch zu. Gleich zu Beginn unserer Thätigkeit auf dem Wrack fand ich zu meinem Erstaunen, daß unsere Mannschaft dem Capitain auf den leisesten Wink gehorchte. Ich wage nicht zu behaupten, daß sie ihn liebte, aber ich kann nicht leugnen, daß sie ihn bewunderte. Ein freundliches Wort ans seinem Munde wurde höher geschätzt als daS größte Lob von mir und ein halber Dollar auö meiner Hand. Wenn er von seiner Sucht, alles zu rügen, abstand und eine freundliche Miene zeigte, sahen wir uns von lachenden Gesichtern umgeben, und ich fühlte mich zu dem Glauben versucht, daß seine Theorie von der Capitainschast, wenn auch übertrieben, doch auf einer Grund lage von Vernunft beruhte! Leider nutzte uns alle Furcht und Bewunderung, die er einflößte, auf die Dauer nichts. Die Leute wurden des hoffnungslosen, aufreibenden, unlohnen den Suchens müde. Sie begannen sich um die Arbeit herum- zudrücken, zu murren; NareS ließ die Vergeltung auf dem Fuß folgen, aber das nützte nichts, das vermehrte nur das Murren. Mit jedem Tage wurde es schwerer, unsere Matrosen zur Plackerei anzuhalten, und wir waren täglich aus Ausbrüche ihres Unwillens gefaßt. Trotz unserer Muhe, das Ziel unserer Nachforschungen zu verheimlichen, war dasselbe unseren Leuten nur zu bekannt; ja, sie batten sogar von den Entdeckungen, die Rares und mich so sehr ver wirrten und beunruhigten, so kalb und halb Kenntniß erlangt. Ich hörte sie zuweilen über den Charakter Trents debattiren und auch ibre Meinungen darüber austauschen, der Appellhof sich nicht davon zu überzeugen vermocht, daß Jaurös und die ihm Handlangerdienste leistenden Hetzblätter ein eigenes, reelles Interesse in dem Streit Resseauier'S mit dessen Arbeitern vertreten. Jaurös handelte ohne RcchtStitel, ist daher für den aus seiner Handlungsweise erwachsenen Schaden cm vollen Umfange haftbar zu machen. Tie unterlegene Partei bat Berufung beim CassationShose eingelegt. Dieselbe könnte, nach Maßgabe der vorstehend wiedergegebenen Begründung des zweitinstanzlichen Unheils, nur dann Erfolg haben, wenn der Cassativnshof sick auf den Standpunkt stellte, daß der Arbeitsvertrag, bezw. das den Arbeitern gewährleistete Coalitions- und Streikrcckt grundsätzlich die absolute Rechtlosigkeit des Arbeit gebers proclamirt. Denn nur für Verletzungen seiner RechtSspbäre steht dem Arbeitgeber gegen den Schädiger, im concreten Fall also Resseguier gegen den Deputirten Jaurcs, die Entschädigungsklage zu. Die portugiesische Regierung hat aus Grund des Ge setzes vom 26. Mai d. I. für das nächste Etatsjahr einen Betrag von etwa 400 000 ausgeworfen, um ein Experiment auf dem Gebiete der Colonialpolitik zu machen, das auch für das Ausland nicht ohne Interesse ist. Der letzte Aufstand im Delagoagebiet ist unter zahl reichen Opfern an Geld und Menschenleben niedergeschlagen worden, es ist gelungen, die Rädelsführer gefangen zu nehmen, aber dauernde Erfolge sind damit nicht erzielt. Nichts bürgt dafür, daß nach der Zurückziehung der Truppen der Tanz nicht von Neuem losgeht. Unter diesen Umständen ist man auf den Gedanken ver fallen, in den überseeischen Besitzungen, namentlich an wichtigen Knotenpuncteu, europäische Stationen für Ackerbau und Handel anznlegen, zu denen aber nur Waffe »geübte Ansiedler verwendet werden sollen, so daß diese Nieder lassungen im Stande wären, sich selbst gegen etwaige Angriffe der Eingeborenen zu schützen. Als Kern jeder Militaircolonie denkt man sick eine Truppe von etwa 80 Eingeborenen eines entfernteren Districts unter Führung eines Officiers mit Hauptmannspatent, zwei Subalternofficieren, 1 l Unlerofficiercn und einem Hornisten, ferner einen Arzt und, wenn keine Mission in der Nähe ist, einen Missionar. Die Gebältcr und sonstigen Bezüge glaubt man mit etwa 60 000 .L decken zu können, da den Ansiedlern überdies eine Beteiligung an dem Reingewinn der Colonie zusteht. Zur Ausbildung der eingeborenen Soldaten wird ein geschulter Landwirlh angestellt. Jeder Colonie sollen etwa 500 Hektar zur Bewirtschaftung überwiesen werden. Die Producte des Ackerbaues und der Viehzucht können zu eigenem Gebrauch und zum Handel ver wendet werden mit Ausnahme des Alkohols, der zum Klein verkauf nickt zugelassen wird. In der Colonie sollen zu Handelszwecken Niederlagen einheimischer Waaren, sowie der meisten europäischen Erzeugnisse errichtet werten, wozu etwa 40 000 zur Verfügung zu stellen sind. Nack diesen Colonien soll nun die Auswanderung so geregelt werden, daß sich in der Nähe und unter ihrem Schutz europäische An siedler »iederlassen, denen überdies die weitestgehende Unter stützung zugesichert wird. Wie man sieht, ist der Plan aus dem Papier bis ins Einzelne ausgearbeitet. Wie er sich in der Praxis bewähren wird, bleibt abzuwarten. Im westlichen Sudan bereiten sich anscheinend Ueber- raschungen vor. Englische Blätter schlagen Lärm wegen der angeblichen Zusammenziehung eines lOÖOOO Mann starken f r a n; ös i s ch en Heeres in Wadclai, jenem verlorenen Posten, wo Emin Pascha sich Jahre hindurch an der Herrschaft wo sich Las gesuchte Opium befinden könnte. Da sie uns belauscht zu haben schienen, machte ich mir kein Gewissen daraus, bei ihnen den Spion zu spielen, so oft sich mir die Gelegenheit bot. So gelang es mir, mich über ihre Stimmung zu unterrichten und zu beurtheilen, wie weit sie in das Geheimniß der „Fliegenden Lerche" eingeweiht seien. Eines Tages, nachdem ick einige fast meuterische Reden erlauscht hatte, kreuzte ein glücklicher Gedanke mein Hirn. Die ganze Nacht wälzte ich ihn in meinem Kopfe herum, um ihn am nächsten Tage Rares mitzutbeilen. „Wie wär's, wenn ich unsere Leute durch das Ver sprechen einer Belohnung zur Arbeit anfmunterte?" „Falls Sie glauben, daß Sie auf diese Weise ihre Monats gehälter aus ihnen bcrausscblagen können, thun Sie's. Ich halte nicht viel davon, da Ihnen aber leider kerne anderen Kräfte zur Verfügung stehen und Sie ja der Supercargo sind, mögen sie eS immerhin versuchen." Die Mannschaft wurde zusammengerufen. Der Capitain sah drohender drein denn je, und man schien allgemein zu vermutben, daß er hinter eine Missethat gekommen sei. „Hört mal an, Ihr da!" sprach er mürrisch über die Schulter hinweg. „Herr Dodd will Demjenigen, der daS Opium zuerst entdeckt, eine Belohnung auSsetzen. Es giebt bekanntlich zwei Arten, wie man einen Esel zum Geben bringt — entweder durch eine Tracht Prügel oder durch Carotten. Herr Dodd zieht es vor, cS mit den Carotten zu versuchen. Aber Jungen», wenn das Opium binnen fünf Tagen gefunden ist, dann könnt Jbr Euch bei mir wegen der Trackt Prügel melden", schloß er, mir zunickend, worauf ich das Wort ergriff: „Was ich Euch Vorschlägen will, ist Folgendes. Wer das Opium entdeckt, bekommt von mir als Belohnung 150 Dollars auf die Hand gezahlt. Wer uns ans die Spur desselben bringen kann, bekommt 125 und der Glückliche, der darauf stößt, den Rest. Wir wollen eS Pinkerton - Preis nennen, wenn eS Ihnen Recht ist, Capitain!" schloß ich lächelnd. „Nennen Sie eS den großen Combinationspreis!" rief dieser. „Ich erhöbe nämlich hiermit — kört es, Ihr Burschen — ich erhöbe den Preis auf 250 Dollars amerika nischer Goldwährung!" „Ich danke Ihnen, Capitain, das haben Sie gut gemacht!" sagte ich. „Wenigstens gut gemeint." Dieser Borschlag war nicht vergebens. Kaum hatten die Leute die Höhe der Belohnung vernommen und ihrer Der»
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