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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960807021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896080702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896080702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-07
- Monat1896-08
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Die Morgen-Abgabe erscheint «m '/,7 Uhr. die Abend-Ausgab« Wochentags um 5 Uhr. Nedartto« mrd Erpedttüm: Johanne»,affe 8. Die Expedition ist Wocheutags ununterbroche» gönnet vou früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Dtt» Klemm » Sortim. (Alfred Hahn). Uuiversitätsstraßr 3 (Paulinum), Louis Lösche, Kalbarmenstr. 14. Part, und König-Platz 7. Bezugs-Preis dt d« Hanptexpedition od«r d«u im Stadt- bezirk und den Vororten errichteten AuS- aabestellen abgebolt: vierteljährlich^ 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus ^l ü^O. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Dirrcte tägliche Kreuzbandsenduag ius Auslaud: monatlich ^l 7.50. ^°39S. Abend-Ausgabe. WpMer TagMM Anzeigen-Prei- Lie S gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedaction-strich (4ge- spalten) 50^, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß- Tabellarischer and gissernsatz uach höherem Tarif. Extra-Vetlage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Freitag den 7. August 1896. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Margea-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. ' vei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au di» Expedition zu richten. —--o—c»--— Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig SV. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. August. Neber die Angriffe, die in der letzten Zeit gegen die Frei maurerei gerichtet sind, hat der Protektor der drei alten Berliner Großlogen, Prinz Friedrich Leopold, jüngst beim Kaiser Beschwerde geführt Die „Voss. Ztg." berichtet hierüber in folgender Form: „Für die Rücksicht, die auf das Centrum genommen wird, ist ein Vorfall aus den jüngsten Tagen kennzeichnend. Wie wir hören, hat sich der Prinz Friedrich Leopold als Protector der drei alten Ber liner Großlogen veranlaßt gesehen, in einem Schreiben vom 10. Juni 1896 bei dem Kaiser über die Angriffe, die die Freimaurerei erfährt, Beschwerde zu führen. Es ist in dem Schreiben von den „unsinnigen Mittheilungen" die Rede, die „besonders in den Blättern der katholischen Centrumspartei" erhoben werden und die „ein eigen- thümlicheS Licht auf die Intelligenz der Leser werfen, für die sie geschrieben sind", und sodann von einem Ausfall des „Deutsch. Adels bl.", des Organs der deutschen Adels genossenschaft. Darauf ist ein Bescheid von dem Chef des Civilcabinets Herrn von LucanuS an den Hof marschall Nickisch von Rosenegk ergangen unter dem 22. Juni 1896; über die Angriffe des „Deutsch. Adelsbl." drückt Herr v. LucanuS lebhaftes Bedauern aus; mit Hilfe des Protector« der Adelsgenossenschaft, des Herzogs Ernst Günther, sind bei dem Vorsitzenden der Genossenschaft, dem Grafen Schulenburg-Beetzendorf, die „geeigneten Schritte" gethan worden. Die „unsinnigen Mittbeilungen" der Blätter der katholischen Centrumspartei vergißt Herr von LucanuS auch nur mit einem Worte zu erwähnen, geschweige dem znrück- zuweisen. Oder hätte er eS nicht vergessen, sondern absicht lich unterlassen, so könnte man eben ersehen, welche Rücksicht das gegenwärtig größeren Einfluß als früher ausübende Civil- cabinet auf daS „katholische Centrum" nehmen zu müssen glaubt^ lieber die Beschwerde bei dem Kaiser wird man verschiedener Meinung sein dürfen. Wichtiger aber als die Beschwerde ist die Antwort des Civilcabinets, für die aller dings nur der Geheimrath v. LucanuS verantwortlich ist. Die Ultramontanen werden an dem Einschreiten gegen daS Adels blatt Anstoß nehmen, aber um so befriedigter sein, daß der Chef des Civilcabinets an ihren eigenen Ausfällen keinen Anstoß nimmt oder dieses Gefühl wenigstens nicht kundgiebt. Und auch aus diesem an sick unbedeutenden Umstand werden sie schließen, daß sie nicht ohne allen Grund prablen dürfen: „Katholisch ist Trumpf!"" — So die „Voss. Ztg.". Die Beschwerde über das „Adelsblatt" dürfte durchaus am Platze gewesen sein, hier stand eine Remedur in der Macht des Kaisers, und sie ist erfolgt. Gegen die gehässigen Angriffe der Centrumsblätter könnte indeß, wie die „B. N. N." mit Recht einwenden, nur der mäßigende Einfluß der Bischöfe oder des Papstes angerufen werden — vermuthlich mit negativem Erfolg. Aber eS würde ver ständlich sein, wenn über einen derartigen Schritt, nament lich bevor der Erfolg gesichert ist, keine schriftliche Mittheil- lung NamenS der Krone ergeht. Seine eigenen Ansichten und Absichten dem Prinzen Leopold auf andere Weise zum Ausdruck zu bringen, dürfte eS dem Kaiser an Gelegenheit nicht fehlen. Der Monarch wird in seiner Beurtheilung der Sache von der deS Prinzen nicht abweichen, denn jene Ver unglimpfungen erstrecken sich indirect auch auf Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedrich. Herr Stöcker hat bekanntlich die beiden politischen Redacteure des „Volk", die seine Sache gegenüber den Conservativen verfochten und die er diesen zu opfern sich geweigert hatte, im Interesse des ihm so wertyvollen Halb dunkels seiner politisck-socialen Stellungnahme preisgegeben. Der nunmehrige Leiter des Stöcker'schen Blattes, Herr v. Oertzen, Kat sich mit einer von uns im Wesentlichen mit- getheilten Ansprache „an die Leser" eingeführt, in der er an der Scheidung von den Conservativen festbalten zu wollen erklärt, gleichzeitig aber eine Scheidelinie zwischen sich nnd den „Jungen" um Naumann zieht. Größere Klarheit über die Absichten Stöcker's wird durch die Erklärung nickt verbreitet. Die „Kreuz-Zeitung" darf constatiren, daß Herr v. Oertzen mit jener Auslassung ohne ausdrückliche Er klärung, aber tatsächlich seinen Austritt aus der conser vativen Partei vollzogen habe. Aber daS ist dock nur etwas Negatives. Ein zweiter Artikel des „Volk" bandelt vom Man i fest Stück er^s und verräth in Inbalt und Sprache durchaus die Eigenart dieses Politikers. Wenn Herr Stöcker sagt: „Der Erlaß deS Manifestes erklärt sick in der ein fachsten Weise", so weiß man schon, daß man eine krause Darstellung zu hören bekommt. Herr Stöcker will gegen den evangelisch-socialen Congreß eine Art Gegen - congreß ins Leben rufen, aber beide hätten „keinen Anlaß, sich zu bekämpfen". Warum ist den» die Kennzeichnung als Gegencongreß beliebt worden? Herr Stöcker wiederholt, die Sckeidung vom alten Congreß habe aus kirch lichen Rücksichten stattgefunden. Das entspricht, wie bewiesen worden ist, nicht dem Sachverhalt, und er selbst thut die Nichtigkeit dieses Grundes dar, indem er schreibt: „Der Ausdruck „Kirchentag" (für den geplanten Congreß) würde insofern verfehlt sein, als er die Sache aus die allpreußischen Provinzen beschränken müßte. Vor uns liegt schon eine gewichtige Zuschrift, welche erklärt, daß an einem reinen „Kirchentag" sich viele Mitglieder, speciell Pastoren der lutherischen neuen Provinzen und außer preußischen Landeskirchen, aus confesssionellen Gründen nicht betheiligen könnten, die dagegen zur Theilnahme an einer auf das sociale Gebiet begrenzten Versammlung im klebrigen bereit wären." Also die kirchlichen Verschiedenheiten, die dort die Trennung herbeigeführt haben, sind hier kein Hinderniß der Vereinigung. Herr Stöcker schließt mit der Versicherung, die christlich-sociale Partei solle ganz außerhalb der Bestrebungen des neuen Congresses bleiben Da zwischen beiden Personalunion herrscht und der Träger der Herr schaft Herr Stöcker ist, so würde man dieser Zuschrift auch dann skeptisch gegenübersteben, wenn ihrer Erfüllung nicht schon die Natur der Dinge widerstrebte. In den bisher vorliegenden Berichten über die Züricher Jtaliencr-Crawalle wurde die ganze Schuld den italienischen Arbeitern, ihrer Sittenlosigkeit und ihrer Mordsucht zu geschrieben. Zweifellos ist, wie die Berichte der schweizerischen Behörden deutlich erkennen lassen, darin eine der Ursachen der Cravalle zu suchen, aber ebenso sicher ist es, daß der Brod- neid der schweizer und deutschen Genossen gegen die in ibrer Mehrzahl nüchternen und bedürfnißlosen Italiener eine Rolle gespielt bat. Der italienische Consul in Zürich hat an den Minister des Aeußeren nach Rom über die Unruhen einen Bericht erstattet, über dessen Inhalt berichtet wird: Der Bericht führt die Unruhen auf einen von langer Hand vor- bereiteten Anschlag der deutschen Socialdemokraten zurück, welche die ihren Lehren abgeneigten italienischen Arbeiter seit Monaten in gehässigster Weise verfolgten und in den Augen der Genossen und des niederen Volkes verächtlich zu machen sich be- mühten. Man nannte sie chinesische Kulis, und wo sie sich zeigten, wurden sie mit dem Spottworte „Tschig" empfangen. Darob kam es des Oefteren zu blutigen Raufereien, die dann von dem Socialistenorgan stets als von den Italienern hervorgerufen ge schildert wurden. Tas niedere Volk wurde in den wilden Haß förmlich hineingepeitscht, und der Ausbruch der Erregung war nun eine Sache des günstigen Anlasses. Der Consul bestreitet, Laß die Italiener um niedrigeren Lohn arbeiteten. Einer der ans Zürich geflüchteten Italiener theilt einem Berichterstatter der Turiner „Patria" das Folgende mit: „Um zu verhindern, daß wir ihnen (den deutschen und schweizer Arbeitern) eine verderbliche Concurrenz machten, forderten uns die Letzteren zu wiederholten Malen auf, in ihren Bund der Syndicate einzutreten, aber die Unserigen wollten nichts derartiges thun. Ich, der ich einem Schweizer Syndicate angehöre, kann versichern, daß höchstens 400 sich dort einichreiben ließen. Wie man sich wohl denken kann, ries dieser Widerstand der Unserigen bei den schweizer und deutschen Genossen, die in Zürich sehr zahlreich sind, üble Laune hervor. Dies war das erste Motiv, aber es gab noch andere und nicht minder ernste. In der Schweiz haben die Arbeiter des Syndicats-Bundes, wie Sie vielleicht wissen, die Bra uereien unter Verbot gestellt, in denen man Bier aus deutschen und schweizer Brauereien verlaust, die ihre Arbeiter schlecht bezahlen. Niemand sollte mehr in diese Locale gehen, während wir Italiener dabei beharrten, sie zu besuchen, und dies versetzte die Genossen, insbesondere die deutschen, in Wuth." Daß thatsächlick der Nicktanschluß der Italiener an die socialdemokratische Organisation der deutschen und schweize rischen Arbeiter die Wuth der „Zielbewußten" erweckt hat,verräth zumUeberflußter„Vorwärts" mitderhalbund halb einladend, halb drohend ausgesprochenen Andeutung, daß die Vereinigungen der Schweizer, wenn sic solche schaffen wollten, „Angliederung genug in dem weiten Nahmen der schweizerischen Arbeiter bewegung finden würden". Mit anderen Worten: die italienische» Arbeiter haben nur dann Duldung in der Schweiz zu erwarten, wenn sie ihre Bedürfnißlosigkeit und damit ihre Concurrenzgefährlichkeit aufgeben und sich in die Reihen der „Genossen" einschreiben lassen. Andernfalls haben sie zu gewärtigen, daß das Necept des Knüttels und des Messers noch gründlicher als bisher an ihnen erprobt wird. In der Thal, die „Culturmission der Sociaidemokratie", die in London so hoch gepriesen wurde, hat in Zürich eine Illustration gesunden, die nicht so leicht verwischt werden wird. Nunmehr steht eS fest, daß der Kaiser von Rußland nach Frankreich kommen wird. Das Organ des russischen Außenministeriums, der iu Paris erscheinende „Nord", ver öffentlicht nämlich mit Rücksicht auf die widersprechenden Gerüchte, welche bezüglich der Reise des Zaren ins Ausland verlauten, folgende officivse Note: „Wir sind ermächtigt, zu erklären, daß die Reise Sr. Majestät des Kaisers im Princip beschlossen ist, daß aber noch nichts definitiv bestimmt ist hinsichtlich des Tages der Abreise, noch der Ankunft Les Souverains in der einen oder anderen Hauptstadt. Wir wissen nur positiv und freuen uns, wiederholen zu können, daß Se- Majestät der Kaiser Nikolaus sicherlich Frankreich besuchen wird." Diese Ankündigung wird in Frankreich Hellen Jubel Her vorrufen und den Chauvinisten einen gewaltig drückenden Stein vom Herzen nehmen; batten sie doch die Frage des Zarenbesuchs schon zu der Antithese zugespitzt: entweder kommt der Zar, dann ist er tbatsächlich unser Verbündeter, oder er kommt nicht, dann ist die ganze Bündnißgeschichte nur eiteles Geschwätz. So kam es, daß jede neue Meldung über Reise-Entschließungen des Zaren die Nerven der Franzosen in Zuckung versetzte, man redete in Paris von nichts Anderem nnd redete sich in einen förmlichen ParoxiSmus hinein. Während eS nun aber sicher ist, daß der Zar Frankreich besucht, steht noch nickt absolut fest, ob er nach Wien und speciell nach Berlin reisen wird. Heute heißt es fo, morgen so. Auch für uns ist es nicht ohne Be deutung, ob der kaiserliche Repräsentant unseres mächtigen Nachbarreiches, der Verbündete unseres Erbfeindes unseren: Kaiser einen Besuch in der Hauptstadt seines Reiches ab- statlet oder nicht, ebenso wie es von Belang ist, ob er das zweite Haupt des Dreibundes, Kaiser Franz Joseph, in Wien freundschaftlich begrüßt. Allein wir können mit Genugthuung constatiren, daß der größte Theil der deutschen und der öster reichischen Presse sich bis jetzt aus das in Frankreich bis zum Ekel getriebene Fragefpiel: „Kommt er, kommt er nicht?" in keiner Weise eingelassen hat, und wir geben uns der Zuver sicht hin, daß es auch nicht noch geschehen wird. Wir schätzen Rußlands Freundschaft sehr hoch und halten nach wie vor an der Directive des alten Kaisers Wilhelm fest, es mit Rußland nicht zu verderben. Gleichzeitig aber muß einem in sich selbst wie im Verein mit seinen Verbündeten so mächtigen Reiche wie dem neuerstandenen deutschen auch das stolze Wort des jungen Kaisers zur Richtschnur dienen: Wir laufen Niemandem nach! — Was den Gesundheits zustand deS Zaren betrifft, so schreibt daS „B. T", daß nach seinen Informationen der Psyckiatriker Professor Mendel-Berlin sich allerdings nach Rußland begeben habe, aber nicht zum Zaren, sondern zu einem russischen Fürsten. Der Procetz Lothairc hat, wie gemeldet, vor dem obersten Gerichtshof in Brüfsel mit der Freisprechung deS congo- staatlichen Officiers geendet. Dieser AuSganz war — man kannte ja die Auffassung des Falles und die Stimmung in Belgien schon lauge — voranSzuseken, aber im Interesse der Rechtsprechung und des Bestehens geordneter Verhältnisse im schwarzen Erdtheil ist er aufs Tiefste zu bedauern. Die Verur teilung des englische» Händlers Stokes war — das ist durch die Verhandlungen bestätigt worden — lediglich Komödie. Major Lothaire war Ankläger und Richter in einer Person, er ganz allein verurtbeilt einen Weißen zum Tode, ohne daß auch nur ein Protokoll ausgenommen wird, und läßt den Ver- urtheilten auch sofort an dem nächsten Baum ausknüpsen. Bon einer Frist für die Einlegung der Berufung ist keine Rede. Der Dolmetscher Or. Michaux erklärt jetzt, Major Lothaire habe kein Strafgesetzbuch bei sich gehabt und die Strafe daher „aus dem Gedachtniß" erkannt; Michaux sowohl wie Lothaire fei auch unbekannt gewesen, daß eine Berufung an daS Obergericht in Boma zulässig war. Daß dem Angeklagten seine angebliche Unkenntniß und zngestandene Nichtachtung klarer gesetzlicher Bestimmungen als „guter Glaube" ausgelegt werden kann, legt jedenfalls von einer cigenthümlichen RechtS- ausfassung Zeugniß ab. Schützt Unkenntniß der Gesetze nicht einmal den Angeklagten in einfachster Lebens stellung, so kann sie doch sicherlich nicht von einem Richter als Entschuldigung angeführt werden. Würde dock in der That jeder Eliropäer im Congostaate für vogelfrei erklärt, falls nach dem Vorgänge im Falle Stokes ohne Weiteres über Leben nnd Tod eines dem Staate Mißliebigen durch ein rechtsunkundiges Gericht verfügt werden könnte. Materiell sucht Lothaire die Verurtheilung nnd Execution durch die Angabe zu rechtfertigen, daß ihn: mit- getheilt worden sei, Stokes habe an die Araber Waffen und Munition verkauft. Lothaire hat hierfür den Beweis nicht führen können; er bezog sich auf die Thatsache, daß Stokes Gewehre und Munition bei sich führte, welche ihm von den Deutschen geliefert worden. Dies ist richtig, aber die Lieferung ist nur zum Schutze der Karawane, namentlich am Nyassa, erfolgt, und Jim Pinkerion und ich. Roman von R. L. Stevenson und Lloyd OSbourne. 35j Autoriflrte Bearbeitung von B. Kätscher. Nachdruck verboten. „Warten Sie doch! Ich muß die Geschichte ganz all mählich erzählen, sonst zerplatze ich", blubberte Kirkup, sein Halstuch öffnend, um sich Luft zu machen. „Ich habe daS Zeug verkauft; aber noch mehr: ich habe zu meinen eigenen Bedingungen eine Charterpartie nach FriSco und zurück berauSgepreßt, — zu meinen eigenen Bedingungen, darauf bestand ich fest. Zuerst foppte ich ihn mit der Vorspiegelung, daß ich Copra brauche; die aber konnte er für unsere Maaren nicht geben, weil er ja keine hat, sondern selber mit Laternen sucht. So oft er sich auf die Hinterbeine stellte, brauchte ich nur die Copra zu erwähnen und er duckte sich. Da ich so lange darauf beharrte, nichts anderes al« Copra zu nehmen, bekam ich schließlich den ganzen Kaufpreis in klingender Münze bewilligt, nur zwei kurzsichtige Wechsel auf FriSco ausgenommen." Die Pause, die er machte, um zu Athem zu kommen, be nutzte Tommy zu der lebhaften Frage: „Und die Summe?" „Unser Abenteuer kostet unS 750 Pfund, die Maare 2000, macht 2750. Denkt euch — das alle« bat Topeliu- bezahlt. In einem Monat haben wir den Schooner mitsammt der ganzen Ladung ausgezahlt, hat man je so etwa» gehört?!" „DaS ist la mehr als großartig!" rief NorriS au«. „Finden Sie? Aber e« ist noch lange nicht Alle«, daS Beste kommt zuletzt. Wir haben nämlich" — und der voll blütige Mann keuchte die Worte mühsam hervor — außerdem noch einen Gewinn von 1250 Pfund erzielt! Ich habe Topeliu» 4000 Pfund schwitzen lassen! Seine Stimme schlug um wie die eine« Schulknaben. Die Andern starrten ihn sprachlos und wie betäubt an, als wäre er ein Oelgötze. Ueberraschung paarte sich mit Ungläubigkeit. Hadden war der Erste, der die Fassung wiedererlangte. „Gehen wir schnell ins WirthSbauS zurück!" schrie er. „Äch muß mir einen Rausch antrinken!" „Mich müßt ihr entschuldigen. Jungens!" sagte der Capitain. „Ich bin so außer mir, daß ich nichts zu trinken wage. Ich glaube, daß mich schon nach einem einigen GlaS Bier der Schlag treffen würde." „Nun denn, dann wollen wir dem Capitain drei Hochs bringen!" erwiderte Hadden. WickS wehrte rechtzeitig mit der Hand ab. „Nicht dock!" bat er. „Denken Sie an den Kerl da drüben und üben Sie Rücksicht. Wenn ich schon so aufgeregt bin, wie muß erst TopeliuS zu Muthe sein! Wenn er uns singen hörte, würde er gewiß die Drehkrankheit kriegen." In Wirklichkeit ertrug der Vertreter der großen Ham burger Firma seine Niederlage mit Anstand. Dagegen nahm die Mannschaft de« gesunkenen „LeSlir" di« Sache sehr übel und ließ r< nicht an rohen Worten und scheelen Blicken fehlen. Einmal wäre eS sogar beinahe zu einer Schlägerei gekommen, weil von der Veranda deS Wirths- Hauses her Capitain Kirkup ausgezischt wurde. Die Kauf fahrer auS Sydney blieben guter Dinge während der fünf Tage, die die Ausladung der verkauften Waarrn und deren Ersatz durch Ballast in Anspruch nahm. Da die Haupt arbeit durch die eingeborenen Angestellten Topeliu«' gethan wurde, batten die Insassen de- „Schönen Teufel«" viel Zeit, spazieren zu gehen oder in der Schenke ihr gute« Glück zu preisen und zu besprechen — dessen wurden sie nicht müde. Am NeujahrStag lichteten sie die Anker und machten sich auf die Reise nach San Francisco. Da« Wetterglück blieb ihnen hold. Die Gegend der Windstillen passirte der Schooner wacker und ohne sonderliche Verzögerung, während bei gutem Wind seine Leistung alle Erwartungen übertraf. Den Froh sinn der Leutchen erhöhte noch der Umstand, daß ihre ohne hin geringfügige Arbeit nunmehr durch eine sechste Person erleichtert wurve, die in Gestalt de- Bootsmannes de« ,^LeSlie", Mac, hinzugekommen war, der mit dem Capitain de« gestrandeten Schiffe« auf schlechtem Fuß gelebt und seine ganze Löhnung in Butaritari vertrunken hatte. Während seine Genoffen nicht« vom „Schönen Teufel" wissen wollten, war er selbst froh, auf diesem unterzukommen. Ein derber, lauter, humoristischer und impulsiver Nord-Irländer, besaß er manche gut« persönliche Eigenschaft, sowie große Tüchtig keit im Seewesen. Da Mac nicht so glücklich war, ein glän»nde« Geschäft gemacht zu haben, da er vielmehr eine gute Anstellung ver- lorcn hatte, erfüllten ihn nicht die geschwellten Empfindungen der Anderen. Daher fand er die Kost abscheulich und den Zustand des Schooner« entsetzlich. Schon am ersten Tage wollte eine Cajütentbüre weder auf- noch zugehen, und ging, als er sich kräftig gegen sie stemmte, aus den Angeln. „Oho!" rief er. „Dies Schiff ist aber gehörig angefault!" „DaS glaube ich Ihnen, mein Sobn!" antwortete WirkS. Am nächsten Tag betrachtete der Matrose das Takelwerk mit besonderer Aufmerksamkeit. „Sehen sie die Masten nicht so scharf an", sagte der Capitain beiter. „Sie könnten sonst einen Schlaganfall be kommen und über Bord plumpsen." „WaS ich da oben sebe, scheint mir ein Stück Trocken- fäulniß zu sein, in das ich meine Faust stecken könnte, daraus möchte ich wetten", erwiderte der Ire in nicht sehr freund lichem Ton. „Ich glaube sogar, daß man den Kopf hineinstecken könnte; aber WaS hilft's? Besser ist, zu vergessen, wa« sich nicht ändern läßt." „Es war recht eselbast von mir, auf diesen verteufelten „Schönen Teufel" zu kommen!" „Einerseits habe ich Ihnen nicht gesagt, daß daS Schiff seetüchtig ist. Anderseits weiß ich nicht bestimmt, daß es trockensaul ist; vielmehr hoffe ick manchmal daS Gegentbeil. UebrigenS lassen wir den Gegenstand fallen. Werfen Sie lieber das Log ans, das wird Sie aufheitera." „ES läßt sich nicht leugnen, daß Sie ein sonderbarer Heiliger sind", schloß Mac das Gespräch. Seither sprach er nicht mebr über die Beschaffenheit des Schooners. Wohl aber gab er seinen Gefährten einmal eine Probe seine« heftigen Temperament«, nachdem er ihnen wiederholt versichert hatte: „Ick bin ein ziemlich gewalttbätigrr Mensch". Er schlug in der Suhl Hemstead plötzlich gegen den Fock segelbaum, stieß ihn dann darunter, bob ihn auf und warf ihn nochmals nieder, ehe Jemand einschreiten konnte. „Hören Sie aus! ' schrie der Capitain aufspringend. „Solchen Unsinn kann ich nicht dulden." „Ich wollte ihn nur More- lehren", antwortete Mac höflich. „Er bat mich einen Irländer genannt." „So? DaS ist freilich schlimm!" sagte Kirkup und wandte sich an den blutenden nnd schluchzenden Hemstead: „Warum haben Sie ihn geschimpft, Sie Narr?" „Ich habe ibn damit ja nicht schimpfen wollen", sprudelte da« kleine Männchen bervor. „Ich erwähnte seine Nationalität nur nebenher." „Aber Sie sind ja ein Irländer, nicht wahr?" fragte Cartbew. „Gewiß, aber wie darf eine Sydneyer Puppe es wagen, mich so zu nennen? Auch keinem Briten würde ich das gerathen haben! Nicht wahr, Sie, Herr Carthew, sind ein junger Stutzer? Aber würden Sie mir nicht gehörig das Fell gerben, wenn ich mir beifallen ließe, es Ihnen ins Gesicht zu sagen?" Fünfundzwanzigstes Capitel. Am 28. Januar schlug der Wind plötzlich in einen West um, der nicht sehr heftig, aber stoßweise und mit Regen schauern vermischt war. Der eine östliche Richtung an strebende Capitain that alles Mögliche, um den Wind günstiger zu gestalten. Den Dienst am Rad batte Dommv, und da bis zur Ablösung durch Carthew nur noch eine halbe Stunde war, hielt WickS eS nicht für nöthig, vorher wechseln zu lassen. Die Windstöße waren sehr kräftig, aber kurz. Da sich keine eigentliche Bö einstcllte, drohte dem Schiff keine und den zweifelhaften Spieren kaum größere Gefahr als sonst. Alle Mann befanden sich in Erwartung des Frühstücks auf Deck. Die Küche rauchte, der Kaffcegeruch kitzelte die Nasen angenehm, da« beschleunigte Fahrtempo erzeugte bei Sämmt- lichen die beste Laune, als völlig unerwartet, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, daS faule Focksegel in drei Stücke riß. Natürlich liefen Alle hinzu, um sich der heftig hin und her geschleuderten Leinwand zu bemächtigen. 9» der Ver Wirrung verlor Hadden den Kopf. Alsbald kaite der große Baum ein Gieksegel durch, schleppte da« Thanwerk mit, und brach den Hauptmast entzwei, der dann über Bord fiel. Ter von jeher am ärgsten gefürchtete Fockmast besann sich fast «ine ganze Minute, ehe er in« Meer stürzte. Eine Stunde später war von dem großartigen Gefüge nicht) übrig als zwei lumpige Stümpfe. In jenen wenig befahrenen Theilen de« Ocean« masiloö zn sein, ist vielleicht daS Schlimmste, wa« einem Schiff zu stoßen kann. Oft wäre es für dir Bemannung besser, zu sinken und zu ertrinken, denn sonst kann e« vorkommen, daß sie, an ein Wrack gekettet, monatelang dem Hungertod ent gegensiebt. Die einzige Hilfe hat sie von ihren Booten zu erwarten, und da« ist eine äußerst zweifelhafte Hilfe, — liegt doch die nächste Küste unermeßlich weit! Die Stelle r. B, an der der jämmerliche Rumpf de« „Schönen Teufel«" ohnmächtig mit den Wellen kämpfte, war von der
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