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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960810011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-10
- Monat1896-08
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Das Quartierbillet ist znrückzugebea. Leipzig, am 8. August 1896. v Eer Rath der Stadt Leipzig. X/dl. 24059. vr. Tröndlin. Lamprecht. Bekanntmachung. Entschädigung für die in Leipzig-vohliS vom 6. bis "!.'t 18. Juli dss. Is. in der Töllttitzer-, Haupt-, Leipziger-, Mockernschenstratze, dem Poetenweg, der Rosenthal-, Schmiede-, Teich-, Turner-, Wald-, Wettiner-, Wiesen- und Wilhclmstratze einquartiert gewesenen Truppen vom Königlichen 10. Infanterie-Regiment Nr. 134 kann in Len nächsten 3 Tagen bei unserem Ouartier-Amte, Raschmarkt Rr. 2, im Erdgeschoß links, Zimmer Nr. 30, gegen eigenhändige Quittungsleistung erhoben werden. Das Quartierbillet ist zurückzugeben. Leipzig, am 8. August 1896. Ter Rath der Stadt Leipzig. X/dl. 24060. vr. Tröndlin. Lamprecht. Gcwölbe-Vcrmicthung. In dem Kaufhanse (altes Gewandhaus) sollen die folgenden, an der Universitälsstraße gelegenen VerkaufSgewülbe vom 1. October dieses Jahres ab auf 6 Jahre vermiethet werden, und zwar Gewölbe Nr. 47, neben der Durchfahrt gelegen, ca. 73,4 qm groß, nebst dem darunter im Kellergeschoß gelegenen Lagerraum«, ca. 63,8 qm groß, Gewölbe Nr. 48, ca. 95,7 qm groß, nebst dem ebenda gelegenen Lagerräume, ca. 87,5 qm groß, Gewölbe Nr. 50, an der Ecke der Universitätsstraße und dem Knpfergäßchen gelegen, ca. 87,7 qm groß, nebst ca. 82,0 qm großem Lagerräume. Miethgesuche werden aus dem Rathhause, 1. Obergeschoß, Zimmer Nr. 8, cntgegcngenommen. Leipzig, den 10. Juli 1896. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Krumbiegel. Die größeren baulichen Herstellungen im Casernement zu Oschatz sollen öffentlich verdungen werden und zwar: Loos 1. Abbruch- und Maurerarbeiten, - II. Steinsetzerarbeiten. Der Termin wird Sonnabend, den 15. d. M. Norm. 12 und 12'/. Uhr im Geschäftszimmer des Unterzeichneten, Alexaudcr- straszc 10, I., abgehalten, woselbst die Verdingungsunterlagen rc. zur Einsicht ausliegen bez. gegen Erstattung der Selbstkosten be zogen werden können. Angebote mit entsprechender Aufschrift sind versiegelt und portofrei bis zu obigem Zeitpunkte einzusenden. Ter Königl. Garn.-Baubeamte zu Leipzig. Tic größeren baulichen Herstellungen in den Garnison- Anstalten zu Leipzig sollen öffentlich wie folgt verdungen werden: Loos I. Erd- und Maurerarbeiten, sowie Herstellung eines GeräthcschuppenS auf dem Schießplätze im Bienitz- walde, - H. Maurcrmaterialien, - IH. Zimmerarbeiten und Materialien, - IV. Dachdcckerarbciten. Der Termin wird Freitag, den 14. d. M., Vorn«. 0, 9'/«, 9'/., 8", Uhr im Geschäftszimmer des Unterzeichneten, Alexander- ftratzc 10, l., abgchalten, woselbst die Verdingungsunterlagen rc. zur Einsicht ausliegen, bez. gegen Erstattung der Selbstkosten be zogen werden können. Angebote mit entsprechender Aufschrift sind versiegelt und portofrei bis zu obigem Zeitpunkt einzusenden. Der Köuigl Garnison-Banbeamte. Versteigerung. Mittwoch, den 13. August 18V6 von Vormittag» 10 Uhr an, ollen im Versteigerungsraume des Kgl. Amtsgericht- hier 2 Geldschränke, 3 Pianiao», 1 Harmonium, I Rover', 240 Flaschen versch. Weine, 1 Ladentasel, 1 Waarrn - Regal, 1 groß« Partie Eisen- und Kurzwaaren, 200 Paar Schlitt schuhe, 28 Dtzd. Feilen, 3 Sattler-Nähmaschinen, 1 Balance- Presse, ca. 60 Stück versch. Koffer, 400 m seid. Futterstoffe, 1 Trumeau mit Lonsole, bessere Möbel u. A. m. meistbietend gegen Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, am 8. August 1896. Der Gerichtsvollzieher. Sekr. Thierbach. Bersteigerung. Am Montag, den 10., Dienstag, den 11., und Mittwoch, den 12. d». Mt»., je von 10 bis 2 Nhr sollen »ierselbst, Zeitzcr Strotze 23 im Loden die zur Hant'sche» EoneurS- maffe gehörigen Waaren, alS: Posamenten, Wollwaaren, Barchente, Rormalwäsche, Shlipse, Handschuhe, Blouscn, Schirme rc., öffentlich meistbietend versteigert werden. Leipzig, den 6. August 1896. HkntsoUoIck, Localrichter. Wie Straßburg französisch wurde. Stimme eines französischen Patrioten. 4) Nemesis. Wie das Alles enden wird? Nach französischen Historikern beginnt das Ende schon jetzt. Von 1683 an datirt Duruy die zweite Halste der Regierung Ludwigs XIV., den Nieder gang. Der König schien selbst mit dem früheren Leben voll Ausschweifungen abzuschließen; er verheirathete seine legiti- mirten Kinder von der MonteSpan, die sich darauf ganz vom Hofe zurückzog. Nun starb am 30. Juli 1683 die Königin, und ihr folgte am 7. September der Minister Colbert, die Stütze der Finanzen. Der König blieb allein mit der Maintenon. Wer diese Sphinx kennen lernen will, der lese erst Michelet's Schilderung und betrachte dann ihr großes Portrait in Versailles. DaS Verhältniß Ludwig'- zu ihr hatte etwas Lüstern-Lästerliches; bisber war sie seine Sitten predigerin gewesen, jetzt ward sie seine Maitresse. Ich sah ihr Bild im Schlosse Maintenon bei Chartres, dessen Besitzer Herzog de Noailles nicht verbeirathet war; nicht eine Spur von trauter Häuslichkeit in den weiten Räumen; es wurde mir kalt vor diesem Weibe; die Einsamkeit um sie her, in der ich sie betrachtete, machte mir Angst. Und Angst und Schrecken gingen auch damals von der Einsamkeit aus, in der sie mit dem Könige weilte. Wenn der Löwe Blut geleckt bat, wird er gierig nach mehr. Ludwig batte in der aut lutherischen Stadt Straßburg den KatholiciSmus auf den Thron gesetzt: immer erbitterter wurde er nun gegen die französischen Protestanten, die sich unterstanden, von einer andern Religion sein zu wollen als ihr König. Gerade in dieser Zeit der wachsenden Vertraulichkeit mit der Maintenon brachen die grausamen militairischen Executionen über die Hugenotten in Südfrankreich aus. Es schaudert Einem, wenn man das Jammern und Stöhnen der Verfolgten hört, wenn man die Mütter verzweifelt die Hände ringen sieht. Und der stolze König blieb stumm, verschlossen und hartherzig; er schien traurig, nicht von Mitleid, sondern von Langeweile. War denn Madame de Maintenon nicht die sanfte gute Frau, aus deren Augen ein Strahl verklärender Milde auf die häus liche Zurückgezogenheit fällt? Keineswegs. Sie war von trockenem Scharfsinn, von verstecktem Wesen, das sich mit innerer Heftigkeit paaren kann; vielleicht war dies eine Folge des unterwürfigen Lebens, das sie von früh an hatte führen müssen. Aber auf jeden Fall war sie kein guter Engel für den König, dieser verhärtete sich immer mehr und doch wäbnte er nach der fanatischen Lehre seiner Priester, den Verfolgten das ewige Heil zn bringen, den kleinen Kindern, die er den jammernden Ellern entriß, die Seligkeit zu gewinnen. Ein schrecklicher Bericht über dabei begangene Brutalitäten ver anlaßte ihn doch einmal, in der Provinz Saintonge em milderes Verfahren vorzuschreiben. Ein Protestant, Elie Benoit, bat die Redlichkeit gehabt, die- zu berichten, und Michelet fügt hinzu: „Dieses Zaudern macht dem König Ehre." Leider schwankte er nicht lange. Ein klerikales Pamphlet stellte ihm die Protestanten als eine bewaffnete Partei dar, die einem geheimen Oberen gehorchte, und er wurde so um geben, daß das Licht nicht zu ihm drang. Damit aber die Maintenon ibn nicht aufklären konnte, drohten ihr die Jesuiten, sie um ihre Stellung zu bringen (was hätte sie in aller Welt dann noch anfangen können?), wenn sie den König nicht zur Vernichtung der Protestanten antriebe. Sie tbat es. Unsere Landsmännin Elisabeth Charlotte sagt es ausdrücklich. Am 22. Oktober 1685 hob der König das Toleranzedict von Nantes auf, das die Protestanten rechtlos machte, und kurz nachher wurde dieMaitresse dem Könige als Gattin angetraut. Welche Gräuel nun an den besten, edelsten Untertbanen des Königs, an der protestantischen Bevölkerung Frankreichs verübt wurden, das ist zuweilen so gräßlich, daß man vor Angst und Scham nicht weiter zu lesen wagt. Die schreck lichsten Christenverfolgungen unter den heidnischen Cäsaren waren nicht so empörend abscheulich als die Hugenotten verfolgungen unter dem „allerchristlichsten" Könige Ludwig XIV. Wir sagten oben: der Löwe hat Blut geleckt, nun lechzt er nach mehr, und — Ströme von Blut und Thränen flössen nun in Frankreich. Das Bild der FontangeS wich nicht ans Ludwigs Herzen, wie sein böser Engel hatte ibn die Maitresse nach Straßburg getrieben und von den Wällen der uns geraubten deutschen Reichsstadt auS trieb sie ihn in sein eigenes Land, Opfer zu suchen und abzuschlachten, um die Stimme seines Gewissens zu ersticken, um sie als Sühn opfer für seine Sünden seinen jesuitischen Beichtvätern bin- zuwersen. Hat der Molochcultus der Semiten in Phönicien, Karthago u. s. w. jemals grausamer gewütbet? Lest nur bei Michelet und Anderen! Es sind da Dinge vorgefallen, die wir, selbst wenn wir hier Zeit hätten, unS nicht nachzuerzählen getrauen würden. Die Rache kam. „Für den Augenblick", sagt Duruy, „rief der Widerruf des Edikts von Nantes gegen Frankreich den Ausbruch eines schrecklichen Krieges hervor, der die Periode der Unglücksfälle einleitete. Die Antwort der protestantischen Mächte auf diesen Widerruf war die englische Revolution, die 1688 den katholisch gewordenen Jakob II., Ludwigs Bundesgenossen, vertrieb und den Calvinisten Wilhelm von Oranien auf den Thron erhob." Ludwigs Krieg gegen Holland war umsonst gewesen. Nun mußte freilich Deutschland wieder büßen. Hier war schon 1686 durch Wilhelm der Bund zu Augsburg geschlossen worden, um sich gegen den treu- und wort brüchigen Eroberer zu vertheidigen. König Ludwig brach auf, ehe die schwerfällige Kriegsmaschine des deutschen Reiches sich in Bewegung setzte. Durch die Mordbrennerei in der Pfalz, die sich nach Schwaben hinein erstreckte, sicherte sich der Barbar von Versailles den Besitz deS Elsasses, den von Straßburg! So lange die heutigen Franzosen uns mit dem Rache kriege drohen, muß man ihnen fort und fort wiedererzählen, wie denn dies Elsaß, dies Straßburg in ihre Hände ge- rathen war. Wenn uns ein Raubmörder auf der Straße anfällt, kann dann sein Raub jemals verjähren? Aber wir wollen einen Franzosen selbst erzählen lasten, und zwar einen, der sonst nicht verschmäht, den Glanz dieser Regierung zu schildern, Voltaire. „Der König hatte beschlossen, aus der Pfalz eine Wüste zu machen. Er hatte die Absicht, es den Feinden unmöglich zu machen, sich dort zu ernähren. Im Februar 1689 kam ein von Louvoiö unterzeichneter Befehl Ludwigs an die Armee, Alles in Asche zu legen. Die französischen Generale, die nur gehorchen konnten, ließen also im tiefsten Winter den Bürgern all dieser blühenden und so schön wieder her gestellten Städte, den Einwohnern der Dörfer, den Herren von mehr als fünfzig Schlössern zu wissen thun, daß sie ihre Wohnungen verlassen müßten und daß man diese mit Feuer und Schwert zerstören werde. Männer, Weiber, Greise und Kinder zogen m Eile aus. Ein Theil irrte auf den Feldern umher, ein anderer flüchtete sich in die Nachbarländer, während der Soldat, der über die strengen Befehle stets noch binauSgeht, aber die der Milde niemals beobachtet, ihre Heimath verwüstete und niederbrannte. Man sing mit Mannheim und Heidelberg an, dem Sitze der Kurfürsten; ihre Schlösser wurden zerstört wie die Häuser der Bürger; ihre Grabmäler wurden geöffnet durch die Habsucht des Soldaten, der darin Schätze zu finden glaubte; ihre Asche wurde zerstreut. Zum zweiten Male wurde dieses schöne Land unter Ludwig XIV. verheert; aber die Flammen, mit denen Turenne zwei Städte und zwanzig Dörfer der Pfalz niedergebrannt hatte, waren nur Funken im Vergleich mit dieser Mordbrennern. Eurcpa schauderte zusammen davor. Die Ofsiciere, die sie ausführten, schämten sich, die Werk zeuge dieser Härte zu sein. Man schob die Schuld auf den Marquis de LouvoiS, der durch die Verhärtung des Herzens, die ein langes Ministerium bewirkt, unmenschlicher geworden war. Er batte in der Thal diesen Rath gegeben; aber es hatte Ludwig frei gestanden, ihn nicht zu befolgen." Er bat cs später bereut, sagt man, aber es ist doch geschehen und die Thatsache bleibt stehen' durch solche Mordbrennereien bat sich Ludwig XIV., hat fick Frankreich den Besch des Elsasses und der freien deutschen Reichsstadt Straßburg gesichert. Ein Franzose selbst, Voltaire, hat es erzählt. Ja, Frankreich selbst! Denn wenn es Scham und Neue über diesen schanbvollen Erwerb unseres Reichslandes empfunden Kat, so war es seine Schuldigkeit, den Raub zurück zugeben. Und man begreift nicht, wie es wagen kann, von uns das zu verlangen, wozu jwir in nichts verpflichtet sind, während es daS nicht gethan hat, was ihm Pflicht und Ge wissen gebot. Wir übergeben die Demütbigungen, die Unglücksfälle, die der König noch persönlich erlebt hat. Nun aber sein Werk, dem er sein Leben aufgeopfert hat, hat cs Bestand gehabt? Er hat in seinem Lanve der katholischen Kirche die Allein herrschaft versckafft; aber er bat auch de» Glauben selbst erstickt. Die Zweifelsucht drang in die Geister und bereitete dem Atheismus die Bahn. Tann kam unter Ludwig XV. die Fäulniß, der Verfall. Zuletzt brachte ein von französischen Hugenotten abstammender Bürger Genfs, I. I. Rousseau, nach Frankreich die Lehre vom „GesellschaflSvertrag", die Ludwig XIV. schon 1688 in England hatte ins Leben treten sehen, und mit ihr die Revolution. Alles, was der König an seinen Gegnern verübt batte oder sonst hatte geschehen lassen, geschah nun von den Gegnern. Wenn ein protestantischer Geistlicher zur Zeit der Dragonnaden gehenkt werden sollte, so stellte man zu den Füßen des Schaffots Trommelschläger auf, damit sie die letzten Worte des Sterbenden übertäuben sollten: dasselbe geschah bei derHinrichlung Ludwigs XVI.! Wie die Soldaten des Königs im Pfälzer Kriege die Leichname der deutschen Fürsten und Kaiser auf die Straße geworfen batten, so wurden in der Revolution die Gebeine der Könige Frankreichs, auch die des hochmüthigen Ludwig aus ihren Gräbern gc worfen ! Man batte die Güter der Ketzer — der Protestanten — consiScirt, unter der Republik zog man die Güter der royalistischen Emigranten als Nationalgüter ein! Die absolute Monarchie des Despoten von Versailles ist durch die Republik verdrängt. Alles ist ausgeglichen zwischen dem Zwingberrn und den Unterdrückten. Es ist zwar nicht Alles schön, waS die Letzteren als Sieger gethan baden, aber es ist auch Nichts, was nicht auf der royalistifck-pfässischen Seite sein Ncbenbild fände. „Da werden Weiber zu Hyänen", sagt Schiller von den Megären der Zeit deS Convents: als ob der von Ludwig XIV. verübte Fanatismus nicht dieselben weiblichen Gräuelgestalten gezüchtet bätte! Es gab unter diesem Könige Gesetze gegen Verdächtige, es gab Denunciantcn, die ganze Schreckensherrschaft wie unter Robespierre. Alles ist aus geglichen. Warum hätte nun nicht auch das Verbrechen Ludwigs XIV. gegen Deutschland gesühnt werden sollen? Wenn die französische Republik des 4. September 1870 von wahrem Gerechtigkeitsgefühl beseelt gewesen wäre, so bätte sie noch auf dem Schlachtfelde von Sedan freiwillig Deutschland die Hand zum Frieden bieten und ibm die von Ludwig XIV. geraubten Provinzen zurückgeben müssen. Dies Leuilletsn. verrechnet. Novellette von M. Schoepp (Hamburg). Nachdruck »erbeten. Durch Zufall batten sie sich kennen gelernt. Da» heißt, eigentlich nicht durch Zufall. Denn sie wußte, daß er jeden Mittwoch den Eckütz in der kleinen Mittelloge inne batte, Behrens hieß, ein HauS und einen mutterlosen Knaben besaß. Und da sie gar nicht abgeneigt war, ein Haus zu besitzen und ihren Namen, nnter dem sie bekannter war, als ihr lieb sein konnte, mit einem andern zu vertauschen, batte sie von dem Milchmann, der auch dem mutterlosen Knaben täglich zwei Liter Milck brachte, Erkundigungen über den Wittwer ein gezogen. Er wohnte ja nicht weit, daS Kind trug immer weiße Kleidchen, und Fräulein Emilie liebte Kinder in Weißen Kleidchen über alle Maßen. Der Milchmann stellte Herrn BehrenS, den er übrigens niemals gesehen, daS beste Zeugniß auS, sagte, daß die Köchin alt, aber das Hausmädchen sehr niedlich sei, daß ihr Herr ein Comptoir mit Telephon nach der Wohnung hätte und seine Haushälterin ihn sehr gern beiratben möchte. Fräulein Emiliens Vater zog Bilanzen und machte Bücher abschlüffe in den verzweifeltsten Fällen zu seiner und seiner Auftraggeber Zufriedenheit. Unter der Hand mußte er sich nach den Verhältnissen deS interessanten Wittwer- erkundigen und die Folge war, daß eines Tages ein Mädchen gemiethet wurde, Fräulein Emilie — ihre Mutter war lange tobt und ihr Vater schätzte seine Vorzüge und Tugenden auf eine Million, unter der er sich nicht zum zweiten Mal verkaufen wollte — sich eine prachtvolle rosa Blouse bestellte und eines Mittwochs in derselben Mittelloge erschien, in der Herr Behren- seinen Mittwoch-Abonnement-platz inne hatte. Natürlich kam sie zu spät, natürlich lag ein verschämte« Lächeln auf ihrem leicht gepuderten Gesicht, als sie sich mit einem Herrn allein in dem engen Raum sah und ebenso natürlich senkte sie die Augen, al» dieser Herr sie sehr ver wundert betrachtete. Sie nahm ihren Platz ein, zupfte die weiten Aermel rureckt, strich die gelben Handschuhe, um deren Bezahlung sie schon einmal gemahnt worden, bis zum Ellen bogen glatt, schraubte lange an dem Operngla- und war endlich ganz Äug' und Ohr für die Vorgänge auf der Bühne. „Irgendwo muß ich sie einmal gesehen haben", dachte Herr BehrenS, „vielleicht hat sie mir einen Shlip- verkauft oder ist mit mir in der Pferdebahn gefahren." Daß r» im Salon gewesen sein könnte, war für ihn ausgeschlossen. Loge — belle Toilette — gar nicht daran zu denken! Er blickte schärfer zu ihr hinüber, — er schien für sie nicht zu existiren. Als der Vorhang siel, lehnte sie sich im Fauteuil zurück, gähnte hinter ihrem Programm und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die gegenüberliegenden Logen. Aber da rutschte ihr GlaS von ihrem Schooß und fiel polternd fast vor seine Füße. Er lächelte, hob e» auf und reichte es ihr. „O, dank« sehr ..." Er verbeugte sich leicht und sah inS Parket hinunter. „Wo habe ich sie nur gesehen?" Da ertönte da» Glocken zeichen, e» wurde dunkel im Theaterraum; eine Thür wurde geöffnet, Fräulein Emilie hustete leicht und sah sich un willig um. „Nehmen Sie diesen Platz, gnädiges Fräulein", sagte Herr BehrenS und wieS neben sich „Man sitzt geschützter und hat aucb besseren Ueberblick." Und Fräulein Emilie setzte sich neben ihn. „Ich kenne da» Stück", sagte sie, „eS war ein Versehen von mir. Ich hatte geglaubt, eS würde ein Premiöre gegeben. Es ist kaum der Mühe Werth, hier zu bleiben." „Sie besuchen ost das Theater?" „Was hat man denn im Winter sonst? Gesellschaften und Bälle werden nach und nach so langweilig, daß man sich wirklich nach Ruhe sehnt. Immer dieselben Menschen, dieselben Toiletten, dieselben Gespräche, immer Klatsch und Abfütterung . . . das ist dock herzlich langweilig." „Da hat sie recht. Sollte ich mich so getäuscht haben?" dachte Herr Behrens und nickte zustimmend. „Immerhin giebt eS Gesellschaften —" fügte er laut hinzu. Sie schürzte verächtlich die Lippe». „In der Kaufmann schaft?" Also doch im Salon? Aber allein in einer Loge? Er fixirte sie scharf. „Gewiß, gnädiges Fräulein. Ich schätze die Kaufmann schaft, der auch ich anzugehören die Ebre habe, höher al« alle anderen Kreise. Besuche ich Gesellschaften, mache ich möglichst wenige Ansprüche, bemühe mich aber nach Kräften, mich nicht zu langweilen. Und da« gelingt mir auch immer." „Ja", sagte Fräulein Emilie seufzend, die eS gewiß ebenso gemacht haben würde, wenn sie eingeladen worden wäre, „ja, aber wir Damen!" „Da bat sie wieder recht", dachte Herr BehrenS und nun sahen sie beide zur Bühne hin. In der zweiten Pause bat er sie, sie in« Foyer begleiten zu dürfen, und als sie das Theater verließen, hörte er zu seiner Urberraschung, daß sie gar nicht weit von ihm entfernt wobnte. Da war e« nur natürlich, daß er sie nach Hause brackte, besonders, da e« ein wundervoller Abend war und Fräulein Emilie gar keine Lust und auch kein Geld für eine Droschke besaß. Sie erzählte ihm, daß ihr Vater einst in Heringen groß war, nun aber manche Verluste erlitten batte. Daß sein Stolz ihn zurückgebalten, von den ehrenvollsten Anerbietungen Gebrauch zu machen, daß aber ihr augenblicklich zurück gezogenes Leben sie manckeS Glück erkennen macke, über das sie cm Reichlhum aleichgiltig hinweggesehen. Er fand da« sehr rührend, vergaß darüber, ihr Opernglas, daS er in der Tasche trug, ihr zurückzugeben und schied mit einer tiefen Verbeugung. „Ick werde ibn beirathen", sagte sich Fräulein Emilie, und überlegte, während sie die Treppe binaufstieg, waS sie anzicben sollte, um ihn inorgen zu empfangen. Es war dock natürlich, daß er das Glas persönlich überbrachte. Aber sie wartete vergebens in ihrem hellsten Morgenkleid; der Roman von Maupassant blieb den ganzen Vormittag auf Seite 5 t anfgescklagen, daS sanfte, erwartungsvolle Lächeln versckwank allmählich und Aerger und Enttäuschung malten sich auf ihrem Gefickt. Um 12 Uhr brackte der ComptoirLiener von BehrenS L Co. mit bester Empfehlung das bübsch verpackte Opernglas, und Fräulein Emilie war genötlsigt, ihm 50 „s zn geben, die sie für etwas ganz Anderes bestimmt batte. An diesem Tage hatte eS La« Mädchen nicht gut, und die jüngeren Geschwister ballten die Fäuste gegen die Schwester und wurden dafür hungrig zu Bett geschickt. Am nächsten Mittwoch erschien Fräulein Emilie wieder in der Mittelloge — leider vergebens. Herr Behrens war nicht da. Statt dessen saß eine stattliche Dame auf seinem Platz, die sie durch eine kunsiielige Lorgnette ununterbrochen beobachtete. Der armen Emilie wurde es beiß und kalt unter diesen kritischen Blicken, besonder- als noch eine zweite stattliche Dame hereinrauschte, die sie ebenso mit bochgezogenen Brauen verwundert betrachtete und ihr dann mit verletzender Kälte den Rücken zuwandte. Emilie sah nicktS von dem Stück, obgleich eS eine „Premiüre" war, und sann nur aus die unmöglichsten Rachegedanken. Doch war sie weit entfernt, ihre Pläne aufzugeben. Sie ging zu der Zeit, da er au- dem Comptoir kommen mußte, oft an seinem Hanse vorüber, wobei sie einmal die feste Ueberzeuzung hatte, daß er ibr nackgesehen. Sie blieb eine zweite Helle Blouse bei der Schneiderin schuldig und kaufte einen riesigen goldgelben Vogel, den sie auf einem winzigen schwarz bezogenen Drahtgestell sinnreich befestigte. Sie garnirte ihr Unterkleid
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