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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960812015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-12
- Monat1896-08
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Wir wollen ganz davon abseben, daß über die Gesinnungen de« Polenthum« gegen da« deutsche Reich nachgerade jede« Kind unterrichtet sein müßte: wir wollen einem Tbeile der CentrumSwahler diese glückliche Unwissen heit concediren, aber doch nur denen, die fernab vom Osten de« Reiches, in dem der Kampf heute erbitterter als jemals tobt, ihren Wobnsitz haben. Auf die platonische Gesinnung dieser Wähler kommt eS auch hier viel weniger an, als auf die Gesinnungsbethätigung der Wähler in Westpreußen, Posen und Oberschlesien. Gerade der zuletztgenannte Bezirk bietet ein lehrreiches Bild von dem unversöhnlichen Hasse des Klerikalismus gegen das Deutschthum. Die Bevölkerung dieser Gegend ist zum Tbeil polnischer Abstammung, aber sie ist bis vor einem halben Jahrzehnt deutsch gesinnt gewesen. Wenn seit dieser Zeit das Polenthum starke Fortschritte gemacht hat, so ist das lediglich der Agitation des katholischen Klerus zu ver danken. Nun ist diese Agitation aus einem Grunde viel mehr zu beachten, als die Wühlarbeit des Klerus in der Provinz Posen. In Posen ist Deutschthum und evan gelischer Glaube, Polenthum und KatholiciSmus fast identisch. Wenn also dort der Geistliche für Erhaltung und Ausdehnung des Polentbums aailirt, so arbeitet er gleichzeitig für seine Confession. Zn Oberschlesien aber ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung katholischer Con session. Auch unter der rein deutschen Bevölkerung ist der KatholiciSmus so überaus stark vertreten, daß die Gleich stellung deutsch-evangelisch und katholisch-polnisch ein Unsinn wäre. Thatsacbe ist ferner, daß sich die polnische Agitation am meisten in sicheren Centrumswahlkreisen hervorgewagt hat und daß sie sich in vielen Fällen direct gegen das Centrum gerichtet hat. Hier bandelt eS sich also nicht um eine Förderung des KatholiciSmus, sondern um eine Förde rung des PolenthumS. Und warum wird das Polenthum gefördert? Weil es als ein Keil benutzt werden soll, derben festen Bau des einigen deutschen Reiches sprengen soll. Mit anderen Worten: Die polnische Agitation deS Klerus in Oberschlesien ist ein unumstößlicher Beweis für die Todtfeind- schaft des Klerikalismus gegen daS deutsche Reich. Warum diese Todfeindschaft? Nicht, weil das deutsche Kaiserhaus evangelisch ist, nicht, weil die überwiegende Mehr heit der deutschen Bevölkerung evangelisch ist. Die Todt- feindschaft des Klerikalismus gegen ein einiges deutsches Reich datirt ja auS einer Zeit, in der eS eine evangelische Confession noch gar nicht Hab- Sie besteht, weil mit dem Deutschthum Bildung, Aufklärung und Freimutb untrennbar verbunden sind. Diese gefährlichen Feinde des Klerikalismus aber wirken um so intensiver, je fester das deutsche Volk in sich ge schlossen ist, denn nur ein in einem mächtigen Reiche geeintes Volk kann Culturträger sein. Die deutsche Cultur- niission und die klerikale Mission fassen sich Beide als Weltmissionen auf; beide sind unversöhnliche Gegner; deshalb muß der Klerikalismus die deutsche Mission durch Sprengung der Einheit des Reiches zu zer stören suchen; dazu erscheint ibm das Polenthum ebenso wie der Particnlarismus als ein geeigneter Hebel.* *) Und das Centrum? Es erkennt so gut wie wir die Ziele des Klerikalismus. Wir wollen nicht bestreiten, daß cs in der Centrumspartei Männer giebt, denen diese Ziele widerstreben. Aber sie müssen sich gerade jetzt den Geboten deS Klerikalismus fügen, weil er allein die durch wirthschaft- liche und politische Gegensätze unterwühlte Partei zusammen- * Zn der klerikalen „Oberschl. Volksstimme" hat eben jetzt ein Geistlicher unumwunden folgendes Geständniß abgelegt: ,.Hat erst der Klerus sich daS Volk durch Germanisation entfremdet, so ist er ein Generalstab ohne Soldaten; seine Macht ist gebrochen, und der Triumph der Freimaurer ist fertig. Was der offene Culturkampf nicht vermochte, Hal dann das Gift des heimlich schleichenden vollbracht. Der Klerus ist nicht mehr der gefürchtete Feind, sondern eine Null." Red. d. „Leipz. Tagebl." Mittwoch den hält. Vielleicht verschließt sich mancher Centrumsmann nicht der Gefahr, daß dieses Band, das beute die Partei zusammenhält, dermaleinst die Partei ersticken lassen könnte. Tenn wie es Hunderttausend« socialdemokratisch wählender Staatsbürger giebt, die niemals die letzten Ziele der Bebel und Singer verwirklichen helfen würden, so giebt es, deß sind wir gewiß, Hunderttausende von CentrumS- wäblern, die vor den letzten Zielen des Klerikalismus zurück schrecken. Und darum ist es unS ein Trost, daß die nicht der Förderung des KatholiciSmus, sondern der Zerstörung des Deutschthumö geweihte Agitation der oberschlesiscken Geistlichkeit in katholischen Kreisen aufklärend über die Ziele des Klerikalismus wirken muß. Ein weiterer Trost ist eS, daß die polnische Agitation des KleruS anseuernd auf das deutsche Nationalgefühl wirkt. Es giebt Kreise in Deutschland, die nicht auS Mangel an Nationalgefühl, sondern aus einer gewissen byperidealistischen Auffassung von Völkerverbrüderung, auS Sympathie für „Unterdrückte" und dergleichen, früher für die Polen ein gewisses Wohlwollen besaßen und deshalb bei dem ersten Alarmschuß, der im Jahre 1885 zum Schutz der deutschen Dämme gegen die Polenflutb abgefeuert wurde, nicht millhun mochten; in diesen Kreisen Hal sich ein er freulicher Wandel, zunächst der Meinung, vollzogen. Möge die neue Gesinnung bei Wahlen und im täglichen Leben durch mannhafte Thalen bekräftigt werden! Deutsches Reich. * Berlin, I I. August. Die „Nat.-Lib. Corr." schreibt: „Das Maß der behördlichen Bevormundung, welches die Organisationsvorlage dem Handwerk zugedacht bat, festzustellen, ist nicht ganz leicht. Die bezüglichen Be stimmungen sind über den ganzen Entwurf mit feinen 130 Paragraphen und Artikeln vcrtheilt. Schon der Umstand, daß nicht weniger al« 50 von diesen Paragraphen und Artikeln ganz oder theilioeise der Sicherung leS Einfl.'ffs des Bundesrathes, der LandeScentral-Behörde, der böberen Verwaltungsbehörden, der unteren Verwaltungsbehörden, besonderer Staatscommiffare und der Gemeindebehörden gewidmet sind, läßt erkennen, daß die künftigen Organe des Handwerks von einer behördlichen „Fürsorge" um geben sein werden, wie sie in diesem Umsange in den Organisationsbestimmungen anderer Berufe, so bei den Handelskammern und den preußischen Landwirth- schaftSkammern, nicht zu finden ist. „Von der Wiege bis zum Grabe" werben Innungen, Handwerksausschüsse und Handwerkskammern von behördlicher Bevormundung begleitet sein. Niemand wird etwas dagegen einzuwenden haben, daß die geplanten „Organe der Selbstverwaltung des Hand werks" — wie sich die Motive etwas euphemistisch ausdrücken — gleich allen anderen Organen der Selbst verwaltung der Aufsicht der zuständigen Staatsbehörden unterstellt werden, aber den Verfassern dieses Entwurfs scheint die Aufsicht die Hauptsache gewesen zu sein. Wenn in der Begründung die Nothwendigkeit „einer weitergehenden Mitwirkung der Behörden" mit Hinweisen auf die Aus bildungsschwierigkeiten, „den Mangel an Initiative", sowie „einer unzureichenden Gewandtheit und Sicherheit in der Be handlung der geschäftlichen Formen" bei den Handwerkern dargethan werden will, so muß man, mit einem Seitenblick auf die Organisation der Landwirthschaft in Preußen, bei deren Einrichtung dergleichen Rücksichten für überflüssig galten, doch fragen, woher die „Behörden" die Zuversicht leiten, den Handwerkern die in den Motiven vermißten Eigenschaften einimpfen und die dort erwähnten Fehler abgewöbnen zu können. Die Innungen sind nach dem Entwurf der Aufsicht der unteren Verwaltungsbehörde unterstellt, welche „ins besondere" die Befolgung der gesetzlichen und statutarischen Vorschriften überwacht. Diese Bestimmung entspricht im All gemeinen dem jetzigen H 104 drrGewerbe-Ordnung. Da« Wort „insbesondere" ist indessen neu und dürfte ohne genauere Aus legung eine Quelle von Unzuträglichkeiten zwischen Aufsichts behörde und Innung werden. Neben dieser allgemeinen Be stimmung laufen aber so viele Einzelbestimmungrn her, welche der höheren Verwaltungsbehörde und der LandeS-Central- behördr Eingriffe in das Leben der Innung gestatten, daß daS Institut der „Polizeiaufsicht" in den Schallen gestellt erscheint. Noch ausgedehnter ist die Ueberwachung bei dem Handwerk«- 12. August 1896. auSsckmsse. Der „Commissar", den die Aufsichtsbehörde^ bei dem Ausschüsse zu bestellen hat, ist kurz gesagt der — Com- mandeur dieses Organs. Genau so ist es bei dem „Com missar", den die Handwerkskammer erhält. Um ja nichts zu übersehen, enthält der Entwurf dann noch „gemein same Bestimmungen" für Innung, HandwerkSausscbuß und Handwerkskammern, welche die Befugnisse dieser Körperschaften noch weiter einschränken, sowie Bestim mungen, die die Mitwirkung der Behörden speciell bei ter Regelung des Lehrlingswesens und der Gesellenprüfung sichern sollen. Wenn irgend elwas geeignet ist, den Hand werkern, und gerade den besseren Elementen unter ihnen, die geplante Organisation zu verleiden, so ist es diese Häufung der Vorschriften über die „Mitwirkung der Behörden". Die Be gründung des Entwurfes beruft sich zur Rechtfertigung derselben auch auf die in Oesterreich gemachten Erfahrungen. Ueberall da, wo die ZwangSgenossenschaflen des Kleingewerbes in Oesterreich erfreuliche und anerkennenswerthe Erfolge aufzuweisen hätten, sei dies nicht am letzten Ente der „dauernden Anregung und unmittelbaren Mitwirkung der staatlichen und städtischen Behörden" zu verdanken. Um den Wcrkh dieser Beobach tung bemessen zu können, müßte man Genaueres darüber kennen lernen. Wir sind ter Meinung, daß es deni deutschen Handwerk keineswegs zur Ebre gereicht, wenn man es turch- weg mit dem österreichischen auf eine Stufe stellt und das Maß der notbwendigen behördlichen Bevormundung nach dem in tschechischen oder polnischen Landestheilen Oesterreichs üblichen bemißt." * Berlin, 11. August. Zn einer öffentlichen Buch druckerversammlung sprach sich vorgestern der Leiter der Berliner Buchtruckerorganisation, Gehilfe Massini, in bemerkenSwerther Weise über die Taktik und die Erfolge der einzelnen Gewerkschaften bei Lohnkämpfen aus. Nicht allein im Buchdruckgewerbe, so führte der Redner nach der „Post" aus, sondern auch unter den verwandle» Berufen und selbst in den der Angelegenheit ganz fern stehenden Gewerk schaften habe sich Opposition gegen die letzthin mit der Principalität getroffenen Vereinbarungen gellend gemacht. Von allen Seiten habe man die Buchdrucker geschmäht und als „Harmonieduseler" verschrien, während doch gerade bi« jetzt die Buchdrucker den einzig richtigen Weg beschütten, auf dem sich dauernde Erfolge erringen ließen. Welch ge ringer Werth den Augenblickserfolgen beigemessen werten könne, lasse sich aus der diesjährigen Lohnbewegung anderer Gewerkschaften unschwer erkennen. Zn den Ver sammlungen würben so oft „Siege" der Arbeiter proclamirt, und der „Vorwärts" drucke die« natürlich nach. Doch was seien das für Siege! Den Zimmerern sei es, als die Gewerbe-Ausstellung im Bau begriffen, geglückt, ihren Lohn bis auf eine Mark pro Stunde zu erhöben; jetzt, wo die günstige Conjunclur wieder vorüber sei, müßten dieselben Arbeiter zufrieden sein, zu ihrem allen, niedrigen Lohnsatz arbeiten zu können. Von den großen Errungenschaften deS Maurer st reiks habe man gleichfalls viel im „Vor wärts" lesen können. An der Hand des letzten Gewerk- schaftSausschußberichtS sei jedoch nachzuweisen, daß in der günstigsten Zeit nur etwa 4000 Maurer neun Stunden beschäftigt gewesen seien. Danach müßten noch gegen 20 000 zur Hochsaison in Berlin beschäftigte Maurer zehn und mehr Stunden tbätig gewesen sein. Wer hier von großen Siegen spreche, jage einem Phantom nach und leite die Arbeiter auf einen unrichtigen We^» Aber auch diese minimalen Erfolge seien nicht stabil. Schon jetzt be klagten sich die Maurer über daS rigorose Vorgehen der Znnungsmeister, die die Arbeitszeit nach der Saison wieder verlängern wollten. Tie Maler wären froh gewesen, wenn sie ihre errungenen Lohnpositionen mit den Principalen auf ein Jahr hätten festlegen können. Die Niederlagen der Hutarbeiter und der Clavierarbeiter suche man im „Vorwärts" zu beschönigen; man verschwende alle mög lichen Redensarten, um über solche Fatalitäten hinwegzu kommen. Gerade diese beiden Streik« hätten gezeigt, mit welcher Leichtherzigkeit Arbeitseinstellungen in Scene gesetzt würden. Fast aller Mittel bar, ziehe man in den Kampf; man verlasse sich auf die Solidarität anderer Berufe, anstatt die eigene Organisation vermittels höherer Beiträge leistungsfähig zu machen. Ter Streik der Hut macher sei von vornherein aussichtslos gewesen; denn schon in der ersten Woche sei einer der Leiter der Bewegung 9V. Jahrgang. zn den Fabrikanten gelaufen und habe erklärt, daß die Hutmacher den Streik bereuten und 100 an die Armen zahlen wollten, wenn die Arbeiter wieder auf ihren alten Plätzen eingestellt würden. DaS nenne man dann „ziel bewußte moderne Arbeiterbewegung!" Die Leiter der Buchdrucker-Organisation würden ihre Berufs genossen niemals in so leichtfertiger Weise in den Kampf führen, sondern stets versuchen, auf friedlichem Wege weiter zu kommen. Nur in Fallen der Notb werde man zu ernsteren Mitteln greifen. Resumire man das Facit der Lohnbewegungen anderer Gewerkschaften und vergleiche damit die Erfolge der Buchdrucker, so könne man darüber nicht zweifelhaft sein, wo mehr erreicht sei. Eine halbe Stunde Verkürzung der Arbeitszeit und 50 Lobnzuscklag pro Wocke sei zwar für den Einzelnen nickt viel, aber diese Vortheile kämen 25 000 Mitgliedern der Organisation zu Gute. Mit Scheinsiegen könne man dem Arbeiter nichts nützen. Damit werbe ibm nur Sckaden zugefügt. (-) Berlin, 11. August. (Telegramm.) Nach einem am Sonntag Abend beim commandirenden Admiral ein getroffenen Telegramm des Admirals Tirpitz ist Sr. Maj. Kanonenboot „Fitis" aus der Reise nach dem Süden bei aufkommendem stürmischen Ostwind und unsichtigem Welter des Abends längs der Küste von Shantung gegangen und plötzlich festgekommen. Der Cbef der Kreuzerdivision nimmt an, daß der Commandant wahrscheinlich Strom versetzung und Abtrift unterschätzt habe, mit voller Sicherheit habe sich dies indessen nicht feststellen lassen. 6. II. Berlin,! 1. August. (Privattelegramm.) Das Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 und das 2. Garde-Tragoner-Regiment werden mit der Bahn am 1. September nach Breslau befördert. Der Kaiser und die Kaiserin von RnszlanS werden di: Regimenter persönlich vorführen. (Wiederholt.) 8. Berlin, 11. August. (PrivattelegramnG Tie „Nat.-Ztg." schreibt: Aus einer Meldung, daß Gouverneur v. Wistmaiin einen Landbesitz kaufe» will, wird wieder einmal der Schluß gezogen, er habe die Absicht, seinen Posten auf zugeben. Eine solche Absicht bat er, wie unS berichtet wird, an zuständiger Stelle nicht kundgegeben. ö. Berlin, 1l. August. (Privattelegramm.) Ter Ausschluß der anarchistischen Trlcgirtcn vom internationalen Londoner Loeialistencongretz bildete das Thema einer am Montag slattgebablen, von Anarchisten einberufenen öffent lichen Versammlung. Die heftigen Angriffe der beiden Delegirten Landauer und Pawlowitsch auf die social demokratischen Führer wurden von den zahlreich Er schienenen mit Beifall begleitet. Zn der Diöcnssion hatten sich Socialdemokraten nicht zum Worte gemeldet. Zum Schluß entspann sich noch eine lebhafte Debatte über die Frage, ob der anarchistische Gedanke mit der Abhaltung von Con- gressen vereinbart werden könnte. Während mehrere Dis- cussionSredner den „Congreßunfug" verpönten, vertheidigte Landauer die Absendung der Delegirten nach London. Er führte nach der „Nat.-Ztg." aus: „Wir waren verpflichtet, der Arbeiterschaft zu zeigen, wie weit die Intoleranz der selbstherrlichen deutschen Socialdemokratie gegenüber anderen Richtungen des Socialismus gehen kann. Wir haben die Marx'sche Sorte an den Pranger gestellt, und diese Temon- stration bat einen großen agitatorischen Werth für die Anarchie." — Aus Ruhrort, 9. August, schreibt man der „Köln. Zig": „Erst nachträglich wird hier bekannt, daß während der Festsahrt auf depi Schiff das Mißgeschick sich ereignete, daß ein Tisck umstürzte und der Kaiserin aus die Füße fiel. Die Schmerzen, welche die bobe Frau empfand, waren anfänglich nicht gering, und eine Zeit lang schien eS zweifelhaft, ob eS ihr mög lich sein würde, den weitern anstrengenden Rundgang des Programms durchzuführen. Ihre Willensstärke und Pflicht treue trugen aber den Sieg davon; wenn sie schon mehrere Male ihr lebhaftes Bedauern darüber geäußert batte, daß es dem Kaiser nicht vergönnt gewesen sei, den Patriotismus der niederrbeinischen Bewobuer kennen zu lernen, so wollte sie sichtlick selbst keine Anstrengungen scheuen, nm die durch das Fernbleiben ihre« Gemahls getrübte Festfreude wieder herzustellen. Ferrill-tsrr. Die Frau im Spiegel der Frau. Culturbilder aus aller Herren Länder. VIII. Frauenleben in Teutsch-Oftafrika. Bon Frieda Freiin vonBülow. » Nachdruck ««rboten. Zn den ehemals unter arabischer, jetzt unter deutscher Herrschaft siebenden Küstenstädten unserer ostafrikanischen Tropencolonic findet sich ein buntes Gemisch von Nationalitäten und Bölkerstämmen zusammen. Wenn ich jetzt von den ostafrikanischen Frauen erzäble, so sehe ich von einzelnen kleinen Zweigen anderswo heimischer Stämme ab und halte mich an die drei wichtigsten Gruppen der farbigen Bevölkerung: Araber, Inder und Suaheli-Neger. Bon diesen wieder sind die Suaheli allein Reichsangehörige und verdienen als solche in erster Linie Beachtung. Die mohamedanischen Araber sperren bekanntlich ihre Frauen ab. Gebt die Araberin einmal aus die Straße, so ist sie maskirt und verschleiert. AIS mich einst ein paar vor nehme Araberinnen besuchten, mußte das Hotel, in dem ich wohnte, zuvor von männlichen Europäern gesäubert werden. Trotz dieser Vorkehrung legten die Damen zwar ihre Schube ab, nicht aber die Masken. Neuerdings scheinen sick indessen einzelne Araberinnen durch den Verkehr mit den Deutschen von den strengen Sitten, ihre« Volkes emancipirt zu haben. Ich sah z. B. die Gattin deS zum Islam überaetretenen Herrn Curt Toeppen und ihre in Tanga wohnende Schwester mehrfach mit unverdecktem Angesicht mitten unter Männern. Auch die Inder, die theilS Mohamedaner, theilS Kub anbetende Banianen, theilS Buddhisten sind, halten ihre Weiber eifersüchtig bewacht, wenn auch bei weitem weniger streng als die Araber. Die Inder, die nach Ostafrika herüberkommen, um reich zu werden, lieben e», ihre Frauen und Kinder mit Seiden stoffen und Gold- und Silberschmuck zu beladen. Die Inderinnen sind meist schmächtige Geschöpschen mit blaßgelben schmalen Gesichtern und großen dunklen, lang bewimperten umschatteten Augen. Sir sehen fast immer sanft, rrgebungS- vvll und schwermüthig auS, sitzen zuiammengekauert in den böhleoartigen VerkausSbäusera der Gatten und sind still. Selbst bei ihren festlichen Umzügen, wo ihr Putz an Bunt heit und Ueberladenbeit daS Äeußerste leistet, habe ich sie niemals lärmen hören. Ihre Männer freilich desto mehr. Die eigentlich Einheimischen unserer ganzen Küste also sind die Suaheli-Neger. Sie gehören gewiß, wenn auch nicht zu den intelligentesten, doch zu den gutartigsten, fröhlichsten und liebenSwurdigsteo unter den afrikanischen Negerstämmen. Desgleichen ist di« Suaheli-Negerin gutmütbig, vergnügt, zierlich, oft von überraschender Anmuth. Die schwarze oder braune Haut ist wie polirt und sammetwrich, Schultern und Arme oft tadellos geformt. Einer der großen Herren au« Dar-eS-Salaam erzählte mir einmal mit Enthusiasmus von der Schönbeit einer Negerin Zch sagte: „Zawobl, man ver gißt zuweilen wirklich die schwarze Farbe." Darauf der Enthusiast: „Aber die schwarze Farbe ist ja noch eine Schön heit mehr!" Da« specifisch „Weibliche" ist bei der Suaheli - Negerin besonder« ausgeprägt. Sie bat etwa« Weiche«, Kindliche«, sanft Einschmeichelndes und ist sich ihrer Reize bewußt. In ihrer Art, sich zu kleiden, die Kleidung zu tragen, sich zu be wegen, zu gehen «., zeigt sie viel angeborene Koketterie. Höchst anmutbig fand ich vor allem die Stimme der Negerin und ihre Modulation. Ihr Gruß, ihre Anrede tönt so lieb und melodisch, daß es unmöglich scheint, der so Redenden nicht gut zu sein. Der Suaheli-Neger kauft oder miethet sich eine Gattin auf Zeit. Er ist dann stolz auf seine Errungenschaft, wie auf ein Werthobject und behandelt sie wohl meist gut, wir er ja überhaupt sehr gutmütbig ist. Aber so zwanglos, wie sie geschloffen, wird die Ehe auch wieder getrennt. Ich batte mir einen Nahosa (Eapitain) für meine Dhau (arabische« Segelboot) von dem eine Tagereise entfernten Pangani kommen lassen, einen stämmigen Burschen mit drollig pfiffiger und doch auch treuherziger Miene und sicherem Auftreten. Dieser Seemann klagte mir eine« Tage«, seine in Pangani zurückgelassene Frau habe ihm durch einen brsreundeteu Schiffer folgende Botschaft zugehrn lassen: „Ich, Deine Frau, bin allein. Wenn Du an meinem Orte bist, Hut, so habe ich einen Mann. Treibst Du aber Dein Geschäft an einem anderen Ort, wa« bleibt mir? Darum, wenn Du nicht zurückkehrst, werde ich einen anderen Mann nehmen." Der Nabosa schien betrübt und ungehalten. Ich bot ibm an, seine Frau hierherkommen zu lasten. Allein mein Vor schlag fand keinen Anklang. „Wozu soll sie Herkommen, Bibi, wenn sie sich doch einen anderen Mann nehmen will?" „Ach so! Du möchtest Wohl auch eine neue Frau nehmen?" Er erstrahlte. „Ja, Bibi!" (Bibi: Herrin.) „Wie viel Geld hast Du dazu nötbig?" „Fünfundzwanzig Rupien" (etwa 30 Mark). „Da soll ich Dir Wohl Vorschuß geben?" „Za, Bibi." Ich gab ihm das Geld, und er hat e« redlich von seinen Monat-löbnen abbezahlt. Auch war er von da an stet« zufrieden. Dieser kleine Vorfall zeigt, daß die Ebe- leute, auch wenn sie örtlich bereit« auseinander sind, ebe sie sich al« frei ansehen, einander eine förmliche Abkündigung zugehen lasten. Stirbt der Negerin ei« Kind, so heult und schreit sie mehrere Stunden lang, daß man e« straßenweit vernimmt. Ich körte daS Schmerzgeheul mit Entsetzen und glaubte, ein Weib werde irgendwo auf« Blut mißhandelt, bi« ich die Ursache erfuhr. Steht der männlich« Neger schon auf einer sehr niedrigen Culturstnfe, so ist die« bei der Frau natürlich noch mehr der Fall. Tie Weiber bereiten die Mahlzeit, kalten daS Haus sauber und besorgen die Kinder. Die Mahlzeit besteht au- gekochtem Rei« und gerösteten Fischen, bei Feinschmeckern kommt nock eine Art Sauce dazu. Unser Brod vertritt ein fester Brei au« irgend einem gestampften Korn, der „Ugali" beißt.
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