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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.08.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960818023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-18
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Gröbere Schriften laut unserem Preis- vrrzrichniß. Tabellarischer und Zissernsap nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörverung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännatsmelchluk für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag- 10 Uhr, Margen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eiu« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verla» von E. Volz in Leivsig Dienstag den 18. August 1896. 90. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. August. Die innere politische Lage erörtert die „Nat.-Lib. Corr." beute folgendermaßen: „Die Umstände, unter denen sick der Rücktritt des Kriegsministers Bronsart von Sckellendorff vollzogen hat führen der allgemeinen Beunruhigung über die bestehenden abnormen Regierungsverbältnisse aufs Neue Nahrung zu. Manches in der Borgeschichte dieses Ereignisses ist noch ungeklärt; aber so viel darf mit Bestimmtheit angenommen werden: ein verantwortlicher Rathgeber der Krone, dessen Beruf zur Leitung seines Amtes nirgends angezweiselt war, hat sich zum Weichen gezwungen gesehen, weil unverantwortliche Berather Entscheidungen erwirkten, die er nickt gutbeißen durfte. Daß die Geltendmachung der nicht greifbaren Ein flüsse in diesen Fällen eine — im Militaircabinet — orga- nisirte gewesen ist, konnte einem seiner Verantwortung bewußten Minister das Beiseitegeschobenwerden selbst verständlich nickt erträglicher gestalten und kann eben sowenig das Bedauern des Landes darüber mindern, daß an der Spitze des Berwaltungszweiges, für den es sich die größten Opfer auferlegt, ein Mann, eben weil er ein Manu ist, sich nicht zu halten vermag. Die Verant wortung des Kriegsministers kann au Schwere nur noch mit der Les Leiters der auswärtigen Politik verglichen werden. Wenn sich in anderen Ressorts Fehler gut machen, Versäum nisse nachhoien lassen, ohne daß durch sie vorher der Lebens nerv des Staates bedroht worden wäre, so können Mißgriffe der Kricgsvcrwaltnng sich an einem Tage auf das Furcht barste an dem ganzen Lande rächen. Solche erkennen und sie auf die Gefahr hin, die etwaigen Folgen verantworten zu müssen, geschehen lassen, das geht über die Kräfte eines selbst bewußten Staatsdieners. Wenn cs wahr ist, und in unter richteten Kreisen zweifelt man nicht daran, daß ein Wechsel in der Person des obersten Commandirenden an dem cxponirtesleu Punct des Reiches gegen den Rath des KriegSnnnisters er folgt ist, so kann man sich nicht über den Rücktritt des Herrn v. Bronsart, sondern höchstens darüber wundern, daß sich ein Nachfolger für ihn gefunden bat." Soweit die „Nat.-Lib. Corr." Auch eine Correspondenz für Centrums- blätter weist auf die unverantwortliche» Einflüsse hin und bemerkt: „Da es unmöglich auf die Dauer weiter gehen kann, daß verantwortliche und unverantwort liche Nalhgeber sich um das Obr des Monarchen streiten, so kann man im Interesse der Monarchie nur wüuschen, baß endlich einmal die Unverantwortlichen ans Ruder kommen. Man wird dann ja sehen u. s. w." — Wir möchten bezweifeln, ob es dem Centrum mit dem Unwillen über den ungeordneten Gang der Staats maschine so ernst ist, wie die wiedergegcbene Auslassung glauben machen will. Es ist bei der bisherigen politischen Wirtbschasl gut gefahren, Hal Aussicht, von ihrer Fortdauer zu prositiren, und ist nicht so beschaffen, daß man glauben darf, es könne das Heil des Ganzen über sein eigenes Wohlbefinden setzen. Wie dem aber sei, die Forderung, daß die Unverant wortlichen Verantwortliche würden, läßt sich zum Tbeil er füllen — zum Theil auch nicht — damit wäre aber nichts geholfen, denn ihre Plätze würden alsbald von Anderen ein genommen werden, wenn folgende Annahme der „Kreuzztg." richtig ist: „Wir halten es für möglich, daß Se. Majestät sich zum Kriegs munster einen jüngeren, durch eine bedeutsame Vergangenheit Feuilleton. Sühne. 5> Roman von E. Halden. Nachdruck verboten. Albrecht von Wildburg batte daS zweiunddreißigste Lebens jahr überschritten, und der Ernst und die Gemessenheit seines Auftretens ließen ibn älter erscheinen. Die dunkeln Augen blickten fest und durchdringend, zuweilen, in Momenten äußerster Erregung, flammte ein Feuer in ihnen auf, das verrictb, daß sich kinter der ruhigen Außenseite eine leiden schaftliche Gluth verbarg. Die hohe, freie Stirn, die edel geschnittene Nase, der energische Mund, de: von Entschlossen heit und Willensstärke sprach, vereinten sich, ihn zu einer interessanten Erscheinung zu macken, die überall die Blicke auf sich lenkte. Er war hoch und schlank gewachsen, die tiefe Blässe seines Gesichts wurde durch daS dunkle Haar noch mehr bervorgeboben, seine Oberlippe bedeckte ein kleiner Schnurrbart, seine Hände waren von tadelloser Schönheit, sein ganzes Wesen trug das Gepräge der Vornehmheit. Er wollte sich der diplomatischen Laufbahn widmen, war jetzt noch als Hilfsarbeiter im Ministerium des Aeußeren be schäftigt, und galt für einen sehr fähigen Kopf, der bereits die Aufmerksamkeit deö Ministers auf sich gezogen und dem man eine glänzende Carriöre prophezeite. Auch als Gesell schafter war er gern gesehen, er bewegte sich in den ersten Kreisen, war stets von äußerster Einfachdeit, aber muster hafter Eleganz in seinem Auftreten, unterließ nie eine Aus gabe, die der Anstand erforderte, und wußte doch damit eine strenge, sich auf alle Einzelheiten de« Lebens erstreckende Sparsamkeit zu verbinden. Nachdem die beiden Vettern der Gräfin Feldberg, die im vordersten Saale zum Empfange der Gäste mit ihrem Gemahl bereit stank, ihre Huldigung dargebracht, forschten sie beide nach der jungen Dame, die ihre Gedanken so sehr in Anspruch nahm. Sie brauchten nicht lange zu suchen. Fräulein von DettelSback stand in der Mitte de« Raumes, der vor dem großen Tanzsaale lag, uud war von einem dichten Hcrrenkreise nmringt. Sie war von strahlender Schönheit, Las zierliche Köpfchen mit der Fülle blonder Locken trug sie stolz und anmulhig zugleich auf dem mit einer Perlenschnur nicht so getragenen Osficier ausgesucht hat, der vielleicht dar»! geeigneter ist, etwaige Reibungen zu vermeiden, aiS L> in vielen hohen Positionen etwas härteren Stoffes gewordene Genera , von Bronsart " Aus dem Diplomatischen in rückhaltloses Deutsch übersetzt, heißt das: als Nalhgeber der Krone werden heul zu Tage Männer, welche im vollen Bewußtsein der Verantwortlichkeit ihre Ansichten mit pflichlmäßiger Festigkeit vertreten, durch eben diese nvthwendige Eigenschaft eines wirklichen Ministers unmöglich; die in einer „bedeutsamen Vergangenheit" und in „vielen hohen Positionen erworbene Erfahrung" wird weniger geschätzt, als die negative Eigenschaft, aus weicherem Stoff zu sein. Die Annahme der „Kreuzztg." läuft also auf das Eingeständniß hinaus, der gegenwärtige Ausland sei nicht dadurch bervorgerusen, daß Unberufene sich an den Monarchen drängten — diese Erscheinung wird unter jedem Herrscher beobachtet —, sondern durch die Neigung zu einem persönlichen Regieren, von dem im modernen Cullurslaal der Einfluß unverantwortlicher Rathgeber nicht zu trennen ist. Angesichts der üblen Ersanrungcn, die Geistlichkeit und Negierung in Bayern mit den Ncöcmptoristru in der kurzen, seil deren Nückberufung verflossenen Zeit gemacht haben, verlohnt es sich, an die Begründung zu erinnern, mit der die bayerische Regierung vor zwei Bahren die Wieterzn- lassung des Ordens beim Bundesrath durchgesetzt Hal. Sie war sehr fadenscheinig. Ihr stärkster Punci war die Be rufung auf ein sogenanntes Gutachten des großen Theo logen Döllinger. Das angebliche Gutachten war aber kein solches. Die bayerische Negierung, die dem Cenlrum zu einem Erfolg verhelfen wollte, halte Döllinger gedrängt, sich über die Nicklverwandtschafl von Jesuiten und Necempto risten zu äußern. Der damals neunzigjährige Gelehrte ließ sich aber, wie Prof. Beyschlag in Halle bezeugen tonnte, widerstrebend einige Sätze abringen, kein Gutachten, sondern eine „flüchtige Auskunft". Und die Quintessenz dieser Aus kunft besagte im Wesentlichen, daß nach der Proclaniirung des Unsehlbarkeitsdogmas zwischen allen Orden in Bezug aus Staatsgefährlichkeit überhaupt keine großen Unterschiede mehr zu machen seien. Die bayerische Regierung fand heraus, daß mit dieser Bescheidung sich nichts zu Gunsten der Redemptoristen ausrichten lasse. Sie ging Döllinger nochmals um ein wirtliches Gutachten an, dieser aber starb bald darauf. Nun wurde für die Münckene, Staatsmänner die flüchtige Meinungskundgebung des Ver storbenen, die sie bisher selbst für ungenügend erachtet halten, auf einmal ein autoritatives Gutachten, mit dem sie im Bundcsrath Staat machen zu können glaubten und, da die Geneigtheit, sich dem UltramonlanismuS liebreich zu erweisen, hier gleichfalls vorherrschte, auch wirtlich machten. Beyschlag hielt nicht mit dem Ausdruck seiner Ueberzeugung zurück, daß der Bundesralh ebenso wenig wie die bayerische Negierung den wahren Werth des „Gutachtens" erkaunt und die Zulassung der Nedemplonslen eben nur aus politischen Giünden beschlossen habe. Seine Ansichten über die Verwandtschaft von Jesuiten und Redemptoristen Halle Döllinger in einem unter seinem Namen erschienenen Werke niedergelegt, das der baye rischen Negierung natürlich nicht unbekannt geblieben war. Er hält die innere Gleichartigkeit der beiden Orden für eine so vollständige, daß Beyschlag auf Grund dieses wirklichen wissenschaftlichen Gutachtens sagen durste, der Bundesrath habe mit dem Beschlüsse von 1894 — Zurück ¬ geschmückten Halse, der in einen unvergleichlich schönen Nacken von blendender Weiße überging; das vollendete Eben maß ihrer Gestalt ließ sie kleiner erscheinen, aber sie über ragte die meisten der andern Damen, die volle Büste, die biegsame, elegante Taille, der kleine Fuß, dessen Schönheit berühmt war, die wundervoll geformten Arne und Hände, Alles vereinte sich mit dem Adel und der Grazie ihrer Haltung, um sie zu einer vollendeten Schönheit zu machen. Man halte sie oft mit der Königin Marie Antoinette ver glichen, nur fand man sie schöner, ihre Züge regelmäßiger, einige störende Einzelheiten, die man bei der Fürstin über sehen mußte, fehlten hier. Den Arzt hätte vielleicht manches, was den unbefangenen Beobachter entzückt, für sie besorgt gemacht, gerade die Schönheit und der jähe Wechsel der Farben, der ihr so viel Reiz verlieh, der strahlende Glanz des Auges, das biänliche Weiß der Perlenzähne, die sich bei ihrem Lackeln zeigten, waren verrätherische Zeichen einer leicht gefährdeten Constitution. Melanie von Dettelsbach sprühte wie gewöhnlich von Geist und Leben, sie sprach viel und schnell, und >hr silber helles Lachen ertönte oft aus dem munteren Gespräch, in das die ganze Gruppe verwickelt war. Sie vertheidigte ihre Tanzkarte gegen die auf sie eindringenden Herren und be hauptete, daß sie sich vorgenommen, dieselbe bis zu einer bestimmten Minute Niemand auszuliefern. Jetzt trat Erwin an sie heran und richtete die schon so ost ausgesprochene Bitte an sie, die ihm erfüllt wurde. Ein allgemeiner Protest erhob sich; der Eine klagte über Ungerechtigkeit, der Andere über schlechte Behandlung, ein Dritter über zu willkürliche Bevorzugung. Melanie lachte sie Alle aus. „Wer im rechten Augenblick erscheint, erringt stets den Preis", behauptete sie und nickte Gewährung, als Erwin für sich Polonaise und Colillon erbat. Dann behielt sie sich einen Tanz vor, den sie bereits versprochen, und überließ es nun mit gleichmü Higer Miene den Herren, sich um die andern Nummern zu einigen. Ihr Auge schweifte über sie fort, nach jener Ecke des Gemach«, wo Albrecht von Wilburg vor einigen älteren Damen stand und sich deren Gunst durch die Theilnabme errang, die er ihrem Befinden zollte. Die Klänge des Orchesters riefen die Gesellschaft in den Tanzsaal, und die Paare traten zur Polonaise an. Melanie war eine leidenschaftliche Tänzerin, sie gönnte sich kaum einen Moment der Erholung, fast ununterbrochen vertauschte sie den Arm eine« Tänzer« gegen den eine« andern und flog eisung des Reickstagsbeschlnsses auf Aushebung des Jesuilen- ictzes und Zulassung der Redemptoristen — die Raben vom rutschen Garten ferngehallen und die Krähen dafür hincingesctzt. Es war vorauszuseben, daß es der französischen Negie rung vor dem Nusfentaumel bange werden würde, der sich noch immer nicht in burlesken Vorschlägen für die Ehrung des russischen Kaisers erschöpfen kann, und daß sie sich beeilt, een Rnssenentbnsiiasmus mit einem kalten Wasserstrahl etwas abzuküoten. Der vssiciöse „Temps" schreibt nämlich: „Man muß die Regierung dazn begiückwünichen, daß sie sich die Wahl der zu veranstalienden Feste vorbehallen Hai, da dies das einzige Miitel ist, de» Uuzukömmlia.keilen einer etwas tumultuarischen Jn.tialive vorzubeugen, die sich schon zu zeigen begann und deren Folgen vielleicht nicht durchweg durch ikren Geschmack und ibren Charakter unsere Gäste entzückt halten. Gewiß könnte Paris sich darüber beklagen, wenn die Re gierung die Absicht hätte, Alles bei Seite zu jchieen,waS keinen osfieiellen Charakter hat; allem Niemand hegt so dustere Pläne. Rian will sich nur das Recht uud das Miitel Vorbehalten, die überaus zahlreichen Projecte durchznsieben. einige Ordnung und Methode in die eiwas fieberhafte Arbeit der Pläne-Cuiwerfer zu bringen. Tie Regierung weiß sehr wohl, daß Paris, wenn man etwas Schönes und Großes veransialien will, sich im Handeln srei suhlen muh. Cs sragt sich nur, in welchem Rahmen diere Action sich entwickeln wird, und Las will die Regierung ruhig prüft» und in voller Sach- kenlilniß entscheiden. Wir wären überraichl, we n die öffentliche Meiliuug nicht mit uns der Ansicht wäre, daß es besser ist, nicht zuviel confuse Ideen anzuregen, um jo den Schein von Unentschlossenheit, von Widersprüchen, von Dementis zu ver meiden, die man sich selbst gäbe. Welches anch die endgiltig angenommenen Projecle jein mögen, so dürft» sie nicht den Anschein haben, als wären sie auf den Ruinen der anderen vernichteten Projecte erbaut. Taz» gehört Tack und Zurückhaltung. In solchen Dingen versiebt man bei uns die Andeutungen. Ter Enthusiasmus in allen Parteien der Bevölkerung, die Eintracht zwischen Männern aller Parieien, um nur an Frankreich zu denken, und endlich eine Leitung: sind das nicht alle Elemente des Cr- iolges sür einen Empsang, der alle übrigen Reijeeindrücke des Kaisers von Rußland verwischen soll? Geben wir noch das liebenswürt ge und elegante Genie von Paris dazu, das nie mit mehr Eifer daran gearbeitet haben wird, Wunder zu schaffe»; man kann Lessen versichert sein, daß das Rftultat Frank reichs und auch der Gäste Frankreichs würdig sein wirb." Wer liest aus diesen Mahnungen nicht enien Wink der russischen Botschaft in Paris heraus, mit der man sich in ter Befürchtung eins weiß, der Ueberschwang der Begeiste rung könne den russischen Majestäten lästig werden? Nikolaus II. hat — wenn er sich seit seiner Thronbesteigung nicht sehr geändert — sür gesellschaftliche Verpflichtungen wenig Vor liebe. In England, wo er fick während seiner Ver lobung aushielt,' blieb er allen Empfängen möglichst fern und machte kein Hehl daraus, daß ihn die beständigen Vorstellungen im Grunde langweilten; er würde fick taber ohne Zweifel sür eine zweite Auflage der nervenzer rüttenden Bankette, wie sie den russischen Osficieren in Toulon und Paris zu Tbeil geworden, herzlich bedanken. Der „Figaro", der Anfangs Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, bat neuerdings gleichfalls Worte ter Mäßigung für dre Fest heißsporne. „Als gute Franzosen" — so schreibt er — „wollen wir die allzu großen Festprojecle, die allzu ver wickelten Schaugepränge, die allzu ermüdenden Kundgebungen, die allzu glühenden Worte vermeiden und uns zum Ausdruck unserer Gefühle auf seinere Huldigungen und weniger ge räuschvolle Bezeugungen verlegen." Wir fürchten indessen, daß das „liebenswürdige und elegante Genie von Paris" wie ein schöner, glänzender Schmetterling durch den weiten Raum. Sie war, wie immer, die Königin des Festes, aber es machte ihr heute nicht dasselbe Vergnügen wie sonst, und das heitere Lächeln, das um ihre Lippen schwebte, balle etwas Erzwungenes. Ihre Mutier lehnte müde und matt in den Polstern eines Divans, und in einer Tanzpause trat Melanie zu ihr und blickte besorgt und theilnehmend in die bleichen Mienen und die glanzlosen Augen der armen Frau, für dre eine solche Ballnacht eine unsägliche Anstrengung war. „Wie gebt es Dir? Wirst Du es aushalten, Mama?" fragte sie besorgt. Die Geheimrätbin lächelte müde. „Aeugstige Dick nicht, mein Liebling, ich ertrage cs schon, und ich freue mich, wenn ich Dich so schön und glücklich sehe." Melanie wandte sich ab, um den bitter» Zug zu ver bergen, der aus ihr Antlitz trat. Die Antwort der Mutter klang ihr wie Holm, und doch freute sie sich, daß diese nickt ahnte, wie es in ihrem Innern aussab. Wozu ihr, die schon so viel zu tragen batte, noch ein Leid verralhen, das ihr glücklicherweise verborgen geblieben war?! Als sie sich langsam entfernte, kam sie an dem Assessor von Wildburg vorüber, der sich tief vor ihr verneigte. Sie blieb stehen und blickte ihn vorwurfsvoll an. „Warum meiden Sie mich?" flüsterte sie. „Ich habe den ganzen Abend auf Sie gewartet." „Weil ich in Ihrem Sinn zu handeln glaubte, gnädiges Fräulein", sagte er ruhig. „Kennen Sie den so wenig? Wissen Sie nicht, wozu mich mein Sinn treibt?" „Es hat mir nicht an Aufklärung gefehlt", sagte Albrecht eisig. Sie zuckte zusammen. „Nicht an der rechten, die darf Ihnen nur von mir werden", erwiderte sie fast demütbig. „Ich habe Ihnen einen Tanz aufgehoben, obwohl Sie ihn nickt begehrten. Jetzt kommt er an die Reihe. Nehmen Sie mich in Ibren Arm und lassen Sie uns einmal wieder die ganze Welt vergessen." Er verneigte sich, reichte ihr den Arm und stellte sich unter die tanzenden Paare. Aber wie er mit dem schönen Mädchen dahin flog, wie sie sich dicht an ibn schmiegte, ihr Athem seine Wange streifte, ihr wogender Busen an seiner Brust ruhte, er in ihre von Glück und Liebe strahlenden Augen blickte, da unterlag er wieder dem Zauber, schließlich dock mit dem sehr unliebenswürdigen und sehr uneleganten CbauviuismnS durchgehen wird. Sicher wcrLcn die französischen Monarchisten es sich nickt nehmen lasse!!, aus ter Anwesenheit des Lmpereur in Paris Capital siir ihre Sache zu schlagen. Ja, ruft der „Pctii Caporal" aus, es wird endlich erlaubt sein, den Kaiser dochleben zu lassen .... Und der Kaiser wirb in seinem Grabe fragen: Welchem Kaiser jubelt mein Volk zu? Und inan wird ihm aniworten: „Sire, es ist der Freund Frankreichs... Cs ist der Solm des erlauchten Vaters, der Jliren Neffen Viclor Napoleon so wohlwollend empfing und den Prinzen Ludwig Napo leon an die Spitze eines seiner Cavallerieregimenter gestellt hat. Cs ist der Kaiser aller Reußen." ... In den vordersten Reihen Derer, die ihm znjubeln werden, wird man die Imperialisten Frankreichs finken. Möge die neue Generation, die sich in dem Rufe: „Vive l'Lmpereur!" noch nicht hat üben können, herbei- sirömen und von uns lernen, wie nian ihn ausstößt." Ucbrigenö 'st es noch sehr die Frage, ob die Begeisterung bei dem Empfange des Kaisers von Rußland in Paris eine gar so allgemeine sein wird, ob nicht namentlich seitens der Cocialisten mancher Mißklaug droht. Schließt doch einer der Führer der Soci.alisten, Jaurüs, in der „Pellte Nöpubliguc" seinen sehr heftigen Artikel über den Besuch des Kaisers von Rußland mit den Worten: „Schmach den Proletariern, wenn sie Nikolaus II. begrüßten! Das müssen sie den Resjöguier und Trarieux über lassen und,dem republikanischen Fiankceich, der socialislijchen Welt zeigen, Laß sie anaesichis des Autokraten, Les Hüters der Capitalisle"- vrdnung, Republikaner und Socialisten geblieben sind." Auch verlautet, daß die svcialistische Majorität des Pariser Ge m e i u d e ra t k s event. die für den Empfang des Zaren verlangten 200 000 Francs verweigern könne. Wenn in den letzten Tagen wiederholt von einem Ab- sckwenken Rußlands in ter Orienlfrage zuungunsten Lcstcrrcich-Ungarus, L. b. von einem Sonderverständniß zwischen Rußland, Frankreich und England die Rede gewesen ist, so geht man, ganz abgesehen von, dem ofsiciöscn D.ineuti der „Rat.-Zkg.", gewiß nicht fehl, Lies für einen in Kreta ausgelassenen Versuchsballon zu «halten. Zumal wenn hinzugesetzt wird, Rußland werde für Armenien, England sür Kreta und Frankreich sür Syrien, nachdem diesen die Autonomie verbürgt sei, die Sckutzherrschafl übernehmen, so sieht man zn deutlich die Macke der krciensischen Exal- datos, die nm jeden Preis von der Türkei loskommen wollen und einen Druck auf Griechenland für angebracht halten, das noch immer Bedenken trägt, zuzugreifen; man will die griechische Regierung durch die Drohung mit einem englischen Prädominium auf Kreta zum Handeln zwingen. Wir glauben vergeblich; denn auf der angebeutelen Grundlage wird sicherlich nie eine Verständigung zwischen Rußland und England zu Stande kommen. Rußland wird nur, wenn es sich von England dazu gezwungen sieht, im gegenwärtigen Augenblick seine Hand auf Armenien legen, da es seinen aus den Osten gerichteten ZukunftSplänen entgegen ist, sich jetzt im Orient zu stark zu engagiren. Es wird um Armeniens willen den Engländern sicherlich nicht skrcla überlassen, uud England wird schwerlich um de» Preis von Kreta Konstantinopel an Rußland auslicsern. Ohnedies müßte eine derartige Verständigung über den Kopf der Dreibnn dmächte hinweg geschehen, sie würde speciell eine schwere Schädigung der österrcickisch-unga rischen Interessen im Orient bedeuten und könnte in Wien nickt anders als eine Kriegserklärung aufgefaßl werden. Schon aus diesem Grunde wird man sich in Pelers- gegen den er so bart gekämpft, Groll und Zorn verschwanden, er füblte nur, daß er sie grenzenlos liebte. Melanie wies jede Bitte um eine Extratour zurück, aber mit ihm tanzte sie immer wieder, sobald sie neuen Athem ge wonnen. DaS schöne Paar zog alle Blicke auf sich, man flüsterte fick bewundernde und medisante Bemerkungen zu. Es war ja nickt verborgen geblieben, wie sebr der Assessor das schöne Mädchen verehrte, und sie hatte ihn unter allen ibren Verehrern ausgezeichnet. „Wie schön sie aussehen und wie gut sie zu einander passen!" sagte die Gräfin Bohlen zu ihrer Freundin, der Baronin Rellenstett. „Uud wie wenig sie sich genieren! Wenn ich der Bräutigam wäre, so würde mich diese Schaustellung wenig erbauen!" flüsterte diese zurück. „Glauben Sie wirklich, daß Fräulein von Tcttclsb'ck verlobt ist?" „Kein Zweifel, der Lieutenant von Wildburg liegt fest in ikren Banden, und daS ist ein Glück, meine Liebe. Es wirt die höchste Zeit für sie, daß sie sich etablirt. Denken Sic, es ist ihre vierte Saison! Wie selten kommt cs vor, daß sich ein Mädchen so lange als Ballkönigin behauptet." „Ich wundere mich auch, daß sie nicht schon längst ver- heiratbel ist", meinte die ein wenig beschränkte, aber gut- inüthiie Baronin, „an Courmachern hat es Melanie von Dellelsbach nie gefehlt." „Wie Sie sich Ihre kindliche Unschuld bewabrt baben, meine Liebe!" spottete die Gräfin. „Courmacher und Bewerber, welch ein Unterschied! Wie manches Mädchen, die jene nach Dutzenden zählt, bleibt aus Mangel an einem von diesen sitzen. Und in der Gcfabr schwebte auch die schöne Dettels bach! Denken Sie, was der Mann für Muth haben muß, der sich an die wagt. Die Verhältnisse sollen fürchterlich sein! Schulden, nichts als Schulden! Es ist zu bewundern, wie sie sich von einem Jahre zum andern behaupten! Und dabei mit solchen Ansprüchen erzogen! Sehen Sie ihre Toilette an. Süperbe, aber ick> möchte sie nicht bezahlen, und ibr Vater wird eS auch nicht mögen und nickt können! Schließlich müssen wir es noch bezahlen, denn was Schneider und Modistin bei solchen Kunden verlieren, das bringen sie wieder ein, indem sie soliden Zahlern Alles dreifach rechnen. So ist einmal der Lauf der Welt, der Eine muß für den Andern leiden, liebe Baronin." i Die beiden Damen seufzten tief, dann fuhr di« Gräfin
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