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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960902024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896090202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896090202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-02
- Monat1896-09
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Reklamen unter dem Redaction-strich («ge spalten) bO/H, vor den Familiennachrichteu (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzelchniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. lkhtra-Beilagen (gefalzt), nur mit de, Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Margen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr Lei Len Filialen und Annahmestellen je »in« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets au die Expedition zu richten. —-o—c—— Druck und Verla; von E. Bolz in Leipzig Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. September. Der gestern mitgetheilten Denkschrift, die der preußische Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten über die zur Förderung der Landwirthschaft in den letzten Jalnen in Preußen ergriffenen Maßnahmen verfaßt und im Ein vernehmen mit seinen College» dem Kaiser unter breitet hat, darf insofern eine actuclle Bedeutung für das ganze Reich beigemessen werden, als sie ohne Zweifel den Abschluß der nun bereits in das vierte Jahr sich hinziehenden Auseinandersetzung zwischen preußi scher Regierung und Agrardemagogie bilden soll und ein solcher Abschluß seine Wirkungen auch außerhalb Preußens fühlbar machen muß. Begonnen haben jene Auseinander setzungen mit der Begründung des Bundes der Landwirthe unter dem Regime des Grasen Caprivi angesichts der ein geleiteten Aera der Handelsverträge, die zeitlich zusammen fallen mit außergewöhnlich reichen Erntejahren und einem seither andauernden Tiefstand der Getreidepreise. Die Regie rung im Reiche und die Regierungen in den Einzelstaaten waren von vornherein nicht im Zweifel darüber, daß die allgemeine Lage der Landwirthschaft als eine un günstige anzusehen sei. Die gewaltige Entwickelung der Verkehrsmittel in aller Welt, das Ueberbrücken so weiter Entfernungen, wie zwischen dem argentinischen, indischen :c. Productionsgebiet und dem deutschen Markte, hatte den deutschen Landwirthen eine Concurrenz auf den Hals gebracht, mit der sie bei den deutschen Lohnverbältnissen, Steuerlasten und sonstigen Productionsbedingungen kaum gleichen Schritt halten konnten. In derselben Zeit eines von Außen her entstehenden harten Druckes mußte, was vielfach wieder nur mit geborgten Mitteln geschehen konnte, mancherlei Neuerung und Verbesserung im Betriebe durchgeführt werden, denn die landwirthschaftliche Technik nimmt einen außer ordentlich raschen Fortschritt. Auch dabei kamen wieder ansehnliche Theile der Landwirthschaft in Bedrängniß; und alle diese drückenden Wirkungen wurden nun durch den Rückgang der Getreidepreise, also durch die Verminderung deS wich tigsten TheileS der Bruttoeinnahme, verstärkt. Eine Staats regierung müßte mit Blindheit geschlagen oder in eine extrem manchesterliche Auffassung verrannt sein, wenn sie derartigen Entwicklungsvechältnissen gegenüber unthätig hätte verharren wollen. Weder die Reichsregiernng, noch irgend eine in Betracht kommende Einzelregierung hat sich den Pflichten entschlagen wollen, die von dieser Seite her für die fürsorgliche StaatSthätigkeit sich ergaben. Die Denk schrift, welche jetzt im Einzelnen nochmals darstellt, wie in Preußen und im Reiche jenen Pflichten der Fürsorge ent sprochen wurde, findet hoffentlich eine Ergänzung durch ähnliche Darlegungen, namentlich der süddeutschen Regierungen, die in der Zwischenzeit nichts weniger als müßig geblieben sind. Alsdann überblickt man eine zusammenhängende Folge von Maßnahmen der Gesetz gebung und der staatlichen Verwaltung, so daß in der Tbat die Vorwürfe der Agrardemagogie, als fehle eS den Regie rungen nur am guten Willen zur Abhilfe des Noth- standes, in ihrer Frivolität nirgends mehr verkannt werden können, wo eben die Fähigkeit zur Erkenntniß nackter Thatsachcn noch sich erhalten bat. — Die preußische Denk schrift bietet in materieller Hinsicht in der Thal nicht eben Neues. Der dermalige Landwirthschafls - Minister Freiherr v. Hammerstein-Loxten, hatte schon Anfangs 1895, als er sich dem Abgeordnetenbause zum ersten Male vorstellte, nach ähnlicher Methode entwickelt, wie es sich darum handle. auf jedem nur irgend möglichen Wege die Landwirthschaft zu fördern, damit sie ihre Roherträge steigern und ihre Be triebskosten verbilligen könne; er hatte auch damals bereits die Steuerreform in Preußen und dieSteigerung des staatlichen Aufwandes für Meliorationen, Vermehrung der Verkehrs mittel, Förderung der Genossenschaften, Rcgulirung der Wasserläufe u. s. w., mit angezogen. Die Denkschrift beleuchtet nun in sachgemäßer Weise, wie weit in alledem die Hilfs maßnahmen entwickelt sind; sie hätte hinzufügen können, daß nach anderer Seite hin (Erbrecht, Verschuldungs grenze u. s. w), die Meinungen in den bctheiligten Kreisen so weit auseinandergehen, daß den Anregungen gewisser Agrarpolitiker aus dem Katheder und sonst in der Wissenschaft eine Folge nicht gegeben werden kann. Darüber bat die noch unter dem vorigen Landwirlhschaslsminister veranstaltete Conferenz jeden Zweifel gehoben. WaS endlich die von der Agrardemagogie verlangten „großen Mittel" betrifft, so spricht die Denkschrift eine unzweideutige Sprache. Schon nach den vorjährigen Verhandlungen des Staatsrathes in Preußen konnte füglich jeder ernsthafte Politiker nur mit der unumstößlichen Thatsache rechnen, daß so gewaltsame Maß nahmen, die auf dem Gebiete der modernen Erwerbswirth- schaft, wie unserer auswärtigen Beziehungen gleichermaßen revolutionär wirken müßten, schlechterdings aussichtslos sind. Jeder aufrichtige Freund der Landwirthschaft, der praktisch helfen will, wird in der Denkschrift die Bestätigung dieser Ueberzeugung finden. Ja, man darf sagen, sie ist nun für den Hohenzollernstaat traditionell geworden. Der Landwirlh, den nach Förderung seiner Interessen verlangt, wird am besten beratben sein, wenn er auch politisch für die Folge sein Verhalten hiernach einrichtet. Ob cs den Agrardema gogen überhaupt darum zu thun ist, auf praktische Wege zu gelangen, und ob sie demgemäß in ihrem Verhalten über haupt einen Wandel für angezeigt erachten, ist eine andere Frage, die zu beantworten Niemand in der Lage ist, als die Agrardemagogen selbst. Aus den Geheimnissen socialdemokrattscher Geschäfts betriebe ist nach und nach schon so manches in die Oeffent- lichkeit durchgesickert, was darthut, daß den arbeiterfreund lichen Theorien der Socialdemokratie zum Trotz der Arbeiter sowohl in Bezug auf Arbeitslohn und Arbeitszeit, als auf angemessene Behandlung nirgends schlimmere Er fahrungen macht, als wenn ihn sein Unstern Beschäftigung in einem von „Genossen" geleiteten Betriebe finden läßt. So ist es in Deutschland, so in anderen Ländern. Wenn man sich die unzählige Male von der socialdemokratischen Parteipresse aufgestellte Behauptung vergegenwärtigt, wonach die socialdemokratisch organisirten Arbeiter-Cooperativgenossen- schaflen Musterbetriebe seien, in denen die Arbeiter als „Brüder" behandelt würden, so wirft auf diese Behauptung das, was wir in dem Parteiorgan der holländischen Socialdemokratie, dem „Recht voor Allen", über die Zustände in der Cooperativgenossenschaft „Vooruit" zu Gent mit- getheilt finden, ein sehr eigenartiges Licht. In den Näb- werkstätten des „Vooruit", schreibt das genannte Blatt, hat man dasselbe Schwitzsystein eingeführt, welches den Haupt anstoß zu dem vorjährigen großen Streik in der metallurgischen Industrie gab. Die vom „Recht vor Allen" zur Unterstützung seiner Behauptung mitgetheilten Einzelheiten sind so präciser Natur, daß an ihrer tatsächlichen Wahrheit ein Zweifel nicht wohl bestehen kann. Dem Kenner der socialdemokratischen Partei interna wird ja mit derartigen „Enthüllungen" kaum eine Ueber- raschung bereitet, er weiß auch ohnehin, daß für die Parteileiter der Satz gilt: Thut nach meinen Worten, aber nicht nach meinen Werken. Immerhin erscheint eS nicht überflüsng, angesichts der lugendbasten Entrüstung, mit der die social demokratische Hetzpresse so gern über angebliche „Ausbeutung" der Arbeiter durch das „kapitalistische Unternehmerlhum" loszieht, wahrheitsgemäß darauf hinzuwcisen, daß die„Geuossen" wohl den Splitter im Auge des Nächsten, nicht aber den Balken im eigenen Auge sehen. Daß der Tod des Fürsten Loba noff in Frankreich nicht nur einen tiefen, sonder» auch einen schmerzlichen Ein druck gemacht hat, kann man dem „Figaro" aufs Wort glauben, aber mit Recht darf man bezweifeln, daß ganz Frankreich, wie der „Figaro" glauben machen will, erwartet habe, der Fürst, der am 15. September in Paris erwartet wurde, werde bis zur Ankunft des Zaren aus dem platonischen Freundschaftsverhältniß zwischen Frankreich und Rußland ein festes VertragSverhällniß schaffen, das nur noch der Sauctionirung deS Zaren bedürfe und Frankreich dem Ziele seiner heißesten Wünsche nahe bringe. Zu so über schwänglichen Hoffnungen hat Fürst Lobanoff den Franzosen keine» Anlaß gegeben. Die Vernünftigen unter ihnen be trauern daher seinen Tod nur, weil er in ihnen die Be fürchtung erweckt, er könne die Neisedispositionen des Zaren beeinflussen. In diesem Sinne wird der „Köln. Ztg." aus Paris geschrieben: „Fürs! Lobanoff war den Franzosen im Ganzen und Großen eine unbekannte Persönlichkeit. Als correcter Diploinat hat er sich nie in den Vordergrund gedrängt, und sonst verfolgte er nicht etwa die auffälligen Wege des hochgestellten Lebemannes, sondern die des zurückgezogenen Gelehrten, der sich ohne seine Bibliothek nicht denken kann. Bei seiner Ernennung wußten die Franzosen daher anfäng- lich nicht, ob sie sich darüber freuen sollten; Loch trösteten sie sich mit der Betrachtung, daß er niemals in Berlin Botschafter gewesen, also auch nicht, gleich dem Grasen Schn- waloff, deutschen Einflüssen unterstehen könne. Unterdessen haben sie äußerlich wenigstens nicht gerad« Ursache gehabt, mit ihm unzufrieden zu sein, wenn auch die Denkenden unter den Franzosen sich sagen müssen, daß, wenn Frankreich für Rußland in der chinesischen Frage durch Dick und Dünn gegangen, es selbst weder in der egyptischen noch in andern Fragen von der freundschaftlichen Hand Lobanoss's etwa- gemerkt hat. Im ersten Augenblick erzeugt daher die Nachricht von feinem Tode nur die Frage nach der Wirkrng, die er aus die Reise des Zaren haben könne. Man urtheilt nicht mit Unrecht, daß, wenn der Zar auch nur eine Spur von Aberglauben besäße, ihn »ach der Katastrophe in Moskau der Verlust seines ersten Rathgebers unmittelbar vor den schwerwiegenden Besuchen Deutschlands und Frankreichs mit einem geheimen Grauen erfüllen müsse. Auch ist es wohl kein Geheimniß, daß der junge Herrscher die französisch-russische Politik, wenn er sie nicht vorgefuuden, nie zu der seinigen gemacht hätte, da die seltsame Verkettung von persönlichen und sachlichen Umständen, dir seinen Vater zum Bundes genossen einer ihm an sich verhaßten Republik machten, bei ihm vollständig fehlten. Wenn der Zar daher den Tod Lobanoss's zum Vorwande benützte, die Reise vorläufig aufzu schieben, so würde Las die Franzosen zwar kränken, aber keineswegs in Erstaunen setzen können. Als NachsolgerLobanoss's dächten sie sich am liebsten den Herrn v. Mohrenheini, weil er auf den Bund gleichsam geaicht ist. Indessen würde dieser Diplomat niemals alS Minister des Aeußern das Vertrauen des Auslandes, welches dieser Posten er heischt, in ausreichendem Maße besitzen. Die Eandidatur des Lon doner Botschafters, des Herrn von Staal, hat gleichfalls wenig Aussicht, jedenfalls noch weniger als im vorigen Jahre, weil die Gründe, die er damals gegen die Uebernabme geltend machte, sein verhältnißmäßig hohes Älter und die Ungewohnheit der anstrengenden Bureauarbeit, heute keineswegs an Beweiskraft verloren haben. Jedenfalls wird es sehr schwierig sein, für den Fürsten einen Nach- folger zu finden, der gleich ihm ausgebrcitete politische Erfahrung, seinen Ton und strenge Arbeitskraft vereinigte und dazu noch ei» x-runck seixveur wäre." Für Deutschland ist die Schwierigkeit, einen geeigneten Nachfolger für den Fürsten Lobanoff zu finden, deshalb von Wichtigkeit, weil auS ihr die Wahrscheinlichkeit resultirt, daß die Entscheidung nicht vor der Begegnung des Zaren mit Kaiser Wilhelm in Breslau erfolgt. Diese Begegnung liegt daher den Diplomaten an der Seine wahrscheinlich noch schwerer ans der Seele, als der Tod des Fürsten selbst. Jedenfalls wartet des Fürsten Hohenlohe in Breslau eine der bedeutsamsten Aufgaben, die seit seiner Ernennung zum deutschen Reichskanzler an ihn herangetreten sind. In der letzten Zeit sind unumstößliche Beweise dafür er bracht worden, daß der (songostaat in vollen: Einverständ nisse mit England seinen Sudan-Feldzug gegen den Mahdi aufgenommen hat. Dazu kommen immer neue Mel dungen von einem weiteren Nachschübe von Menschen und Material aus Belgien. Mit den: am 6. September von Ant werpen abgehenden Dampfer „Eduard Bohlen" sendet der Congostaat wieder 20 Leute ab, darunter 15 Officiere, Militair- beamle und Aerzte; hinzurechnen kann man auch zwei Schiffs zimmerleute, welche die Flotille auf dem Congo im Stande halten sollen. Nicht ohne Zusammenhang damit dürfte es sein, daß der Bau der Congo-Eisenbahn jetzt mit größtem Eifer betrieben wird; gegenwärtig sind 5500 Arbeiter dabei beschäftigt, und die Herstellung der ganzen Linie macht solche Fortschritte, daß es nicht für unwahrscheinlich gilt, die Locomotive werde bereits in zwei Jahren am Stanley-Pool eintreffen. Die Franzosen nehmen neuerdings regen Anthcil an diesem Bahnbau; sie haben sich an dem Feste in Tumba am 20. Juli zur Betriebseröffnung für die erste Hälfte von 189 lcm eingefunden. Außerdem hat Frankreich schon Unter handlungen mit der Congoregierung eingeleitel, um die Bahn zu angemessenen Preisen für den Transport seines Materials nach dem oberen Congo zu benutzen. Damit würde schon eine Rentabilität der Linie in Aussicht stehen. Deutsches Reich. Berlin, 1. September. Die Vorbereitung zum All gemeinen Dclegirtentag der nationalliberalen Partei, welcher am 3., 4. und 5. October in Berlin statt findet, ist mit dem gestrigen Tage insofern zu einem Abschluß gediehen, als die für die Einreichung von Anträgen gesetzte Frist abgelaufen ist. Dem „Ausschuß zur Vorbereitung des Delegirtcnlages" liegen nunmehr folgende Anträge vor: 1) und 2) Anträge Marburg (Lahn), betreffend Fort führung der socialpolitischcn Gesetzgebung und Neichs- tagswahlrecht, 3) Antrag Dortmund, betreffend Stellung z» wirthschaftlichen Fragen, Organisalion der Partei, Preßorgan derselben, 4) Antrag Hannover, betr. Stellung der Partei gegenüber der Negierung wie zu den anderen Parteien, Stellung zu wirthschaftlichen Fragen, Finanzwirth- schaft, Vcreinsrecht, Militairgerichlsbarkeit, 5) Antrag Alzey, betr. Steuersysteme in den Einzelstaaten, Neichs- finanzresorm, Kunstweinfabrikation, Erwerbsverbältnisse des Bauernstandes, L) Antrag Breslau, betr. Empfehlung an die Parteigenossen, eventuell außerhalb des Parteiverbandes das Zustandekommen eines Nationaldenkmals für Moltke nach allen Kräften zu fördern. * Berlin, 1. September. Mit dem Schiedsspruch des Gewerbegerichts in Sachen der Herrenkonfektion beschäftigte sich gestern Abend bei Gründel, Brunnenstraße, eine Versammlung der Consectio ns arbeit er. Schneider Timm befürwortete die Ablehnung des Schiedsspruchs mit FeuiHetsn» Sühne. 18j Roman von E. Halden. Nachdruck verboten. „WaS hast Du nur, liebe Melanie?" fragte Erna zärtlich und küßte ihr diese Zähren fort. „NicktS", antwortete die Baronin —, „und doch, mich bewegten so schwere Gedanken. Welche Mutter bangt nicht einmal für die Zukunft ihrer Kinder? O, Erna, Dir hat das Leben bisher manche Prüfung geboten, aber glaube mir, cs wird auch noch reich au Glück für Dich sein. Versprich mir, daß Du meine armen Kleinen immer lieben und für sie sorgen willst." „Rebe nicht so traurig", bat Erna, „Ihr Beide seid die treuesten Eltern, und so lange sie Euch haben, bedürfen sie meiner nicht. Aber daS weißt Du, daß Eure Kinder mir lieb und theuer sind, und daß ich nie anders für sie fühlen könnte." „ , „Dn wirst sie auch nicht vergessen, wenn Du m neuen Banden so vieles kennen lernst, was Dir näher und lieber sein muß", drang Melanie in sie. Erna erröthete, aber sie erwiderte: „Mein Wort wird mir immer heilig sein, und mir ist, als hätte ich einen mütterlichen Antheil an Deinen Kindern. Du hast ihn mir ja stets gegönnt, und ich bin Dir dankbar dafür gewesen. Doch warum sprichst Du so seltsam, liebe Melanie? Ist Dir nicht wohl? Du flehst so bleich auS und Deine Hände brennen." „Mir fehlt nichts", wehrte sich Melanie gegen ihre Be- sorgniß, „aber eine dunkle Ahnung überfiel mich, die mir znsiüsterte, daß meine Kinder mehr als jede Anderen der Liebe und deS Schutzes bedürfen würden. Denke an den Fluch, der auf dem Erben von Wildburg ruht", fügte sie schaudernd hinzu. „Wieder kiese thöricbte Einbildung!" schalt Erna sanft. „WaS würde Albrecht sagen, wenn er davon erführe? Aber diese quälenden Gedanken rühren von Deinem Befinden her. Du mußt Dich niederlegen. Man sieht Dir an, wie abgespannt Deine Nerven sinv. Ich werde Dich zu Bett brinarn." Li« klingelte und üb«rgab Frau Brandt dir Kinder. Melanie lies; mit sich schalten wie ein willenloses Kind. Als sie im Bette lag, dessen vergoldeter Baldachin mit seinen schweren Seidenbraperien sich in fürstlicher Pracht über ibr wölbte, bat sie nur leise: „Setze Dick zu mir und laß mir Deine Hand". Erna willfahrte ihr, und in tiefster Er schöpfung des Körpers und der Seele lag Melanie mit weit geöffneten Augen da und wagte sie nicht zu schließen, so schwer ibr auch die Lider herabsanken; es lauerten zu gräßliche Bilder auf sie, die beim Anblick von Erna's reinen Zügen wie böse Spukgcstalten zurückwichen. Endlich übermannte sie die Müdigkeit, und auf den Zehen schlich Erna hinaus. Aber Melanie genoß die Wohlthat des Schlafes nicht lange, dann fuhr sie mit einem gellenden Schrei in die Höhe und starrte entsetzt nm sich. Sie hatte einen Menschen gesehen, der mit der Waffe in der Hand heranschlich und ihre Kinder bedrohte, und sie wußte, daß cs ein Mörder war. Er stand noch jetzt vor ihr und trug Albrecht s Züge, und schaudernd vergrub sie sich in die Kissen und erwartete den Todesstoß. Der Laut seiner Stimme, die ihren Namen rief, brachte sie wieder zu sich; aber als er ihr die Hand reichte und sie zärtlich damit liebkosen wollte, starrte sie auf die weiße Manschette, die unter seinem Aermel hervorsab, und rief: „Tu mußt sie fortthun, eS sind Blutflecke daran!" Er erbleichte und taumelte zurück. Nun begriff sie alles und stammelte: „Verzeih, ich hatte einen bösen Traum", aber ihr Auge wandte sich scheu von ihm und sie zog die Decke wie schützend über sich. Im nächsten Moment hatte sie sich emporgerichtet, sie schlang die Arme um seinen Hals, und sie blickte ihn an mit einer unbegrenzten Hingabe des liebenden WeibeS. Er breitete seine Arme aus und zog sie fest an seine Brust. Beide wußten, eS gab nichts, waS zwischen ihnen stehen und sie trennen konnte. Fünfzehntes Capitel. Melanie ging still und gefaßt ihren Weg. Die furcht bare Erschütterung der ersten Mittheilung war überwunden, und mit einer Seelenstärke, die man unter ihrem zarten Aeußern kaum gesucht hätte, verschloß sie ibr Leid und ihren Schmerz in sich. Herr von Stadler begegnete ihr mit scheinbarer Un» besangcnheit; eS schien ibn sebr zu freuen, daß sie ihre Kälte und Unnahbarkeit ihm gegenüber verloren, aber er vermied jeden Mißbrauch der Gewalt, die er über sie erlangt batte. Dennoch empfand Melanie jede Minute diese furchtbare Ab hängigkeit von ihm. Sie war nicht im Geringsten darüber im Zweifel, daß er sie seine Macht fühlen lassen würde und suchte ängstlich seine Forderungen zu crrathen und sie in: Voraus zu erfüllen. So entschloß sie sich zur Entfernung der alten Kinder frau, auf deren Bleiben sie sonst so energisch bestanden hatte. Erna war aufs Höchste überrascht. der Freiherr billigte eS, und Frau Brandt selbst widerstrebte den Vor stellungen der Baronin nickt, die plötzlich fand, daß sie rube- hedürftig sei und ihr Posten doch zu große Anforderungen an sie erhöbe. Die alte Frau würde sich sonst gegen diese Annahme gesträubt haben, aber die Möglichkeit, dem Manne, den sie mit Sicherheit für ihren Sohn hielt und der sie so frech verleugnete, zu begegnen, regte sie auf und ängstigte sie fort während. Ihr war am woblsten, wenn sie durch ihre Ent fernung nicht mehr so schwerer Kränkung ausgesetzt war, und so willigte sie ein, sich von den ihr so lieben Pfleg lingen zu trennen. Auf Wildburg halte das freiherrlicke Paar ein Waisenhaus gegründet, und hier fand sich für Frau Brandt das Amt der Hausmutter, das sie mit Umsicht und Treue verwaltete. Herr von Stadler ließ sich bei der Baronin melde», um ihr seinen Dank für diese Aenderung auszusprechen, und sie hatte nicht gewagt, ihn zurückzuweisen. „Wie liebenswürdig das von Ihnen ist, gnädigste Frau", sagte er mit scheinbarer Unbefangenheit, „daß Sie sich von jener alten Frau getrennt haben, kann ick gar nicht genug aussprechen; ihre Einbildungen waren mir wirklich lästig. Ich sebe, wie Wohl ich daran getban habe, daß ich zwischen unS alle Offenheit walten ließ, Ihrem Gemahl wird mancke bittere Stunde dadurch erspart. Eine kluge Fran weiß alles so viel besser zu beurtheilen, als der weiseste Mann. Sie wervcn versieben, daß ich trotz Albrecht'« Freigebigkeit nicht einen Augenblick in sorgenfreier Lage bin. Ein Cavalier braucht viel, und ich darf nicht knausern, da entstehen Ver legenheiten. Kurz und gut, ich hatte aus Ihre Güte ge rechnet. Eine Freundschaft ist der andern Werth." Ohne ein Wort zu verlieren, ging die Baronin an ihren Schreibtisch und übergab dem verhaßten Manne eine Summe von einigen Tausend Mark, die zu ihrem Toilettengelde be stimmt war. Er steckte die Scheine mit kurzem Tank ein und fubr fort: „Das Iunggesellrnlebtn ist nicht« für «inen Mann, dem cs Ernst um die Solidität ist. ES wird Zeit, daß ich mich unter den Töchtern des Landes umsehe. Dabei rechne ich auf Ihren klugen Rath und Ihre Protection, gnädigste Frau. Wie reizend würde cs für uns alle sein, wenn ich nur so ein Nestchen baute, und wir dann recht herzlich und freundschaft lich verkehrten. O, ich male mir dann die Zukunft mit den schönsten Farben aus. Wenn man in ein gewisses Alter koninil, so sehnt man sich nach der Behaglichkeit, die einem nur die Frau am eigenen Herd verschaffen kann, und nach bänSlicker Pflege. Auch hierin sieben Sie nur als unerreich bares Vorbild vor Augen, gnädige Baronin. Nur Ihre Fräulein Schwägerin könnte man Ihnen an die Seile stellen. Sie glauben nickt, wie ich Fräulein Erna verehre. Könnten Sie die junge Dame nicht ein wenig flmdiren, welche Ge sinnung sie gegen mich hegt?" „Ich glaube, daS wird nicht nöthig sein, Erna zeigt ja ibrc vollständige Gleichgiltigkeit für ^ie offen geiuig", er widerte die Baronin, die ihren Widerwillen gegen Stadler nicht mehr bezähmen konnte. „Nnn, so will ick nicht müde werden, bis ick eine Wand lung zu nieiiicm Gunsten erreicht habe", entgegnete er zornig und setzte drohend hinzu: „und da ick sicher darauf rechne, daß Sie Ihren Einfluß für mich verwenden, so bin ich nickt ohne Hoffnnnz für die Zukunft." Melanie erschrak unbeschreiblich. Sollte dieser entsetzliche Mensch eS wagen, die Augen zu Erna zu erheben? Wie sollte sie sie vor ihm schützen? Und wie würde ihn die sichere Zurückweisung reizen und zur Rache anspornen ! Mit ihrem Gatten wagte sie nicht über ihre Befürchtungen zu sprechen, kenn er wurde täglich düsterer, und wie sollte sie daS rechte Wort finden, um ihn nicht ahnen zu lassen, daß sie Alle« wnßte? So vergingen mehrere Wochen, und während Erna völlig unbefangen blieb, weil sie gar nicht an die Möglichkeit Lackte, daß Stadler etwas anderes als eine gewisse plumpe Galanterie gegen sie beabsichtigte, sahen der Freiherr und seine Gemahlin mit steigender Besorgniß, wie ernst cS ihm mit einer Werbung um das junge Märchen war. In dem exclusiven Club, in den Albrecht ihn eingcführt hatte, und in dem er nur unter seiner Aegide Aufnahme finden konnte, behandelte man Stadler immer niebr als einen unbefugten Eindringling, cS cursirten mancherlei ungünstige Gerüchte über ibn, unv waS man zuerst als einen Mangel an guter Lebensart entschuldigte, das be- urtheilte man letzt ganz anders und sehr streng. Der Frei herr hatte sich schon manche verwunderte Frage und manches
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