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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960916015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-16
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Gröbere Schriften laut unserem PreiZ- verzeichniß. Tabellarischer und Zifsisnsa- nach höherem Taris. Extra-Beilagen lgefalzt), an» vit de, Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung uE 7lf—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» - Uhr. Bei Len Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde früher. Nnieigeu sind stet» an die Expedttian zu richten. Druck und Verlar von E. Polz la Leipzig 472. Mittwoch den 16. September 1896. SV. Jahrgang Herzog Ernst von Lachsen-Altenburg. Zu seinem 70. veburtstage. 8. 6. „Ich habe es gesehen au- den Gesichtern uno gehört aus den Jubelzurufen Ihrer Bevölkerung, wie der Gedanke an die Kaiserzeit, der Gedanke an das Reich festgewurzelt und ausgebildet ist in Ihrem Volke." Da» sind Worte, die Kaiser Wilhelm II. gelegentlich seines Besuchs am herzoglichen Hofe in Altenburg am 4. Mai 1890 zu Herzog Ernst mit sichtlichem Wohlgefallen äußerte, damit eine Wahrheit aus sprechend, die Fürst und Volk in gleicher Weise ehrt. DaS Band der Liebe, das in Sachsen-Altenburg um den Herzog und seine Landeskinder sich schlingt, wird gefestigt und geschmückt durch die gemeinsame Liebe zum großen deutschen Vaterlande; die Treue, die der Herzog seinem Volke uno das Volk seinem Herzog wahrt, wird gefestigt und vertieft durch die gemein same Treue zu Kaiser und Reich. Deshalb gewinnt der heutige Tag, an dem Herzog Ernst seinen 70. Geburtstag feiert, den Charakter eines nationaldeutschen Festtags und wird auch so im ganzen Lande gefeiert. Ist auch auf Wunsch des Herzogs von lautem Festgepränge abgesehen worden, so wird überall, selbst in dem kleinsten Orte, zum Ausdruck kommen, daß das Volk in seinem Herzog nicht nur den gütigen und treusorglicken Landesherrn, sondern auch den trendeutschen Fürsten liebt und verehrt, der nach dem Wablspruch seines Hauses ..kicksliter et coustauter" in allen Lebensverhältnifsen handelt. Als Herzog Ernst geboren wurde, war Sachsen-Altenburg mit Sachsen-Gotha vereinigt und nicht mehr ausschließliches Erbe einer besonderen Linie des wetlinischen Fürstenstammes, wie dies bis etwa 150 Jahre vorher gewesen. Ja, zur Zeit seiner Geburt, die am 16. September 1826 zu Hildburg hausen erfolgte, waren die alrenburgischen Lande gewisser maßen ohne Landesvater; denn seit dem 11. Februar 1825 war mit dem Tode des Herzogs Friedrich IV. von Sachsen-Gotba- Altenburg der Mannesstamm dieser Linie erloschen und eS war noch nicht entschieden, welchem Fürstenhause diese thüringischen Gebietstheile zufallen sollten. Daraus erklärt sich's auch, daß die Hildburghäuser „Dorfzeitung" vom 17. September 1826 eie Geburt des hohen Jubilars in folgender Weise meldete: „Als am 16. September Kanonendonner und Glockengeläute verkündigten, dem Prinzen Georg von Hildburghausen sei eben ein Sobn geboren worden, sah man bald, daß, recht wie es sein soll, alte Liebe und Dank nickt gleich vor jedem Gerüchte und vor jeder traurigen Besorgniß, der Herzog werde die Regierung von Sachsen-Hildburghausen mit der von Sachsen-Altenburg vertauschen, aus dem Herzen verschwinden. Auf offenem Markte war lauter Jubel." Aber bald darauf verwandelte sich der Jubel der Be wohner von Hildburghausen in Trauer, denn das Gerückt bewahrheitete sich, das Fürstenthum Sachsen-Altenburg bekam in dem bisherigen Herzog Friedrich von Sachsen- Hildburghausen einen neuen Regenten. Sachsen-Hildburg- dauscn wie Sachsen-Gotha hörten auf, selbstständige Fürsten- thümer zu sein, letzteres fiel an Coburg und ersteres an Meiningen. Nach dem Theilungs - Vertrage, der am 12. November 1826 zu Hildburghausen zwischen den Herzögen von Coburg-Saalfeld, Meiningen und Hildburg hausen abgeschlossen wurde, kamen jedoch das Amt Kainburg, ein Theil des Amtes Eisenberg und einige vereinzelt liegende Dörfer, inögesamml 47 Ortschaften des früheren Fürsten- ibums Sachsen-Altenburg mit 8600 Einwohnern, zu Sachsen- Meiningen. So waren dem Fürstenthum Altenburg engere Grenzen gezogen worden, aber es batte seine Selbstständigkeit zu rückgewonnen. Am 18. November 1826 traf Herzog Friedrich auf altenburgischem Gebiete ein und erwiderte dem ihn in Uhlstädt begrüßenden Geheimrath v. Trützschler, der das Amt eines Präsidenten und Kanzlers bekleidete, mit dem kurzen, aber schönen Worte: „Wir wollen noch recht viel Gutes für Altenburg thun, mein lieber Trützschler!" Der kleine Prinz Ernst befand sich nicht mit in dem fürst lichen Zuge, der in 7 Wagen, mit 28 Pferden bespannt, den neuen Landesherr«, dje Prinzen und das Gefolge in die neue Heimath führte. Mit drei kleinen Prinzessinnen war er vorausgeschickt wordeu und ist auf diese Weise wohl der erste männliche Sproß deS neuen Fürstenhauses gewesen, der in Altenburg eintraf. Nur kurze Zeit verblieb er hier, reiste dann mit seinem Vater wieder nach Hildburghausen zurück und siedelte mit ihm erst 1829 nach Eisenberg über. Dort verfloß ihm die schöne Kindheit. Die Jugend führte ihn nach Jena, Lausanne, Genf, Breslau, bis er von 1849—1851 seine akademischen Studien in Leipzig vollendete. Bereits 1848 hatte Herzog Joseph die Regierung an seinen Bruder Georg abgetreten, und als dieser 1853 schwer erkrankte, übernahm am 28. Mai der damalige Erbprinz Ernst die Leitung der Regierungsgeschäfte und folgte seinem Vater am 3. August als regierender Herzog. Sein Eintritt in die preußische Armee war schon einige Jahre früher ge schehen, 1852 war er zum Hauptmann in der Leib-Compagnie des 1. Garde-Regiments z. F. in Potsdam befördert worden. Als er zur Regierung gelangte, stand er im Range eines Majors. Seit 1853 ist Herzog Ernst vermählt mit einer Prinzessin aus dem anhaltinischen Fürstenhause und kann somit auf eine 43 jährige glückliche Ebe zurückblicken. Nur eine Tochter ist diesem Bunde entsprossen, zum Ersatz für einen ersehnten Sohn darf das Herzogspaar sich dreier blühender Enkel erfreuen; es sind dies die Prinzen Friedrich Heinrich, Joach. Albrecht und Friedrich Wilhelm von Preußen, Söhne de- Prinzregenten von Braunschweig. Die militairische Laufbahn hat dem Herzog Ernst viele ehrende Auszeichnungen gebracht. Zur Zeit ist er preußischer General der Infanterie L la suits des 1. Garderegiments zu Fuß und des thüringischen Husarenregiments Nr. 12, desgleichen sächsischer General der Infanterie und Chef vom 2. Schlesischen Jäger-Bataillon Nr. 6, vom sächsischen 1. Jäger-Bataillon Nr. 12, vom 1. und 4. Bataillon des 7. thür. Infanterieregiments und vom russischen Infanterie regiment „Bialostok" Nr. 50. Sein im vorigen Jahre gefeiertes 50 jähriges Militairjubiläum gestaltete sich zu einer großartigen militärischen Festlichkeit. Noch heutigen Tags bekundet der hohe Jubilar für Alles, was da» Heerwesen betrifft, das lebhafteste Interesse. Hat er doch erfahren, welche Bedeutung das Heer für unser deutsches Vaterland gehabt hat und noch hat. Hat er doch selbst inmitten der deutschen Truppen die Reichseinheit erkämpfen helfen. Schon als 1866 der Bruderkrieg zwischen Preußen und Oesterreich entbrannte, erließ er einen herzergreifenden Aufruf an sein Volk, dem er in prophetischer Weise die Worte einfügte: „Kein mächtiges blühendes Deutschland ohne ein mächtiges, bervorragendes Preußen, als de» entschlossenen, tapferen Vorkämpfer für die deutschen Interessen im Norden, als den Gründer der größten nationalen volkswirtbschaftlichen Institution der Neuzeit, des deutschen Zollvereins." Die gleiche Hoffnung auf ein ver jüngtes starkes Vaterland klang aus dem Aufrufe vom 3l. Juli 1870, worin es heißt: „Mit Gottes Hilfe wird als Frucht aus diesem Kampfe Deutschlands Einigung hervorgeben; damit ihm endlich in Europa die Stellung zu Theil werde, welche es im Interesse dauernden Friedens einzunehmen berufen erscheint." Herzog Ernst war dem Hauptquartier des Groß herzogs von Mecklenburg-Schwerin attackirt, dessen Action in Frankreich mit vollstem Recht ein Siegeszug genannt wurde. Er mackte die Belagerung von Toul und SoissonS mit und hatte Theil an der Einschließung von Paris. Seit jenen Schreckenstazen schmückt die Brust des Herzog- da« Eiserne Kreuz und das mecklenburgische Verdienstkreuz. Etwas später wurde ihm von Kaiser Alexander II. von Rußland der Sankt-Georgs-Orden ver liehen unter der ausdrücklichen Erklärung: „Zur Erinnerung an den gegenwärtigen Krieg, dessen Gefahren und Ruhm der Herzog mit seinen braven Truppen getbeilt hat". Nach den ruhmreichen Kämpfen um Orleans nahm Herzog Ernst auch an dem Einzuge in die schöne Stadt tbeil und machte sodann den blutigen Feldzug gegen die feindliche Loire-Armee mit. Am 18. Januar wohnte er der Kaiser- Proclamation zu Versailles bei, am l. März der Parade Longchamps und dem Einzuge in Paris. Am lehrte er wieder aus Feindeslande heim und wurde in Altenburg nut tauientstimmigem Jubelruf empfangen. Seitdem hat er noch v,l, bis in die jüngsteZeit, denKaiser-Paraden, sowie den Manöver« beigewohnt. Auch in Berlin verweilte der Herzog von Zeit zu Zeil an der Seite Kaiser Wilhelm's deS Ruhmreichen, der ihn schon längst in den engen Kreis seiner Vertrauten gezogen hatte und ihm nie vergaß, daß er als einer der ersten uiiter den deutschen Bundcsfürsten ihm in den schwierigsten ^runden des Lebens beigestanden batte, wes wegen auch Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1890 in seinem Trinkjpruche auf Herzog Ernst es rühmend hervorbob: ,,-d.reu haben^Eure Hoheit Meinem Herrn Großvater und r>^eite das Reich mit aufrichten helfen, und haben Ihre ^.andeskindcr geholfen, bei Beaumont und Sedan des Reiches Herrlichkeit wieder berzustellen." Wie Herzog Ernst an dem Aufbau des Reiches regen Aniheil genommen, so war er allzeit treulich bemüht, an leinem checke zum würdigen Ausbau desselben bcizutraaen »»di" seinem Lande Alles zu fördern, was diesem zum Wohle und zur Zierde gereicht. Durch Reisen in fast europäischen stauten mit Allem vertraut, was zur Biiithe _ eines Staates beiträgt, mit den hervor- stechendsten Charakterzügen seiner Vorfahren: Herzensgute, christlichem Sinn und Duldsamkeit gegenüber allen Glaubens angehörigen, Liebe zur Natur, Kunst und Wissenschaft, reich begabt, mit offenem, klarem Blick, der stets bas Rechte wählt, hat Herzog Ernst eö verstanden, zur Erfüllung des Wunsches, den er im Jahre 1871 in einem Erlasse ausfprach: „Möge der allmächtige Golt jedem Einzelnen in seinem traulen Familienkreise die Segnungen des mit schweren Opfern errungenen Friedens zu Theil werden lassen", selbst ganz wesentlich beigelragen. Von Alters her sind die Alten burger als rührige Leute bekannt, aber sie selbst wissen, wie viel Herzog Ernst dazu beigetragen bat, daß ihr Bauernstand an der Spitze der deutschen Landwirthschaft marschirt, ihre Industrie sich mächtig gehoben bat. Vor Allem aber wissen sie, daß der hohe Herr, so oft auch seine Herzensgute miß braucht worden ist, jedem Strebsamen hilfreich entgegen kommt, jedem Bedrückt-» die helfende Hand entgegenslreckt So wird sein 70. Geburtstag nicht nur ein nationaler Festtag für seine Landeskinder und viele Tausende ihrer deutschen Brüder, sondern auch ein Familien- und Dankesfest für das gesegnete Land, dem es beschicken sein möge, noch lange der milden, väterlichen Führung Herzog Erust's sich zu erfreuen I Deutsches Reich. Berlin, 15. September. Die „Statistische Correspon- denz" selbst warnt bereits vor Fehlschlüssen aus den von ibr mitgetheilten Zahlen über die Arbeitslosigkeit, welche sich bei der Berufszählung vom 14. Juni und der Volks zählung vom 1. Dccember vor. Js. für Preußen ergeben haben. In der Thal wird man bei der Vermerlhung dieser Zahlen etwa in socialpolitifcher Richtung die größte Vor sicht obwalten lassen müssen, wenn man nicht einen gefährlichen Jrrgang machen will. 193 979 Arbeitslose bei der Zählung im Sommer und 553 676 Arbeitslose bei der Zählung im Winter! Das sind Zahlen und ein Zahlenunlerschied, welche aus den ersten Blick an scheinend die socialdemokratischen Vorhersagungen bei der Erörterung der Vorlage, betreffend die Berufs- und Gewerbe zählung, bestätigen. Sie verlieren aber außerordentlich an Bedeutung, wenn man die Umstände näher ins Auge faßt, welche bei den Zählungen im Allgemeinen und bei der Winter zählung im Besonderen eine Rolle spielten. Vor Allem ist festzuhalten, daß die Erkebungsresullate die Arbeitslosigkeit im weitesten Sinne des Wortes umfassen. Es sind demnach die durch Krankheit oder Unfall vorübergehend arbeits unfähigen, die im Streik befindlichen Arbeiter, wie die arbeitsscheuen „Wanderer" auf der Landstraße mitgezählt worden, während der Begriff der Arbeitslosigkeit, mit dem die Socialpolitik zu rechnen hat, sich nur auf Arbeiter er streckt, die gern arbeiten möchten, aber keine Arbeit finden. Die „Statistische Correspondenz" hat nur für die Erst genannten, die vorübergehend Arbeitsunfähigen, eine eigene Rubrik ausgeschieden, während sie die anderen Kategorien der Arbeitslosen unberücksichtigt läßt. Auch so scheiten bereits 76 127 bezw. 144 973 Arbeiter, für welche durch die Kranken- oder Unfallversicherung vor gesorgt ist, aus der Zahl der Arbeitslosen aus, und es bleiben für den Sommer noch 117 852, für den Winter 408 703 Arbeits lose. Wenn man tieStreiksunddieArbeitsscheuderLandstreicher in Anschlag bringen könnte, so würde sich das Resultat der Sommerzählung zweifellos noch erheblich vermindern und das Zahlcnverhältniß der Arbeitslosen zu der Gesammtzahl der Arbeitnehmer, das nach der „Stat. Corr." auf 1,51 Proc. berechnet ist, in einer Weife sinken, daß es seine Gefährlichkeit so ziemlich einbüßen würde. Bei der Beurtbeilung der Resultate der Winterzäblunz kommen andere Momente in Betracht. Die „Stat. Corr." deutete dieselben zwar an, läßt cs aber unseres Erachtens an der richtigen Betonung durchaus fehlen. Vor Allem ist Gewicht darauf zu legen, daß bei der Winterzählung nur nach der Arbeitslosigkeit im Hauptberuf gefragt worden ist. EL ist aber notorisch, daß die Angehörigen einer ganzen Reihe von Gewerben, deren Ausübung die Winterzeit ein natürliches Hinderniß in den Weg stellt, im Winter sich anderer Beschäftigung zuwenden und daher streng genommen gar nicht unter die Arbeitslosen zu zählen sind. Die Beschränkung der Frage nach der Arbeitslosigkeit auf den Hauptberuf macht die Erhebungsresultate für ver gleichende Zwecke nahezu wcrtblos. Daß der Unterschied zwischen den Ergebnissen der Sommer- und der Winter zählung im Wesentlichen in der Jahreszeit begründet ist, wie die „Stat. Corr." sagt, ist selbstverständlich. Zur Erläuterung genügt es, auf die Landwirthschaft zu ver weisen, welche im Winter mit 170 769 Arbeitslosen das Sechs fache des Antheils an der Arbeitslosigkeit stellte, den sie im Sommer zu verzeichnen hatte. Bei der Gesammtzahl der in der Landwirthschaft ermittelten Tagelöhner von rund Issi Millionen ist diese Steigerung begreiflich. Die industriellen Arbeiter zählten im Sommer 106 075, im Winter 262 288 Arbeitslose. Hier fällt ohne Zweifel r«?r Allem die Arbeitslosigkeit der Bauhandwerker im Hauptberuf ins Gewicht. Preußen zählt allein 249 841 Maurer, 13^00 Dachdecker rc., so Laß die Steigerung der Winterzahl der Arbeitslosen sich jedenfalls zum größten Theil durch den Ausfall der Arbeit in diesen Berufen erklärt. Beim Handel und Verkehr ergaben sich im Sommer 22 508 Arbeitslose, im Winter 38 456. Hier kommt unter Anderm auch die im Winter ruhende Binnen schifffahrt in Betracht, die allein 22 000 Arbeitnehmer auf weist. Es wäre durchaus Wünschenswerth, wenn die „Stat. Corr." ihre Angaben durch Mittheilungen über die Arbeitslosigkeit in den einzelnen Berufen vervoll ständigen wollte; erst dann wird man einige Anbalts- puncte über die Grünte haben, welche bei dem Unter schiede zwischen den Ergebnissen der Sommer- und der Winterzäblung mitwirken. Immerhin werden die ZäbluugS- resultate nur Augenblicksbilder liefern können. Ein zu treffendes Bild könnte sich erst ergeben, wenn die während eines ganzen Jahres vorhanden gewesene Arbeitslosigkeit ermittelt würde. Es liegt auf der Hand, daß die 178 000 Arbeitslosen, die am 1. Dccember vorigen Jabres eine Arbeits losigkeit von 8—14 Tagen anzaben, socialpolitisch ganz anders zu bewertben sind, als die 93 000, welche eine Arbeitslosigkeit von 29—30 Tagen, und die 30 000, welche eine Arbeitslosig keit von 91 und mehr Tagen testirten. Der Reichstag ist auf einen dahin abzielenden Vorschlag wegen der allzu großen Umständlichkeit der Ausführung nicht eingegangen. Tie jetzt vorliegenden Augenblicksbilder können aber nur als hockst mangelhafter Nothbehelf gelten, Hegen dessen weitere Ver- werthung schwerwiegende Gründe sprechen. * Berlin, 15. September. Ein Beschluß, der am 11. d. M. von der in Innsbruck tagenden IV. Versammlung deutscher Historiker gefaßt worden ist, entbehrt nicht des politischen Interesses. Di- Versammlung hat zu der Frage: Welche Wünsche haben die Historiker gegenüber den Archiv- FeiiiHetsn. Der Held und sein Weib. Ein Lapitel zur Mythenbildung. Gelegentlich der Richtigstellung einer durch die Presse ge gangenen Erzählung über die Verlobung Nansen'- schrieb das „Leipziger Tageblatt" ganz zutreffend, daß es an Frech heit grenze, wenn ein Schriftsteller Thatsachen frei erfinde und solche unter der Versicherung der Wahrheit dem Publi cum vorfctze. An diesen Ausspruch wurde ich erinnert, als ich dieser Tage einen Aufsatz über den „Gouverneur von Podgoric a", Marko Miljanov, las. Ich habe, nament lich in letzter Zeit, seit der Verlobung deS Kronprinzen von Italien mit der Prinzessin Helene von Montenegro, schon so Manches über Montenegro und dessen Bewohner gelesen, was sür den Kenner dieses Landes schier „zum Radschlagen" war — fühlen sich Loch häufig selbst solche Touristen, die von Cattaro au- einen eintägigen Ausflug nach Cettinje gemacht haben, berufen, in langen Artikeln ihre Erlebnisse in den Schwarzen Bergen zu schildern und über die Verhältnisse dieses Landes zu urtheilen —, aber eine solche Fülle blühenden Unsinne«, wie in jenem Aufsatz enthalten ist, ist mir doch noch nicht vor gekommen, und ick bin es nicht nur der Wahrheit, sondern auch dem alten Marko Miljanov, mit dem mich eine mehr als zwanzigjährige Freundschaft verbindet, schuldig, die vielen — gelind gesagt — Jrrthümer, welche der besagte Artikel enthält, richtig zu stellen und die Welt vor einer Irreführung Lllrch einen gewissenlosen Scribenten zu schützen. Gleich in dem eisten Satze des mit der Ueberschrift: „Der Held und sein Weib" versehenen Artikels paradirt der Verfasser mit einer Unrichtigkeit, indem er sagt, daß Marko Miljanov Gouverneur „der Stadt Podgorica" sei. DaS ist er zwar auch, aber darüber hinaus auch Gouverneur des ganzen Bezirkes, der so ziemlich das gesammte Kuci-Land umfaßt, wovon die Stadt Podgorica nur einen kleinen Theil repräsentier. Der gewöhnlich als Gouverneur der Stadt Podgorica angesehene Beamte (Officier) steht unter dem Befehl Marko Miljanov'- und ist identisch mit dem Stadt- commandanten. Ich citire nun au- dem Aufsatz wörtlich : „Hu den höchsten Auszeichnungen, die einem Abendländer im Orient erwiesen werden können, gehört e«, wenn er von dem Wirth in seinen Harem geführt wird. So sollte es auch dem deutschen Reisenden geschehen. Ueber einen schmalen Gang geleitete ibn der Gouverneur in einen Seitenflügel des Palastes. Man klopfte. Und auf ein vornehmes „Herein" öffnete der Hausherr die Thür des HaremS." Der Leser muß hier zweifellos annehmen, daß Marko Miljanov ein Muhamedaner ist und einen wohlbesetzlen Harem unterhält. Der alle wackere Haudegen gehört aber der griechisch-katholischen Kirche an, und er würde es als eine große Beleidigung ansehen, wollte man ihn unter die Türken rechnen, gegen die er Jabrzehnte lang gekämpft und die er noch jetzt glühend haßt. Und da er nicht Türke, viel mehr ein guter Christ ist, so besitzt er auch keinen Harem. Auck bewohnt Marko weder in Pwgorica noch sonstwo einen „Palast". Er baust auf einsam.'r Felsenhöhe in unmittel barer Nachbarschaft der von ihm 1876 eroberten und zer störten Festung Medun, etwa 3 Stunden von Podgorica ent fernt, in einem an ein kleine» deutsches Bauernhaus er innernden Gehöft. Ter Artikelschrriber fährt sodann fort: „Aber nickt phan tastisch aufgeputzte OdaliSken zeigten sich den Blicken; im Hintergrund eine- einfach, aber behaglich auSgrstatteten Zimmers saß ein weibliches Wesen an einer — Nähmaschine. Statt der nationalen wenig hüb chen Frauenlracht umhüllte ein braunwollenes Kleid mit einer schwarzen Sammetjacke den feinen, zierlichen Körper. . . . Dies einnehmende Wesen, das so ganz und gar an die bürgerlich-deutsche Hausfrau erinnerte, war die Gemahlin des gewaltigen montenegrinischen Kriegsmannes .... und das kleine Kind, das in einer ganz einfachen Wiege unter der bunten türkischen Decke schlummerte, sein Söhnlein, der Erbe seines Namens und hoffentlich auch seiner edlen Kraft." Alter, braver Marko, was würdest Du dazu sagen, wenn Du dies lesen könntest! Ich glaube, Du würvest sprachlos werden! Deine Frau nicht in nationaler Tracht? Eher würde der Himmel einstürzen, denn in Marko's Hause herrscht strenge montenegrinische Sitte, und wenn er auch Fortschritten nicht abhold ist, so hält er doch an den Gebräuchen seine- Volkes unerschütterlich fest. So oft ick Marko besuchte, nie sah ich denn auch seine Frau in europäischer Tracht. Ja, kommt Besuch, so vervollständigt sie eilendS ihr nationale« Costüm, indem sie über den Wollrock des Köret bei besonderen Gelegenheiten auch die Jeöerma wirft. Und einen „feinen, zierlichen Körper"? Bei aller Verehrung und Hochachtung, die ich Marko's Frau cnlgegenbringe, kann ich dock dies nicht zugestehcn, wenn ich die Wahrheit nicht verletzen will. Marko's Frau ist wohl erheblich jünger als ihr Gemahl, allein sie ist auch nicht mehr jung und ihre große, kräftige Erscheinung ist fast das gerade Gegentbeil von „fein" und „zierlich", trotz aller natürlichen Anmutb, die der Dame eiHen ist. Endlich — ein Kind — ein Sobn! Marko's heißester Wunsch wäre erfüllt, indessen wie bisher diese seine — zweite — Ebe kinderlos war, so wird sie auch aller Wahrscheinlichkeit nach kinderlos bleiben. Immerhin ist Marko nicht ohne Leibes erben, denn er besitzt auS seiner ersten, nur kurzen Ehe einen Sohn, und dieser ist kein Geringerer al« der gegenwärtige montenegrinisch- Minister Les Aeußern, Gavro Miljanov Vukovio. So könnte ick Wort für Wort widerlegen, was der Artikelschrciber da zusammenaebraut hat; so, wenn er von der Frau „schöner Heimath auf ver grünen Aue der Nikäwer Hochebene" spricht — er hat die graue Einöde um Nikäiv vermuthlich nie gesehen — und von dem „dickbäuchigen Kruge", aus welchem Marko „dem Fremden das Lieblings getränk der Kuöi, den schäumenden Metb" credenzte — ein Getränk, das eben nur Marko in seiner Einsamkeit oben aus Gornji Medun bereitet und sonst Niemand im Lande, jedoch von einer solchen Vorzüglichkeit, daß ihn, wie er mir Liefer Tage mittheilen ließ, jüngst Fürst Nicola um einige Flaschen ersuchte, die vermuthlich zu den Verlobungsfeierlichkeiten in Cettinje ausgetrunken wurden. In „dickbäuchigen Krügen" verwabrt er den Meth aber auch nicht. Doch genug. Vermuthlich hat sich der Artikelschrciber einmal ein paar Stunden in Podgorica aufgehalten, hat dort von dem alten Marko Miljanov erzähle» hören und alsdann, ohne Lenselben und seine Häuslichkeit gesehen zu haben, wozu ein beschwerlicher mehrstündiger Ritt gehört hätte, mit mehr Dichtung als Wahrheit das Gekörte niedergeschrieben. Ta Marko Miljanov der Geschichte Montenegros angebört, so sei er hierdurch von der Mythe, die der kritisirte Aufsatz um ihn bildet, befreit. A. Kutschbach. Postkarten-Poesie. (Nachdruck verrotrn.» Seit den Tagen, woFritzeBliemchen die Leier stimmte und sein lakonisch-schöncS:„GroßeSteenc,kleeneSteeiie. MicdeBcene. Aussicht scheene!" sang, hat die Postkarten-Jndustrie einen ungeahnten Aufschwung genommen, und mit ihr hat sick eine Po st k arten-Poe sie eingebürgert, deren Proructe neben banalem Unsinn auch manches Körnchen urwüchsigen Humors aufweisen. Es lohnt sich schon einmal, hier den Weizen von
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