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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960919021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896091902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896091902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-09
- Tag1896-09-19
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In der That genügt schon die falsche Darstellung des „Dziennik" vollkommen, um den hochgradigen Uebermuth und die rohe Streitsucht der polnischen Bevölkerung bei diesem Anlaß erkennen zu lassen. Die polnische Darstellung giebt selbst zu, daß der königliche Districtscommissar Herr von Carnap mit seinem Wagen vor dem Bahnhof umkehren wollte, als er die enggestaute Menschenmasse sah; ebenso ist auch in der polnischen Dar stellung constatirt, daß man mit physischen Mitteln den könig lichen Beamten von der Schranke des durch den Erzbischof v. Stablewski betretenen Bahnhofs znrüctzubalten suchte. Es bat sich also nm Auflehnung gegen die Staatsgewalt ge bandelt, wie denn auch der Gensdarmerie-Wachtmeister nach zweimaliger vergeblicher Räumungsaufforderung an die Menge und nach Empfang eines Steinwurfes die dortige Ansamm lung vsficicll für einen Aufruhr erklärt hat. Der „polnische In dustrieverein" von Opalenitza hatte den „Primas von Polen" mit einem Fackclzng ebren wollen; dabei ist die verbotene polnische Nationalhymne gesungen worden. Die „deutsche" Centrums presse wird voraussichtlich eifrig für die Glaubensgenossen polnischer Zunge cinlreten, denen ja die „Katholiken deutscher Zunge" auf ihren Befehl bei den politischen Wahlen Heercs- folge leisten müssen und zum Dank dafür bei Kirckenwahlen geprügelt werden, wie dies vor einigen Jahren inGraudenz geschehen ist. Gegenüber den an das psychiatrische Gebiet streifenden Ausschreitungen hoher polnischer Geistlicher in der Provinz Posen hatte ja vor einigen Wochen diese Presse den Muth zu der bescheidenen Ausflucht, daß dieses Austreten jevcn- falls die Hochgradigkeit des nationalen Gegensatzes in den preußi schen Ostseeprovinzen beweise, zu dieser aber die deutsche Un duldsamkeit den ersten Anstoß gegeben habe. Die veredelnde Wirkung des polnischen Klerus auf die Moralität seiner Pflege befohlenen bat jedenfalls der Vorgang von Opalenitza wieder ausreichend gezeigt. Nach denMeineidsprocessenvonStuhm,wo ein polnisch geborener Geistlicher wegen nationaler Friedfertig keit von seiner Gemeinde auf dem Wege einer Meineids verschwörung batte entfernt werden sollen, kann in dieser Beziehung allerdings nichts mehr besremden. Ein cigenthümlich ironisches Zusammentreffen will übrigens, daß eben in diesem Augenblick ein sonst stark extremes deutsches Ccntrumsblatt einen äußerst scharfen Artikel gegen das Polen- thum bringt, allerdings gegen das Polenthum in Oester reich. Die betreffende Wiener Correspondenz geht so weit, die fortdauernde Anhänglichkeit der galizisch-polnischen Bauern an den mit der großen Excommunikation belegten ?. Stojalowski zu constatiren und zwar mit dem Zusatz, daß dem Briesschreiber die Anhänglichkeit an die katholische Kirche einen weiteren Commentar untersage. Wo in diesem Falle die Sympathien des Correspondenten sind, zeigt sich also mit aller wünschenswerthen Deutlichkeit. Aber der Artikel schildert auch, wie in dem polnischen Theile von Galizien der Bauer durch den Adel vollständig in ökonomische Abhängigkeit gebracht worden ist; in dem rutbe- nischen Thcil aber sei der Zustand des Landarbeiters der artig, daß jeder andere Kleinbauernstand bereits zum Dresch siegel und zur Heugabel gegriffen haben würde. Dabei ge hören bekanntlich die ruthenischen Bauern der grieckisch- unirten oder der griechisch-orthodoxen Kirche an. Desto bemerkenswerther ist dieses Zeugniß aus römisch-katholischer Feder, das für Galizien beinahe so etwas wie eine neue Auf lage des ruthenischen Bauernaufstandes von 1846 in Aus sicht stellt. Daß aber das politisch repräsentirte Polenthum in Galizien wesentlich anders geartet sein sollte, als in den preußischen Ostseeprovinzen, wird der deutschen Centrums presse wohl nicht einmal ihr eigenes Publicum glauben wollen. Seit der Verhaftung der Dynamitarden hat, wie man uns aus Berlin schreibt, die dortige Polizei ein ganz be sonders wachsames Auge auf die bekannten Anarchisteu, deren Bewegungen auf das Sorgfältigste verfolgt werden. Das Berliner Anarchistenblatt theilt das den Genossen folgendermaßen mit: „Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß von dem Moment an, wo das zweibeinige Lebe wesen, das sich Kaiser von Rußland nennt, seine Reise nach Westeuropa anzetreten, die Behörden aller Länder wieder schärfere Maßregeln gegen die Anarchisten anwenden"; dann ruft das Blatt seinen Genossen zu: „Aufgepaßt und vor gesehen, damit euch nicht unvermutbete Ueberraschungen treffen! Ein Anarchist muß immer wissen, ob ein Polizei agent so liebenswürdig ist, ihn zu begleiten." Im klebrigen haben die Anarchisten beschlossen, sich der Armenier anzunehmen; am Sonntag soll in Berlin eine große öffentliche Versammlung mit der Tagesordnung: „Sind die Armenier duldende Christen oder revolutionäre Freiheitskämpfer?" stattsinden. Gustav Landauer soll darüber referiren. Um nun Stimmung für diese Ver sammlung zu machen, schreibt das Anarchistenblatt: „Die armenischen Revolutionäre stehen also schon darum, weil diesen Verhältnissen entsprechend der Staat ihr Haupt feind, ja fast ihr einziger Feind ist, uns Anarchisten sehr nahe, soweit sie nicht, was ein beträchtlicher Theil thnt, sich direct zur anarchistischen Weltanschauung bekennen.... Möge die Sache der Anarchie und der Frei heit in Armenien zum Siege gelangen! .... Die Armen ier erwarten von uns europäischen Socialisten nach den Mit theilungen, die sie uns bab.en zugehen lassen, mehr als bloße Worte der Sympathie. Davon werde ihnen, wie sie meinen, schon genug von den Bourgeois- und Pfaffen blättern übermittelt." — Wenn das nicht geflunkert ist, so wirft es ein neues und eigenartiges Licht auf die armenische Bewegung. Die französische Regierung giebt sich ersichtlich die größte Mühe, ihre Angst vor einer Störung der Zarenfeste durch die bekannten Verhaftungen zu verbergen. In zahlreichen ossiciösen Communiquös an die Pariser Zeitungen tritt sie mit ihrer ganzen Autorität dafür ein, daß ein Zusammen hang zwischen den Plänen der in Rotterdam und Boulogne verhafteten Engländer und den französischen Anarchisten beziehentlich russischen Nihilisten überhaupt nicht bestehe. Mit diesen Worten freilich stehen die Thaten, über die dem „Hamb. Corr." aus Paris berichtet wird, in einigem Wider spruch. „Die schon vorher sehr scharfe Neberwachung derFrcmden und die gegen die eigenen extremen Revolutionäre ergriffenen Maßregeln sind noch bedeutend verstärkt worden. Die russischen geheimen Agenten vigiliren nicht nur in Paris und den anderen großen französischen Städten, die irgend in Be tracht kommen können, sondern sie sind auch an den Grenzen den dortigen Behörden zugetheilt worden. Haussuchungen, Verhaftungen, Ausweisungen aus Paris, ja aus Frankreich finden täglich zu Hunderten und zu Dutzenden statt. Wie weit das in den obersten Polizei-und Verwaltungsschichten herrschende Mißtrauen geht, ergiebt sich am besten daraus, daß man in der letzten Zeit selbst bei aristokratischen Mitgliedern der hiesigen polnischen Colonie, die füglich über dem Verdacht stehen sollten, Mörderbanden anzugehören, Haussuchungen ge halten hat und deren Correspondenz mit dem Auslande schärfer als je zuvor überwacht. Zu den Institutionen, die hier augenblicklich ganz besonders floriren, rechnet überhaupt das schwarze Cabinet oder, richtiger gesagt, rechnen die schwarzen Cabinete. Ungenirter als zur Zeit hier können selbst im heiligen Rußland Briefe nicht erbrochen und dann wieder nothdürftig verschlossen, oft auch einfach unter schlagen werden. Es mögen sich dies namentlich alle die gesagt sein lassen, die augenblicklich mit Verwandten, Bekannten oder Freunden in Paris zu correspondiren haben; Vorsicht ist dabei jedenfalls geboten." Die von dem englischen Cabinet durch das „Reutcr'sche Bureau" verbreitete und gestern von uns mitgetheilte Erklärung über die Stellung Englands zur orientalischen Frage wird in der gejammten deutschen Presse als ein ver unglückter Beschönigungsversuch notorischer Treibe reien, zugleich aber auch als ein Zugeständniß betrachtet, daß England sich vereinsamt sehe und sich nicht stark genug fühle, auf eigene Faust vorzugehen. So schreibt die „Nordd. Allgem. Ztg.": „Wenn Jemand auch nach dieser halbamtlichen Darlegung immer noch nicht einsehen sollte, wo der Haken sitzt, der ein gewaltsames Einschreiten gegen die Türken unrathsam macht, so kommt die „Times" dem schwachen Verständlich zu Hilfe, indem sie die That- sache hervorhebt, daß Rußland die Ausübung irgend eines Zwanges auf die Türkei nicht dulden werde. Die Engländer möchten daher die Gefahren wohl bedenken, die man bei einer Agitation für ein selbstständiges Vorgehen von Seiten Englands laufe. Man könne sich darauf verlassen, daß die Re gierung Alles thun werde, was die Klugheit und die ihr zu Gebote stehenden Mittel ihr gestatten, es sei aber nutzlos, ein williges Pserd noch anzuspornen. Mit wehmüthiger Resignation kleidet die „Times" dann das widerwillige Zugeständniß eines Xou xossuwus in die Worte: Zur Zeit beschränke sich die Entrüstung gegen die Türkei auf England und die Vereinigten Staaten. Die beste Hoffnung für die Armenier bleibe die Bekehrung anderer Nationen zu der Ansicht dieser beiden Länder. Wollte die „Times" unter der „Ansicht beider Länder" etwa eine Neigung oder Absicht der amerikanischen Unionsregierung zu einer gemeinsamen ge waltsamen Action verstanden wissen, so hat sie gleichzeitig aus Amerika ein kategorisches Dementi erhalten. Wie der „Standard" aus New Aork meldet, wird die Nachricht, daß die Regierung der Vereinigten Staaten Vorkehrungen getroffen bat, um im Interesse der Armenier entweder allein oder im Zusammen wirken mit anderen Mächten auf gewaltsamem Wege vorzugehen, von Washington aus für unbegründet erklärt." Wie jene früheren englischen Treibereien und die Schiffs ansammlungen in den levantischen Gewässern auf die Pfort e und Rußland gewirkt haben, ergiebt sich am klarsten aus folgender Meldung vom 17. d., die der „Franks. Ztg." aus Konstantinopel zugeht: „In diplomatischen Kreisen finden die letzten Conserenzeu des russischen Botschafters Nelidoff auf der Pforte groje Be achtung. Tenfelbeu wohnte auch der Marineminister bei. Nelidoff gab der Pforte die Versicherung, daß Rußland unter keinen Um ständen eine Verletzung des Dardanellen-Vertrages durch England zulafsen werde und entschlossen sei, die Rechte der Türkei zu schützen. In den letzten Tagen hat ohne Zweifel eine starke Annäherung zwischen der Türkei und Ruß land stattgesunden, so daß in den Pfortenkreijen offen betont wirb, im Falle des Eindringens der englischen Flotte in die Dardanellen werde der Snltan sofort die russische Flotte um Unterstützung der türkischen Schiffe ersuchen, wofür ihm schon von Petersburg aus bestimmte Zusicherungen gemacht worden feien." Gleichzeitig wird der „Internat. Corr." aus diploma tischen Kreisen das Folgende mitgetheilt, das die Stimmung des Sultans gegen England noch begreiflicher macht: „Tie gegenwärtige äußerst gereizte Stimmung des Sultcns gegen England hat ihren hauptsächlichsten Grund in dem Umstande, daß Abdul Hamid den britischen Botschafter in Konstantinopel, Sir Philipp Currie, für Len Verbreiter der Nachrichten über die muthmaßliche Geisteskrankheit des Sultans ansieht. Als nämlich Sir Currie vor zwei Wochen von seiner Urlaubsreise zurückkehrte, suchte er sogleich um eine Audienz beim Sultan nach. Dieser schob jedoch unter Vorschützung von Unwohlsein mehrere Tage lang Len Empfang des Votschaiters hinaus, worüber der Letztere zu mehreren türkischen Hosbeamten ziemlich laut sein Mißfallen äußerte. Als dann der Sultan die Audienz gewährte, zog Currie dieselbe fast zwei Stunden hin, indem er immer neue, meist sehr heikle Fragen stellte, deren Beantwortung dem Sultan sichtliche Ver legenheit bereitete. Dabei hatte der Großherr während der Unter redung mehrfache Schwächeanwandlungen zu bekämpfen, so daß ihm die beiden Stunden sehr sauer wurden. — Als nun aber schon zwei Tage darauf Andeutungen von den schwindenden Geisteskräften Abdul Hamid's in der englischen Presse erschienen, argwöhnte der Sultan sofort, daß Sir Currie diese Meldungen veranlaßt habe, und dieser Argwohn steigerte sich bis zur persönlichen Erbitte- rung, als aus Grund dieser Meldungen von dem Geisteszustand Abdul Hamid's die Londoner Blätter auch schon die Frage der Thronentsetzung des Sultans zu besprechen begannen." Ist nun dem englischen Cabinet wirklich etwas daran gelegen, daß die orientalische Frage nicht „versumpft" und bei den übrigen Mächten die Frage, wie die Türkei gegen einen englischen Handstreich, die Welt vor einem neuen Blut bade zu bewabren sei, zurücktritt hinter die Frage, wie die Pforte zu Reformen gezwungen werden könne, so wird cs vor allem Bedacht darauf nehmen müssen, das Mißtrauen der Pforte und Rußlands zu bannen. Die Zurückziehung des Geschwaders aus den levantischen Gewässern würde die erste der Thaten sein, die den schönen Worten folgen müssen, wenn sie Erfolg haben sollen. Die politische Lage in den Vereinigten Staaten von Amerika wird zusehends verwickelter und unberechen barer, obwohl zwischen dem Heute und dem Wahltermin kaum noch zwei Monate liegen. Alles scheint daraus hinzudeuten, daß die nächste Präsidentenwahl eine der ge schichtlich hervorragendsten Daten in den Jahrbüchern, der großen transatlantischen Republik werden wird, wenn es auch eine arge Uebertreibung ist, die jetzige Conjnnctur in Vergleich mit der Krise zu stellen, welche den Wahl sieg Lincoln's vor 30 Jahren zum Signal des Bürgerkrieges werden ließ. Bekanntlich wird die Wahl des Präsidenten der amerikanischen Republik nicht direct durch die Urwähler, sondern indirect durch die Wahlmänner vollzogen. Jeder Unionsstaat stellt so viel Telegirte, als er Congreßvertreter zählt. Diese Delegirten treten dann zu vorbereitenden „Con ventionen" zusammen und setzen ihr Programm, ihre „Plat- sorm" fest, dcsigniren auch ihre Candidaten siir die Präsident schaft und die Vicepräsidentschaft. Nun bat der gegenwärtige Wahlseldzug bereits nicht weniger als 5 solcher Conventionen aufzuweisen, wo hergebrachter Maßen zwei hätten genügen sollen. Die Republikaner erhoben in Saint Louis Mac Kinley auf den Schild, die Demokraten in Chicago Bryan. Außerdem tagten in Chicago noch die Conventionen der Populisten (deren Gros aus Radikalen und Socialdemokraten besteht) sowie die Silberleute saus plnasv, die nur das Eine Interesse freier und unbegrenzter Silberprägung kennen. Beide Richtungen bewirkten ihren Anschluß an die Demokraten. Losgelöst von letzteren dagegen haben sich die am 3. d. M. in Indianapolis versammelt gewesenen sogen. Golddemo kraten, welche sich auf souucl mvuez- verpflichteten und General Feuillstsir Oie Tochter des Geigers. 10j Roman von A. Brüning. NaLtruck rnbcten. XV. ES war gegen 10 Uhr am anderen Morgen. Der Ober förster hatte einen weiten Controlgang durch sein Revier zu machen, und aus seinen dringenden Wunsch hatte Edgar ihn begleitet. Walter'- Zustand, der bisher sehr günstig gewesen war, batte sich während der Nacht plötzlich verschlimmert; er hatte stark gefiebert, worüber der Arzt, der fchon früh dagewesen, sich sehr erstaunt gezeigt hatte. Er konnte freilich nicht wissen, welcher Aufregung sein Patient am gestrigen Tage unterworfen gewesen war. Er hatte dringend Rude anbesohlen, aber Walter wehrte sich lebhaft gegen die ihm zugemuthcle Krankenrolle, und nur Lia s dringende Bitten batten ihn bewogen, sich in dem kühlen Gemach, das an das Familienzimmer stieß, auf das Sopha zu legen. Matt und erschöpft, wie er war, sank er dort bald in einen unruhigen Schlummer. Fran Martha war im Garten beschäftigt, und so befand sich das junge Mädchen vorläufig allein im Familienzimmcr. Sic stand vor dem Tisch, auf dem zwischen einer Fülle von Blüthen und Knospen eine Anzahl mit Wasser gefüllter Vasen und Gläser standen, sie war beschäftigt, in dieselben duftige Sträuße zu ordnen. Es konnte ja heute gar nicht schön und geschmückt genug um sie her sein, heute wollte er sie ja von den Pflegeeltern begehren als sein Eigen! Glück selig lächelnd, versenkte sie ihre Hände in das Blumenfeld vor ihr; in dem weißen Batistklride — demselben, das sie bei der ersten Begegnung am Waldsee getragen, sie hatte cs heute mit Bedacht gewählt — und mit der Weißen Rose vor demselben war sie selbst wie eine liebliche Blume anzuschauen. Plötzlich horchte sie auf, — von draußen klangen Räderrollen und die Töne eines Posthorns zu ihr herüber. Extrapost! Was hatte das zu bedeuten? Sie wollte eben hinauseilen, als die alte Magd eintrat und ihr eine Karte überreichte. „Draußen ist ein Herr, Fräulein Lia, der Sie zu sprechen verlangt", meldete sie. „Mich? Das ist doch wohl ein Irrthum, Babetta?" „Nein, er bat ausdrücklich nur nach Ihnen gefragt." „Baron v. Wendelstein", las Lia kopfschüttelnd, der Name war ihr gänzlich fremd, warum zitterte sie denn so? „Nun, so laß den Herrn eintreten", sagte sie endlich nach einer Pause. Der Baron trat über die Schwelle. Er ließ einen raschen, prüfenden Blick durch das Zimmer und über die Gestalt Les jungen Mädchens gleiten, dann verneigte er sich mit chevaleresker Artigkeit. „Mademoiselle Goldini?" fragte er höflich. Sie neigte das Haupt. „Sie haben mich zu sprechen ge wünscht, mein Herr?" sagte sie mit leiser Unsicherheit in der Stimme, indem sie den Blick zu ihm erhob. Sie erschrak unwillkürlich, als sie an seinem Arm einen breiten schwarzen Flor bemerkte. Zugleich sah sie auch, daß sein Gesicht bleich und verstört war und er augenscheinlich mühsam nach Worten suchte. Sie bot ihm einen Stuhl, den er indeß nicht zu bemerken schien. „Mademoiselle", begann er endlich, „die Angelegenheit, die mich zu Ihnen führt, ist so zarter Natur, daß eine bloße Hindeutung darauf Ihnen vielleicht schon verletzend erscheinen wird; ich muß daher im Voraus um Ihre Nachsicht bitten für die unfreiwillige IndiScretion, die ich leider zu begehen gezwungen bin." Sie verstand nicht, worauf er hinzielte, aber unwillkürlich richtete sich ihre schlanke Gestalt höher auf. Der Fremde holte tief Athen«, dann fuhr er hastiger fort: „Ich komme auS der Residenz, vom Hose zu S. Es ist dort ein großes Unglück geschehen: gestern Morgen ist seine Durch laucht Fürst Eberhard ganz plötzlich in Folge eines Herz schlages gestorben." Er sah sie an, als erwarte er von diesen Worten ein« ganz außergewöhnliche Wirkung auf sie. Auf ihren Zügen spiegelte sich indeß nur die natürliche Theilnahme, die fremdes Unglück stets auf den edeldenkenden Menschen hervor ruft. „Ich beklage dieses traurige Ereigniß aufrichtig, Herr Baron", sagte sie, „aber ich begreife noch immer nicht, wie dasselbe Sie gerade hierher — zu mir führen kann?" „Wie? So hätte er Ihnen noch immer nichts gesagt?" entschlüpfte es im höchsten Erstaunen den Lippen des BaronS. Seine räthselhaften Andeutungen, die sie sich vergeben- zu verstehen bemühte, weckten in ihr ein dumpfes Angstgefühl, — sie ahnte instinctiv, daß sie vor einem dunklen Verhängniß stand, ohne doch im Stande zu sein, den Schleier zu lüften, der es ihr verbarg. Der ungekannten Gefahr gegenüber drohte ihr Muth sie zu verlassen, — unwillkürlich stützte sie die Hand auf die Tischplatte. „Ich bitte, reden Sie deutlich", bat sie tonlos. Um seinen Mund legte sich ein Zug bedauernden Mit leidens; in nervöser Erregung zerpflückte er eine der Blumen, die er vorhin achtlos ergriffen halte. — Dachte er vielleicht daran, daß er im Begriff stehe, die zarte Menschenblume da vor ihm auch erbarmungslos zu knicken? . . . Doch — es mußte ja einmal sein, stramm richtete er sich empor. „Was mich hergeführt, ist meine Ergebenheit für das Fürstenhaus S., dem ich mein Leben lang treu gedient habe. Nicht wahr, dieses Haus beherbergt seit fünf Wochen einen Gast, — darf ich fragen, Mademoiselle, in welchen Beziehungen Sie zu demselben stehen?" Ueber ihre seinen Züge breitete sich tiefes Roth, aber sie erwiderte seinen scharf gespannten Blick mit stolzer Ruhe. „Sie haben kein Recht, darnach zu fragen, mein Herr." Die Worte wurden ohne Erregung gesprochen, aber es klang eine deutliche Abweisung hindurch. „Mein Recht ist unzweifelhaft: ich beschwöre Sie, Mademoiselle, beantworten Sie meine Frage, — es hängt viel davon ab." Er sprach so dringend, — warum es auch verschweigen? ES war ja nichts Unrechtes dabei. AuS den bis dahin so angstvollen Augen brach ein Strahl himmlischen Glückes, und ein fast kindliches Lächeln huschte um ihre Lippen, als sie klaren Tones erwiderte: „Seit gestern bin ich seine Braut, mein Herr, aber", fuhr sie wieder ernst fort, „ich muß Sie noch einmal bitten, mir zu sagen, mit welchem Recht Sie diese Frage stellen." „Also doch —", murmelte er zwischen den Zähnen; laut erwiderte er dann: „Ich bin oder war vielmehr der Gouver neur und Reisebegleiter Seiner Durchlaucht, des nunmehrigen jungen Fürsten —, zweifeln Sie noch an meinem Reckte?" „Ich — ich — verstehe — nicht —" Krampfhaft stützte sich die kleine Hand auf den Tisch, auf dem die Vasen und Glaser leise zu klirren begannen. „Sie werden mich sogleich besser verstehen, — darf ich fragen, wie Ihr Verlobter sich nennt?" „Edgar Norden." „Sie täuschten sich, — oder vielmehr, man hat Sie ge täuscht; Edgar Norden ist ein fingirter Name, — der wirkliche lautet: „Edgar, Fürst von S. —" " Langsam, mit schwerer Betonung sprach er die Worte, die für ein junges, vertrauendes Herz einen tödtlichen Pfeil enthielten, jetzt wischte er sich mit dem Tuche über die feuchte Stirn, man sab es ihm an: es war ihm nicht leicht geworden, diesen Pfeil abzusenden. Sie rührte sich nicht. Wie wenn der kalte Hauch des Todes darüber hingestrichen wäre, so starr und fahl erschienen urplötzlich die holden, lebensvollen Züge. Aber siegend brach endlich doch der Glaube an den geliebten Mann aus der gequälten Mädchenseele, wie aus schwerem Traume erwachend, strich sie mit der Hand über die schmerzende Stirn. „Wenn Sie damit sagen wollen, daß Edgar mich ab sichtlich hintergangen, — so — so glaube ich Ihnen nicht", rang es sich mühsam über ihre todtblassen Lippen. Er antwortete nicht sogleich, — einen Augenblick durch zuckte ihn der Gedanke, daß es klug sein würde, sie an Edgar zweifeln zu lassen, das Verschweigen seines Namens als ab sichtlichen Betrug hinzustellen, und so, indem er ihren Stolz zu Hilfe rief, den Kampf rasck zu beenden. Doch nein, das wäre ja niedriger, abscheulicher Verrath an seinem jungen Fürsten gewesen, ein Verbrechen auch gegen die reine Mädchenseele, in der er damit Glauben und Vertrauen für immer ertödten würde. Nein, weg mit dem häßlichen Gedanken! Wahrheit zum Mindesten durfte sie fordern. Er trat ihr einen Schritt näher, und ihre herabbängende Hand ergreifend, sagte er in weickem Tone: „Verzeihen Sie mir, Fräulein, daß ich Ihnen diesen Schmerz bereiten muß, aber den Trost kann ich Ihnen geben, Sie haben Recht, Edgar hat Sie nicht bintergangen. Er hat unter falschem Namen dieses Haus betreten, weil cS ihm, nur wenn er incognito blieb, möglich war, unbefangen mit seinen Be wohnern, unter denen er ein Wesen wie Sie sicherlich nicht zu finden hoffte, zu verkehren, und daß er auck jetzt noch gegen Sie schwieg, halte seinen Grund nur darin, daß er entschlossen war, um Ihretwillen seinem Fürstentitel zu entsagen und in Wirklichkeit jenen bürgerlichen Namen an zunehmen." Sie entzog ihm ihre Hand nicht. „Ich danke Ihnen", sagte sie leise. „Wollen Sie mich einmal ruhig anhören?" Sie nickte stumm, er drückte sie sanft auf seinen Sitz nieder und setzte sich ihr dann gegenüber. In bewegten Worten schilderte er ihr die Lage Edgar'- sowie sein Verbältniß zu ihm. Er erzählte ibr, wie der junge Fürst zu ihm gekommen, ihm von seiner Liede ge sprochen und seinen Beistand nachgesucht habe. Wie er selbst
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