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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961007016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896100701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896100701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-07
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Di» Morgru-Al-gab« erscheint nm '/,? Uhr. die Lbeud-Au-gabr Wochentag» nm S Uhr. Nr-action und Lrpe-Mo«: Johanne»,affe 8. DieExdeoittou ist Wochentag» ununterbrochen a^itnet dm» früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: Vit» Klemm'« Sortim. (Alfred Hahn). UniversitSttslrah» 3 (Paultuum), Louis Lösche, KntkmrMenflr. 14, part. und König-vlatz 7, «sezugs-Preis la der Hlmptexp,Litton oder den im Stadt- oeoirk >md den Vororten rrrichtclen Aus» aavestellen abgebolt: okert,ljährltch^l<.50. bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau» SLÜ. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 8.—. Direkt« täglich« lbrenzbandieadung in« Ausland: monatlich 7.50. 5ll. Morgen-Ausgabe. MlDMr.TaAMM Anzeiger. Amtsblatt -es Aönigkichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 7. October 1896. Anzeigen Preis die Kgespaltene Petitzeile 20 Psg. Kleclamen unter dem RrdaciionSstrich (»ge spalten! bO^j, vor den Familienuachrichte» i6 gespalten) 40^. Glrößere Schristen laut unserem PreiS- mrzeichllib. Tabellarischer und Ztffernsatz »ach höherem Laris. Ertra-Bcilnnrn lgesalzt), nur mit de» Alorgen-Auegabe, ohne Postbeförderuag KO.—, m»t Postbesörderung ^ll 70-—. Annalsmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei Len Filialen und Annahmestellen je «in» halbe Stunde srüher. Anzeigen sind stets au dir Expedition zu richten. Druck und Verlag v"n E. Volz in Leipzig 90. Jahrgang. Der nationalliberale Delegirtentag. Wenn an dieser Stelle die Genugthuung über den Verlauf und die Ergebnisse deS Parteitages der nationalliberalen Partei vielleicht weniger lebhaft zum Ausdruck kommt, als in manchem anderen befreundeten Organ geschehen mag, so wolle man es dem Umstande zuschreiben, daß wir keinen Augenblick der Besorgniß Raum zu geben vermocht haben, eS werde in der Berliner Versammlung irgend eine Hoffnung irgend einer gegnerischen Richtung in Erfüllung geben. Daß diese Zu versicht nicht eine ganz allgemeine gewesen war, erklärte sich einmal aus einer ziemlich weit verbreiteten, aber auf dem Parteitag mit unbeschreiblicher Gründlichkeit geklärten irrigen Vorstellung von der parteipolitischen Bedeutung einer bestimmten Berliner Zeitung; sodann aus der anerkenneswrrthen Geschicklichkeit, mit der die Gegner von rechts und links sich den Umstand zu Nutze ge macht hatten, daß die nationalliberale Partei über daS ganze Reich verbreitet ist und dabei die Fühlung der regionalen Parteimittelpnncte unter einander nicht in der vollen wünschenswerther Intimität unterhalten werden kann, da zu in den letzten Jahren unleugbar — eine sächsische An regung hat in Berlin diesen verbesserungsbedürftigen Punct berührt— auch nicht bis an die Grenzen der Möglichkeit unter halten worden i st. Man wußte nicht genug von einander, und wenn auch z. B. die Südwestdeutscben vor dem Delegirteniaze keinen Grund batten ausfindig machen können, der ihnen die Aufrechterhaltung des alten Verhältnisses zu den nordost deutschen Freunden hätte verwehren können, so war das un versöhnlichen Zwiespalt ankündigende Geräusch der Gegner doch verwirrend genug, um bei den Südwcsldeutschen Besorgniß wegen der gleichen Geneigtheit bei den Nordost- deutschen hervorzurufen. Und umgekehrt. So war cs begreiflich, daß mancher Dclegirte be klommenen Herzens die Reise nach der Reichshaupt stadt antrat. Bei der Heimfahrt waren Alle von dem entgegengesetzten Gefühl erfüllt. Der alle und, wie wir beule mit neu verbrieftem Rechte sagen dürfen, der unverwüstliche nationale Gedanke bat die Delezirtenversammlnng von An fang bis zu Ende beherrscht, und zwar mit einer Unzwei deutigkeit und Selbstverständlichkeit, die allerdings auch unsere hinsichtlich des Ergebnisses gehegten guten Erwartungen weit hinter sich gelassen haben: der nationale Gedanke, der be gründet ist auf den Patriotismus und darauf angewiesen ist, sich zu seiner Verwirklichung des gesunden Menschenverstandes zu bedienen. Die Sacke lag in Berlin zunächst sehr einfach. Man tonnte wegen der wirthschaftspolitischen Meinungsverschieden heiten, sagen wir geradezu wegen der wirthschaftlichcn Inter essengegensätze, auSeinandergcben. Dabei war eS zweifel haft, ob einer der losgerissenen Theile, sei eS durch die Zsolirung, sei es durch Anschluß an ein anderes bestehendes Partei gebilde, wirtbschaftlich gewinnen konnte; dagegen bestand voll kommene Sicherheit darüber, daß alle in der Partei vertretenen wirthschaftlichcn Richtungen durch die Trennung politisch hätten verlieren müssen. Der Ausgabe, dicS klarzustellen, hatte sich der gesunde Menschenverstand unterzogen. Nun lag dem Patriotismus ob, die Frage zu beantworten: WaS steht uns höher, die wirthschaftlichcn Angelegenheiten oder das deutsche Reich, das bei seiner Zeigend und im Angesicht seiner vielen inneren Feinde noch lange einer ihm unbedingt dienenden starken Partei bedarf; die wirthschaftlichen Angelegenheiten oder die härter als je vom UltramontaniSmus bedrängte geistige und Gewissensfreiheit, deren einzige zuverlässige die auch in diesem Kampfe vom linken „Liberalismus" im Stiche gelassene nationalliberale Partei in ihrer einen gewissen Spielraum in wirtbschastlichen Dingen gewährenden Verfassung ist? , Die Antwort auf diese nationalen Schicksalsfragen ist ge geben in dem auf Anregung unseres Biedermann an die Spitze der Beschlüsse deS DelegirtentageS gestellten Grund sätze: „DaS Vaterland über ter Partei!" Wer diesem Grundsatz huldigt, und die Deleginen haben sich einmüthig zu ihm bekannt, für den entfällt von selbst die Erwägung, ob er sich Parteien zuwenden kann, die wirthschaftlichen Bestrebungen den höchsten Rang einräumen, also Bestrebungen, die ihrer Natur nach das Einzelinteresse dem Genieininteresse voranslellen müssen. Um die Bekräftigung des alten nationalliberalen Haupt satzes bewerthen zu können, muß man sich vergegenwärtigen, daß sie nicht erfolgt ist angesichts oder gar unter dem Drucke einer unser politisches Leben beherrschenden, einer unver züglichen Lösung harrenden Frage, sondern auf einem Dele- girtcntage, von dem durch die Parteileitung sehr nachdrücklich gesagt worden war, daß er nicht bestimmt sei, das Einigende, sondern berufen, das Trennende innerhalb der Partei in den Vordergrund der Erörterung zu stellen. Dem ist denn auch getreulich nachgekommen worben. Man hat die wirth- schaftlichen Gegensätze nickt vertuscht, sich über sie viel mehr mit vollem Freimutb auscinandergesetzt und vor allen Dingen der bei den Wählermassen zur Zeit nun einmal unleugbar zu Tage tretenden und menschlich sehr begreiflichen Verquickung von wirthschaftlichcn und politischen Fragen fest ins Äuge geblickt. Es liegt auch, so bedeutsam die gefaßten Resolutionen anderer Art, namentlich die über die Bekämpfung des Ultramontanisnius, sind der Sckwerpunct der Beschlüsse dieses Delegirtentages bei den in ihren Einzelheiten noch zu erörternden wirthschaftlichen Resolutionen. Aber, wie der Meinungsaustausch bei aller Offenherzigkeit einer gelegentlich daS köstliche Bätererbe der Grobheit nicht verschmähenden Sprache — mit einer einzigen, politisch und wirtbschaftspolitisch vollkommen gleichgiltigen Ausnahme — niemals das gegen seitige Wohlwollen vermissen ließ, so hat in der Sache alsbald über dem Gcwoge der keineswegs nur an der Oberfläche haftenden wirthschaftlichen Differenzen alsbald mit genügender Gewalt das Gemeinsame, das Vaterländische, die Oberherr schaft übernommen. Es war nicht die gewählteste Form, in der die patriotische Nothwendigkeit des Sichvertragens zum Ausdruck kam, aber die uns sympatischste, als ein Redner ausrief: „Wir müssen diese Gegensätze der ErwerbSinleressen hinunlerwürgen, weil höhere Dinge von uns das Zusammen halten fordern." Der Redner, der dieses Wort sprach (vr. Osann), war nicht etwa ein Befürworter der von der Parteileitung vor gesehenen Resolution über die Stellung der Partei zu den WirtbschaftSfragen. Der Mann hatte einen Antrag ein gebracht, der fick hinsichtlich des in der Partei zulässigen Maßes wirthschaftlicher Freiheit von der später angenommenen Resolution deS Parteivorstandes nach der agrarischen Seite so weit entfernt hielt, wie der Antrag der Herren Bueck und Genossen nach der entgegengesetzten Seite. Und nachdem er unterlegen war, versetzte dieser Antragsteller die Versammlung in ungetbeilten Jubel durch die Versicherung, daß er ohne jede Verstimmung die Entscheidung der Mehr heit hinnehme. Es ist in Berlin nichts von den Gegensätzen verschleiert worden, und deshalb ist auch die Aufrechterhaltung der Einig keit nicht, wie die verlegenen Gegner wobl sagen werden, die Verkleisterung eines RisieS, sondern ein Zeugniß dafür, daß die hell und grell beleuchteten TrennungSpuncte schwächer an Zahl und Kraft sind, als das von den Idealen der Vater landsliebe und der bürgerlichen und geistigen Freiheit ge wobene alte Baud. Die ungezählte Male todtgesagte Partei lebt und wird vermöge der Tbeilnabme für notb- lridende VolkStheile die auf ihre vermeintliche Principientreue stolzen Parteigebilde ebenso sicher überleben, wie vermöge ihrer Ehrlichkeit die von treulosen Verheißungen ihr Dasein fristenden. Das russische Kaiserpaar in Paris. * Versailles, 6. October. (Telegramm.) Der Zug des Präsidenten Faure ist um 8,27 Uhr und derjenige de-russischen Kaisers um 8,50 Uhr früh hier eingetrofsen. Der Präsident begrüßte da- Kaiser paar. Letzteres bestieg darauf den Zug des Präsidenten, der um 9,53 Udr die Fahrt nach Paris fortsetzte. (Wiederholt.) * Paris, 6 October. (Telegramm.) Das Zarenpaar und der Präsident sind um kO Ubr auf dem Bahnhose Ronelagb, von einer zahllosen Menschenmenge stürmisch begrüßt, ange kommen. (Wiederholt.) * Paris, 6. October. (Telegramm.) Als der Zug mit dem Kaiser, der Kaiserin und Faure in Len Ronelaah-Bahnhof ein fuhr, schlugen die Trommler einen Marsch, die Truppen präsen- tirten, die Anwesenden schwenkten die Hüte. Es ertönten Rufe: es lebe der Zar, es lebe die Republik. Der Kaiser grüßte militai- risch, die Kaiserin verbeugte sich huldvollst, Fanre grüßte mit dem Hute. Es ereignete sich kein Zwischenfall. Der Kaiser trug dieObersten- Unisorm der russischen Jäger und den Großcordon der Ehren-Legion Im Augenblick der Ankunft ertönten auf dem Mont Valerien 101 Kanonenschüsse. Auf dem Perron waren die Mitglieder der russi schen Botschaft, die Minister, die Bureaus der beiden Kammern, die Bureaus des Gemeinderaths, der Erzbischof von Paris und die Genträle Davoust und Saussier anwesend. Nach den Vor stellungen in dem besonders hierzu eingerichteten prachtvollen Salon begaben sich der Kaiser, welcher zur Rechten des Präsi denten schritt und die Kaiserin, der der Präsident den Arm gereicht hatte, auf dem Perron, wo der Kaiser die Front der von der Oarcks rSpublieaios gestellten Ehrenwache abschritt. Nach dem die Herrschaften die Wagen bestiegen hatten, setzte sich der Zug, unter brausenden Hochrufen der Menge, welche den Kaiser, die Kaiserin und den Präsidenten mit Zurufen begrüßten, in Be- wegung. Der Zug fuhr um den Triumph-Bogen und bog in die Cbamps Elisees ein. Ter Platz am Triumph-Bogen war von Menschen überfüllt. Die Champs ElysSes boten einen wunderbaren Anblick. Die Menge hinter den Polizei-Mannschaften und den präsentirenden Truppen rief: „Es lebe der Zar, es lebe der Kaiser, es lebe die Republik, es lebe Faure und schwenkte die Hüte. Der Kaiserin, welche sehr bewundert wurde, wurde be sonders lebhaft zugerufen. Auf dem ganzen Wege bis zur russischen Botschaft war eine ungeheuere Menschenmenge an gesammelt. Auf jedem Brunnen, jedem Candelaber hingen Knäuel von Menschen, welche Beifall jubelten. Der Place de la Concorde war von Schaulustigen überfüllt; sogar die Fontaine war trotz der Gefahr des Durchnäßtwerdens mit Menschen besetzt. Ucberall ertönten die oben angeführten Ruse. Der Bahnhof war in weitem Umkreise abge sperrt; nnr die mit Durchlaßkarten für die officiellen Tribünen versehenen Personen erhielten Zutritt zu demselben. — Um 11 Uhr 5 Minuten kam der Zug in der russischen Bot schaft unter begeisterten Zurufen des Publicums an. Präsident Faure verließ die Botschaft wieder um 11 Uhr 20 Minuten. * Dem telegraphischen Bericht der „Voss. Ztg." über den Empfang des Zarcnpaares und die Fahrt nach der russischen Bot schaft entnehmen wir noch Folgendes: Den Anblick einer von Neugierde und Begeisterung erregten Weltstadt mit besonders be- weglicher und zu äußerlichen Kundgebungen geneigter Bevölkerung zu schildern, ist kaum möglich. Menschengruppen aus allen Erhöhungen die ganze gegen sechs Kilometer lange Triumphstraße entlang, an den Häusern bis auf die Dächer, an den Laternenpsählen, in den Baumkronen. Alle Polizeianordnungen und Verbote er wiesen sich wie gewöhnlich als Amtsstubentheorie, die in der Wirklichkeit vollständig versagte. Der vorgeschriebene freie Raum zwischen den Trupprnreiben und dem Bürgersteig bestand nicht, die Schutzleute wendeten dem Publicum nickt das Gesicht zu, man stellte überall ruhig Leitern, Planken und Stühle auf und er kletterte, was sich erklettern ließ. Tie Räubergeschichten von den ungeheueren Fensterpreisen waren Flunkerei, man bot mir, al? ich an meinen Posten eilte, vor mehreren gut gelegenen Häusern Balkonplätze um 10, ja 5 Franken an. Die Triumphstraße entlang war ungemein reich geflaggt, viele Balcone waren mit goldbesranztcn Purpursiofsen verhängt. Ich schätze die Menge, die den Zaren erwartete und begrüßte, auf mindestens 300 000 Per sonen, nämlich zwei je sechstausend Meter lange Zeilen mit durch schnittlich drittebalb Personen auf rin Meter und zehn Reihen Tiefe. Ter Empfang des Kaisers durch den vor ihm erschienenen Faure und die Minister war kurz und herzlich. Kurz nach IO Uhr begannen die Kanonen des Jnvalidenpalastes zu donnern. Nach einigen Minuten, während deren im Empsangssalon Cercle gehalten wurde, bestiegen dos Kaiserpaar, Faure und die übrigen Hauptpersonen die Wagen und der Zug setzte sich langsam in Be wegung. Der Zar trug Gencralsunisorm, die Kaiserin Helle Toilette, Faure saß aus dem Rücksitz dem Kaiserpaar gegenüber. An den Schlägen deS Galawagens ritten Generale, in weilem Kreise hüllten ihn arabische Häuptlinge in malerischen Trachten aus wunderbaren Pferden und ibr Gefolge von Wüstenreitern in rotbcn, blauen und weißen Burnussen ein. Diese Araber hatten einen großartigen Erfolg bei der Menge. Der Zar sah etwas müde und angegriffen aus, doch konnte man bemerken, mit welcher Neugierde er um sich blickte und welchen starken Eindruck die Menge und der Anblick der Straßen auf ihn machten. Ter Jubel des Volkes war ungeheuer; was die Menge schrie, war kaum zu unterscheiden. Ich glaube hauptsächlich „vivo l'empersur!" gehört zu haben, auch wurde nach französischem Brauche viel in die Hände geklatscht. Von vielen Fenstern und Balconen wurden Blumen geworfen, die indeß nicht einmal die Soldatenreihcn er reichten. Ter Zug fuhr langsam und erreichte um II Uhr 5 Min. die Concordienbrücke, bis zu der ich ihm folgen konnte. * Paris, 6. Oktober. (Telegramm.) Ter kaiserliche Zug bestand auS 15 Equipagen, vorauf ritten arabische Häuptlinge. Tas Kaiserpaar hatte in der ersten Equipage Platz genommen. Präsident Faure saß der Kaiserin gegenüber. AlS die kaiserliche Equipage durch daS Thor der russischen Botschaft fuhr, verstärkte sich der Beifall der Menge in die Ruse: „Es lebe der Zar!" „Es lebe die Republik!" Alle Häuser sind dicht besetzt. Bei der ! Einfahrt in die Botschaft grüßte der Zar mit freundlichem Lächeln > daS Publicum noch einmal milttairisch. Auch die Kaiserin verneigte Feirilletoir. Leptembertllge aus SchiUer's Leben. Von Herman Semmig. (Schluß.) 3. War eS eine Mahnung deS Schicksals, daS ihn bedeuten wollte, auch auf die Nachtseiten des Lebens gefaßt zu sein? In Heilbronn, wo er so freudig erregt ankam, ungeduldig des Augenblicks harrend, wo er die Schwelle überschreiten könnte, die ihn noch von seiner Heimath trennte, sand er seine Jugcndgeliebte wieder, Margarethe Schwan, die Tochter des Mannheimer Buchhändlers, der ihm die Hand deS anninthigen MädckenS verweigert halte. Margarethe hatte später eine andere Wahl getroffen, die dem Vater noch weniger behagte. Sie war jetzt die Frau des Schreibers und Winkelkonsulenten Trefftz und lebte in den ärmlichsten Verhält nissen. Der Vater batte sie im Zorne verstoßen. Nur als sie sich in der äußersten Noth befand, ließ er sich erbitten, sie notb- dürftig zu unterstützen. In diesem Elend sah sie der Dichter bei seinem Aufenthalt in Heilbronn wieder, sie waren beide tief gerührt; des Dichters Gattin war zugegen. Welch er greifender Anblick! Am 7. Januar 1796 endete der Tod das kummervolle Leben der armen Margarethe. Bald nachher traf den Dichter eine zweite, schmerzlichere Todeskunde. Am 23. März war sein liebes Schwesterchen Nanette auf der Solitude gestorben — in blühendster Jugend. Die schönen Hoffnungen, die der Bruder auf ihre Ausbildung gesetzt hatte, verloschen. Noch am Tage des HinscheidenS meldete der tief betrübte Vater dem Sohne den herben Ver lust; er schrieb vom Bette aus, er war schwer krank! Jammervolle Tage brachen nun über die Familie auf der Solitude ein, sie wurden Alle krank, die Mutter und die Tochter Luise, so daß Ebristopbine, die Aelteste, von Meiningen herbei eilen mußte. Dazu fielen die Franzosen inS Land, eine wilde Horde brach plündernd und raubend in die Wohnung der kranken Familie ein, und nun kam der September, der verbängnißvolle Monat!, Am 7. September 1796 starb der beste der Väter, wie sein Sohn, der Dichter, ihn genannt bat. Es muß letzteren, trotz der Kunde von der schweren Krankheit, an der der Vater gelitten halte, grausam berührt haben, denn er batte drei Jahre vorher von Ludwigsburg au« an Körner schreiben können: „Mein Vater ist in seinem siebzigsten Jahre daS Bild eines gesunden Alters, wer sein Aller nicht weiß, wird ibm nicht sechzig Jahre geben. Er ist in ewiger Tbätigkeit und diese ist es, was ihn gesund und jugendlich erhält." In jenem September 1793 hatte er ein doppeltes Glück genossen; er fühlte sich glücklich als der Sohn seines treuen Vater«, der jetzt so viel Freude an ihm erlebte, und wiederum als der Vater des kleinen Karl, den er nun für daS Leben erziehen sollte, und in diesem Sep tember 1796 ward ihm der Erstere genommen. Lassen wir den Dichter selbst sprechen; an seine Mutter schrieb er: „Zwar habe ich schon eine Zeit lang Nichts mehr gehofft — aber wenn das Unvermeidliche eingetreten ist, so ist eS immer ein erschütternder Schlag. Daran zu denken, daß Etwas, daS uns so theuer war und woran wir mit den Empfindungen der frühen Kindheit gehangen und auch im späteren Alter mit Liebe geheftet waren, daß so Etwas auS der Welt ist, daß wir mit allem unserm Bestreben eS nicht mehr zurück bringen können, daran zu denken, ist immer etwa« Schreck liches. Und wenn man erst wie Sie, theuerste, liebste Mutter, Freude und Schmerz mit dem verlorenen Freund und Gatten so lange, so viele Jahre getbeilt hat, so ist die Trennung um so schmerzlicher. Auch wenn ich nickt einmal daran denke, was der gute verewigte Vater mir und uns Allen gewesen ist, so kann ich mir nicht ohne wehmüthige Rührung den Beschluß eines so bedeutenden und thatenvollen Leben« denken, daS ihm Golt so lange uud mit solcher Gesunvheit fristete, und das er so redlick und ehrenvoll verwaltete. Ja, wahrlich, eS ist nicht« Geringes, auf einem so langen und mühevollen Laufe so treu auszuhalten und so wie er noch im 73. Jahre mit einem so kindlichen reinen Sinn von der Welt zu scheiden. Möchte ich, wenn eS mich gleich alle seine Schmerzen kostete, so unschuldig von meinem Leben scheiden, wie er von dem seinigen! DaS Leben ist eine so schwere Prüfung, und die Vorthrile, die mir dir Vorsehung in mancher Vergleichung mit ihm vergönnt haben niag, sind mit so vielen Gefahren für daS Herz und für den wahren Frieden verknüpft. Ich will Sie und die lieben Schwestern nicht trösten, ibr fühlt Alle mit mir, wie viel wir verloren baden, allein ibr fühlt auch, daß der Tod allein dieses lange Leiden endigen konnte. Unserm tbeuren Vater ist wohl und wir Alle müssen und werden ibm folgen. Nie wird sein Bild in unstien Herzen erlöschen und der Schmerz um ihn soll uns nur noch enger unter einander vereinigen. Bor fünf oder sechs Jahren bat eS nicht geschienen, daß ibr, meine Lieben, nach einem solchen Verluste noch «inen Freund an einem Bruder finden würdet, daß ich den lieben Vater überleben würde. Gott bat es anders gewollt und er gönnt mir noch die Freude, euch Etwas sein zu können." Freilich, ehe man ahnen konnte, zu welcher Höbe sich der Sohn Fritz emporsckwingen würde, als er seine sichere, er worbene Lebensstellung in Stuttgart aufgab und auS der Heimatk stob, durfte man dem strengen Vater, der sich durch barte Prüfungen hindurch mit rastloser Arbeit eine geachtete Existenz gegründet batte, es nickt verargen, wenn er dem jungen Brausekopfe zürnte und wobl auch herben Tadel über ibn auSsprach. Der Biograph Düntzer durfte wohl schreiben: „Wie viel Kummer und Sorge hatte sein Fritz dem guten Alten gemacht, der mit solcher Thatkraft und Ehrenhaftigkeit durch ein dornenvolles Leben gewandert war!" Aber der Vater, der später noch den Ruhm seines SobneS erlebte, bat seinen Dank gegen Gott in folgenden frommen Worten niedergeschrieben: „Und du Wesen aller Wesen! Dich bab ich nach der Geburt meines einzigen Sohnes gebeten, daß du demselben an GeisteSstärke zulegen möchtest, waS ich aus Mangel an Unterricht nicht erreichen konnte, und du hast mich erbört! Dank dir, gütigste- Wesen, daß du auf die Bitten der Sterblichen achtest!" Wir haben Heuer den hundertjährigen Jahrestag des Todes von Schiller'- Vater gefeiert. Er starb auf dem Schlosse Solitude in seiner Amtswohnung; im Dorfe Ger lingen am Fuße de- hohen Berges wurde sein müder Leib begraben, wo er neben der irdischen Hülle der anmulbigen Nanette rubt. Die beiden genannten Orten zunächst gelegene Stadt ist Leonberg. Aus Anregung des Rcdacteurs der dortigen „GlemS- und Würm-Gauzeitung", S. Lindenberger, ist dieses Tage- feierlich gedacht worden. Vom 10. August batte die Zeitung schon über eine andere Schillerfeier be richtet; sie schrieb auS Leonberg: Die Einweibung deS „Schiller-ZimmerS", Nebenzimmers in der „Krone", fand gestern Abend in gelungener Weise statt. DaS Zimmer war init der von Herrn Postpraklikant Bader gestifteten schönen Schiller-Büste, um welche sich ein grüner Zweig schlang, geschmückt; außerdem war daS Zimmer mit den PortraitS von Schiller's Eltern und Schwestern, sowie der Scene „Schiller'- Abschied von seiner Mutter auf der Solitude vor seiner Flucht nach Mannheim" versehen. Wahrend der Feier wurde die historische Darstellung ent wickelt, welche Schiller'- zeitweisen Aufenthalt in der „Krone" hier feststellt, ebenso die damaligen localen Verhältnisse Leon bergs geschildert. Von Fräulein Gentner wurde» Ztther- vorträge gegeben, der Gesangverein „Frohsinn" trug eine Reihe schöner Lieder vor, worunter „Bei den Träumen meiner Kindheit möcht' ich sieben"; ferner wurde das Lied „Schiller in der Krone zu Leonberg" dcclamirt und im Chor gesungen mit Zitberbegleitung. Der Vortrag von Schiller's Gedickten, sowie eine Reibe von Toasten würzten die Stunden. Tie zahlreiche Versammlung war sich bewußt, das Andenken Schiller's und seines Ausentbalis in Leonberg würdig begangen und für alle Zeiten sestgehalten zu haben. Aus dem Gedichte S. Lindenberger's auf Schiller's Einkehr in der „Krone" mögen zwei Strophen hier stehen: Herr Schwegler, Wirth zur Krone, Der schenkte tapfer ein Dem edlen Museniolme Vom Leonberger Wein, Vom Schillerwein, dem klaren, Woher der Name stammt, Der beul' zum Guten, Wahren Die Geister noch entflammt. Die Feier zum Gedächtniß des Todestages des Vatcrö sand am Sonntag, 6. September, im Schillerzimmer in der „Krone" statt, Nachmittags im Kreise des Liederkranzes, am Abend wurde sie von allen Schillcrfreunden begangen. Ten Bericht darüber bringt die Zeitung mit den Worten: „Es ist ein auffälliger Zug, daß wir uns für die Mutter großer Männer lebhafter zu interessiren gewohnt sind, als für deren Vater, und in einseitiger Auffassung alles Große und Gute als daS alleinige Erbtbeil der Mutter auSgeben. Und dock ist dies ein großes Unrecht, daS wir bier begeben. Wir ahnen oft kaum, von welchem bestimmenden Einfluß die Charakter eigenschaften des Vaters auf den Sohn sind." Zuweilen kann man allerdings fragen, ob nicht vielleicht die größere Zärtlichkeit, dies echt weibliche Moment, der Mutter für das Urtheil des Biographen bestimmend gewesen ist, ob dasselbe nicht vorwiegend von der Empfindsamkeit beeinflußt worden ist. Da wir hier keine ridentliche Biographie schreiben, so können wir hier diesen Auchpruch nicht begründen, aber wenn sich der Dichter selbst beglückwünscht bat, „von Tausenden den besten der Väter gehabt zu haben", so dürfen wir bier wobl den Gedanken der „Leonberger Zeitung" zur Erwägung empfehlen. Die Verdienste deS Vaters um den Sohn sind auch fcbon manchmal gewürdigt worden, die „Leonberger Zeitung" führt bei diesem 100 jährigen Gedenktage die Schrift von Oskar Brosin an, deren Au-sührung beachtet zu werden verdient.
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