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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.10.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961015024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896101502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896101502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-15
- Monat1896-10
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Für Eurer Majestät Politik scheint wenigstens eine Frucht schon gereift zu sein, die der richtigen Würdigung der deutschen Freundschast in der öffentlichen Meinung Rußlands. Die vorjährigen Bestrebungen des Fürsten Gortschakoss und anderer antideutscher Politiker, eine uns feindliche Fühlung zunächst mit Oesterreich und dann nach Belieben mit Frankreich zu finden, Deutschland aber in der Meinung des russischen Volkes und Herres zu discreditire», sind definitiv mißlungen; wir sind mit England in gutem Vernehmen geblieben, und die früher deutschfeindlichen Moskauer wollen eine Adresse an Eure Majestät richten: die Freundschast Oesterreichs haben Eure Majestät in Ischl gestärkt, und die bisher unermüdlichen Verleumder der deutschen Politik finden mit ihren Fabeln über Kriegsgelüste keinen Anklang mehr. Der Drei- Kaiserbund wird unter Eurer Majestät Führung mit Gottes Hilfe auch ferner im Stande sein, dein Kaiser Alexander freie Bahn und deni übrigen Europa den Frieden zu erhalten. Ich werde mich glücklich schätzen, wenn ich Eurer Majestät in dieser glorreichen Aufgabe wieder mit vollen Kräften dienen kann. Noch bin ich leider nicht so weit, wenn auch die unmittelbaren Krankheitserscheinungen seit Kilsingen zurückgetreten sind, so ist doch meine allgemeine Schwäche jetzt fast größer als vor meiner Abreise nach Kissingen. Jede geistige Arbeit erregt meine Nerven so, daß der Schlaf mich flieht. Wollte ich mich ganz enthalten, so würde ich mit einigen meiner College» auf dem Gebiete innerer Gesetzgebung in unheilbaren Zwiespalt gerathen. Gesetzentwürfe, die ich der Industrie schädlich oder unpraktisch halte, entstehen in meiner Abwesenheit, und der Kampf dagegen macht mir viel eigene Arbeit, noch mehr das Ver- langen, in unseren Zoll- und Steuergesetzen und im Eisenbahnwesen die Reformen anzubahnen, die ich nothwendig glaube, für die ich aber keinen Beistand finde. Ich bin eben unter Eurer Majestät Ministern, allenfalls mit Friedenthal, der einzige, der vermöge seines Besitzes zu gleich zu den „Regierten" gehört und mit diesen empfindet, wo und wie die Schuhe drücken, die uns vom grünen Tische der Gesetzgebung her angemessen werden. Die Minister, ihre Räthe, die Mehrzahl der Abgeordneten sind gel-hrte Leute, ohne Besitz, ohne Gewerbe, unbe- theiligt an Industrie und Handel, außerhalb des praktischen Lebens stehend; ihre Gesetzentwürfe, überwiegend Juristenarbeit, stiften oft Un heil und die Abgeordneten aus dem praktischen Leben sind einmal, den Gelehrten gegenüber, in Landtag und Reichstag die Minderheit, und dann treiben sie leider mehr Politik, als daß sie ihre materiellen Interessen vertreten sollten. So kommt es denn, daß ein Gesetz entwurf, der die letzteren schädigt, wenn er einmal von den Ministern eingcbracht ist, durch die Mehrheit der Gelehrten und Beamten in den Parlamenten leicht durchgebracht, meist noch verschlechtert wird. Verzeihen Eure Majestät diese Darlegung der Verhältnisse, welche mich hier zur Arbeit nöthigen, während die Gesundheit Ruhe verlangt. Die auswärtigen Geschäfte sind nicht die aufreibenden. Ich soll nach Gastein gehen, vermag aber immer noch nicht den Entschluß zur Reise zu fassen, wegen Schwäche und Menschenscheu. Meine Frau, welche Tölz in Bayern gebrauchen soll, dankt ehr- furchtsvoll für Eurer Majestät huldreiche Grüße und wünscht Eurer Majestät fernerer Gnade unterthänigst empfohlen zu sein. v. Bismarck. Ein historisches Document mag bezeugen, wie Fürst Bismarck im vollen Einverständniß mit Kaiser Wilhelm I. Rußland auch in schwierigen Situationen Treue kielt. Die russischen Truppen waren nach anfänglichen Erfolgen am 30. und 3l. Juli l877 bei Plewna zurückgeschlagen worden und hatten sich nach dem Schipkapasse zurückgezogen. England bereitete, gestützt auf die Klagen der Türkei über angebliche Grausamkeiten russischer Truppen, eine gemeinsame Action der Mächte vor, in deren Auftrag der deutsche Kaiser im Interesse der Humanität beim Zaren vorstellig werden sollte. Daß sie nicht zu Stande kam, hatte Rußland dem Kaiser Wilhelm zu danken, der das englische Ansinnen mit dem Hinweis auf die strenge Neutralität ablehnte, die seine Regierung fick zur Pflicht gemacht habe. Kaiser Wilhelm, in dem die Erinnerung an die russisch-preußische Waffengemeinschaft von l8l3 immer lebendig blieb, nahm an dem Mißgeschick der tapfern russischen Truppen persönlich den wärmsten Antheil und schrieb in diesem Sinne am 6. August von Gastein aus seinem Kanzler. Das eigenhändige Antwort-Schreiben Bismarck's lautet: Varzin, 11. August 1877. Eurer Majestät danke ich ehrfurchtsvoll für das huldreiche Schreiben aus Gastein vom 6. und empfinde mit Allerhöchstdenselben ein peinliches Bedauern über die unvorsichtige Zersplitterung der russischen Heere und die dadurch verursachten Unfälle. Nicht daß ich politisch eine für Deutschlands Frieden gefährliche Wendung des halb befürchtete, im Gegentheil haben diese unvermutheten Siege der Türken die Möglichkeit einer weitern Verbreitung des Krieges durch Einmischung Englands oder Beunruhigung Oester reichs in die Ferne gerückt. Aber es ist unmöglich, ohne bewegte Theilnahme das Unglück dieser tapfern und befreundeten Truppen zu lesen und ohne Erbitterung von den schändlichen Greuel« thaten der Türken gegen Verwundete und Wehrlose Kenntniß zu nehmen. Bei solchen Barbareien ist es schwer, die diplomatische Ruhe zu bewahren, und ich denke, daß unter allen christlichen Mächten das Gefühl der Entrüstung allgemein sein muß. Vielleicht würde es den Intentionen Eurer Majestät entsprechen, wenn das auswärtige Amt eine Mittheilung in diesem Sinne an die übrigen Cabinette richtete und dieselben zu gemeinsamen Vorstellungen bei der Pforte aufforderte. Für die Russen liegt in diesen Er- scheinungen ein Zeugniß, daß sie wirklich die Vorkämpfer christlicher Civilisation gegen heidnische Barbarei in diesem Kriege sind. Ich freue mich, aus Eurer Majestät Schreiben die Bestätigung meiner Ueberzcugung zu entnehmen, daß Deutschland dieHand zn irgend welcher Demüthigung Rußlands nicht bieten darf, und daß Eure Majestät dem Kaiser Alexander „Farbe halten" wollen, d. h. die neutralits bien voillantv durchführen und bei den jetzt, wie zu vermuthen, ferner gerückten Friedensverhandlungen billige Wünsche Rußlands diplomatisch unterstützen; auch solche, die nicht im allgemein christlichen, sondern in berechtigten russischen Wünschen ihrenfGrund haben. Solche Wünsche geltend zu machen, wird Rußland allerdings nur als Sieger in der Lage sein, und der Sieg wird ihnen vielleicht noch länger Len Rücken drehen, wenn sie, wie die letzten Berichte über eine angeblich dritte Schlacht bei Plewna bekunden würden, falls sie richtig sind —, wenn sie fortsahren, starke feindliche Stel lungen schnell und mit unzureichenden Kräften nehmen zu wollen. Nutzlose Aufopferung braver Soldaten ist das einzige Resultat. Eure Majestät besorgten, daß die Türken den Kampf vor dem Eintreffen der russischen Verstärkungen erneuern würden, nach den Deutschland und Rußland. -?- Hamburg, 15. .October. (Privattelegramm.) Die „Hamburger Nachrichten" enthalten in ihrer heutigen Morgenausgabe einen mit H. L. (vr. Horst Ko bl) gezeich neten Leitartikel, der zweifellos mit Wissen und Willen des Fürsten Bismarck veröffentlicht worden ist. Der Artikel lautet: „Das russisch-französische Einvernehmen, das in den letzten Tagen durch die glänzenden Feste von Cherbourg, Paris und Cbalons seine officielle Bestätigung erfahren bat, läßt sich in seinen Anfängen auf das Miß behagen des Für st en Gortschakoff über die selbstständige Nolle zurückführen, die das deutsche Reich in der europäischen Politik zu spielen sich gestattete. Für die Bestrebung des deutschen Reichskanzlers, durch Herstellung eines Drei-Kaiserbundes Europa den Frieden zu sichern, hatte Fürst Gortschakoff kein Berständniß; er sah mit Neid auf seinen „diplomatischen Lehrling". Das Jahr 1875 brachte den ersten Beweis dafür, daß das Rußland Gortscbakoff's sich von der Basis freundschaftlichen Einverständnisses, auf dem das Drei-Kaiser- Bündniß beruhte, innerlich entfernt hatte und den Anschluß an Frankreich suchte. Gortschakoff gab sich — obwohl ihm die friedlichen Tendenzen der maßgebenden Persönlichkeiten Deutschlands aus bester Quelle bekannt waren — dazu her, jene Comödie zu insceniren, die neulich an der Hand eines (auch von uns am 27. August d. I. mitgetheilten. Red. d. „L. T.") Briefes des Fürsten Bismarck an Kaiser Wilhelm I. näher beleuchtet worden ist. Die unfreundliche und un ehrliche Rolle, die Gortschakoff bei dieser Gelegenheit ge spielt hat, hätte einen empfindlichen Staatsmann wohl verstimmen können, aber Fürst Bismarck hat es jeder zeit verstanden, persönliche Stimmungen den politischen Interessen unterzuordnen, und da für ihn das wichtigste politische Interesse die Erhaltung des Friedens, dieses Ziel aber nur durch sorgsame Pflege der Beziehungen Deutschlands zu Rußland und Oesterreich, wie dieser Staaten unter einander zu erreichen war, so fuhr er — des ungetrübten Bertrauens der drei Kaiser sicher — fort, in allen Divergenzen, die zwischen Oesterreich und Rußland aus dem Zusammenstößen ihrer beiderseitigen Interessen auf der Balkanhalbinsel entsprangen, das Amt des „ehrlichen Maklers" zu verwalten. Schwieriger noch war die Aufgabe, die ihm nach Beendigung des russisch-türkischen Krieges zusiel, als es galt, die mannigfach sich kreuzenden Interessen Ruß lands, Oesterreichs und Englands auszugleichen und bald hier, bald dort zu Nachgiebigkeit und Mäßigung zu mahnen. Fürst Bismarck hat sich aus dem Berliner Eougreß, wie er selbst einmal gesagt bat, als den „vierten russischen Bevoll mächtigten" betrachtet und alle russischen Wünsche, soweit es ohne Verletzung deutscher Interessen möglich war, nach Kräften unterstützt, die meisten auch durchgesetzt. Dank hat er dafür nicht geerntet. Graf Schuwaloff, der mit voller Ueberzcugung Bismarck's ruffenfreundliche Haltung an erkannte, fiel durch Jntriguen in Ungnade, gegen Bismarck aber eröffnete die russische Presse eine Campagne, in der eine künstliche und berechnete Gereiztheit gegen Deutschland und den Leiter der deutschen Politik an den Tag trat. Zu einer französisch-russischen Intimität ist es in den Tagen des alten Curses nicht gekommen, es blieb der Aera Caprivi Vorbehalten, die Keime von 1875 zu kräftiger Ent wicklung zu bringen. Politische Tagesschau. * Leipzig, 15. October. Die bereits vom Telegraphen gemeldete Nachricht eines Berliner Gewährsmannes der „Franks. Zeitung", daß der Director der Colonialabtheilung des Auswärtigen Amtes, vr. Kayser, sein Abschiedsgesuch eingereicht habe, bestätigt sich, denn sie geht von anderer Seite auch der „Köln. Zeitung" und dem „Hamb. Corr." zu. Ueberein- stimmend wird allen drei Blättern ferner berichtet, daß an der Genehmigung deS Gesuches nicht gezweifelt werde. Die Meldungen der „Köln. Ztg." und des „Hamb. Corr." stimmen ferner darin überein, baß vr. Kayser sich bereit er klärt habe, bis zum Abschluß der Verhandlungen des Colonial- ratkes, der am 19. d. M. Zusammentritt, die Geschäfte weiter zu führen. Ueber die Grunde seines Entschlusses wird dem rheinischen Blatte nichts mitgetheilt; der „Franks. Ztg." wird über diesen Punct berichtet: „Die Angriffe aus dem Lager der PeterS, Arendt, Arnim und Schröder sind nicht der sachliche Grund des Rücktritt«; die besondere persönliche Art dieser Angriffe dürste aber wesent lich dazu beigetragen haben, dem Colonialdirector die Lust an seinem nicht leichten Amte zu verleiden und nun aus seinem Ab schiedsgesuch zu bestehen, das er schon wiederholt eingereicht hat. Diesmal sind die Versuche, ihn zum Bleiben zu bewegen, erfolglos gewesen. Sein Ausscheiden bedeutet keine Aenderung in der Stellung der Regierung zur Colonialpolitik im All gemeinen und zu den Umtrieben gewisser Colonialpolitiker ini Besonderen. Kayser's Ernennung zu einem anderen hohen Amte im Reichsdienste ist in Aussicht genommen". Dem „Hamb. Corr." wird dagegen versichert, daß Kayser's Entschluß in keinerlei Zusammenhang mit den persönlichen Angriffen der Herren Vr. Peters und Genoffen stehe; cs wird hinzugefügt, dies werde durch die voraussichtlich im Laufe dieses Monats zum Abschluß gelangende Unter suchung gegen Peters klar gestellt werden; die letzten Zeugenaussagen aus Ostafrika lägen nunmehr vor. Wir hoffen, daß die letztere Meldung sich bestätigt, denn eS ist nicht nur höchste Zeit, daß volle Klarheit in die gegen Peters erhobenen Anklagen gebracht wird, sondern es würde auch kein günstiges Licht aus vr. Kayser werfen, wenn er .sich durch persönliche Angriffe, gegen die es doch gesetzliche Waffen giebt, von seinem Posten drängen ließe. Stehen diese Angriffe in keinerlei Zusammenhang mit seinem Entschlüsse, so liegt die Annahme nahe, daß vr. Kayser fühlt, eine mit den Verhältnissen in unseren afrikanischen Colonien durch langjährige persönliche Er fahrungen vertrautere Persönlichkeit wie Major v. Wiss- mann, dessen Rückkehr auf seinen Gouverneurposten in Deutsch-Ostasrika bekanntlich noch fraglich ist, würde als Director der Colonialabtheilung des Auswärtigen Amtes mit größererAutorität und deshalb erfolgreicher zuwirken vermögen. Da Wissmann soeben in Berlin angekommen ist, so ist rie Frage, ob er geneigt ist, daS dornenvolle Amt Kayser's mit dem Gouverneurposten in Deutsch-Ostafrika zu vertauschen, wahr scheinlich bereits gelöst. Wir würden eS mit Freuden be grüßen, wenn sie im bejahenden Sinne gelöst wäre. Als selbstverständlich aber müssen wir es betrachten, daß vr. Käufer vor seinem Eintritt in ein anderes hohes Amt im Reiche dienste volle Klarheit über die Natur der gegen ihn gerichteten gehässigen Angriffe schafft. Feuilleton. Die Schuld des Fürsten Romanskoi. 15j Roman von Conr. Fischer-Sallstein. Nachdruck verboten. Der Fürst wurde nach und nach ruhiger, und nun sprachen die beiden Alten über die schon seit Jahren in Dutzenden von Briefen projectirte Verbindung zwischen Lidia Tschierwanewna und Jlija Andrej. In dieser Unterhaltung vermied man cs mit peinlicher Fürsorge, die Person der Petuschkiwna auch nur zu berühren. Aber um so mehr dachte Stepan Wassilitsch an sie. Auch Lidia war erstaunt, als sie den Jlija Andrej er blickte. Das ganze Wesen dieses jungen Herrn, seine Art zu sprechen und den Kopf zu tragen, ein gewisses Etwas in seiner Stimme, erinnerte sie so sehr an Michael JaSmorin, daß ihr Blut in Wallung gerieth, und sie erröthete bis zu den Schläfen hinauf. Genau betrachtet, war kaum eine Ähnlichkeit zwischen JaSmorin und dem jungen Grasen zu finden. Lidia forschte umsonst nach Zügen in seinem Gesicht, die mit denen des JaSmorin auch nur vergleichbar gewesen wären. Nein, hier war Alles so hart und herb, so verschlossen, so in sich gekehrt. ES lag Etwas Lauerndes in diesen Augen, und bei seinem Lächeln hätte sie frösteln mögen. Ja, aber waS war es denn, daS ihn dem Studenten so ähnlich machte? Lidia wußte es nicht. Jasmorin's Lächeln war wie ein sonniger Tag, sein Gesicht glich einem aufgeschlagenen Buch, in dem man lesen konnte, und in welchem lauter schöne lebensfrohe Sachen stanven. Wie sehnte sie sich gerade jetzt danach, dieses Gesicht zu sehen. Und er beantwortet nicht einmal ihre Briese! Vielleicht, um sich darüber klar zu werden, waS es eigent lich sei, daS sie so lebhaft an Michael erinnerte, kam sie dem Jlija mit einer gewissen Freiheit entgegen, die der Situation nicht ganz entsprach. Gieb Dir keine Mühe, sagte Jlija Andrej in seinem Innern, Du bist ein sehr schönes Mädchen, aber was ich für mein Herz gebrauche, habe ich. Ich werde Dir schwere Stunden bereiten müssen, dafür aber hast Du meinen Onkel verantwortlich zu machen, der meine Novelle nicht verstehen Wollte. „Beliebt es Ihnen, Herr Graf, mit mir ein wenig im Vorgarten spazieren zu gehen?" fragte ihn Lidia. Sie ist gut dressirt, dachte sich Jlija, und seine Lippen kräuselten sich. „Mit Vergnügen, Comtesse!" Er trat sofort auf die Terrasse hinaus und Lidia folgte ihm, ohne daß die Großmama, die zu sehr mit dem Fürsten beschäftigt war, dies bemerkt hätte. Sie stiegen die Freitreppe hinab und standen nun auf dem schmalen, frisch gekehrten Kiesweg. „Großmama hat mir so Vieles von Ihrer Reise um die Welt erzählt, sie wurde durch Ihren Onkel immer auf dem Laufenden erhalten. Was haben Sie sich denn aus den fernen Ländern mitgebracht?" Jlija Andrej wurde roth und gerieth in Verwirrung. Sollte sie denn wissen —, fragte er sich und dachte an das Ereigniß im Hotel Bristol. Wenn er nur wüßte, ob das, wie doch sehr leicht an- zunehmen war, eine Frage der kindlichsten Naivetät gewesen sei. So kann eine kleine allerliebste Plaudertasche von fünf Jahren fragen, und Lidia war doch eine angehende Dame, deren klare Augen sehr klug in die Welt blickten. Will sie ihn festspießen gleich bei der ersten Begegnung? Unruhig lief er fünf Schritte von ihr weg und kam dann wieder zurück. Als er ihr jetzt wieder ins liebliche Angesicht sah, rang er seltsamer Weise mit dem Verlangen, sie zu seiner Vertrauten zu machen. Gab eS in dieser Welt eine Menschenseele, der er sich hätte anvertrauen mögen, so war das Lidia, er fühlte es. „Man findet so manches da drüben über dem Meer, WaS interessant ist und man nimmt eS mit. Möglich, daß man eS nachher zu Hause gar nicht gebrauchen kann, aber das beeinträchtigt die Sammelfreude nicht. Schwärmen Sie für Altcrthümer, Comtesse?" „Ach nein." „Schade, da könnte ich Ihnen manche Mitthcilungen machen. Vielleicht von Delhi? Ich selbst werde diese Stadt nie vergessen. Man muß da daS EingangSthor zum Mo- gulensort gesehen haben. Und dann erst den Palast des Großmoguls. Die Engländer haben jetzt dort ihre Waarenballen aufgespeichert. Großartig ist die Divan i KhaS, die Divan i Am, und dann erst die Palaschmoschee. In der Divan i KhaS stand seiner Zeit der berühmte Pfauenthron. Zwei ungeheure Pfauen, au» eingelegten Edelsteinen dargestellt, bildeten den Hintergrund de» au» massivem Gold geschmiedeten Throne», welcher von einem gleich kostbaren, mit Edelsteinen und Perlen besäeten Baldachin überragt war." Er erzählte ihr das nur, um Zeit zu gewinnen, ihr Wesen zu studiren, weil er sie nun in Verdacht hatte, raffi- nirt zu sein. Es lag ganz im Charakter Jlija Andrej's, und vielleicht war das eine Folge seiner Erziehung, von seinem Nebenmenschen immer das Unerfreulichste zu denken. Nichts wäre ihm peinlicher gewesen, als gerade von ihr mit der Frage überrumpelt zu werden, waS das für eine Person sei, die im Hotel Bristol beinahe die öffentliche Aufmerksamkeit erregt habe. „Sagen Sie mal, Herr Graf MatscherSkoff, gehen Briefe zuweilen auf der Post verloren, zwei Briefe hinter einander?" „Was?" fragte dieser zurück und gerieth in Verwunde rung, „möglich ist das Wohl, aber nicht sebr wahrscheinlich. Sind Ihnen denn Briese verloren gegangen?" Er lächelte in sich hinein, weil er soeben noch überzeugt war, daß sie über den goldenen Thron des Großmoguls nachsinnen würde. Nein, sie ist das reinste, unschuldigste Kind! Vor einer Ueberrumpelung ist er sicher. „Ich spreche nur im Allgemeinen, Herr Graf; also Briese gehen sehr selten verloren?" „Sehr selten, Sie können unserer Postverwaltung das größte Vertrauen entgegen bringen." Wie dankbar wäre Lidia ihm gewesen, wenn er ihr gesagt hätte, daß Briefe sehr oft verloren gehen. Sie war wieder sehr betrübt und' nahm gar kein Interesse mehr an Jlija Andrej. Sie beugte sich nieder, pflückte ein Blättchen von einem geschnittenen Buchöbaum ab, und rang auf einmal mit dem Verlangen, auf ihr Zimmer zu schleichen, um dort einen dritten Brief an den Bruder JaSmorin zu schreiben. „Ueber WaS denken Sie »ach, Comtesse?" „Ist eS nicht seltsam, daß so viele welke Blätter um unS herum liegen?" „Sie lieben die Herbststimmungen?" „Ach nein. Sagen Sie mal, Herr Graf, giebt eS schöne Frauen in Indien?" Nein, eine solche Dreistigkeit ist unerhört, tobte eS in Jlija Andrej auf, und er blickte ihr drohend in die Augen, als wolle er ihr sagen: Du bist eine hinterlistige Schlange, aber ich werde Dir mit gleicher Münze dienen! Seine Lippen kräuselten sich in Hohn und Trotz. WaS will er denn, fragte sich Lidia und wich erschreckt vor ihm zurück, er sieht mich au, al- ob er mich tödty wollte und warum? Ist er eifersüchtig, ahnt er, daß sie immer nur an Michael JaSmorin und seine Jndierin denkt? „Hat meine Frage Sie in Verwunderung versetzt oder verletzt, Herr Graf MatscherSkoff? Oh, ich habe meine guten Gründe, so zu fragen. Im Hotel Bristol befand sich eine Jndierin. Ich habe mir alle Mühe gegeben, sie zu sehen, es wollte mir aber nicht gelingen. Sie war schon fort, als ich Zeit gewann, mit dem Diener ins Hotel zu gehen, er hatte ie schon abgebolt und irgend wo anders verbracht." „Wer?" fragte Jlija Andrej mit verhaltenem Athem, denn er wollte sie zwingen, aus dem Busch hervor zu kommen. Blutroth im Gesicht, die Augen verwirrt zu Boden chlagend, hauchte sie: „Er, der Ihren Namen mißbrauchte, — — aber Sie werden ihm das verzeihen, ich bitte darum, — ich meine Michael JaSmorin." Ich weiß, wen Du liebst, sprachen die Augen Jlija Andrej's, und er weidete sich an dem reizenden Verwirrtsein deS schönen Kindes. Ja, bei Gott, wenn er nicht in Indien gewesen wäre, dann möchte er sich diesem schönen Kinde zu eigen geben! „Wer ist denn das?" fragte er nun. „Der Oberkellner im Hotel Bristol bat mir ebenfalls diesen Namen genannt." „Ein armer Student. Aber er wird eS nicht immer bleiben. Solche Leute, wenn sie Fleiß und Talent haben, werden oft Minister." „Jawohl, aber unter Tausenden oft nicht einer! Indessen, dieser Michael JaSmorin interessirt mich, ich möchte ihn kennen lernen." „Er wird es einst!" versetzte Lidia mit einer wahren Be geisterung. „Wenn Sie ihn auch nur einmal sehen, dann werden Sie auch daran glauben. Finden Sie eS nun be greiflich, wenn ich mich darüber erkundigt, ob eS schöne Frauen in Indien giebt?" „Sehr, meine theure Comtesse! Nun, die Frau in Jndieu steht im großen Ganzen auf einer sehr niedrigen Stufe. Aber es giebt da Fürstentöchter aus uralten Häusern. Sie sind oft von großer Schönheit. Es giebt da englische Pensionate, die sich mit der Erziehung solcher Damen beschäftigen. Natür lich nehmen viele das Christenthum an." „Kennt man dort das Sacrament der Ehe?" „Gewiß", versetzte Jlija Andrej und stand unter dem Ein druck, daß er auf dem Wege sich befinde, sich bloßzustellen, „es giebt sehr viele Officiere der indischen Armee, die mit solchen Damen glücklich verheirathet sind. Macht ein Europäer dir Bekanntschaft einer solche^ Dame, wa» durchaus nicht
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