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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.10.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189610183
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18961018
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18961018
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-18
- Monat1896-10
- Jahr1896
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.10.1896
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Extra-veilaaea (gesalzt), nur mit de, vrorgea-Ausgabe, ohne Poftbesörderuag M.—, mit Poftbesörderuag ^l 7V.—. Ilnnahmeschlnß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgab«: Nachmittag« 4Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eia» halb« Stund« srüher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von <k. Polz in Leivzig Sonntag den 18. October 1896. SV. Jahrgang. ZUM 18. Oktober. Heute, wo im Kreislauf veS Jahre« der Gedenktag der Leipziger Völkerschlacht gekommen ist, wird das Denkmal ent hüllt, da« die treuen Westfalen auf dem WittekindSberge, bei der kort» n«ttklic», Kaiser Wilhelm dem Ersten errichtet haben. Hoch über dem Weserstrom erhebt sich in mächtiger Halle sein eherne« Standbild, die große Zeit der Reichsbegründung in einer Landschaft ver körpernd, welche wie Leipzigs Ebene der Schauplatz wrlt- geschichtftcher Begebenheiten war. Denn da« Hermanns denkmal im Teutoburger Walde ist e«, welches daS suchende .'luge vom WittekindSberge aus erblickt. Die Hermanns schlacht, die Leipziger Völkerschlacht, Wilhelm!. — bedeutungsschwere Worte, die durch die Jahrhunderte von Geschlecht zu Geschlecht werden bewahrt werden. Die erste greifbare, verständliche Gestalt der deutschen Vorzeit, Hermann der Cherusker, ward der Organisator des nationalen Widerstandes gegen RomS Vorhaben, die Welt ru erobern. Außer diesem phantastischen, einem geographischen )rrthum entsprungenen Ehrgeiz bewogen reale militairische Erwägungen Rom zum Angriff wider die Germanen. Eine beständige Kriegsgefahr von ihnen besorgend, wollte Nom nicht nur die deutschen Küsten beherrschen, sondern auch das innere Germanien unter seine Botmäßigkeit bringen. Da brach der nationale Widerwille gegen den verhaßten Unterdrücker, von Hermann geschürt und gelenkt, in einer wilden Erhebung auS, rettete Deutschlands Unabhängigkeit und machte Augustus erzittern. Doch bloS auf Abwehr, nicht auf eigene Angriffe batten die Germanen eS abgesehen, und in gewohnter Zwie tracht bald wieder sich selbst zerfleischend, wurden sie für die römische Welt lange Zeit unschädlich. Achtzehn Jahrhunderte waren feit der Hermannsschlacht vergangen, al« wiederum ein Welteroberer über den Rhein zog, Napoleon Bonaparte. Erbarmungslos zertrat er das verrottete Staatswesen, das den ehrwürdigen Namen „heiliges römisches Reich deutscher Nation" trug, erbarmungs los legte er daS letzte Bollwerk deutscher Freiheit, die Monarchie Friedrich'« des Großen, in Trümmer, er barmungslos häufte er Schimpf und Schande auf die unterjochten Fürsten und Länder. Es war für unser Volk die Zeit der tiefsten Erniedrigung. Und daS Flehen nach einem neuen Hermann, das dem gramdurchwühlten Herzen Heinrich'« von Kleist sich entrang, nach einem Hermann, der den Haß zum Amt und zur Tugend die Rache sich erkor, ist Jahre lang verhallt. Selbst die Be deutung der ungrbeuerlichen Niederlage» die der corsische llebermensch in Rußland erlitten, baden die Deutschen nur allmählich begriffen. Erst die hinreißende Tbat des General- L)ork, der Abschluß der Convention von Tauroggen, zerbrach die Kesseln des KleinmuthS und stählte den Glauben an die eigene Kraft. Preußen stand auf. Die Ehre deS deutschen Namen- war schon wieder hergestellt, als mit der Schlacht bei Leipzig da« ursprüngliche Ziel de« Kriege- ge sichert, der Rheinbund aufgelöst und Deutschland bis zum Abrin befreit wurde. Aber daS Bewußtsein, daß endlich die Zeit der Fremdherrschaft vorüber und ihre Schmack getilgt sei, ist erst durch die Leipziger Schlacht in den deutschen Landen ein allgemeine« geworden. Der österreichischen Politik erschien der errungene Sieg säst allzu groß. War doch von einer energischen Verfolgung schon damal« dir Vernichtung der napoleonischen Macht sicher zu erwarten; sie wurde durch die Maßnahmen deS Großen Hauptquartier« der Verbündeten abgewen det? Ein bezeichnende« Verfahren, das für die Aus sichten einer deutschen Verfassungsreform vor bildlich wurde. Freilich tragen die Verantwortung hierfür nicht die Regierungen allein. Die politische Reise de« tapferen Geschlecht« entsprach nicht entfernt seiner kriegerischen Tüchtigkeit. Schwankend zwischen patriotischer Sehnsucht und partikularistischer Gewöhnung, theilte sich da- deutsche Volk mit den Diplomaten de- Wiener CongrcfseS in die Schuld daran, daß der neue BerfafsungSbau lächerlich weit biutrr den Erwartungen de« Befreiungskriege- rurück- blieb. Deutschland« Zersplitterung dauerte in, Deutschen Bunde fort. Selber ohnmächtig, konnte der Deutsche Bund da- Erstarken desjenigen deutschen Staate- nicht verhindern, der berufen war, ,hn zu zerstöre«. An seine Stelle sind Kaiser und Keich getreten. Wa« im Jahre 1813 als poetische- Travmbild in den Seelen aufging, was dann Geschlecht um Geschlecht berbeisehnte, — die Heldenarbeit unseres Volke« in Waffen, die Opferwilligkeit unserer Fürsten und der Genius des eisernen Kanzler« haben e« ver wirklicht. Fest steht das Reich gezimmert und gefügt, fest ist der Grund, auf dem e« errichtet ward. Wachsame Hüter dieses stolzen Baue- braucken weder äußere Neider noch innere Feinde zu fürchten. Nicht sicherer Ruhe und ibatrnlosem Genuß bat unser Volk sich hingeben dürfen, es ist nicht eiogeschlafeu auf den Lorbeeren der Siege von 1870/71. DaS »weiß Vie Welt. Und wenn sie gezweifelt hätte, ob der alte Geist noch lebendig sei, da- Verhalten der Mannschaft de- untergegangene« „Iltis* hätte sie eines Besseren belehrt. Aber nicht nur da- Ausland, auch unsere inneren Feinde lenken den Blick auf die Besatzung de- „IltiS". Hat jenes den Braven rückhaltlose Bewunderung gezollt, so sind diese von giftiger Wuth gegen sie erfüllt. Der Grund ist leicht einzusehen und unvorsichtiger Weise auch au-gesprochen worden, ehe er auf dem socialdemokra- lischen Parteitag« heuchlerisch bemäntelt wurde. In der Versammlung, die im Leipziger „Pantheon* am 21. Sep tember d. I. stattfand, hat der Reich-tag-abgeorduete Schönlank nach dem Bericht der „Lechz. VolkSztg.* gesagt: ,,Un« könne - jedoch gleich sein, welche Auffassungen die Herr- ichenden von uu« hätten, weil wlr un« nicht an sie, sonderu au die Beherrschten wendeten, an die kleinen L«ut«, die Unterdrückten. Und La gäbe «s noch unendlich vt«l zu ttzna. Lharakteristisch lei dafür da« Verhalten der mit Hurrah und Flaggenlied unter- »»Headen Mannschaft de« „Illi«". Lia solcher Fall zeige, daß wir noch Niel zn thu» hätten . . Hirria liegt da« Eingeftäudniß, daß alle socialdrmokratisch« Uaterwühlnag ein« stumpfe Waffe bleibt, so lang« da« Heer sich ihr verschließt. Sorgen wir, daß unsere Krreger immer von so felsenfester Treue für Kaiser und Reich erfüllt sind, wie die helrenmüthige Besatzung deS „Iltis", welche durch die That wahr macht«, was der Mund verkündete: Stolz weht die Flagge schwarz-weiß-roth An uns'rr« Schilfe- Mast, Dem Feinde weh', der sie bedroht, Der diese Farben haßt! Sie flattern an dem Heimathstrand Im Winde hin und her, Und fern vom theuren Vaterland Auf sturinbewrgtem Meer. Ihr woll'n wir treu ergeben sein. Getreu bi« in den Tod, Ihr woll'n wir unser Leben weih'n. Der Flagge schwarz-weiß-roth! Äus -er Woche. K Der Darmstädter EntbusiaSmus ist erbebend. Dem diesjährigen socialdemokratischen Parteitage lag, wie früheren, der Antrag vor, jedes zweite Jahr statt alljährlich zusammenzutreten. Die Antragsteller meinen eS offenbar gut mit ihrer Partei, denn daS Schauspiel begegnet einer wachsenden Gleichgiltigkeit. Der „Vorwärts" declamirt zwar regelmäßig einen Prolog und einen Epilog, in denen angckündigt, beziehungsweise versichert wird, der Parteitag sei ein weltgeschichtliche- Erergniß, aber in Siebleben Hörle man ja, eS sei nickt« darauf zu geben, was in diesem Blatt stände. Die Sache ist wirklich nicht mehr interessant. Hadern die Herren, wie im Vorjahre auS Anlaß der „Agrarfrage", so liegen dem Zwist am Ende doch nur persönliche Rivalitäten, gelegentlich auch persönliche Interessen zu Grunde. Und hadern sie nickt, so sind sie langweilig. Abgesehen von einigen zweifellos ernstgemeinten Injurien gegen Liebknecht und Ouarck, der als „verkrachte bürgerliche Existenz" etiquettirt wurde, erinnert die diesjährige Verhandlung lebhaft an die jenigen Doctorpromotionen, bei denen man sich die Angriffe bestellt, nur um durch Rede und Gegenrede den bertömmlichen Verlauf des Actus zu sichern. In Siedlern war Alle« „alt". Die an den Saalwänden angebrachten zahmen Sprüche — „unter sich" sagt man wohl: Kindersprüche — wie: „Nickk aus dem Blute der Tyrannen entlodern die Flammen der Freiheit" und „Nicht ohne Kampf, doch ohne Schlacht", stehen ja wohl in grellem Contrast zu dem Strick, der auf dem Brüsseler Socialistencongreß als „König Leopold - letzte Cravatte" gezeigt wurde, und zu Bebel'S Ausspruch: „Wehe unseren Gegnern, wenn wir siegen", aber die Anbringung dieser Wandzierden kennzeichnet sich doch nur als die recht plumpe Fortsetzung der seit Langem gemackten Versuche, über dir auf gewaltsamen Umsturz gerichteten Tendenzen der Socialdemo kratie zu täuschen. Dergleichen verfängt aber höchstens beim herzoglichen Staatsministenum von Sachsen-Meiningen und einigen „Christlich-Socialen". Daß die ganz gesättigten oder der vollkommenen Saturirung harrenden Persönlich keiten, die den Parteitag bilden, nicht ans LoSschlagen denken, da- zu versichern, braucht eS keiner Sinnsprüche, aber die revolutionär — und zwar revolutionär un Flinten- und Petro- 'eumsinn der Gewalt — gedrillten Genoffen, die von der ocialistischen „Gesellschaft" erwarten, waS Jene jetzt von der Partei genießen, sind schon bisher nicht durch die socialdemokratische Parteileitung, sondern durch von ihr sehr verschiedene Mächte abgehalten worden, die Früchte der Agitation der Herren Singer und Bebel nach der ge lehrten Methode zu pflücken. Daß zu diesen Mächten die große Mehrheit der Arbeiter schaft zählt, hat jetzt wieder anerkannt werden müssen. Es war auf dem Parteitag beantragt worden, den achtstündigen NormalarbeitStag in den Mittelpunkt der Agitation zu rücken und ibn al- Losung für die nächsten Reichstagswahlen zu küren. Nichts konsequenter al- dieses. Der Achtstunden tag bildet die wichtigste Forderung des praktischen Theilcs des socialdemokratischea Parteiprogramm- und soll der „Mai feier", hinsichtlich deren, beiläufig bemerkt, die Parteileitung sich auch auf diesem Parteitag insolvent erklären mußte, den Inhalt geben. Da man im Jahre 18S8 die sofortige Ein führung de- Zukunftsstaat«- füglich nicht zur Wahl parole machen kann, so war es ein natürliches Ver langen, die weitestgehend« Forderung de- „zeitlichen" Programms al- Banner aufzupflanzen. Der Antrag wurde jedoch nicht angenommen. Den Grund der Ab lehnung hat der Berichterstatter Wurm freilich verschwiegen, indem er sagt«: „Die Masse der für die Reichstagswahlen ausschlaggebenden Bevölkerung hat vorläufig noch wichtigere Forderungen, so das Verein«- «nd Versammlung-recht, das Recht der Krauen, sich zu orgauifiren". Nein, Herr Wurm, für wichtiger al- den NormalarbeitStaa sieht kein Mensch, am allerwenigsten ein Arbeiter, diese Dinge an. Weil im Gegentheil die Wichtigkeit der soeiatistischen Haupfforderung überall erkannt wird, darf die Partei nicht wagen, sie in den Vordergrund zu stellen. Au-ficht auf da- all gemeine Verbot der Berwertdung der Arbeitskraft im Intereffe deS Arbeitenden und seiner Familie —, und die bekannte Droschke reicht zur Beförderung der social demokratischen Reich-tag-abgeordneteu hin. Einen Parteitag hat auch di« süddeutsche „Volks partei" abgehalten. Es wurde daselbst dem Fürsten Bismarck und den Nationalliberalen da- Mißfallen der Demokratie bezeigt, hierauf die uralte nationale Forderung nach Reform der Militairstrafproceßordnnng „aufgegriffen", die Abschaffung de- Einjährig-Freiwilligen-Institutes verlangt und die Bereitwilligkeit, die deutschen Eolonien zu verscheaken, bekundet. Daun wurde Bier und würtembergischer Landwei» getrunken — Alle- unter dem Schutze der schwarz- roth-goldenen Flagge, an der die Demokraten festbalteu wie die englische» Iakobite» an den Ansprüchen de« au-gestorbenen HauscS Stuart. Am andern Tage sahen die Herren Beck, Galier und Götzl mit Erstaunen, daß sie die Welt nicht au- den Fugen gerissen hatten, sollen aber bereit- beim Früh schoppen mit de« Fortbestand der gegenwärtigen Ding« wieder auSgesöhnt gewesen sein. Gott erhalte sie der deutschen Raritätenkammer! Deutsche- Reich. * Tresden, 17. October. Bei der Landcssynode ist folgender Antrag eingegangen: Die hohe Synode wolle folgende Erklärung beschließen: In Erwägung, 1) daß der Landessynode als der Vertretung der Gesammtheit der Kirchengemeinden der Landeskirche eS obliegt, über deren Gedeihen mit zu Wachen, 2) daß demgemäß die Frage, welche Stellung dem Geistlichen innerhalb der sogenannten christlich-socialen Bewegung zukommt, als eine der ernstesten Fragen unserer Zeit von der Synode nicht unbeachtet gelassen werden kann, erklärt die Synode: a. so gewiß es dem Geistlichen unbenommen sein muß, seine politische Ueberzeugung in den verfassungsmäßigen Schranken gleich jedem anderen Staatsbürger zu bethätigen, d. und e« Pflicht des Geistlichen ist, für die Linderung und Hebung der Noth und de« Elend-, für den Schutz der Schwachen und Bedrückten in den Grenzen seine- Amte- mit den Kräften de« Evangelium- in Wort und That einzutreten, e. so gewiß ist es mit dem Amte unver einbar, daß der Geistliche als Werkzeug der Agitation oder als Führer an der socialpolitischen Bewegung sich be- theiligt. Dresden, den 16. October 1886. Dr. Wach. Benz, v. Dibelius. vr. Eckardt. v. Fricke, v. Harig. Gras von Könneritz. Lehmann. O. Meier. Meyer (Zwickau). Opitz- V. Pank. Ö. Rietschel. Siebenbaar. Gras Vitzthum von Eckstädt. Weidauer (Nossen). Berlin, 17. October. E« ist der ehemals süddeutschen, jetzt deutschen Volkspartei schon einmal ziffernmäßig bewiesen worden, welchen geringen Anspruch sie in Folge des mangelhaften Reichstagsbesuches ihrer Mitglieder darauf erbeben könne, daß ihre parlamentarische Thätigkeit als mitbestimmend für die Gestaltung unserer innerpolitifchen Verhältnisse angesehen wird. Diese berechtigte Mahnung zu wohlangrbrachter Bescheidenheit scheint bei dem Abgeordneten Conr. Haußmann nicht virj gefruchtet zu haben. Der von ihm auf dem jüngst in Ulm abgehaltenen Parteitag der „deutschen Volkspartei" erstattete ReichStag-bericht leistet an H l'-rnsi'ung das denkbar Mögliche. ES erscheint daher gebc. ., oie frühere Lcction zu Nutz und Frommen deS Herrn Haußmann zu wiederholen. „Wir haben bei der Gewerdenovclle gegen spärliche und nutzlose Verbots vorschriften und Erweiterung der burcaukratiscken Eingriffs- -efugniß gestimmt, .... wir haben, weil die Gewerbe- reihest durch daS Gesetz verletzt wurde, gegen dieses gestimmt", erklärte Herr Haußmann in Ulm. Io Wirklichkeit wurde bei der Abstimmung über die Gewerbenovelle am 22. Juni die deutsche Volkspartei durch den einen Cour. Haußmann vertreten, nachdem sie bei der resultatloS gebliebenen Ab- Ummung am 17. Juni durch gänzliche Abwesenheit zeglänzt hatte. Will man also nicht annebmen, daß der Demokrat Haußmann den „plursUs mujssUtüs" für eine Person in Anspruch nimmt, so bleibt für die Erklärung ! eS „wir" nur ein Gedäcktnißfehler deS Genannten übrig. Nicht viel besser steht es um die Vertretung der weiteren Bemerkung de« Haußmann'schen Bericht- über das Börsen gesetz: „Wir waren bereit, gewisse zweckmäßige Bestim mungen de» BörsengesetzentwurfS zu accepttren, .... aber da- Gesetz wurde völlig unannehmbar für die Ver treter unserer Partei" rc. Weder bei der ersten, noch bei der zweiten und dritten Lesung deS Börsengesetzes Hal ein Mitglied der deutschen Volkspartei den Mund aufgethan, und bei der namentlichen Abstimmung am 1. Mai waren nur drei BolkSparteiler im Reichstage anwesend. Drei Viertel der Partei fanden eS nicht der Müde werth, in Berlin zu erscheinen. „Die Volkspartei war sodann bei den 124 Abgeordneten, welche da- Zuckersteuergesetz ablehnten", -eißt e« bei Haußmann weiter. In der That zeigte die deutsche Volkspartei in der Bekämpfung deS Zuckersteuer- gesetze« einen größeren Eifer. Bei der Abstimmung am 11. Mai waren ganze vier Mann von ihr am Platze, am 12. Mai waren eS schon fünf, und am IS- Mai hatte sich die Zahl sogar auf neun gesteigert, wa« drei Viertel der Partei aus machte. In welcher Stärke die deutsche Volkspartei bei dem Con- fumvereinsgefetz aufmarschirt ist, läßt sich Mangel-einernament- jicken Abstimmung leider nicht feststellen. Gesprochen hat bei diesem Gesetze nur der Abgeordnete Augst, und wir möchtenZehn gegen Eins wetten, daß er auch bei der Abstimmung die ge jammte Volkspartei repräsentirt hat. Daß die Partei de- Herrn Haußmann bei der Berathung de- Bürgerlichen Gesetz buches io der Stärk« von zwei Köpfen auftrat, hat schon der Abgeordnete Groeber gelegentlich im Reichstage constatirt. Unter solchen Umständen wurde etwa» Bescheidenheit dem Herrn Haußmann wohl anftrhen. Vor Allem sollt« sie ihn vor Anschuldigungen anderer Parteien bewahren. Herr Haußmann sprach namlick in Ulm davon, baß die agrarische reactionair« Strömung nickt nur die „schwach gewordene und zwischen ihren einstigen Grundsätzen führerlos umherirrende national liberale Partei", sondern auch dir „gleichfalls kraftlose Regierung" mit in ihren Strubel gezogen habe. E« läßt sich wohl nur durch die weitgehende persönliche Unbekanntschaft Haußmann'- mit dem Verlauf der parla mentarischen Angelegenheiten erklären, wenn er zu den „Re sultaten dieser erleuchteten Politik" auch da- Margarine gesetz rechoet. Die Nationalliberalen haben bekanntlich gegeo diese- Gesetz gestimmt, und wenn die Regierung jemals bewiesen hat, daß sie nicht „kraftlos" ist, so war eS gelegent lich der Ablehnung de« von der conservativ-klerikale» Mehr heit de- Reichstag« aogenommeuea Margarioegejetze«, trotz der maßlosea Angriff« und Drohungen doa Seiten der Agrarier. Wir schießen kaum über da- Ziel berechtigter Kritik hinaus, wenn wir nack alledem Herru Haußmann für seinen nächste» Reichstag-bericht etwa« mehr Wahrheitsliebe und viel mehr Bescheidenheit wünsche«. * Berit«, 17. October. Der Borfitzende de- west fälischen Bauernverein- Frhr. v. Landsberg ist, wie gemeldet, anläßlich der Feier an der Porta Westfalica am 18. October zu einer Audienz beim Kaiser befohlen. Diese Thatsach« wurde al- bemerken-werth bezeichnet, da der Frhr. v. Sand-berg gegen den Antrag Kaurtz und gegen rin Zusammengehen mit dem Bunde der Land- wirthe sich erklärt hatte. Di« letzter« Auffassung erklärt dir „D. Tag.-Ztg." für falsch, und sie betont zugleich, daß Frhr. von Landsberg ein „geschätzte- Mitglied de- Bundes der Landwirtbe" sei. Wir geben deshalb noch einmal wieder, was ler Frhr. von Landsberg in der Versammlung von» vorletzten Sonntag aussübrte. Er erklärte u. A.: Der Verein habe dem Bunde der Landwirthe früher immerhin nicht feindlich gegenübergestanden. Neuerdings sei aber der Antrag Könitz hinzugekommen, an dem die Freundschaft endgiltig scheitern könne und müsse, denn er halte es sür durchaus ver werflich, etwas als Agitationsmittel zu benutzen, das man ver- nünftigerweise nicht erstreben soll, das vor Allem nicht erreichbar ist. lkr für seinen Thril würde sofort von der Leitung des westfälischen Bauernvereins zurücktreten, wenn der Verein sich nach dieser Richtung den Bestrebungen de- Bundes Ler Land- wirtde ansckließen wollte. Wenn der Bund noch viel derartige „geschätzte Mitglieder" hat, dann kann e« mit der Anhängerschaft des Antrags Kanitz nicht weit her sein. * Berlin, l7. October. Die „Ostmark", das Organ des Verein- rum Schutze des Deutschtbum« in den Grenz provinzen, mackt darauf aufmerksam» daß am 2. October der gesetzliche Termin abgelaufen ist, welcher in dem Gesetze vom 28. August 1876, betreffend Vie Geschäftssprache der Behörden, Beamten und politiscken Körperschaften für Aus nahmen von dem Gebrauche der deutschen Gesckäftssprache im preußischen Staate Vorbehalten worben ist. Mit Rücksicht auf die Bedeutung Vieser Thatsache geben wir in Folgenvem den Wortlaut des Gesetzes vom 28. August 1876, soweit eS sich auf dieselbe bezieht, wieder. Z l. Die deutsche Svrache ist die ausschließliche Gesckäftssprache aller Behörden, Beamten und politischen Körperschaften des Staates. Der schriftliche Verkehr mit denselben findet in deutscher Sprache statt. 8 L. In dringlichen Fällen können schriftliche, von Privatpersonen ausgehende Eingaben, welche in einer anderen Svrache abgesahk sind, berücksichtigt werden. Im Falle der Nlchtberücksichtigung sind sie mit dem Anheimstellen zurückzugeben, sie in deulicher spräche wieder einzureichcn. 8 3. Für die Dauer von höchsten- zwanzig Jahren, von dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ab, kann im Wege königlicher Ver ordnung sür einzelne Kreise oder KrriStheile der Monorchie der Gebrauch einer fremden Sprock»« neben der deutschen für die münd lichen Verhandlungen und die protolollarijchen Aufzeichnungen der Schulvorstände, sowie der Gemeinde- und Kreisvertretungen, der Gemeindeversammlungen und Vertretungen der sonstigen Eom- munalverbäude gestattet werben. Während des gleichen Zeitraumes kann durch Verfügung der Bezirksregieruiig den der deutschen Sprache nicht mächtigen Beamten ländlicher Gemeinden, durch Bcr- sügung des AppeUation-grrickte« den der brunchen Sprache nicht mächtigen Gericht-vögtrn und Vormündern gestattet werden, ihre amtlichen Berichte und Erklärungen in der ihnen geläufigen Sprache einzureichen. 8 10. Alle diesem Gesetze rntgegenstehenden Vorschriften treten außer Kraft, Insbesondere auch: alle Vorschriften über den Ge brauch der polnischen Sprache in der Provinz Pofen, einschließlich deS Erlasse- wegen Uebersetzung der Gesetze in die polnische Sprache vom LO. Juli 18l6- Berlin, 17. October. (Telegramm.) Der Kaiser kehrte gestern Nachmittag um 3 Uhr 30 Min. von Cummers- dorf nach Berlin zurück, begab sich nach dem hiesigen könig lichen Schloss«, empfing daselbst um 4 Uhr den Reichs kanzler Fürsten zu Hohenlohe-SchillingSfürst zum Vor trage und fuhr dann nach dem Neuen Palais zurück, von wo er sich dann zu dem bereit- erwähnten Abschiedsessen de- Officiercorp- deS 1. Garde-RegimentS z. F. nach Potsdam begab. Heute früh um 7>/« Uhr machten beide Majestäten einen gemeinsamen Spazierritt in die Umgebung Potsdams. Nach der Rückkehr hörte der Kaiser den Vortrag de- Chefs de- GeneralstabeS Grafen von Schlieffen und arbeitete dann mit dem Cbef VeS Militair-Cabinets von Habnke. Um 1 Uhr nahm der Kaiser im Neuen Palais militairische Meldungen entgegen. Morgen werden beide Majestäten früh um 8 Uhr 20 Minuten von der Wildpark station aus die Reise nach Wiesbaden antreten. Gegen 2 Uhr Nachmittags erfolgt die Ankunft in Minden, von wo dann die Fahrt nach der Porta Westfalica zu Wagen geschieht. Bon Minden ab dürfte die Weiterreise nach Wiesbaden gegen 4 Uhr Nachmittags angetreten werden und die Ankunft in Wiesbaden Montag Vormittag kurz nach 8 Uhr erfolgen. — Im Auftrage der Majestäten wird der Geheime Regierung-- ratb Mießner morgen, am Geburtstage deS bockseligen Kaisers Friedrich, au dessen Sarge einen kostbaren Kranz >m Mauso- eum der Friedeoskirche zu Potsdam niederlegen. Berit», 17. October. (Telegramm.) Der „Nordd. lllgem. Ztg." zufolge beabsichtigt der Reichskanzler Fürst Hohenlohe sich morgen aus kurze Zeit über München nack Schillingsfürst zu begeben. Dasselbe Blatt bezeichnet die auf Petersburger Meldungen beruhende Nachricht eine- Ham burger Blatte«, daß Fürst Hohenlohe im November in Petersburg riutrrffeu werde, als unbegründet. Berlin, 17. October. (Telegramm.) Der „Nordd. Allgem. Zig." wird bestätigt, daß ein Gesetz-Entwurf, bctr. die Reu«est»ltuu« Ver Tce«ann«-vr»nunG, m Vorbereitung ist. Es sollen womöglich in diesem, aber jedenfalls im nächsten Monat die See-Berufs Genossenschaft und der ger manische Lloyd in einer ConferevH über die Abänderungs vorschläge, welche namentlich die Seetüchtigkeit der Seeschiffe und die Bemannung betreffen, gutachtlich gehört werden. Berlin, 17. October. (Telegramm.) Bezüglich der Meldung einiger Blatter, daß von der Regierung eine l-x- -cdMon nach Dftaficn vorbereitet werde, giebt die „Nordd. Allg. Ztg." emen Bericht wieder, den der Geschäftsführer Bueck am 30. September dem Eentralverbackde deutscher Industrieller erstattete. Darnach fanden zur Untersuckung der Krage, ob eine Sachverftändigen-Commission zur Unter suchung der Handels-, Productions- und Absatz-Verbältniffe und nicht zur Anknüpfung directer Verbindungen nach Ostasien zu senden sei, Verhandlungen zwiscken dem ReickSamt des Innern und dem preußischen Handels-Ministerium unter Bueck'« Zuziehung statt. Weiterhin ernannte der Central verband eine vorbereitende Sondercommission. Dieser Commission antworteten von 63 Handelskammern nur 11, besonder- sächsische, zustimmend. Abgesehen von den in Aussicht gestellten Staat-zuschüffen SackscnS, Preußen- und de« Reich« und 20 000 der Handelskammer Creseld, sind 18 300^« gezeichnet, waS aber weitaus ungenügend ist. Die „Nordd. Allg. Ztg." fügt hinzu, wegen Uederlastung de-
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