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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.10.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961024013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896102401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896102401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-24
- Monat1896-10
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Morgen-Ausgabe Bezugs-Preis MpMer. TagMalt Druck und vrrsnc, E. Dol» k Lelpzi» Jahrgang. Sonnabend den 24. October 1896. SS FeuiHrto«. Die Morgen-A^-gabr erscheint »m '/,? Uhr. di« Abend-Ausgab« Wochentags nm ö Uhr. ^m»h»eschl«S fir An-eigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 UhL Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Vet den Filialen und Annahmestelle» je «in« halbe Stunde seither. Aazcige» find stet« an di« Ertzedtti«» zu richten. FiliateA: DU» Kke«»'» k«rtim. (Alfred Hahtt). UoiversitätSstraße S (Paultnnm), LsniS Lösche, Kntbarmeustr. 14. pari. und Avnigsvlatz 7- Red«tio» »ad Lrpe-lttim: -<h«mes,aG< S. Di« -xdrsttion ist Wochentags ununterbrochen ^iinet von frild 8 bis Abends 7 Uhr. A«z»iS»n-Pr»i« die S-«fpalten« Petitzeile 80 Psz. Nee kamen unter dem RebactionSstrich '4ge spalten» L0^, vor den Familien Nachrichten lögeivalte«) 46 Größere Schriften iant »nserem Preis- vetzeichniß. Tabellarischer und Zissrrmatz noch dSherern Tarif. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- «n- Amtsgerichtes Leipzig, -es Nathes nnd Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Ostr««Vella,ei, (ges-lp), nnr mit de, Mor«N-Ausgabe, ohne Postbefördernng DL—, mit Postdefdrderuug 70.—. wir, lernte die Dynastie Savoyen die französische Gefahr zeitig und gründlich kennen. Und Frankreich sorgte diesseits wie jenseits der Alpen dafür, daß die alten Wunden nicht vernarbten. Da- Jahr 1859 brachte der savoyischen Dynastie einen neuen Beweis der nachbarlichen Brüderlichkeit Frankreichs. Ihr Heimathland, die Wiege ihre- Ruhm- und ihrer Starke, da- markige Land der Savoyer Berge, dürfen Vie Savoyer nicht beherrschen; so wenig wie Richelieu, so wenig wie Ludwig XIV., so wenig nahm auch Napoleon Hl. auf historische und sittliche Rechte Rücksicht, wenn es galt, Frank reich- Macht für den Angriff drohend aufzupflanzen. Diese Entwickelung der Beziehungen de- Hause-Savoyen zu Frankreich ist es, die da- Band gemeinsamer schwerer Erlebnisse um un liebt; diese Familienerinnerungen bürgen uns dafür, daß die savoyische Treue die Treue einer ganzen Lebenserfahrung, nicht nur die einzelner Männer ist. Auch d,e innere Entwickelung Italien- hat ja dem Hause Savoyen Schicksale und Erfahrungen gebracht, die auch unS nicht erspart blieben. Innerlich zusammengehörige, aber durch Eifersüchtelei und Eigensüchtelei getrennte Stämme in einem staatlichen Gebilde kraftvoll zu vereinigen, das war ihre Ausgabe wie die der Hohen- zollern. Auch sie mußten durch die barte Prüfung der Un- vvlkStbümlichkeit gehen und ihre Politik von guten Patrioten veruriheilt sehen. Auch sie mußten sich gegen die Tendenzen eines „größeren" Italien abschließen, wie e- unS schwer wurde, die Grenzen deS neuen Reiche» beschränkend fest zustellen. Auch sie endlich wurden durch die Treue und ka- Verständniß ihre-Volke» über gewaltige Hindernisse Hinweg gelragen, ebenso wie bei nn- da- deutsche Volk immer, und ost allein, Halt und Träger der Einheitsbewegung war. ES wird keine zu kühne Behauptung sein, daß jene Ver wandtschaft der Charaktere mit unserem Empfinden, die wir im Eingang berührten, doch von dieser Verwandtschaft der geschichtlichen und persönlichen Erlebnisse wesentlich mit be dingt sein dürfte. Da» Stahlbad dieser Erlebnisse hat den Savoyern dir Männlichkeit und Kraft gegeben, die sie von so mancher anderen romanischen Dynastie vortheilhafi unter scheidet. Die ernste Forderung großer historischer Aufgab.» hat sie, wie unsere deutschen Fürsten, Selbstzucht und Pflicht treue gelehrt und gelehrt, al» ihres Staate» ersten Diener sich zu fühlen. Die immer neue Ansprüche an sie stellende Arbeit hat sie leerem Pomp und höfischer Spielerei abhold gemacht, hat sie Sparsamkeit und Einfachheit gelehrt, und König Humbert'» gut bürgerlicher, im Kleinen wie im Großen streng sparsamer Charakter erinnert unS an so manchen deutschen Landesvater. So sind es in der Thal innere Gründe, aus denen unsere Sympathie für die italienische Dynastie herauSwächst. Wir Deutschen haben seit den glorreichen Tagen unserer Kaiserzeit da» schöne Land Italia in unser Herz geschloffen; au» freiem und uneigennützigem Herzen wünschen wir ihm heute Glück und Gedeihen und wünschen, daß e» auch seinem künftigen KönigSpaare vergönnt sein möge, da» Land durch eine ge segnete Zeit zu führen. Deutsches Reich. * Leipzig, 23. October. Vom ,,Verlag" der „Zeit", dem Organ der Naumann'schen Christlich-Socialen, erhalten wir heute auf einer Postkarte folgende Hektographirte Mit theilung: „Bon höchstem Interesse für alle hie, welche auf da» Hervor brechen christlicher Gedanken aus der Eocialdrmokratie warten, wird eine demnächst erscheinende Schrift von Max Lorenz „Religion und Socialdemokratie" sein. Das Heftchrn Die italienische Dynastie. ä»r pes Kronprinzen von Italien s- Unter den König-familien des Auslandes giebt e- keine, für die wir Deutschen mehr Sympathie hatten, als da-HanS Savoyen. Wir nehmen an Freud und Leid dieser Familie aufrichtigen Antheil und begleiten auch jetzt die Vermählung des Thronfolgers mit der lieblichen montenegrinischen Prin zessin mit den besten Wünschen. Persönliche Eigenschaften der Fürsten und Aehnlichkeit, ja innere Verwandtschaft der Geschicke Deutschlands uov seine- leitenden Fürstenhaus«» mit denen Italiens und feiner Dynastie sind zu gleichen Tbeilen die Ursachen unserer Neigung. Die Charaktereigenschaften der italienischen Könige in den letzten Jahrzehnten sind unS darum besonders Werth, weil sie von dem germanischen Empfinden speciell hochgeschätzt werden. Offenheit, Männlichkeit und Treue haben die savoyischen Fürsten vom Vater auf Sohn und Enkel rühmlich ausgezeichnet. Diese Eigenschaften hat der ritterliche König Humbert vom „Köniz Edelmann" geerbt; diese Eigenschaften hat auch der liebenswürdige Prinz von Neapel, besonder» bei seinem Besuche am deutschen Kaiser- kofe, in überaus gewinnender Weise an den Tag gelegt. In mitten von Anfeindungen und Parteiungen, unter einem er regbaren und unsicheren Volke, unter dem nervösen System des Parlamentarismus haben die savoyischen Herrscher unserem Lande und unserem Kaiserhause gegenüber eine stet- unver änderliche Treue und Neigung gezeigt; und der Deutsche ist gewohnt und bereit, Treue mit Treue zu vergelten. Aber die inneren Beziehungen zwischen unS und der ita lienischen Dynastie beruhen nicht nur auf den Eigenschaften der letzten savoyischen Fürsten; sie gehen auf gemeinsame Erfahrungen zurück, die sie, wie wir, im Laufe der Jahr hunderte, im Wandel der Geschichte ost um harten Preis, schließlich aber hier wie dort zum Glücke machen mußten. Wie wir, so waren auch die Savoyer von je Nachbarn der Franzosen; wie wir, haben auch sie erfahren müssen, daß mit dem unruhigen Galliervolke rin friedliche» und schied- lichrs Auskommen schwer zu finden sei. Wenn Savoyen aus dem Dunkel geschichtlicher Unbedeutendheit im Beginne des IS. Jahrhundert- in den Krei» politisch bedeutender Staaten eintritt, so sehen wir. sein Gebiet in Frankreichs Händen, das Emanuel Philibert, dem Begründer der savoyischen Macht, nur einen Thril seine- Territoriums zurückgiebt. Wenn der genannte Fürst seine Festungen ausbaute, eia stehende- Heer m» Leben rief, so war eS Frankreich zum großen Theile, gegen deffrn Angriffsgelüste er sich zu schützen für nöthig fand. Und die Zukunft gab ihm Recht. Kaum ein savoyischer Herzog, der nicht Abtretungen an Frankreich machen mußte oder von Frankreich zu Tauschvrrträgen gezwungen wurde, bei denen Savoyen meist den Kürzeren zog. Frankreichs Politik war all' Vie Jahrhunderte hindurch daraus gerichtet, sich ein Ein falls- Ihor nach Nord-Italien zu sichern, und ohne Rücksicht auf da- alte historische Recht der Selbstständigkeit des savoyischen Herzogthums bemühte es sich, die savoyischen Fürsten zu französischen Vasallen herabzudrucken. Au» diesem Zusammenhang« heraus wird die seltsame Erscheinung verständlich, daß Savoyen, der Nachbar, der Stammesgenoffr, in so mancher Hinsicht der natürliche Verbündete Frankreichs, im 17. und 18. Jahrhundert sich geradezu in einem Der- zweiflungSkampfe gegen den grwaltthätigen und über- müthigen Nachbarstaat befindet. Die entscheidend« Wendung in DavoyrnS Geschichte fällt mit Frankreichs entscheidender Niederlage zusammen; brr Sieg des Prinzen Eugen bei Tarin befreite daS Herzogthum und gab ,hm endgiltigen Halt gegea die Franzosen. Go ist die Entstehungsgeschichte deS modernen Italien mit dem Widerstande gegen da» begehrliche Frankreich, mit der Befreiung von seiner Suprematie verknüpft, und wie Darlegung eine Aufklärung zu erzielen: Herr Eugen Richter selbst girdt ja eine Zeitung heraus, in welcher alle mehr oder minder wichtigen Parteiangelezenheiten in ergiebigster Weile ihre Erörterung finden; möge er sich doch über jene fragliche Abstimmung nachträglich äußern; denn zu unserem Bedauern hat auch seine „Freis. Ztg." am 9. Mai sich die Bekanntgabe deS Mehrheit»- und MinderheitSverhältniffeS geschenkt. Ta eia großer Theil seiner Fraktion in den Bänken vor ihm Platz hat, so hat er auch sicher bemerkt, ob die Betreffenden sich seiaer Zeit erhoben haben oder — zum Zeichen ihrer ab lehnenden Gesinnung sitzen geblieben sind. * Berlin, 23. October. In der Angelegenheit deS Lieute nants v. Brüsewitz bringt die „Köln. VolkSztg." die über- raschende Miltheilung, daß der Fall bereits durch Ber- urtheilung des Lieutenant» zu vier Jahren Festungs haft und zur Dienstentlassung seine vorläufige Er ledigung gefunden habe. Anderweitig ist diese Nachricht nickt bestätigt, und abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit eines so raschen Verlauf» deS militairgerichtlichcn Verfahrens ist nickt ersichtlich, wie auf Festungshaft hätte erkannt werten können; die einschlägigen Vorschriften deS Strafgesetzbuches, welche auch im militairgerichtlichen Verfahren Anwendung finden, lauten: 8 211. Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Ueberlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft. § 218. Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung nicht mit Ueberlegung ausgesührt bat, wegen Todt- schlag» mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren bestraft. 8 213. War der Lodtichläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem Gelödteten zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Thal hingerissen worden oder sind andere mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrase nickt unter sechs Monaten ein. 8 226. Ist durch die Körperverletzung der Tod des Ver letzten verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder Gesang »iß nicht unter drei Jahren zu erkennen. § 228. Sind mildernde Umstände vorhanden, jo ist ... . im Falle des 8 226 auf Sefängniß nicht unter drei Monaten zu erkennra. Von Feftungsstrafe ist hier nirgend» die Rede. Heute liegt übrigens von verschiedenen Seiten die Meldung einer dem Anschein nach ähnlichen Thal wie die Karlsruher vor: in Aurich habe ein Officier, nach einer Mittbeilung ein Haupt mann, einen Wirth, mit dem er in dessen Local in Streit ge- ralhen, mit dem Säbel schwer am Kopfe verwundet; nach einer Angabe ist der Verletzte bereits gestorben. — ES wäre verfehlt, zu behaupten, daß von vornherein Adlige zu derartigen Ausschreitungen geneigter seien, als Personen mit nichtadligen Namen. Immerhin ist für die künstliche Züchtung eine» exclusiven Kastengeistes folgende Statistik be zeichnend, welche die „Voss. Ztg." über die Zusammensetzung deS Osficiercorps des badischen Grenadier-Regiments Nr. 103 bringt, dem der Lieutenant von Brüsewitz angehört: Das Regiment Nr. 109 besaß nach der Rangliste von 1870 71: Hauptleute: adlige 4, bürgerliche 8: Premierlieutenanrs: adlige 3, bürgerliche 8; EecoudlirutenantS: adlige 9, bürgerliche 16. Nach der Rangliste Von 1896: Hauptleute: adlige 15, bürgerliche 2; PremierlieutrnaniS: adlige 13, bürgerliche: Keinen! Secondlieute- nants: adlige 23, bürgerliche: Keinrnl * Verlia, 23. October. Die „Germania" ist sehr ungehalten darüber, daß der „Reichsbote" die Enthüllungen der Miß Vaughan mit dem Papst und seiner Unfehlbarkeit in Verbindung gebracht hat. Diese Dinge sollen mit dem UnfehldarkeitS-Dogma nickt den geringsten Zusammenhang haben. Nun, die Unfehlbarkeit deS Papstes bat doch den Zweck, die Katholiken vor Irrtbum in Glauben-fachen zu be wahren. Erfüllt sie diesen Zweck nickt, so hat sie auch vom katholischen Standpunkt keine Berechtigung. Der Papst ist erscheint im Bttlag b« „Zeit", Berlin 3V7. 12, Zimmerstrah. 8. Prei» LO -H. — «ach für kirchlich« Kreise wird e« sehr werthvoll sein, ans socialdemokratischem Munde heraus die Scheidung von Religio» und kirchlicher Politik zu hören." Unsere Leser kennen sowohl den Wortlaut deS Lanfpaffes, den die „Leipz. VolkSztg." ihrem früheren Redacteur ertheUt«, (s. Nr. 535 Ve» „L. T.") als auch die Polemik, welche die,Leit" gegen die „Leipz. VolkSztg." wegen deS Austritt» de» Herrn Lorenz au- der socmldemokratischen Partei gerichtet hat (s. Nr. 540 d. „L. T."). Da anzunehmen ist, daß der „Verlag" der „Zeit" die „Zeit" selbst liest, ihm mithin die Thatsache de» Austritt» de» Herrn Lorenz au» der socialdemokratischen Partei nicht unbekannt sein kann, so darf er von Herrn Lorenz al- von einem Socialdemokraten jetzt nicht sprechen, ohne den Vorwurf , er täusche da» Publicum zu parteipolitischen oder buchhänd- lerisch-geschäftlichen Zwecken, auf sich zu laden. k Berlin, 23. October. Der Verlauf eine» freisinnige« Bezirksparteitages, welcher am 27. September im Beisein der Herren Eugen Richter und Lenzmann in Iserlohn stattsaad, giebt Anlaß, eine interessante Frage aufzuwersen. Herr Lenzmann erstattete gewissermaßen einen Rechenschaftsbericht — beiläufig bemerkt, den ersten seit 1893, und legte besonderen Werth darauf, nicht nur für sich, sondern auch für seine Fraktion den Nachweis zu führen, daß die freisinnige DolkSpartei keineswegs eine Partei der reinen Negation sei. Selbstverständlich stellte er zu diesem Behuf« vie Abstimmung über die Handelsverträge voran, als imposanten Beweis, wie die Richter'sche Parte, auck „Ja" sagen könne. Sobald Herr Leuzmann mit den Handels verträgen fertig ist, geräth er allerdings mit sich und der Partei in« Gedränge. Offenbar ohne sich dessen recht be wußt zu sein, kommt er bei Besprechung aller Gesetze, nach dem er dem guten Kern derselben Anerkennung gezollt hat, zu dem ständigen Schluß, daß die Partei am letzten Ende da- Gesetz doch nicht habe annehmen können. Nur bei dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb soll sich die Sache anders verhalten haben. Stolz erklärt Herr Lenzmann: ,Wir, die Freisinnige Volkspartei, haben zuerst werthvolle Verbesserungen deS Entwurfs erreicht und dann für da» ganze Gesetz gestimmt." Mit diesem „Wir" hat eS aber eine eigene Bewandtniß. Nach Ausweis deS stenographischen Bericht war e< bei der Generalclausel de» tz 1 gerade Herr Lenz mann, der es für eine Unmöglichkeit erklärte, dem jetzigen Richterstande eine solche Vollmacht in die Hand zu spielen! Bei tz S, der von der Wahrung von GeschästS- geheimniffen bandelt, verzichtete die „Freisinnige Volkspartei" in dritter Lesung sogar auf da» Reden und beschränkte sich auf eine kurze Erklärung, die Abg. Or. Schneider im Namen der Fraktion abgab, dabin lautend, daß der § 9 auch so, wie er in der zweiten Lesung gemildert stehen ge blieben war, für die freisinnige Volkspartei schlechter dings unannehmbar sei. Nach dieser Stellungnahme z« den entscheidenden beiden Punkten des Gesetz entwurf» erwartete Niemand, daß die freisinnige Volkspartei daS Gesetz im Ganzen annrhmen würde, und wird auch heute Niemand glauben, daß sie eS angenommen habe. In der TageSpresse ist allerdings kein weiterer Beweis hierfür zu finden, als dir Aeußerung deS „Vorwärts", welcher in der Nummer vom 9. Mai schreibt: „Gegen da- Gesetz stimmten die Socialdemokralen und ein Theil der freisinnigen Partei." Tie- Zengniß ist indessen von besonderem Werth, weil die Socialdemokraten dem Freisinn zu nächst fitzen und weil sie selbst, als Sitzengebliebrne am besten beobachten konnten, wie die unmittelbare Nach barschaft bei der Abstimmung sich verhielt. Aber e» giebt schließlich noch ein Mittel, um im Interesse der historischen dem ungezwungenen, leichtbrweglichen Ton, wahrend Platen da- würdevoll Getragene nach klassischen Mustern pflegte. Man würde indeß dem Pariser Aristophane» Unrecht tbun, wenn man ihm Schuld gäbe, seine Verse mit sorgloser Bei läufigkeit aufs Papier geworfen zu haben; er corrigirte und feilt« unablässig; er ruhte nicht, bi» er den treffendsten Au-druck gefunden; aber diese Feile durfte die Leichtigkeit seiner Verse nicht schädigen; sie verstärkte dieselbe nur. Schon von Byron wissen wir, wie oft und wie lang« er nach dem rechten schlagenden Beiwort an der rechten Stelle suchte; auch Plgten wird jedes Wort nicht blos beim ersten Hinschreiben, sondern auch später nachprüfend erwogen haben. Heinrich Heine stand darin mit ihnen in einer Reibe; nur der flotte Ton seiner Gedichte konnte darüber täuschen. Ganz ander- ver hält es sich mit seinen Nachahmern bi» in die jüngste Dichtung hinein. Da herrscht die saloppste BerSschleuderei, die Improvisation, die sich selbst Zweck ist, oft der bewußte Hohn gegen alles Geläuterte und Schöne der Dichtkunst — und gegen diese verwildert« Jüngerschaft, di« sich an Heine'» Fersen hängt, gilt e» immer von Neuem den Schatten Platen'S heraufzubeschwören, damit er, wie das Erzbild de» Eomthurs, über diese die Muse leichtfertig umduhlenden Don Juan» zu Gericht sitze. Graf August von Platen - Hallermllnde, Sohn de» bayerischen OberhofmeistrrS Graf Auaust Philipp von Platen und einem bayerischen Zweig de- ursprünglich norddeutschen, an der Insel Rügen stammenden Geschleckte» angehörig, wurde am 24. Octoder 1796 zu Anspach geboren, widmete sich anfang» der militairiscken Laufbahn, wurde im Münchner Cadettenhau- und Pageninstitut erzogen und machte al« Unterlieutenant im Regiment „König" den Feldzug de» Jahre- 1815 mit. Daan aber folgte er feinen wissenschaft lichen Neigungen und studirte seit 1818 in Würzburg und Erlangen, namentlich Philosophie und orientalische Sprachen. Großen Einfluß erlangte auf ihn die Schelling'sche Philo sophie. Aus mehrfachen Reisen in Deutschland machte er vie Bekanntschaft der namhaftesten Dichter, eines Jean Paul, Ubland und Rückert. Zunächst trat er in die Fußstapfen de» Letzteren, indem ihn da» Studium der persischen Sprache und Literatur zu seinen „Gaselen" (1821) angeregt hatte. Gleichzeitig erschienen „lyrische Blätter", eine Sammlung seiner Jugend gedichte. Er hat darin viele Tön« angeschlagen, di« er später Graf Augnk von Platen. (Nachdruck Zum 24. October. Heute isi der Säculartag eine» Dichter», der in unserer Literatur ein« hkrvorragrnde Slrllnng einnimmt, ohne daß er «» zu einer volkäihümlichen Bedeutung gebracht oder jemal» zu den Modepoeten gehört hält«. Auch der buck- HLndlrrischr Erfolg ist nicht maßgebend, am w«nigst«n für Dichtrr, dir sich nicht an die groß« Masse wenden. Sonst hätte Goethe ja gegen seinen Schwager Vulpiu», der „Faust" gegen den „Rmaldini" den Kürzeren ziehen müssen. Auch ist ja bekannt, daß die erste Goescken'sche GrsammtauSgabe der Gvetbe'schen Werke, welche „Götz", „Werther", „Egmont", „Iphigenie" und „Faust" rntbirlt, soweit diese damals vollendet war, wie Blei in den Fächern der Verlagsbuchhandlung lag und daß Goethe, al» er au» Italien zurückkrhrte, glauben mußte, von seiner Nation veraeffen zu sein, eine Miß stimmung, welcher er unverhohlenen Ausdruck gab. Für künstlerische Wertbmeffung sind andere Maßstäbe vorhanden, al» die TageSmrinung mit ihrer tumultuarischen Zustimmung und ihrem täglich wechselnden Götzendienst, und Goethe selbst hat einen solchen Maßstab hervorgrhoben, wenn er erklärt, den Besten seiner Zett genug zu thun, gebe Anwartschaft auf dauernden Ruhm — den Besten seiner Zeit, aber nicht den ersten Vesten! Platen'» Bedeutung für die weitere Entwicklung der Literatur nach ihm steht fest; er ist der Schirm und Hort für dir Wahrung künstlerischer Form, und immer, wenn die Poesie sich ru alltäglicher Thonkneterei hergiebt, wird man auf di« Kunst Hinweisen müssen, womit er den rdeln Marmor zu dauernden Schövfungea zurecdtgrmeißelt hat. Sein Gegensatz gegen Heine war nicht blo» ein Person- licher und zufälliger, so gehässig die gegenseitigen Angriffe waren. Beide hatten zwar auch eine große Aehnlichkeit; sie waren nur lyrisch« und satyrische Poeten: ihre Kraft ver sagte, inbald sie sich den Ausgaben der Dramatik und Epik zuwanMn. Doch Heine sucht« für Lied und Satyr« nach und die echte Begeisterung für die Kunst und daS Schöne Dauer gefunden haben. In seiner Mißstimmung über den geringen Erfolg seiner Dramen, von denen nur ein einziges in Erlangen auf die Bühne gelangt war, wandle Platen der zeitgenössischen dramatischen Literatur, welche die Bühne beherrschte, sein« Aufmerksamkeit zu. Die Dichter der SckicksalStragödien, welche damals über alle Bühnen gingen, forderten seinen Spott heraus; er parodirte „Die Ahnfrau" und „Die Schuld", indem er in einer etwa- wohlfeilen Er findung eine vrrhängnißvolle Gabel, die von einer Ahnfrau brrrübrt, zum Agen» der tragikomischen Verwickelung macht. Di« Ahnfrau muß so lange umherspuken, bi- der letzte von ihrem Geschlecht sich mit der verbängnißvollen Gabel dir Brust durchbohrt hat. Der Dialog ist reich an satyrische» Glossen zur zeitgenössischen Literatur; Vieles darin gemahnt etwa» veraltet und bedarf eine» Commentars für jetzige Leser; an gelegentlichen CyniSmen fehlt eS nickt, denn auch hierin eiferte Platen seinem Meister Aristopbanco nach. Erreicht aber hat er ihn iu seinen „Parabasen", den an da» Publicum gerichteten Cborgesäugen — diese geißeln nicht nur die verfehlten Tragödien der SchicksalSpicktrr und den faken Ungeschmack de» Publicum»: sie preisen auch mit Begeisterung die Kunst und den Eultu» der Schönheit. Diese Verse haben etwa» Unvergängliche», und gerade in einer Zeit, in welchrr der Eultu» de» Häßlichen an der Tages ordnung ist, verdienen sie in da» Gedächtniß der jüngeren Generation zurückgernfen zu werden; man kann da- An gedenken Platen'S nicht bester feiern al- mit einer kleinen Blüthenlrse aus diesen Parabasen: Nicht allein der Glauben ist e», den di« Welt besingen lehrt, Wißt, daß auch dir Kunst in Flammen da» Vergänglich« verzehrt! Um den Geist »mporzurichten von der Sinne rohem SchmauS, Um der Dinge Maß za lehren, sandte Gott di« Dichter aas. Wen die Natur zum Dichtrr schuß den lrhrt sie auch zu paaren DaS Schöne mit dem Kräftigen, da» Neue mit dem Wahren; Dem leiht sie Phantast« nnd Witz in üppiger Verbindung Und einen qnellenreich«, Born unendlicher Empfindung. Ihm dient, was doch und niedrig ist, da« Nächur and da- Fernste; Im leichten Spiel ergötzt er an« and reißt un» fort im Ernste. Sein Geist, de» Proteu» Ebenbild, ist tausendfach aelaanet, Er lockt der Sprach« Zierden oll, daß alle Welt erstaunet. zu schöner Harmonie zusammenfügte: doch etwas Bedeutende», Bewältigende« war in allen diesen Dichtungen nicht zu finden, nicht einmal da« AuSströmen eine- feurigen IugenddrangS; sie waren mit einem Worte in keiner Weise verheißungsvoll. Die Gaselen, die er Goethe gewidmet hatte, waren Nach dichtungen von „Baki- und Hafis", an Goethe'» westöstlichen Divan sich anlrhnead, den Wein und die Liebe feiernd mit etwa« weichlichem Grundton, aber anmuthendem Wohllaut. Ebenso wenig bedeutend waren sein« „Schauspiele", vir zwar erst 1828 erschienen, die er aber schon 1823 zu dickten begonnen hatte: eS war matte Nackromantik. Ja den Dämmerungen der Märchenwelt konnte Platen'S Muse sich nicht recht heimisch fühlen; sie hatte einen zu klaren Blick; ihr fehlte da» Traum hafte. In dem „Gläsernen Pantoffel" vermischte er zwei deutsche Märchen, „Aschenbrödel" und „Dornrö-chen": im „Schatz de» Rbampsinit" verwerthete er «ine Herodot'schr Sag«, nicht ohne modern« satyrische Streifiicktrr, aber ohne drama tische Gestaltungskraft. Dasselbe gilt von den dramatisirten Märchen „Beraaaer" und „Der Thurm mit sieben Pforten". Der Grundton ist etwa- nüchtern — da verstanden «» die Romantiker besser, die mondbeglänzte Zaudernacht de» Mittelalter» in ihrer alten Pracht heraufzubeschwören. „Treue um Treue" ist aus dem Französischen entlehnt, aber die Liebe de» Grafen Aucassia und der schönen Nicolett« hat etwa» Rührende». Die weit später gedichtete „Liga von , Eamboni" hat freilich nicht» Märchenhafte», «S ist ein geschicht licher Stoff, aber unpatriolisch, da e» sich um em« Niederlage der Deutschen handelt; die Darstellung-weise ist durchaus historienhaft. In diesen ersten dramatischen Anläufen sprach sich zwar eia gewiss«» Formtalent au», rin« im Ganzen edle sprachliche Haltung; aber es waren kaum Flugversuche einer genialra Begabung. Die Satyre, die im „Sckatz de» Rhampsinit" gelegentlich spukt und da» alte Egypten in neuere, oft paro distische Beleuchtung rückt, suchte sich ihre eigen« selbst ständige Form. Und so schuf Platen seine zwe, Literatur- komövien, zuerst „Die vrrhängnißvolle Gabel" (1824), später k1829) den „Romantischen OedipuS" — zwei eigen artige Schöpfungen von aristophanischem Geist, di« zwar an sich rin literarisch kritischer Zritspirgel sind, aber dinau« über diese Spiegelung der literarischen Gegen-1 wart durch dir unvergängliche Schönheit einzelner Verse I testrk «b den Vororten michtet« AaS» ackftAkeanbgebolt: vierteljährlich^ 4^6, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» Hau- L.SO. Durch tztr Post bezogen für Deutschland nah Oesterreich: oieneliährlich 8.-—. Dirert« täglich« Kcruzbanbirndung iaS Aii-land: monatlich » 7.S0.
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