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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961029015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896102901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896102901
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- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Bindung fehlerhaft: Seiten in falscher Reihenfolge
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-10
- Tag1896-10-29
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DK Morgen-Al-gabe erscheint «m V»? Uhr. die Abenb-An-gab« Wochentag» ma 5 Uhr. Lrdartto« und ErveLltto«: Aahannesgafie 8. DieExpesition ist Wochentag« nnnnterbrochen g^itnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Dit» Klemm'« Lortim. sAlfre» Hahn). Universität-stratze 3 (Paullnumj, Laut« Lösche, ikatbarmenstr. 14. vart. und König-Platz 7^ BezugS'PrelS ta der Hauptexpedickon »der den im Stadt» bmirk nnd den Vororten errichteten Ans» aaoestellrn ab geholt: vierteljährlich ^14.50^ bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Sau« 5L0. Durch di» Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestährlich X S.—. Direkte tägliche ldreuzbaudienduu- ins Lu«laad: mouallich 7^0. 552. Morgen-Ausgabe. MpMcr Tageblatt Anzeiger. Ämtsvkatt -es Lömgüchen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes «nd Motizei-Nmtes -er Ltadt Leipzig. Donnerstag den 29. October 1896. Mazelgemlyrrlß die Sgespattme Petitzeile 80 Pfg. krclamrn unter dem Redaction-strich (4g» s-alteni 50vor den Familirnnachrichtea (6 gespalten) 40 Größere Schristen laut unserem Preis» verzrichniß. Tabellarischer und Zisfrrnsatz »ach höherem Laris. Extra-Beilage« (gefalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe, ohne Postbeförderuag SO.—, mit Postbefürderung 70.—. Hs Iinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. Margen»Au«gabe: Nachmittag- «Uhr. Vei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedits" zu richten. Druck Und Berlaq von T. P olz in Leipzig SV. Jahrgang. Wr" Am 31. Oktober (Reformationsfest) erfcheint die Abendausgabe unseres Blattes nicht. Des darauffolgenden Sonntags wegen kann die nächste Nummer erst am Montag, de« 3. November, früh ansgegeben werden und werden Inserate für dieselbe bis morgen Freitag Abend Uhr entgegengenommen. «xpeNitioo E«» v«N«vi»ttv8. Hilfsschiffe für unsere Flotte. I». Sämmtlicke Seestaaten sind der Frage naher getreten, in welchem Umfange und in welcher Weise die Handelsmarine der Flotte im Falle eines Krieges nutzbar gemacht werden kann. Auf mancherlei Weise, durch Vertrage, Subventionen und Prämien haben die Marineverwaltungen mit den großen heimischen Dampfschifffahrts-Gesellschaften Abmachungen ge troffen, denen zufolge im Kriegsfälle die besten und schnellsten Schiffe jener Gesellschaften der Flotte zur Verfügung stehen. Auf diese Weise ist in den verschiedenen Staaten eine Marine- Reserve geschaffen, die zwar praktisch noch nicht erprobt ist, deren Bedeutung man jedoch keineswegs unterschätzen möge. Die ausgedehnten überseeischen Interessen, welche heutigen TagcS fast alle in führender Stellung befindlichen Cultur- nalwnen haben, stellen große Ansprüche an die Lcistungs- fäbigkrit der maritimen Wehrkraft deS Landes. Zum Theil wachsen sie in einem Maße, mit dem die Entwickelung keiner Kriegsmarine gleichen Schritt halten kann. Dem Schutz dieser überseeischen Interessen werden sich, wie eS schon in Friedens zeiten geschieht, im Kriegsfall die im Ausland befindlichen Kreuzer mit größtem Eifer zu widmen haben. Einmal sind sie für ein Seegefecht ihrer ganzen Bauart und Einrichtung nach nicht geeignet und andererseits sind nur sie im Stande, feindlichen Schiffen dieser Art mit Aussicht auf Erfolg ent gegen zu treten. Die Thätigkeit der „Hilfskreuzer" — mit Armirung versehene Schnelldampfer der Handelsmarine — liegt auf einem anderen Gebiet. Ein Seekrieg der Zukunft wird sich nicht auf einem fest begrenzten Raum abspielen, wie die- im Landkrieg natur gemäß der Fall ist. Die kriegführenden Mächte werben in die gegenseitigen Interessensphären einzugreifen suchen, was ibnen vermöge der leichten Beweglichkeit ihrer schwimmenden Streitkräfte nicht schwer fallen wird. DaS Bestreben, den feindlichen Handel zu beunruhigen, ihn wenn möglich lahm zu legen, wird auch im AuSlande überall hecvorlrelen. Diesen Bestrebungen entgegenzuwirken und die in dieser Beziehung drohenden Gefahren abzuwenden, werben die Kreuzer der Kriegsmarine als ernste Aufgabe zu betrachten haben. In wieweit bedrohte Colonialgebiete und in Fahrt befindliche Handelsschiffe vor Uebergriffen geschützt werden können, hängt in erster Linie von der Geschicklichkeit, Thatkrafl und Ent schlossenheit der Commandanten jener zur Ausübung deS Schutze- berufenen Kreuzer, dann aber auch von den zur Verfügung stehenden Kräften ab. Betrachtet man nun die verschiedenen Aufgaben der im Kriegsfall unter kaiserlicher Flagge fahrenden Hilfsschiffe, so ist in erster Linie ibrr Verwendung al- Hilfskreuzer in» Auge zu fasten. Tritt schon im Au-land da- Bestreben nach Beunruhigung de- feindlichen Handel- hervor, so handelt es sich an den Küsten deS feindlichen Staates selbst darum, auf die Unterbindung der gesammlen Einfuhr des Feindes zur See hinzuwirken. Daran werden alle bisher gemachten Be mühungen, den Schutz und die Freiheit des Privateigenthums zur See durch internationale« Abkommen festzulegen, nicht andern. Zur wirksamen Ausübung einer Blockade der feindlichen Häfen und Küsten bedarf e- aber eine« großen Aufgebot« leistung-fähiger Schiffe und Mannschaften, wie sie in genügender Anzahl der Kriegsmarine Wohl kaum zur Verfügung sieben werden. Hier werden nun die Hilfskreuzer, die armirten Schnelldampfer, verwendet werden können. E« wird idre Ausgabe sein, mit Unter- stützung der Kriegsschiffe feindliche Handel-Ichiffe abzufasten und anzudalten; da- Letztere wird um so weniger schwierig sein, als im Krieg-fall so ungefähr jede Ladung, welcher Art sie auch sein möge, al» KriegS-Contrebande angesehen werden kann. Die Hilfskreuzer verfügen über eine recht ansehnliche Armirung und können feindlichen Handelsschiffen, denen sie auch in der Schnelligkeit überlegen sind, erfolgreich entgegen treten. Ferner haben sie die Aufgabe, die Zufubrwege des eigenen Landes zu schützen und seine Handelsschiffe sicher in die Häfen zu geleiten, um so die Zufuhren des Vaterlandes zu decken. Ermöglicht die Armirung den Schnelldampfern die Aus- lbuna von Kreuzerdiensten, so sind sie vermöge ihrer Schnellig- eit ferner geeignet, als AvisoS zu fungiren. Als solche vnnen sie einzeln oder vereint RecognoScirungen unternehmen und dem nachfolgenden Geschwader in kurzer Zeit Nachrichten iber die Bewegung der feindlichen Schiffe überbringen, um o den eigenen Kriegsschiffen die Möglichkeit zu bieten, sich zur Abwehr oder zum Angriff gegen den Feind zu sammeln und zu rüsten. Sie können ferner Befehle und Depeschen von Land zum Geschwader und umgekehrt oder von Schiff zu Schiff überbringen, werden somit in mancherlei Weise nutzbringend zu verwerkheu sein. Andere Schiffe werben als Transportschiffe ver wendet werden müssen. Sowohl eine vor Land ankernde als eine auf See kreuzende Flotte bedarf der Ergänzung ihrer Koblenvorräthe, die bei den Panzerschiffen zuweilen nur fünf bis acht Tage ausreichen; sie bedürfen der Zufuhr von Proviant und Munition. In besonderen Fällen wird auch die Aus legung von Minen und die Beförderung von Truppen noth» wendig sein. Die ungesäumte Erfüllung aller dieser Be dürfnisse erfordert zahlreiche große und kleine Transportschiffe, bei denen eS allerdings weniger auf Schnelligkeit als aus Ladefähigkeit und Seetüchtigkeit ankommt. Zu diesen Zwecken können gewöhnliche Handelsschiffe, Kohlen- und Frachtdampser herangezogen werden. Wir sehen also, daß im Falle eine- Seekrieges die Handels marine berufen sein wird, der Kriegsflotte wertbvolle Dienste zu leisten. War noch vor einem Iabrzehnt die Frage, ob die deutsche Handelsmarine diesen Aufgaben gewachsen sein würde, nicht mit absoluter Sicherbeit zu bejahen, so glauben wir, dies jetzt unbesorgt thun zu dürfen. Der Marineverwaltung steht infolge abzeschloüener Verträge eine stattliche Anzah Dampfer als Hilfsschiffe für den Kriegsfall zur Verfügung. Unter dem Drucke der Verkehrsbedürfnisse entstehen Jahr um Jahr moderne, nach den neuesten Fortschritten der Techni! gebaute Dampfer, die für TranSportzwecke wohl geeignet sind. Und ebenso wächst die Zahl der als Hilfskreuzer und AvisoS geeigneten Schnelldampfer. Jeder neue Schnelldampfer be- deutet aber für unsere Wehrkraft zur See eine schätzbare Verstärkung. Deutsches Reich. Berlin, 28. Ocrober. Die Freunde einer zeitgemäßen Reform unseres Iustizwesen«, namentlich in der Richtung der Wiedereinführung der Berufung gegen die Urtheilr der Straf kammern in erster Instanz und der Entschädigung unschuldij Verurtbeilter, sind sich, mögen sie nun dem Reichstage an gehören oder nicht, wohl darüber einig, daß ein abermaliges Hinausschieben oder das Scheitern der sogenannten Justiz novelle einen Verzicht auf die Erfüllung dringender Wünsche weiter Volkskreise auf unberechenbare Zeit hinaus gleich kommen würde. Wenn eS in dem bevorstehenden Tagung«, abschnitt be- Reichstage» nicht gelingen sollte, die seit 1881 nicht blo- in der gesammlen Iuristenwelt, sondern auch in den Laienkrrisen auf da« Lebhafteste erörterte und im Reichs tage wiederholt in Angriff genommene Reformfraze zu einer entscheidenden günstigen Lösung zu bringen, so wird man r» den Gegnern der Reform nicht verdenken können, wenn sie die Behauptung aufstellen, die Angelegenheit sei zum Mindesten noch nicht spruchreif. Unter diesen Verhältnissen ist eS geboten, die Thatsache vor jeder Verschleierung zu bewahren, daß in den beiden Hauptpunkten, in Bezug auf die Wiedereinführung der Berufung und in Bezug auf die Entschädigung unschuldig Ver- urtheilter, zwischen der Mehrheit der Reichstagscommission, die in diesem Falle auch eine unzweifelhafte Mehrheit im Plenum repräsentier, und den verbündeten Regierungen eine vollkommene Uebereinstimmung erzielt worden ist. Bekannt lich baden selbst die Freisinnigen in der Commission sich sinsichtlich der Ausdehnung der Entschädigung auf die un- chuldig erlittene Untersuchungshaft mit einer ihren Stand- >unct für die Zukunft wahrenden principiellen Erklärung »egnllgt, um bei dem bestimmten Widerspruch der Negierungsvertreter gegen diese Ausdehnung das Zustande kommen des Gesetzes nicht zu gefährden. Was die mit der Wiedereinführung der Berufung verknüpfte Frage der Abänderung der sogenannten Proceßgarantien anlangt, jo bat die Commission auch hier eine Einigung zu Stande gebracht. Hinsichtlich deS Beschlusses, welcher für die Strafkammern in erster Instanz die Dreirichterzahl, für die Berufungsinstanz aber das Fünfrichlercollegium fordert, ist von der Regie rung die Erklärung abgegeben worden, daß durch die Auf rechthaltung dieser Aenderung der Regierungsvorlage das ganze Gesetz wohl nickt würde gefährdet werden. Die Schwierig keiten sür die Verabschiedung deS letzteren beginnen erst mit den außerhalb der beiden Hauptfragen liegenden Be- 'timmungen und da ist zu bemerken, daß der einschneidendste Differenzpunct erst durch die Commission geschaffen worden ist, indem sie zu Z 7 der Strafproceßordnung einen den Gerichtsstand der Presse regelnden Beschluß faßte. Der die Aufhebung des ZeugnißzwangcS anordnende § 55a ist in der zweiten Lesung der diesjährigen Commission wieder fallen gelassen, eS scheint indessen nicht ausgeschlossen zu sein, daß der Antrag auf Einschiebung diese- Paragraphen im Plenum erneuert wird. AlS Differenzpuncte von unter geordneter Bedeutnng können die Beschlüsse der Commission über die Einstellung des Verfahrens und die Mittheilung einer Ab schrift deS Protokolls der Hauptvrrhandlung an den Angeklagten und ben Berlheidiger betrachtet werden. Bei dieser Sachlage läßt sich der Stand der Dinge dahin charakterisirrn, daß eS sich bei der bevorstehenden Beratbung der Iustiznovelle nur darum handeln kann, ob ein größeres oder geringeres Maß von Reformen zur Durchführung gebracht werden soll. Die Fragestellung, ob alle gewünschten Reformen verwirk licht werden sollen, oder gar keine, halten wir von vorn herein sür ausgeschloffen. Damit ist unsere- Erachten« auch der Weg gegeben, Len jede Partei geben muß, der es mit der endlichen Einführung der beiden Hauptreformvorschläge Ernst ist. Wir sind keineswegs der Meinung, daß der Reichstag, wie r« von einer Seite vorgrscklagrn wurde, von vornherein den Standpunkt seiner Commission verleugnen und sich cmf die Regierungsvorlage zurückziehen soll. Im Gegentheil; da« kontradiktorische Verfahren in der zweiten Lesung muß mit voller Schärfe durchgesührt werden, schon um weiteren wünschenSwrrthrn Reformen, zu welchen wir namentlich diejenige bezüglich der Presse rechnen, für die Zu kunft vorzuardriten. Aber wenn sich dann, wa- wir al» feststebend schon jetzt betrachten, ergeben sollte, daß die ver bündeten Regierungen in ihrem Widerstande gegen weitergehenve Wünsche der Volksvertretung nicht allein stehen, sondern auc> eine Minderheit deS Parlament- auf ihrer Seite haben, so wird sich die ReichStag-mehrheit nicht« vergeben, wenn sie bei der dritten Lesung sich auf jene Reformen beschränkt, über welche ein Einverständniß zwischen ihr und den ver bündeten Regierungen erzielt ist. Sie wird da- um so eher können, al- die erneute Iustiznovelle im Vergleich zu der vorjährigen einige nicht unwesentliche Verbesserungen auf weist; wir erinnern nur an die erweiterte Zulassung der Privatklage. Bei Einhaltung dieses Weges ist allein zu -offen, daß die Frage der Iustizreform zu einem gedeihlichen Ende geführt wird. kamen auf je tausend 800 Steuerklassen binaufgerückt fein, durch die nachstehende Tabelle Einkommen geschätzte: 1892 315 268 354 282 419 relative Abnabme der 1884 432 382 445 410 „ 491 Hier zeigt sich überall eine starke Steuerpflichtigen, in Dresden, Leipzig und Hamburg fast um ein Drittel. DaS bedeutet aber nichts Anderes, als daß die relative Bedeutung der ärmsten Claffen der steuerpflichtigen Bevölkerung erheblich gesunken ist. Die in diesen Claffen abgegangenen Steuerpflichtigen müssen aber, wenn eine günstige Entwickelung stattgefunden hat, in die höheren und dies wird in der Tba'. überzeugend bestätigt. Bei Ein- * Berlin, 28. Oktober. In Professor Schmoller's „Jahr buch für Gesetzgebung, Verwaltung und VolkSwirtbsckaft" Verlag von Duncker Humblot in Leipzig) veröffentlicht üssessor Or. Wi lbelm Böhme kleine interessante statistische Studie über die mittleren Claffen der Einkommen teuer in einigen deutschen Großstädten in den Jahren 1880 bis 1895. Benutzt sind hierbei vornehmlich die besonders eingehenden Ermittelungen in den sächsischen Städten Dres den, Leipzig und Chemnitz, ferner in Hamburg und Braunschweig. Aus dem sehr reichen Zahlenmaterial seien -irr zwei kleine Uebersichten hervorgehvben: Bei Einkommen von 600 bis Eingeschätzle: kn Dresden » Leipzig » Chemnitz -> Hamburg - Braunschweig von 900—1200 kamen auf je t 1884 1892 in Dresden . . . . 249 356 - Leipzig.... . 268 393 » Chemnitz . . . . 278 327 » Hamburg . . . . 242 210 - Braunschweig. . . 230 312 Die beträchtliche Zunahme der Steuerpflichtigen, welche hier eingetreten ist, kann nur aus dem Aufrücken zahlreicher Steuerpflichtigen aus der untersten Einkommensclasse erklärt werden, und dieser Vorgang ist wiederum unzweifelhaft aus die Steigerung der Löhne bei den besser bezahlten (gelernten) Arbeitern, namentlich bei den Industriearbeitern, zurück zuführen. Der Böhmert'sche Aufsatz behandelt auch noch eine dritte Gruppe — Einkommen von 1200 bi« 2500 — der von der Großindustrie sicher ein ansehnlicher Theil der Vorarbeiter, Werkmeister, Techniker u. f. w., ferner aber auch kleinere Unternebmcr, Agenten, Restaurateure und Lieferanten, die bei entwickelter Industrie ihr Brod finden, angehören. Auch in dieser Gruppe weisen alle Städte eine nicht unbedeutende Zunahme der Steuerpflichtigen auf. Der Verfasser faßt da« Ergebniß seiner auch noch auf ändert Tabellen gestützten Untersuchung schließlich dahin zusammen: „Unwillkürlich drängt sich un« das Brld auf, als ob diese ganze compacte Masse der Einkommen unter 2500 die überall mehr als vier Fünftel der Steuerpflichtigen au«- machen, in dem beobachteten Zeitraum in langsamem Vor wärtsschieben begriffen gewesen «st. Immer geringer wird dir Bedeutung der untersten Steuerstufeu, immer mehr Fabrik arbeiter (wenn wir einmal von den Verhältnissen der Großindustrie auSgehen) schieben sich in die zweite, immer mehr der gelernten Arbeiter und Vorarbeiter in die dritte vor, und vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, wo diese von der Großindustrie erzeugte Elite der Arbeiter auch in größerer Menge in eine vierte Gruppe (Einkommen von 2500—6000 ^!) aufsteigt, und wo sich somit diese an- Feuilleton. Münchener Brief. Eine Theater-Gründung mit Hindernissen. Wenn einmal ein deutscher Schriftsteller die Lust und Kraft verspüren sollte, auf den tbeoretischen Pfaden von Zola'S roman erpSriwsntal zu wandeln, und wenn er dann um ein eindringlich auf dir Sinn« wirkende« milisu der Handlung in Verlegrnhrit wäre, so mag er seine Studien im modernen München machen, denn hier findet er, waS er sucht, im — Bier. Der braune oder delle Saft, der aus den Sudbottichen der großen Brauereien fließt, bat einen höheren Beruf, al- nur den materiellen der körper lichen Labung; in tausend Kanälen rinnt er durch die Stadt und übt seine befruchtend« Tätigkeit au«. Das Bier als Culturfactor — da- klang ehedem paradox, aber heute bestätigt e- di« Zeit. E- ist nicht zuviel behauptet, wenn man sagt, daß m München kein bedeutrnde- Unter nehmen irgend welcher Art denkbar wäre ohne VaS direkte oder indirekte Mitwirken einer Großbrauerei. Uebrrall baden sie ibrr Hände dabei, die ungekrönten Könige an der Isar, die Ritter von Kopsen und Malz. Daß aber ihr Macht wort auch auf einem Gebiete herrscht, welche» den Gefilden de- GambrinuS diametral entgegengesetzt zu liegen scheint, nämlich dem der schön«« Künste, da- ist schon längst kein Gebrimniß mehr. Nicht al- ob di« Erzeugung dr» edlen Gerstensaft«- mit unwiderstehlicher Kraft den Gedanken einen hoben, künstlerischen Flug gäbe, o nein, da wollen wir dahingestellt sein lassen. Es müssen andere wertbvolle Bande sein, die den Bierfürsten mit der Kunst verbinden und so stark sind, doch mancher ConcerthauSbesiyer und mancher Theaterdirrctor allen Anregungen und Anliegen gegenüber nur errötbend flüstern kann: „Bitte, sprechen Sie mit meinem Brauer!" Und wenn dereinst die Culturqeschichte unferer Zeit geschrieben wird, dann kann da- Wort aus Götz von Brrlichingen auf manchen unseren Bierfürsten treffend angewandt werden: „Da- war ein Herri Ter hatte die Hand über die ganze Welt!" Wandeln also die Musen in so trauter Umschlingung mit deS GambrinuS derben Söhnen, so darf eS kaum Verwunde rung erregen, wenn ibre weibliche AnpaffungSgabe ibnen ein befremdliches Interesse für Bier verleibt. Andererseits profitirt vaS Bier wiederum soviel von dem intimen geistigen Umgang, daß eS — herrschsüchtig, wie diese- männliche Element nun ist — den zarten Musen die Direktive geben zu können sich anmaßt. Schwärmt der Bierfürst für den ClassiciSmuS, so wird die von ihm patronisirte Kunst der klassischen Richtung huldigen, interessirt er sich für „die Moderne", so wird die Kunst „modern" sein. Da er aber ein eminent praktischer Mann ist (sonst bätte er» auch nie so weit gebracht), so wird er dem Publicum diejenige Kunst reichen lassen, die da- Publicum eben wünscht, denn daS Publicum ist der Bierconsument und nickt die Kunst. Gerade dr»halb, weil di« Logik de- Bierfürsten so uner bittlich und vernünftig ist, muß die Gründung de» „Deutschen Theater-" in München und da- Programm diese- Kunstinstitute» fast befremden. Befremden muß auch die unverständliche Ungeschicklichkeit der ganzen Jnscenirung diese» Unternehmen», die ununterbrochene Kette von Schwierig keiten und Hindernissen. Einige reiche Brauer und ander« Capitalisten süblen daS Bedürfniß, rin schönes Stück Geld — bisher sind 8 Millionen verthan — in einer Kunstgründung anzulegen. DaS ist noch zu verstehen, schwerer verständlich wird aber dir Sache, wenn man hört, daß eS ein „Tbeater der Modernen" sein soll, dem die glänzende Zurichtung gilt. Wie? Sind die sonst so praktischen Herren plötzlich unter die Idealisten gegangen und glauben sie wirklich mit einem „modernen" Theater die Verzinsung einer SeckSmillionengrünvung zu erzielen? Vollend- unverständlich wurde dir Angelegenheit, als man hörte, daß Emil Meßtbaler zum artistlscheu Director aus erkoren wäre. Meßtbaler ist den Leipzigern durch da- Gast spiel seines realistischen TbraterS bekannt, er ist ein energischer junger Mann, dem die Freunde manche- Gute, die Wider sacher viele» Schlimme nachsagen, einer von jenen Kindern de» Glück«, von denen man nie recht ergründen kann, wie sie eigentlich zu dem geworden sind, wa» sie vorstellen, und welchen Mächten sie ibreForderung verdanken. DieGründungSgesellschaft bat bei seinem Engagement eine Eile bekundet, die sie heut« bitter bereut, denn sie verpflichtete ibn bereit- 18 Monate vor Eröffnung des Tbeater- für die Tauer von zehn Iabren mit einem ungewöhnlich hohen Gebalt. Außerdem geschah daS schier Unglaubliche, daß man ihm eine gewisse Pauschalsumme zur Verfügung stellte, die er auf eigene Faust zur Unter haltung deS Personal- verwenden kann. Jetzt muß er sich von den ibm feindlich gesinnten Zeitungen vorrechnen lassen, welche Ersparnisse er von der Pauschalsumme bereit« in den 18 Monaten zu seinen Gunsten gemacht habe, Wdem er die Gagen auf ein Minimum herabdrücke. Aber nicht nur der Director, sondern auch da» grsamnite Personal war bereits seit 18 Monaten engagirt, obwohl das Deutsche Theater erst vor drei Wochen seine P'orten erschloß. ES sollte zwar schon zu Anfang de» JabreS eröffnet werden, jedoch hatte der Architekt sich in wahrhaft wunderbarer Weise verrechnet, außerdem wurden von der Polizei fortgesetzt Schwierigkeiten in den Weg gelegt. Wieviel gute und schleckte Witze hat nicht in dieser Zeit deS Hangens und Bangens die seltsame Gründung über sich ergehen lassen müssen! vr. Sigl richtete im „Vaterland" für den „Kunst-Saustall" — wie er da« Theater in seiner geschmackvollen Art taufte — förmlich eine eigene Rubrik «in und wußte jeden Tag eine neue Ungeheuerlichkeit über den Director zu verkünden. Meßtbaler trug auch seinerseits durch einige, etwa« transatlantisch anmuthende Nrclame-TricS nach Kräften bei, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf die kommenden Dinge zu lenken. Aber die Eröffnung sollte nicht erfolgen, ohne daß noch im letzten Augenblick arge Calamitäten entstanden. Dem Consortium ging da» Geld au«, die einzelnen reichen Gründer, schon weit über die ursprünglichen Absichten hinaus in Anspruch ge nommen und schwer gereizt durch die fortgesetzten Angriffe undIversteckten Verleumdungen, wollten nicht mehr mittbun, die Gläubiger drängten, der Gerichtsvollzieher klopfte schon an da» Thor — kurz, rin Krach von respektablem umfang« schien nahe bevorzusteben, und di« Klgtsch- presse schwelgte schon in Seligkeit. Dem nochmaligen Eingreifen eines Bierfürsten war im letzten kritischen Moment die Abwendung de» Schlimmsten zu verdanken und da«
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