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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961102017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896110201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896110201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-02
- Monat1896-11
- Jahr1896
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Morgen-Ausgabe Druck und Verlaq von E. Bolz tu Leivjlg Montag den 2. November 1896. SS DGRtvvg«M»»gad« «schetnt «a '/»? Uhr. bt« IheuL-Ln»LaL< Biocheutag» «» b Uhr. Ilmiahmeschluß fiir Fnzeize«: Rbeud-Ausgabe: Bormittag« 10 UhL Morg« »-Ausgabe: Nachmittag« 4UhL v«t d«u Filialen und Annahmestelle» j« «tu» halb« Stande früher. >n»ei,e» smd stet« an hie Er-ehiti»u zu richten. AO«tto« >«d Lrve-Uio«: z,ha«»e»«affe 8. Dte EkpeEon ist Wochentag« unnnterbrochen ^A»«t von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. A«zeige«.Prri» die Sgespaltene Petitzeile SO Psz. , Reklamen nntrr dem RedactionSstrich (4go- spalten) üO^j, vor den Familiennachrichtr? (6 gespalten) 40/^. Grotzer« Schriften laut unserem Preis- Nerzeichniß. Tabellarischer und Lisfrrnsatz nach höherem Tarif. Filiale,: Vit» Ale»«'« Lsrti«. (Alfred Hab«)». U»iversttüt«strabe 3 (Paulinum). Loui» Lösche, Katbarrneostr. 14. part. und Sönig«vlatz L Ertrn«Beilagen (gefalzt), aar mit de, Morgen-Ausgabe, ohur Poftbeförderuug 80.—, mit Postbrsörderung ^l 70.—. BezugS-PrsiZ h» h« Hnuptexpebitton oder den im Stadt« AG« und den Vorort« errichtete» An«. aaoestellen abgeholt: vierteljährlich^t.SO, «i zweimaliger täglicher Zustellnng in« Hau« 5^0. Durch die Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: vierteliährlich 8.—. Direkte täglich« Itreuzb-ndleadua, tu» Au«laud: »onatltch ^l 7ch0. SV. Jahrgang. Für Xe»v«mlt»«r und V««vml»vr «am» da» Leipziger Tageblatt durch alle Postanstalten der deutschen Reiches und Oesterreich-Ungarns zum Preise von 4 bezogen werden. Sn Leipzig abonnirt man fiir » mit Bringerlohn s 75 sür beide Monate und nehmen Bestellungen entgegen sämmtliche Zeitungsspediteure, -ie Hauptexpeditiou: Johannesgaffe 8, die Filiale«: Kathariuenftratze 14, Königsplatz V und Universitätsstraße 3, Peterskirchhof 5 Herr Llax XIertk, Buchbinderei, Ranftsche (Sasse 6 Herr Rrledr. Rl8<;I)or, Colonialwaarenhandlung, Ranstädter Steinweg 1 Herr 0. Ru^elinrttln, Colonialwaarenhandlung, Schützenstraße 5 Herr ^ul. 8eltüil»!t Iron, Colonialwaarenhandlung, Westplatz 32 Herr 11. Dltlrleü, Cigarrenhandlung, ^orkstraße 32 (Ecke Berliner Straße) Herr 0. Rebus, Colonialwaarenhandlung, Zeitzer Straße 35 Herr V. RÜ8ier, Cigarrenhandlung, in Plagwitz Herr LI. (Si iltLiuuuu, Zschochersche Straße 7», - Reudnitz Herr >V. Ru^müitu, Marschallstraße 1, Herr Leiiib. lieber, Mützengeschäst, Leipziger Straße 6, - Thonberg Herr II. üülll86b, Reitzenhainer Straße 58, - Volkmarsdorf Herr 0. 4. Liauiuauu, Conradstr. 55 (Ecke Elisabethstr.). sowie nachfolgende Ausgabestellen: Arndtstraße 3S Herr L. 0. LIttel, Colonialwaarenhandlung, Beethovenstraße 1 Herr ^beo<1. Reter, Colonialwaarenhandlung, Brühl 8V (Ecke Goethestraße) Herr Reim. LIe88ke, Colonialwaarenhandlung, Frankfurter Straße (Thomasiusstraßen-Ecke) Herr Otto Rraux, Colonialwaarenhandlung, Löhrstraße IL Herr Rüuurü Hetzer, Colonialwaarenhandlung, Marschnerstraße 0 Herr Raul 8elirelber, Drogengeschäst, Nürnberger Straße 45 Herr LI. R. Ubreebt, Colonialwaarenhandlung, in Anger-Crottendorf Herr Robert bireiuer, Zweinaundorfer Straße 18, - Eutritzsch Herr Robert Bitner, Buchhandlung, Delitzscher Straße 5, - (Sohlis Herr Robert Bitner, Buchhandlung, Lindenthaler Straße 5, - Lindenau 4.1nüner L 6el8t, Wettiner Straße 51, Ecke Waldstraße, Buchbinderei, -> Neustadt 8vllelt'8 ^nuoneeu-Rxpeültlou, Eisenbabnstraße 1, Wp.rrgtr Ciigtblül! Anzeiger. AmtsMtt -es ÄönigNchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Aatljes und Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Amtlicher Theil. Versteigernnq. DienStaa, dk« 3. November 1896, vormittags 10 Uhr, soll« in dem Bersteigerungsraume des Könmlichen Amtsgerichts hier 1 Piantno, 1 Harmonium, 6 Geigen, 4 Rover, 2 varbierftühle, vurbierntensUirn, 4 Luck Raggcnmchl, 2 Pferde, 3 gr. Wage», 1 vahriunschine, 1 Dreh bank, 1 Beschneide- nnd 1 Trrhmajckine, i Rnnd- scheere, 1300 Bilderrahmen- «nd Lambenvutzer- LartonS, verschiedene Korben und Lucke, sowie eine große Partie besserer Möbel u. a. m. meistbietend gegen Baarzahlung versteigert werden. Leipzig, am 30. Oktober 1896. Der Gerichtsvollzieher des Königlichen Amtsgerichts. Wachs, Aktuar. Episoden aus der Völkerschlacht bei Leipzig.*) Nach Berichten von Augenzeugen. IV. Während der Kämpfe um Leipzig benutzten die Com- mandirenden gern Hobe Bäume, Häuser und Tbürme, um von diesen aus die Bewegungen der Gegner zu beobachten und die eigenen Anordnungen zu treffen, So finden wir den Fürsten von Schwarzenberg, der in der Pfarre zu Gautzsch sein Hauptcmartier aufgeschlagen hatte, auf dem Kirchthurme genannten OrteS. Zur Beobachtung de» Feindes bediente er sich nach den Angaben deS damaligen Pfarrers, bei dem er einquartrert war, und der ihn als einen „äußerst gnädigen, leutseligen und umgänglichen Herrn schildert, oer fick stets mit ihm unterhalten und wegen der Oertlichkeiten sich bei ihm befragt habe", eines Perspektivs, daS dem General Vandamme in der Schlacht bei Culm abgenommen ward. Auf dem Thurme waren außerdem noch zwei russische Ingenieure und zwei ortskundige Maurergesellen, die das Vor- und Zurückrücken der Armeen beobachteten. Vierzig Reiter hielten in der Nähe deS ThurmeS und nahmen die Befehle in Empfang, welche vom Thurm herab dergestalt *) Anmerkung: Als Ergänzung und Berichtigung zu dem Artikel „Probstheida" — Morgenausgabe vom 1V. Oktober — sendet Frau verw. Oberlehrer Fanny Ebermann Folgendes ein: „Statt Pastor „Emmerling" muß es heißen Pastor „Ebermann". Letztgenannter war zu dieser Zeit Pastor in Probstheida. Der erwähnte Herr Rhon hieß Rhone, war «mck. tneol., BeSprrpredlger in Leipzig, später Pfarrer in Wallhausen, und rettete in Probstheida die Kirchen- bucher." Mit bestem Danke bringt hiermit diese schätzenswerthe Er- gänzung und Berichtigung zum Abdruck der Verfasser. gegeben wurden, daß man sie auf einen Streifen Papier I schrieb und vom Tburmkranze herab den Reitern, nachdem sie um einen Stein gewickelt, zuwarf. . I AebnlicheS berichtet auch der Hufschmied von Crostewitz, in dessen Wohnstube sich am 14. Oktober fünf französische Generäle versammelten, um von bier aus da- Wachauer Schlachtfeld zu beobachten. Lassen wir denselben selbst reden: „Als am 14. October die Schlacht in Licbertwolkwitz war, kamen auS ihr fünf französische Generäle herein, vom Ft'lde herein in meine Siube, und setzten sich bier in diesem Winkel nieder, hier in diesem Eckpfeiler der Crostewitzer Schmiede, dessen Fenster die Aussicht auf da» Wachauer Schlachtfeld haben. Sie nahmen, die Karte vor und befragten mich um die ringsumlicgenden Ortschaften, Uber die ich ihnen Auskunft geben mußte. Ick sähe wobt, daß es Marschälle waren, und bemerkte, wie sie über den Stand der Armeen sprachen. Mit Heftigkeit wiesen sie, pochten und zeigten sie auf der Karte umher, und soviel verstand ich: „Hier gehl's nicht! Und hier gehl'S nicht! Da und da nicht! und nirgends nicht!" „Mit den Zähnen knirschten sie wie die Löwen!" Als sie auf brachen, srug ich einen von ihnen, der zuletzt ging: „Wen ich die Ehre gehabt hätte, in meinem Hause zu sehen?" Er aber fuhr mich an: „Was hast du darnach zu fragen?" Ich. „Erlauben Sie! ich hätte mich geehrt gefühlt, zu wissen, welche hohe Gäste ich unter meinem Dache gehabt habe?" „Oudinot und Lefebre" antwortete der Herr, den ich zurück hielt." Ueber DaS, was in und um Connewitz während der Völkerschlacht vorging, berichtet der damalige OrtSrichter Graul in einem eingehenden Berichte, der hier nur auszugsweise wiedergegeben werden soll, Folgende«: „Am 28. August kamen die Franzosen, Polen und Täcksen und belagerten unseren Ort. Da lagen fünfhundert Mann am Spitzacker, seckshundert Mann am Kreuze, unter den Weiden zwischen den Brücken ebensoviel. Am 8. October kamen die Mamelucken, Kaiser Napoleon seine Leibgarde, 1000 Mann, wie die Franzosen angaben. DaS war aber allemal nicht richtig! Wir brachten und hatten viel Fourage, aber die Ueberzahl wußten wir nicht, weil un» allemal viel weniger angesagt wurden. Al« nun die Franzosen bier lagen, gebe icb heraus vorS Dorf und kommen 13—14 Mann russische Cavallerie. Meine Russen halten mich an und nehmen mich mit: „Bis stille, Bauer!" Ich mit ihnen bis in die „Probstheider Gasse". Dort schossen sie inS Bivouak, — weg waren sie! Die oberste Vorpost nach Lößnig hatten sie niedergesckofsen. Schon acht Tage vor der Schlacht, den 10. Oktober, kam ein leichtes Corp« Russen mit einer Batterie bis an die hohe Brücke, schossen dreimal ab und zogen mit einem erstaunlichen Hurrah wieder aus. Weg waren sie! Alle BivouakS waren in Allarm und durch Dietzold'S Hau«, den Gasthof, durch >und durch hatten sie geschossen, wo gerade in dem hell er leuchteten Saale mehr als dreihundert Mann beisammen waren, lauter Officiere, kein gemeiner Mann drunter. Ick war dahin geholt worden und sollte Auskunft geben und — „schaffen!" „schaffen!" „'s ist nichts da!" waS konnte ich anderes sagen. Auf einmal die Kanonen! DaS war ein Schrecken! Ich weiß nicht, wie ich von Dietzold'S Saale hinunter gekommen bin! Ueber die Leule ging der Sckuß Lurch die Fenster oben durch und die gegenüber liegende Wand durch und durch. Marsckall Ney war dabei, der Kaiser nicht! Wenn sie tiefer schossen I Den 12. Oclober deS Abend« halb acht Uhr schickt Lefebre zu mir, „der Bürgermeister sollte zum Obristen kommen", der in dem damals Augustowsky'schen Gute rinou-rrtiert war. „Guten Abend, Herr Obrist! —" da war'« der Kaiser selber. Er frug mich wegen der Pleiße, ob sie durch könnten. — Als ich in die Stube trat, wo der Kaiser saß, war er und Lefebre an einem Tiscke, worauf eine große Karte lag. Bonaparte ließ mir einen Stuhl bringen und ich mußte mick quervor setzen. Marsckall Lekebre links, Kaiser Bonaparte rechts, unv ich die Thür im Rücken. Die Karte ging nicht weiter als Cröbern, Gautzsck, Holzbausen und Reudnitz. Der Kaiser srug mich immer selber. Immer rasch sprang er auf, ging in der Stube auf und ab, die Hände auf dem Rücken, und dann setzte er sich wieder nieder. Der Kaiser konnte nicht gut deutsch, und schnippte, wenn'S nicht recht gehen wollte, ernstlich mit den Fingern auf, dann schlug er, wenn er stecken blieb, mit der Hand aus den Tisch! Gewaltia habe ich ibn mit dem Fuße stampfen sehen, daß das ganz« Hau» erschütterte, als ihm «ine Ordonnanz eine wahrscheinlich widerwärtige Nachricht brachte und er Befehl gab. Er hieß mich Wein trinken — aber ich konnf« nicht nunter bringen und schmeckte mir nicht. — Ich hatte zu Haus« krin Brod, ktin Vieh, gar nicht« mehr und konnte nicht trinken. Sonnabend, der 1«. Oktober, war für uns der fürchter lichste der Schlackttage. Schon früh sieben Uhr war rundum daS stärkste Kanonen« nnd Pelotonscucr. Die Franzosen wollten durch die Orsterreicher durch. Am stärksten war dir Schlacht an der hoben Brücke. Die halten die Franzosen frstgrmacht und dir Kanonen in die Erve eingegraben; ich habe daS erschreckliche Pelotonfeurr mit angesehen; ich habe gesehen, wie dir Franzosen ihre Leute in- Feuer treiben mußten, denn eS war zu arg. Am Kreuze stund eine Batterie, und auf dem Gottesacker, wo sie die Lehmmauer al» Schanze benutzt hatten, auch am Dorfe, hinter der Pleiße, ging e« hart her. Bon den vor dem Gasthofe postirten Kanonen aber ist kein Gebrauch gemacht worden, die wurden lange nach der Schlacht erst weggrbolt. Wir hatten einen französischen Capitain, Kaufmann, vier Stunden hinter Paris, der sprach deutsch. „Nun gebe ich dem Tode entgegen!" rief er, al« er von mir in die Schlacht ging. Bald brachten sie ihn wieder getragen, leicht ver wundet. Am 16. Abends, als auf Limburger's, sonst Hillig'S Gut« die Scheunen und Ställe auS Verwahrlosung niederbrannten, weil daS HauS der Gefahr ausgesetzt war, ließ PoniatowSky einen Stuhl und Tisch in den Hos setzen und schrieb beim Feuer im Hofe. Eben unter dem Feuer brachen die Fran zosen in die Kirche und wollten sie plündern. Da lief ich zum Fürsten PoniatowSky und bat, daß es nicht geschehen möchte. „Tont meme!" sagte er, thun'S meine Leute nicht, tbun's andere! E» gebt nicht anders! 's ist Krieg! DaS mißfiel mir von dem Manne, und weil General BrontowSky gleich nebenan lag, so klagte ich eS dem. „Ntin! die Gotteshäuser wollen wir nicht ruiniren" — sagte der brave Herr, „deswegen sind wir nicht hier!" Und auf der Stelle gab er Befehl und Sauvegarde, daß die Kirche nicht weiter durfte geplündert werden. Am 18. Oktober früh fing die Schlacht wieder an. Die Franzosen hatten Connewitz. So stark die Kanonade war, so batte sie dock eine andere Richtung als gerade auf unsere Läufer. Sehr wenig Kugeln flogen herein. Allein nur das Augustowsty'sche HauS ward zerschossen und brannte nieder. Ich blieb in meiner Stube, da verlangte man einen Bolen nach der SchnupftabakSmühle, der Quandl'schen TabakS- mühle, der Windmühle hinter dem Thonbergr. Alle Leute im Dorfe waren fort, auch mein Sohn nicht mehr da, so mußte ick selber den Boten machen. Den 18. Oktober Abends 9 Uhr war es. Der Kaiser stund mit der Generalität dort. Eben hatten sie die Mühlen flügel heruntergerissen unv verbrannten sie sammt der zer trümmerten Mühle im Bivouak. Gaffenlang brannte das Feuer; denn eS war kalt und 4—5000 Mann hielten dort ihre Mahlzeit. Auch ich erhielt ein großes Stück Fleisch/ auch Brod und rin Gläsrl Schnap». Der Kaiser stund über dem Brunnen drüben am Feuer und ich stund ihm ziemlich nahe. Da stund ich, und wie er mich gesehen hatte, war er weg. Beinahe zwei Stunden dauerte eS, so war er wieder La «nd sähe mich auch wieder. Ich erhielt wieder Esten. Und nachdem ich recht ordentlich zugelangt und mich gesättigt batte, denn bis diesen Abend, drei Tage lang, harte ich keinen Bissen Brod gegessen, waren zwei Franzosen beordert worben, den „Bolen" nach Hause zu schaffen. Sie traten daher mit den Worten zu mir hin: „Burgemrister! nach Hause!" Sie tranSportirten mich nach der Stadt, wohin ich wollt«. Das war am 19. Oktober früh drei Uhr. Die brennenden Dörfer und Bivouakfeuer leuchteten fürchterlich durch dir stockfinstere Nacht. So ging e« unter jener Bedeckung durch eine Menge Posten, Regimenter, Wagen, Kanonen und BivouakS, bis ich, noch ein Stück Fleisch i» der Tasche, zum alten Cuno in dir Stadt kam. Am 19. Oktober Morgens haben die Oesterreicher Conne witz Schritt vor Sckritt genommen. Es ging sehr langsam, die Franzosen und Oesterreicker waren völlig erschöpft. Die Franzosen flüchteten oft auch den Alliirten entgegen — unv Lruder Jonathans Präsidentenwahl. Skizzen von der amerikanischen Wahlcampagne. Bon Philipp Berge« (Hamburg). «lachdruL »rrbotsi. II. Heitere». Ein Mann, der drei Jahre in New Dork, Chicago oder Philadelphia gelebt hat, sollt« daS Land — seine Stadt wenigstens — kennen. Begiebt er sich indeß am Ende de« dritten Jahre« auf Reisen und kommt erst im vierten, just zur Wahlcampagne zurück, so erkennt er die Gegend selbst seines engeren Lebenskreise« kaum wieder, so sehr Hal Alle« sich verändert. Die Herren Wahlmännrr und Geschäfts agitatoren sind durchau« nicht damit zufrieden, zu reden und ihre Reden drucken zu lassen — o nein, sie wenden den ganzen, ihnen angeborenen Erfindergeist an, um außerdem immer neu« Arrangements: lauter Reklamen für ihre Partei zu ersinnen. Bei Tage scheinen die Straßen der großen Städte sich in einer Art von Kriegszustand zu befinden. Die Namen der Candidaten glänzen von Dächern und Fußsteigen, glanzen an Kchrickttonnen und Kirchtbürmen. Große Wagen durchziehen die Straßen, gefüllt mit vermummten Gestalten, di« den Namen ihre- Candidaten mit Nebelhörnern in die Welt hinauSposaunrn. An den Straßenecken erheben sich stlberzüngige Redner, ihre Tribüne ist ein umgestürzte« Faß oder ein leerer Wagen, ihre Zuhörerschaft ein Gemisch au« Männern, Frauen und Jungen. Einrrlne dieser VolkS- rrdnrr wiederholen ihre Reden in englischer, deutscher und italienischer Sprach«. Der kleine Mann, der „Fremde", sogar der Schwarze, sonst „niggor", jetzt „ooiourock gentleman" (farbiger Gentleman) geheißen — sie alle steigen ganz kolossal in der sichtbaren Achtung ihrer stimmensammelnvea Mitbürger. Man schüttelt einander die Hände blutig, zerrt Leute, di« sonst kaum existiren, mit Gewalt zu großen Mahlzeiten und läßt den Wein in Strömen fließen. Die Partei bezahlt Alle«. Feurrwasser kostet nicht« mehr. Ein freundliche» Wort sür Mc. Kinley oder auch für Bryan, je nachdem es kommt, und nicht allein der Hab» de« Whiskeyfasse«, sondern such die sonst so verschlossen« Börse ist jedem Lumpen für einen Pump offen, der natürlich niemals wieder getilgt wird. Den Negern kommt man mit abergläubischen Abnungen und Träumen zu Leibe, da« wirkt am besten, trotzdem r« vielen der ihrigen an Schlauheit keineswegs geblickt. Ein Solcher ist der Inhaber der ^Broadap', einer politischen Zeitung, die sich rühmen darf, die längsten Abonnement« mit ihren Kunden abzuschlirßen. Sicherlich hat auch bereits Herr Mc. Kinley seinen Part mit dieser Zeitung abgeschlossen, denn ihn empfiehlt sie und bat sie unter den Farbigen zum Feldgeschrei erhoben. Diese» Blatt wird von einem Neger in Pittsburgh, Pa., herau«- grgeben und von hier au« nach allen Theilen de» Lande« versandt — vorausgesetzt, daß der Redakteur (und nebenbei Setzer, Drucker, Corrector und Expedient) gerade gut gelaunt ist und zur Versendung Zeit findet. DaS Blatt erscheint nur während der Wahlcampagne mit Text. Da der Setzer indeß nur über ein sehr primitive« Material verfügt, so ist da» Aussehen des Blatte« äußerst komisch. Alle Schrift- arten werden wild durcheinander gesetzt. Orthographie ist ein gäuzlich überwundener Standpunkt. In der Zeitperiode, di« zwischen den Wahlgängen liegt, also etwa Jahre bindurch, enthält die Zeitung keinen lesbaren Text. Der Redakteur taucht seine Hand einfach in Druckerschwärze, drückt sie auf da« Papier — und die Wochenausgabe «st fertig. Den Abonnenten genügte diese» Lebenszeichen voll kommen. Und nun zu den Geheimnissen der schwarzen Eollegin jenseits deS Wasser». Also: die „Broadax" hat gar keine Abonnenten, sondern wird unter den Farbigen gratis vertheilt. Ihr Einfluß unter den letzteren «st ziemlich be deutend — da» wissen dir Herren Politiker sehr genau und deshalb „unterstützen" sie den Redakteur (um von ihm unter stützt zu werden). Er laßt sich jedoch nicht bestechen, so daß den Gönnern nichts übrih bleibt, al» „recht dick' auf da» Blatt, welche- jährlich einen Dollar kostet, zu abonnirrn. Auf diese Weise sind denn auch thatsächlich Abonnement» auf 100, 200, 800, 400 und 500 Jahr« zu Stande gekommen. Man munkelt, der allerlängste Abonnent sdll Herr Mc. Kinley sein: er soll, einem farbigen cm ält zufolge, aus 900 Jahre abonnirt und — heil ihm! — im Vorau» bezahlt haben. Nicht allein der Tag in den Straßen der großen Städte hat sich verwandelt, nein auch die Nacht — dies« noch mehr. Bon den ungeheuren Tran»parrntea, die überall leuchten, will ich nicht sprechen, dergleichen hat man auch bei uns. Aber die lodernden Frrudenfener, die allabendlich von Knaben mitten auf der Straße entzündet werden und ihre züngelnden Flammen zwischen den hölzernen Häusern emporsenden, kennt man bei uns nicht. Allabendlich tragen die Knabeu au» der ganzen Nachbarschaft leere Tonnen zusammen, schichten sie mehrere Meter hoch übereinander und zünden sie von uuten her an. HauS hoch schlägt die Flamm«; um ihr Luft zuzuführen, schlägt man die Fässer an den Seiten an. Zu dem Brausen der Flammen tönt da» Geschrei der Knaben, die „ChrerS" der Männer, da» Jauchzen der Frauen und allzu häufig auch da» Klingeln der Feuerwehr. Dem patriotischen Spiel zu wehren, fällt indeß Niemand ein. Durch die langen „Avenue»' zieven bi« si>ät in die Nacht Züge von ,Bürgern" — in Wirklichkeit erkaufter, halb wüchsiger Burscken, die dir Bewohner de« betreffenden Distrikte« darstellrn sollen. Bor dem Zuge schreitet die Musik, hinter demselben fährt ein Wagen mit Calciumlicht und großem Reflector, der den Zug der ganzen Länge nach be- leuchtet — aber von hinten. Ländlich, sittlich. In drei Jahren wird nicht so viel Feuerwerk verpufft, wie baufig jetzt an einem einzigen Abende während dieser politischen Umzüge. Alle diese «eußerlickkriten hat die Presse zu einer Art Wissenschaft erhoben, die sie „tks scienc« ok Oawpaiuiug" nennt. PckmkS, freien Brandy, Umzüge nennt sie stolz „politische Factoren". Auch da» amerikanische Narrenthum, da» doch bei riuer
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