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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961110014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896111001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896111001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
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Der hauptsächlichste Zweck ver Thronreden ist, Gesetzentwürfe anzukiindigen; über die politisch wichtigsten Gegenstände, die den Reichstag beschäftigen sollen, bal sich aber der Bundesralh noch nicht schlüssig gemacht. Bei der Militaisstrgfproceßordnung unterliegt der Um fang der Reform noch Meinungsverschiedenheiten unter den Regierungen, und was Pen Berlepsck'scke» Entwurf angebt, so ist noch fe,n Leichluß darüber gefaßt, ob überhaupt eine die Zwangsinnung einschlicßende Organisation des Hand werks beantragt werden soll. Wenn der Etat dem Reichstage heute zugeben sollte, so würden voraussichtlich sehr wichtige Rachtragsetato folgen müssen; denn über eine Reihe von Mehrforveruugen dürften die endgiltigenEntschließungen noch nicht gefaßt sein. Es ist nicht recht e»sichtlich, wa»um bei der Bertagung ein so früher Termin für denWiederzusanimenlritl vorgesehen worden ist. Ergänzungs gesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch könnten nur vorgelegt werden, wenn man sich mit dem Gedanken vertraut gemacht hätte, im künftigen Sommer abermals Bertagung eintreten zu lassen. Das ist nicht wahrscheinlich, und so bleibt, auch wenn die Handwerksvorlage kommt, ein nicht besonders reicher Stoff zu bewältigen. Die vielerlei Dinge umfassende Justiz novelte Hal, Tank einer Resignation der Demokratie und des (Zentrums, die in den siebziger Jahren und später den Nationalliberalen als Berralh am Volke ausgelegt worden ist, in der Commission eine starke Mehrheit gefunden. Soll diese nicht im Plenum wieder auseinanderfaUen, so wird man sich bei der zweiten und dritten Berathung einer zeit ersparenden Zurückhaltung befleißigen müssen. Zur Zeit be steht gegenüber dieser Vorlage nur noch eine tiefgehende Meinungsverschiedenheit in der Krage der Berufung gegen die Urtheile der Strafkammern und der Besetzung vieler Kammern. Sie könnte ersetzt werden durch eine andere Streitfrage, wenn daS (Zentrum seine Absicht, die mittleren Schöffengerichte in die Gerichtsverfassung einzusühren, mit allem Ernste verfolgen würde. Eine solche Action könnte jedoch das ganze Gesetz zum Scheitern bringen, ein Ausgang, für den die Klerikalen kaum die Verantwortung zu übernehmen geneigt sein werden. Man würde sich bescheren müssen, und wir, denen die Einführung der mittleren Schöffengerichte eine große Verbesserung unserer Rechtspflege dünkt, bescheiven uns in der Hoffnung, daß der Aufschub uns mit den mittleren auch große Schöffengerichte an Stelle der Schwurgerichte bringen werde. Was außer den erwähnten Vorlagen noch sonst etwa an früheren Geietzentwürfen dem Reichstag zugedachl ist, ent zieht sich der Kennlniß der Oeffentlichkeit. Ein Verlangen nach „mehr" besteht wohl nur in einer Richtung. Im vorigen TaguugSabschnitt ist bekanntlich ein Margarinegesetz en lwurf der Regierungen diesen durch die Ausnahme des Ver botes der Färbung der Margarine und der Vorschrift, daß Butler und Margarine nur in getrennten Räumen verkauft werden dürfen, unannchmbar gemacht worden. Es wäre zu begrüßen, wenn diese Vorlage in ihrer ursprünglichen Gestalt wiederkchrte. In dem Umstande, daß der Reichstag eine Session fortsetzt, liegt ein verfassungsrechtliche« Hiuderniß dafür nicht; denn daS in der preußischen und anderen deutschen Landesverfassungen bestehende Verbot, einen abge lehnten Gesetzentwurf in derselben Session nochmals einzu bringen, ist in die ReicbSverfasiung nicht ausgenommen worden. ES steht daher auch nichts entgegen, einen vom Reichstag erweiterten Gesetzentwurf diesem in derselben Tagung zur Annahme der früheren Fassung vorzulegen. Daß dies mit dem Margarinegesctz gelchäbe, ist wünschenswerlk, weil diese Vorlage sehr einschneidende und wirksame Maßregeln zur Hinianhaltung eines betrügerischen Wettbewerbes der Margarine enthielt und deshalb einem dringenden Bedürsniß, insbesondere auch der auf die Ausfuhr angewiesenen denlschen Buktererzeugung entgegenkäme. Die beiden erwähnten, vom Reichstage eingeführten Verschärfungen, namentlich die Vor schrift der getrennten Verkaufsräume, richten sich nicht so sehr gegen unredliche Manipulationen mit Margarine, sondern gegen dieses volkswirthschaftliche Erzeuzniß und unentbehrliche Nahrungsmittel selbst und repräsentiren gleichzeitig einen Geßlerhuk, den daS extreme Agrarierthuin sür die Re gierung aufgerichtet hatte. Es wäre darum auch poli tisch richtig, wenn die Regierung die Parteien, welche daS unannehmbare Gesetz beschlossen haben, vor die Erklärung stellte, ob sie die Verantwortung für die Fortdauer des gegenwärtigen, die lanwirthschastlicbe Production ohne Zweifel schädigenden Zustande« tragen wollen. Ob die Regierung den Muth haben wird, eine nament lich den Conservativen bei ihren unklaren Beziehungen zum Bunde der Landwirthe unbequeme Entscheidung zu erzwingen, steht dahin, wie es überhaupt fraglich ist, ob es mit der gouvernementalen Courage in dieser Tagung bester bestellt sein werbe als in voriger. Der Kriegsminister Brvnsart von Schellcndorf hat einen Nachfolger gefunden, der den von Jenem erbrachten Beweis ministeriellen Selbstständigkeits gefühls erst zu liefern hat. Sonst hat sich seit dem Juli nichts geändert. Auch in dem Berhältniß der Parteien untereinander nicht. Der nationalliberale Parteitag hat gezeigt, daß diese Partei durch die Mitwirkung der Ultramontanen beim Zustandebringeu des Bürgerlichen Gesetzbuchs sich über den Charakter und die Absichten des (Zentrums nicht hat täuschen lasten; in der conservativen Partei werken die wachsenden inneren und die Grenzschwierigkeilen — dort, wo sie an Christlich-Sociale und Antisemiten stößt — den Eifer nach einem Bündniß mit dem Centrum kaum mäßigen, und was die übrigen Parteien angebt, so genügt der Hinweis auf die Thatsache, daß neben zwei Centrumsmännern ein Mitglied der freisinnigen Volkspartei diese und die Socialdemokratie im Präsidium vertritt, demselben Präsidium, daS während der heule beginnenden Tagung das deutsche Volk bei der Einweihung des Natioualvenkmals für Wilhelm I. zu vertreten haben wird. Die Parteiconstellationen werden dieselben bleiben; ob nicht ein Theil der Parteien sich zu einer schärferen Betonung der verfassungsmäßigen Verhältnisse zwischen Parlament und Negierenden entschließen und dadurch einen veränderten politischen Charakter annehmen wird, bleibt abzuwarten. Es ist die vorletzte Tagung vor den Neuwahlen, utid wer ernstlich will, daß die Demagogie vor der nächsten Ent scheidung des Landes abgehaust baden wird, der wird sich der Pflicht nicht entziehen können, der verwirrten Wähler schaft einen festen Anker zu zeigen. Deutsches Reich. tst. Zittau, S. November. Auf das an den Kaiser von dem deutschen Gewerbekammertag zu Weimar ge richtete Huldigungstelegramm ist bei der Handels- und Ge werbekammer zu Zittau, dem Vororte, nachstehende, von deni preußischen Handelsminister unterzeichnete Erwiderung vom 3k. October einaetroffen: „Seine Majestät der Kaiser haben mich zu ermächtigen geruht, dem Verein deutscher Gewerbekammern Allerhöchst ihren Dank sür die durch das Huldigungsielegramm des 12. deutschen Gewerbekammertages vom 21. d. M. be wiesene freundliche Aufmerksamkeit und Allerhöchstihr regstes Interesse an dem Wohlergehen des deutschen Handwerks auSzusprecken. Ich macke der Handels- und Gewerbekammer hiervon mit dem Anbeimgeden ergebenst Mittbeilung, die übrigen an dem Gewerbekammertage betbeiligten deutschen Gcwerbekammern von der Aller höchsten Kundgebung in Kenntniß zu setzen." x VerUn, 9. November. In Negierungskreisen macht man sich darauf gefaßt, daß die Debatten über die Polenfrage, die sckon in der vorigen Session des preußischen Landtages einen außerordentlich breiten Raum eingenommen haben, in der bevorstehenden Session wegen der verschiedenen Vorkomm nisse des letzten Jahres sich besonders lebhaft und umfang reich gestalten werken. Man nahm dies schon niit Rücksicht aus die von den deutschen Abgeordneten vorzubringenden Beschwerden an. Wenn nun aber, wie polnische Blätter an kündigen, gar noch die Polen die Ereignisse der letzten Zeit und das Verhalten der Negierung zu Angriffen benutzen wollen, so kann man sich aus endlose (Erörterungen und leidenschaft liche Redekämpse gcsaßt macken. Man sollte eS kaum für möglich halten, daß die Polen eS wagen würden, die Be stimmung der Regierung über die Vorsichtsmaßregeln bei der Huldigung für den Erzbischof von Posen zum Gegenstände einer Interpellation im Äbgeordnetenhause zu macken. Diese Huldigungen haben bisher stets einen nationalpolnischen, nicht einen kirchlichen Zweck gehabt und sind von langer Hand vorbereitet worden. Das von deutscher Seite darüber gesammelte Mate rial dürfte zu der Frage berechtigen, wie überhaupt die Regie rung diese Huldigungen noch gestatten könne, und deshalb ist eS ein Zeichen verblendeten Hochmuths, wenn man von polnischer Seite die Angelegenheit der Huldigungen berührt. 6. ü. Berlin, 9. November. Tie Lage der ConfectionS- arbeiterinnen ist im Frühjahr dieses Jahres durch den Streik in Berlin grell beleuchtet morden, und die Verhand lungen im Reichstag zeigten, daß das Bild, welches in den Volksversammlungen gezeichnet war, im Allgemeinen rin zu treffendes war. Die Berichte der Gewerbeaufsichts beamten vervollständigen wesentlick daS Bild, leider nicht nach der günstigen Seite hin. Alle Beamten klagen darüber, daß in den Confectionsgesckästen zum Theil große Mißstände bezüglich der Besckäfrigungsdauer der Arbeiterinnen beob achtet worden seien, und bezeichnen eS als bedauerlich, daß die Gesetzgebung kein Mittel an die Hand gebe, den Arbeite rinnen dieser Betriebe, soweit sie nicht als fabrikmäßige zu betrachten sind, unter allen Umständen wenigsten« die sür Kabriken vorgeschriebenen Arbeitszeiten sichern zu können. * Berlin, 9. November. Von verschiedenen Seiten wird behauptet, die Frage der Gehaltsaufbesserung der Ofsiciere solle io geregelt werden, daß der Premierlieutenant aus 1800 Gebalt, sämmtlicke Hauptleute auf 3600 der Major auf 6000 gestellt werden. DaS ist für den Premierlieutant eine angemessene Aufbesserung, für die älteren Hauptleute aber zum Theil eine Verschlechterung. Diese Stufe ist aber nickt nur dienstlich die aufreibendste und bildet für Biele den Abschluß der Laufbahn, sondern sie fällt auch in die Zeit, wo für die Meisten eine Ausbesserung der materiellen Lage am erwünschtesten und nothwendigsten zu sein pflegt. Warum hier keine Be defserung eintreten soll, während die jüngeren Hauptleute bei der Infanterie nm 1440 verbessert werden sollen, ist nicht kinzusehen. Mil Reckt wird daher im „Hann. Cour." der Vorschlag gemacht, es bei den bisherigen Gebaltsclassen zu lassen, dem Hauptmann 2. Classe 3000 zu geben, — was immer noch eine wesentliche Verbesserung gegen jetzt bedeutet, — den Hauptmann 1. Classe aber aus 4200 zu erhöhen. Mit diesem Gebalt kann er sckon eher bis zum Eintritt in daS StabSofficiergebalt ausbalten. Wenn dieses allgemein von 4500 aus 6000 erhöbt werden soll, so würde der Sprung von dem HauptmannSgehalt zum Stabsosficier- gehalt ungewöhnlich groß sein. Dem Staat aber kann es gleickgiltig sein, ob er der Hälfte der Hauptleute 4200 und der anderen Hälft: 3000 ^ zahlt, oder ob er Jedem 3600-^ gewährt. Ungerecht ist eS, daß den Oberstlieutenants der Infanterie nicht eine Aufbesserung gewährt wird. Sie müssen sick mit dem Majorögehalt begnügen, während ihre Allers genossen bei der Cavallerie fast sämmtlich, die bei der Feld artillerie zum großen Theil bereits die Gebübrnisse des RegimentScommandeurs beziehen. Es wäre wohl reckt und billig, sür die etaismäßigen Stabsojficiere eine Zwischenstufe im Gehalt zu schaffen. * Berlin, 9. November. Die socialdemokratische Preß com Mission läßt an die Berliner „Genossen" einen Aus ruf ergeben, in dem eS heißt: „Die Parteitagsbeschlüsse unterstellen den Politischen Theil de- „Vorwärts" einem anderen Forum. — Ihr habt uns damit be traut, den localen und gewerkichaitlichen Theil, die Vereins- und Venammlungsberichte »nd een Annoncenthcil zu controiiren, Lasur zu sorgen, daß die Berliner Genossen den gebührenven Einfluß aus die Redaclion des von ihnen gehaltenen Parteibialies ausuben, auch spectcll bei Anstellung und Entlassung der sür diesen The» nüthigen Mit- und Hilsc-arbeiier ein Wort mitiprccken und mil- entscheiden. Sollen wir diesen Ausgaben einer Preßcommiision ge- recht werden, so dedars es Eurer tbalkräsligeu Unterstützung. Ihr lest und conirolirt den „Vorwäris" ja alle selbst, und wem dos Eine oder da« Andere daran nicht gesollt, der handelt im Parteiiulereste, wena er seine Wünsche und Velchwerden zunächst an die von d n Berliner Genossen gewählte Prc tzcvinmftfio » richtet. Erst wenn diese Coinmlijion Nicht un Stande wäre, gerechten Klagen Abhilfe zu verschasten, wird es nöthig sein, die Lessentlickkeit damit zn befassen. Tie Partei hat kein Interesse daran, etwaige Mängel und Schwächen innelhack unserer Lrgauisaiion an Ue ».essrntlichieit zu zerren, ,o lange wir selbst in der Lage sind, Wanüel zu schaffen. Unierstützt uns also mevr, als Lies bisher dcr Fall war. Bringt Eure Wünsche und Beschwerden an un«, an die Stelle, die Ihr selbst mit der Erledigung derselben betraut dabi. Aber auch nach anderer Richtung habt Ihr für Euer Blau kräftiger als bisher zu wirken. Tie Abonnenten-cahl eiuz-lner parteiloser Blätter ist in Len letzten Jahren erheblich gewachsen, während die Zahl der Abonnenten des „Vorwäris" nur in geringerem Maße zunahm. Wenn wir auch keinen Augenblick verkennen, daß wir mit der seniaiioiisdaschende», reclamelüfiernen bürgerliche» Presse nicht gleichen Schritt halten können und wollen, so mutz doch tue Gewinnung neuer Leser re,p. die Verbreitung des Parteiorgans in ein ganz anderes Siadium treien. Jeder einzelne von Euch muß sich als ein Agitator für daS Parteibloit betrachten und versuchen, dem „Vorwärts" neue Freunde und Abonnenten zuzusühren. ... Wünscht Ihr thatsächlichen Einfluß auf das Central» organ zu gewinnen und zu erhalten, so unterstützt es selbst mst Rath und Tnat, mit Rath, den Ihr uns ertheilt, und mit der Thai, durch die Ausbreitung des „Vorwärts". Die Pretzcommijsion." Feuilleton. Die Sprache in Schiller's Dramen, tztedenkblatt zum 1v. November. Von Hermann Pilz. Nachdruck verboten. Bei ihrem Sturmlauf gegen die gefeierten Größen unserer Literatur in Vergangenheit und Gegenwart sind die modernen Dichter und Kritiker selbst vor der erhabenen Gestalt unseres Schiller's nickt zurückgeschreckt. Nach ihrer Meinung müssen die alten Herren der deutschen Dichtung von ihrem Piedestal gestürzt werden, um den Statuen der Repräsentanten der neuen Dichtung Platz zu machen. Es ist der Vandalismus in der Literatur, ter von den Jüngst- tcutscken vertreten wird. Wie die Spießgesellen des Alarich auS Unverständniß gegen die Gebilde der klassischen Kunst wütheten, so die Modernen in der Literatur gegen Alle-, was den Stempel dcr Klassicität oder deS Romantischen an sich trägt. Man wußte allerdings schon nach dem von Carl Bleibtreu >n seiner „Revolution der Literatur" anSgegebenen Programm, daß man von den neuen Stüimern ui d Drängern nur „rücksichtslose Brutali- täi" zu erwarte» habe. WaS nicht in ihrem Sinne natura listisch ist, wird verurtheilt. Die Kritik der Modernen ist zum Peter Arduö« geworden, der blindlings verflucht, was ibm ketzerbast erscheint. Und merkwürdiger Weise ist das Ketzerbaste, daS von den Revolutionairen der Literatur dem Lckeiterhausen preisgegeben wird, gerade daS Schöne, das iärl.', das Künstlerische. Die modernen Zolaisten in Deutsch land vergessen bei ihrem Tanz um die Göttin Natürlichkeit, raß die Natürlichkeit der Darstellung nie der Endzweck der Dichtung sein kann. In seinem Essay: „Der naturalistiscke und pbotogravhische Roman in Frankreich", sagt Rudolf von Gottsckall sehr treffend: „Der Naturalismus isolirt eine ter berecktigsten, ästhetischen Anforderungen in einseitigster Weise. Alle Dichtung soll auf Natur und Wahrheit beruhen: aber dies sind nicht ihre letzten Zwecke, sondern die aus diesen Grundlagen hergestellte Schönheit: „Da- Kunstwerk als selbstständiger Organismus." Kunstwerke in diesem Sinne aber sind Schiller's Dramen, gegen die sich die Lanze der Modernen, denen die Photo- graphi« mehr gilt al« das Gemälde, die Wirklichkeit mehr als die Wahrheit, gekehrt hat. Daß sie bei ihren kritischen Feldzügen auch Schiller nickt verschonen würden, war zu er warten. Suchte dieser dock im Leben daS Schöne, das Er habene, während die modernen Naturalisten ibre Blicke mit Vorliebe aus dem Pfuhl deS Gemeinen, Häßlichen und Ekel haften weiden lassen. Suchte er doch die Menschheit, wie auf Faust's Zaubermantel, emporzutragen in di« höheren Regionen einer reinen Kunst, während die moderne Dichtung uns festbält in dem Sumpf der Alltäglichkeit, von dessen Miasmen sie vergiftet ist. Wenn Goethe von Schiller sagen konnte: „Und hinter ibm, in wesenlosem Scheine Lag, waS unS Alle bändigt, das Gemeine", so kann man von den Modernen im Gegrntheil sagen, daß sie mit Beharrlichkeit das Gemeine und Widerwärtige suchen. Ihre Bücher sollten sämmtlich in — SckweiuSleder gebunden werden! Glücklicher Weise ist die neue Richtung in Deutsch, land, trotz aller krampfhaften Anstrengungen, sie in« Volk dringen zu lasten, durchaus unpopulär geblieben. Sie hat hauptsächlich greisenhafte Jünglinge und überspannte Jung frauen zu Anhängern. Gerhardt Hauptmann, der „Messias der neuen Kunst", wird, das sieht man doch sckon jetzt, niemals die VolkSthümlichkeit deS Riesen von Marbach er- reichen, gegen den die modernen Pygmäen ebenfalls ihre Waffen richten. Schiller wird au« diesem Kampfe immer al« Sieger hervorgeben. Wir werden in ibm fort und fort den Träger unserer Ideale feiern, den Dichter, der in unS die Begriffe- rung für die Freibeit erweckte, di« schließlich zu einer natio nalen Wiedergeburt fübrte. Sckiller erfüllte die Aufgabe jedes wahren, großen Dichter«, der ahnungsvoll in die Zu kunft schaut, die Aufgabe deS Propheten. Die modernen Poeten sind keine Srbrr. Ihre Weisheit und Weistagung ist wohlfeiler Art. Sie kommen Uber ihre Zeit und den engen LebenskreiS, in dem sie gebannt sind, nicht hinaus. Schiller, der Dichter der Schönheit, der Hohepriester der eckten Kunst, wird sortleben von Generation zu Generation, wenn man Uber die Poeten der Eorruption längst wird den Stab gebrochen haben. DaS ist die Zuversicht des Schillerfreunde«, die sich am heutigen Tage besonders lebendig in ihm regt. Die feindliche Kritik bat sick besonder« gegen Schiller'« Dramen gerichtet, denen man Mangel an Leben«wahrbrit und Unnatur der Sprache vorwirft. Der Vorwurf ist in letzter Zeit so oft erhoben worden, daß e« wobl an ver Zeit ist, die Sprache in Schiller'« Dramen einmal einer Betrach tung zu untsrziehrn, und sie auf ihre Wahrheit und Natür lichkeit hin zu prüfen. Man wendet sich auf gegnerischer Seite in erster Linie gegen die Dramen des Dichters, welche in Versen geschrieben worden sind: „Don Carlos", „Wallen stein", „Maria Stuart", „Die Jungfrau von Orleans", „Die Braut von Messina" und „Wilhelm Tell". Es sind die Dramen, die dem Deutschen anS Herz gewachsen sind. Man kämpft gegen sie an, eben weil sie in Versen ge schrieben sind. Das Feldgeschrei gegen die VerSsorm nn Drama kommt aus dem Lager der radikalen Modernen. Eie wollen, daß die Helden auf den weltbedeutenden Brettern keine andere Sprache führen, al« sie im Leben gefübrt wird. Sie verbannrn den Vers. Sie halten da« Versdrama für etwas Veraltetes. Die Prosa soll die Bühne beherrschen. Für diese Anschauung treten auch die modernen Schauspieler vielfach ein. Bei ihnen ist es jedoch nur die jetzt in ihrem Stande grasfirende Unfähigkeit, einen Ver« correct sprechen zu können, die ihnen den Ver« überbaupt verleibet. Diese Unfäbigkeit aber rrsultirt au« der mangelhaften Unterweisung der Schauspieler, auS dem gänzlichen Mangel an technischer Ausbildung. Man glaubt, Sckiller Genüge zu tbun, wenn man die „schönen Worte" de« Marquis Posa, des Max Piccolo mini, der Johanna d'Arc oder de« Tell möglichst schwungvoll vorträgt. „Schwungvoll" beißt aber bei den meisten Schau spielern, die Musik des Organs, vom Piano zum Forle und umgekehrt, wirken zu lassen, unbekümmert um den Sinn der einzelnen Worte und des Verses überbaupt. Eine solche Declamation, die an das Scandiren der Alexandriner in der alten französischen Tragödie erinnert, zwingt allerdings dem Ver- die Unnatur auf, und an Hobler Declamation fehlt eS bei Ausführungen von Schiller's Dramen leider auch den Bühnen nickt, die tonangebend sein wollen. Wirv aber der Ver« in dieser Weise vergewaltigt, so muß er unnatürlich wirken und vom Erhabenen zum Lächerlichen ist dann nur rin Sckritt. Der Vorwurf trifft aber in solchem Falle doch nicht Schiller, sondern den unfähigen Schiller-Interpreten. Seit alten Zeiten ist der BerS di« Sprache des höheren Drama« gewesen. Nur er entspricht seiner Bedeutung. Dir Gesetze der poetischen Sprache sind in dem Wesen und der Bedeutung der Poesie begründet. Diese ist das Resultat einer zur Begeisterung erhöhten Thäligkeit der Phantasie und der Seelenkräste, und ihre Ausgabe besteht darin, die Gestaltungen der Phantasie zum Ausdruck« zu bringen und dadurch die Phantasie Anderer zu einer analog poetischen Tbätigkeit zu bewegen. Daraus eraiebt sich, daß die Sprache der Poesie eine höhere, schwunghaftere und edlere sein muß, als die Sprache deS täglichen Lebens, daß sie mit der Phantasie gleichen Schritt nach der Hobe kalten muß. Wo aber die Phantasie den Dichter auf den Gipfel der Begeisterung getragen hat, da kann die Sprache ibm nur im Verse folgen, da schließt sich in der Begeisterung Wort an Wort zum VerS, da feiert der VerS seinen Triumph. Und das ist der Fall bei den Dramen Schiller'«, die wir oben genannt haben. Die höchste Begeisterung für die Freibeit, die sich in den Worten eine- Marquis Posa und eine« Wilhelm Tell ausspricht, und die frei ist von den Schlacken, di« der Begeisterung eine« Karl Moor anhaften, ihr wird der Ver« zur noibwendigen, zur natürlichen Sprache. Und die Liebe im Herzen Tbckla's und Max Piccolomini'«, die heilige Mission der Jungfrau von Orleans, haben sie nicht diese Wesen auf eine Höhe der Bc aeisterung gebracht, die nur im Vers ihren ebenbürtigen Ausdruck finden kann? Würde die Poesie den heiligen Götterstrahl bilden, der in die Herzen fällt und zündet, wenn sich die Freude der duldenden Maria über die wiedergewonneiie Freiheit in Prosa ergehen wollte? Di« «delstr, sprachliche Form der Tragödie wird daher immer der BerS bleiben, so viel auch gegen ihn von Poeten, deren Nüchternden sie nicht zum Schwung de« Verse« erbebt, und von Schauspielern, die noch nicht binter da« Gebeimniß der VerSspracke gekommen sind, gezetert werden mag. In der Schiller'schen Tragödie bat die dichterische Begeisterung ihren höchsten Flug genommen, daber muß auch die Spracht diese» höchsten Flug aus den Schwingen deS Verse« nehmen. Er wird hier nur di« Erfüllung de« ästhetischen Gesetze-, dem Schiller stet« Genüge gethan hat. Der Vers allein macht freilich nicht da« Kunstwerk auS, sondern der dichterische In halt, Venn sonst wären Homer und EmprdokleS, wie Aristo tele« in seiner Poetik sagt, in gleicher Weise Dichter zu neunen. Der dichterische Inhalt ist bei Schiller aber der dichterischen Form gleichwerthig. Die Berechtigung seiner VerSspracke steht außer allem Zweifel, wenn man nicht etwa auck die Berechtigung aller der Ansprüche aberkennen will, welche die Ästhetik bislang an ein Kunstwerk höheren Stiles gestellt hat. Vor allem aber ist eS die Wirkung de- Verse«, welckc ihn adelt. Kein« Prosa ist im Stande, den Menschen so mil fortzureißrn, so liefen Eindruck auf ibn hervorzurufen, so sei» ganzes Seelenleben zu erschüttern, wie e« eine edle, form schöne VerSspracke, wie eS diejenige Sckiller'« ist, vermag. Wer wäre nicht im Leben schon Zeug« der gewaltigen, fasä-
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