Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961113022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896111302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896111302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-13
- Monat1896-11
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
w,— 6. r Stlioll. SS.S0 8. SS,— L SO,- 6. »3,— L. 03,— ci. ZS,- 0 ,2,- 6. 13,— 6. IS.— 6. II.— 6. t)on» »I,— U. SS.— 6. SS,— 6. 22.— 6. SS,SO « SS,— Ü. OS,- 0. X»,- U. IS.— 0. ll. ll 123.25 144,SV 191,— 206,— 157.25 99,— 170,— 218,— 0,S3 2SS,— 24S,S0 47,20 8 L3S,— I u u ii 84,— 1Ü1, - 8910 V8,82>„ 119.85 47.SS 9.53 58 82 lz 1.27',, I12,2L 240.-- Mod test. r so 63^ 2S", 97', 29^. 8- »ts) SS o » v 2S»/„ SS,37 ii — ass S4,7b 527,— I. L8.37-- 627,— uax v«r uacl Kia s Ltricau I. «24 47S'a . 485 Ltstix. -I 17^ -l 95», ),32. t> 14560 2IS.4S > > 103,70 124,10 150 2S 12460 133 — 12860 84,10 118,30 83,60 8v,40 5470 84,70 78,2S 169,— 216,30 107,— 87.80 103.60 8870 89.40 53.40 88 — 112 80 201,25 184,80 168.70 121 70 183.10 I20.V. 264 7S 86 2S 238,SO 84,7S 168,— 120 25 eb«r 871 ao 79,10 b > moptet. 88,SO 265.50 180.75 158.75 II210 40.10 157.60 164.— 163,90 17»,75 113,10 133 80 54.60 ^sirsa 131,- 2t, 41,70 2t. .Ideii»"; to»rsl«>. e, bei«!? esws», »Ipit». " 01/») niltt»r» Bezugs'Preis tzt d« -emptexpedifioa ob« d« im Stadt- b«irk Mtd d<7i Bororlen errichteten ÄuS- qabrstrllrn obgeholt: vierteljährlich ^«4.^, -ii zweimaliger täglicher Zustellung ins Haut SckO. Durch die Post bezogen für Leutjchloud und Oesterreich: vieneliährlick 6.—. Direkte tägliche -reu-baadiendung tut Ausland: monatlich 7.Ü0. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/.7 Uhr. di» Abeud-AuSgabe Wochentag- um L Uhr. Lrdartio» uud Lrpe-itio«: -ohanneSzafse 8. DieExpedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: ttto Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraß» 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Sacharinenstr. 14, pari, und Köm'gsplatz 7. 579. Abend-Ansgabe. Nlpugtl'TMblall Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfg. . .amen unter deinNcdnclion(sirich tge. loauen- vor den FainUienuachrichteu (S gespalten) 40^- größere Tchriflrn laut unserem PreiS- verzrichniß. Tabellarischer und Zisfrrn'atz nach höherem Tarif. hextra-Beilagen (gesalzt), »ur mir der Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderung ./» 60.—, mrt Posibejürderung 70.—. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes nnd Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Freitag den 13. November 1896. Annahmklchluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Ubr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein? halb» Stund« früher. Anzeigen sind stet- an dir iSxpeditiou zu richten. — Trull nnd Verlag von E. Polz in Leivz?g- 99. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. November. Die gestrige Sitzung deS Reichstags, die der Fortsetzung der zweiten Beratbung der Justiz uv velle gewidmet war, hat der vorgestrigen Niederlage der Regierung zwei weitere binzugefügt. Obgleich die bestimmte Erklärung des preußi schen Justizministers vorlag, daß das ganze Gesetz scheitern würde, wenn der Eommissionsantrag genehmigt werden sollte, nach dem nur stä o b iaa n g e fi ell te Rich ter Mitglieder der Strafkammern und Vertreter derselben werden dürfen, und obzlrich auch gestern wieder Herr Schönstedt und der sächsische bevollmächtigte die Unmöglichkeit dartbaten, auf die Heranziehung von Assessoren als Hilfsrichtrr ganz zu ver zichten, wurde der EommissionSantrag noch mit der vom Zentrum beantragten Erweiterung angenommen, daß nicht nur die Strafkammern, sondern auch die Schwurgerichte nur mit angestellten Richtern besetzt werden sollen. Sogar der nationalliberale Vermiitelungsantrag, daß zwei Drillet der Strafkammerniilglieder angestellte Richter sein sollen, fiel, obgleich Justizminister Schönstedt für ihn eingelreten war. Ebenso wurde trotz des Einspruchs der RegierungSvertreter der Ecmmissionsantrag, Meineide wie bisher den Schwur gerichten, statt, wie die Negierung will, künftig den Straf kammern zuzuweisen, angenommen. Das Scheitern der Justiz novelle wäre also mit Sicherheit vorauszusehen, wenn nicht die Bänke des Hauses auch gestern schwach besetzt gewesen und die gefaßten Beschlüsse nur mit zweifelhaften Mehrheiten gefaßt worden wären. Die Beschlüsse können also als endgiltige nicht betrachtet werden. Dies gilt auch, wie wir schon gestern betonten, von dem vorgestern angenommenen Antrag Munckel, es bezüglich der Besetzung der Strafkammern bei den bisherigen Bestimmungen zu lassen. Wie verlautet, soll zwischen der zweiten und der dritten Lesung für die endgiltige Beschlußfassung erst eine auch der Negierung annehmbare Formulirung gefunden werden. Wie vorauszusehen, wird daS Wasser, das dieCentruins - sraction des Reichstages in ihre Treibnnds--nter- pellation noibgedrung:n gegossen hat, von der „Köln. Volkszkg." al- Wein staatsmännischer Mäßigung aufgelischt. Aber der Wechsel der Tonart bestätigt gerade, was vertuscht werden soll, daß nämlich aus einer Fanfare eine Cbamade ge worden ist. Das Eentrum will sich enthalten, „auf den Fürsten Bismarck besonders große Steine zu werfen", und eS hat wirklich so viel Grund, dies zu unterlassen, daß es den sehr maßvoll auftreiendcn Grafen Hompesch zur Be gründung der Interpellation ausersehen bat. Seine Rede wird gewaltig von der Wiesbadener Ergießung Or. Lie ber'S, der wahrscheinlich vor der Rede seinem Thee etwas zu stark zugesprochen hatte, abstechen, aber den Eindruck nicht verwischen können, den die Absicht Les Cenlrums, im Namen des Kaisers als dessen treuer Wächter den Fürsten Bismarck zu verunglimpfen, hervorgebrackt bat. Die Speculation auf die Krone und deren Dankbarkeit für die ultramontane „Loyalität" ist ja noch in einer andern Angelegenheit hcrvorgelreten. Man weiß, wie die Eentrums- presse in der Verallgemeinerung der volksverhetzenden Aus beulung des unseligen Falles Brüsewitz mit Demokratie und Socialdemokratie gewetteifert hat. Da entstand im Gehirn Les Herrn Or. Lieber der große Feldzugsplan gegen den Fürsten Bismarck, und er mußte sich sagen, daß die Auf reizung des Officiercorps des Kaisers mit Len „guten Diensten", die er in jener Action der Krone zu leisten sich anheischig gemacht hatte, schlecht übereinstimmt. Die „Germania" gab deshalb der Zuschrift eines ehemaligen Osficiers, Artbur Maria Frbrn. v. Lüttwitz, Raum, die unter Betonung deS katholischen Standpunktes maßvollen Wünschen in Bezug auf die Lurch den Karlsruher Fall dring lich gewordene Erläuterung der Ehrenpflichten der Officiere Ausdruck giebt. Sie läßt dem Verhalten unserer Officiere im Verkehr mit der Civilbevvlkerung volle Gerechtigkeit wider fahren, räumt ein, daß die Störung der Eintracht in der Regel nickt von Osficieren ausgehe, und gipfelt in dem Satze: „Man ändere (an den bestehenden Instructionen) möglichst wenig!" Ohne Frage ist es dem Verfasser mit diesem Wunsche ebenso ernst wie mir seinem Verlangen nach der Beurtheilung des Zweikampfes unter dem religiösen Gesichtspunkt, aber die mit der bisherigen Haltung des Blattes unvereinbare Aufnahme der Zuschrift in der „Germania" war selbstverständlich nur ein Manöver, um die Kreise des Herrn Lieber nicht zu stören. Nun bat sie dieses Opfer ganz umsonst gebracht» denn Herrn Lieber's Hauptaction ist gescheitert. Die „Freisinnige Zeitung" und verwandte Organe, die den Hergang genau kennen, hüllen sich denn auch in tiefes Schweigen. Sie wagen das Centrum nicht zu verhöhnen und getrauen sich nicht, diese Interpellation alS eine auf den „Verrath" des Fürsten Bismarck sachgemäß applicirte Maßregel zu be zeichnen. Für ihren Tbeil fährt diese Richtung mit ihren Kolhwürfen aus den Altreichskanzler fort, Herr Richter läßt sich in seinem Zorn über das von den Leipziger National liberalen nach FriedrichSrub gesandte Telegramm sogar zu folgendem Ausdruck binreißen: „Also wenn ein Fürst Bismarck u. s. w." „Ein" Fürst Bismarck nimmt sich in dem Munde eines heruntergekommenen BerussagilalvrS aut aus, das mißtönige „Enten"-Geschnalter läßt aber die Verehrer des Fürsten Bismarck ebenso ruhig wie diesen selbst. Zu dem stimmt sie der Au-Hang des EentrumSanschlags viel zu heiler, als daß sic sich über eine der gewohnten freisinnigen Ungezogenheiten erregen könnten. Der Berliner Propst Jahnel erläßt eben einen Aufruf zu weiteren Beiträgen für die im Bau befindliche Windthorst-Gedächtnißkirche. Sollte der kluge Geistlicke nur zufällig den Zeitpunkt gewählt haben, in dem die Lieber'scke Diplomatie den Ultramontanen so recht deutlich vor Augen führt, was sie an Windlhorst ver loren haben? Das Scheitern der Heeresreform in Belgien ist geeignet, sowohl Belgien- innere Lage, als auch seine inter nationale Stellung sehr ungünstig zu beeinflussen. Im Inneren wird der Socialdemokratie, die ja in Belgien über eine ungemeine und ersichtlich im Wacksen begriffene Mackt verfügt, der ergiebigste Stoff zur Agitation geboten. Allerdings sind auch die Radicalliberalen unter der Führung Janson's entschiedene Anhänger der Heeresreform, aber sie besitzen nicht genug Boden im Lande, um ter Social demokratie die Waagschale halten zn können. Ist also eine vermehrte Intensität der socialistiscken Agitation zu erwarten, so muß gesagt werden, daß der Socialismus nirgends so ge fährlich ist, wie in Belgien. Hier bat daS Bürgertbum nichts versucht, um die überaus große Kluft zwischen den Besitzenden und dem Proletariat zu überbrücken; und es ist die Entfremdung zwischen den Elasten eine so tiefgehende, wie vielleicht nur noch in Frankreich. In Frankreich aber wirkt wenigstens das nationale Princip einigermaßen zusammenbaltend, indem Bürgerthum und Socialisten sich in der gemeinsamen Liebe zum Vaterlande begegnen, Belgien aber ist kein nationaler Staat; Vlameu und Welsche stehen sich fremd gegenüber, das Königtbum hat feste Wurzeln doch nicht zu fasten vermocht und ist daher nickt im Stande, das gesammtc Volk einheit lich nm sich zu schaarcn. So finden die Socialisten frucht bares Feld für ihre Tbätigkeit, und es ist anzunehmen, daß das Heer, das unter den gegenwärtigen Einrichtungen sich ja aus den niedrigsten Elasten zusammensetzt, bald völlig von socialistischcn Einflüssen zersetzt sein wird, wie ja das Absingen revolutionairer Lieder durch Soldaten u. dergl. m. in Belgien nichts Seltenes ist. Aber auch die äußere Stellung des Staates muß unter diesen Vorgängen leiten. Wohl ist Belgien ein neutraler Staat; sein Ansehen aber kann dadurck nickt gewinnen, daß es nickt im Stande ist, sich ein Heer zu schaffen, das billigen Ansprüchen genügt. Zudem ist eS unmöglich, die Ereignisse der Zukunft mit Sicherheit voraus zu bestimme». Vor Deutschland freilich wird Belgien immer sicher sein. Nicht so siebt es um Frankreich, bas, wenn eS im Falle kriegerischer Verwickelungen Veranlassung dazu haben sollte,kaum Bedenken tragen dürfte, über das Nachbarland herzufallen. Und diese etwaigen Gelüste können durch das Bewußtsein, daß Belgiens Heer schlechterdings nicht mitrcchnet, nur befördert werden. Die Maaübesestigungen, die General Brialmont errichtet hat, bieten keinen Ersatz für eine unzuverlässige Armee.. Endlich aber ist Belgien auch Eolonialstaat, und eS ist unver meidlich, daß das mangelnde Ansehen, daö Belgien genießt, auck auf seine afrikanische Besitzung zurückfallen und die Feinde und Nachbarn deS EongostaateS heraussordern muß. ES ist daher leicht möglick, daß sich über lang oder kurz bas Sckeilern der beabsichtigten Heeresreform am Eongo- slaate rächt. Tie an dieser Stelle mehrfach berührte Waire Anseelc nimmt für die belgische Socialdemokratie eine immer verdrießlichere Entwickelung. Wie vorauszusehen war, sind die Versuche der Genosten, den bei dem Alleinherrscher im Reiche des Vooruit in Ungnade gefallenen Setzer Braeck- mann zu rehabilitiren, an der Unversöhnlichkeit deS Partei häuptlings gescheitert. Es behält also sein Bewenden dabei, daß Braeckmann, weil er an Gerichtsstätte seiner Zeuzenpflicht als ehrlicher Mann nackzetommen ist und der Wahrheit die Ehre gegeben bat, existeuzlos gemacht ist, und ähnlich ergebt es allen Änderen, deren Verhalten während deS gegen den Vooruit angestrengten Protestes sie dem „Khan" Anseele verdächtig erscheinen ließ. Mit gutem Grund machen belgficke Blätter daraus aufmerksam, daß eine solche Taktik, wie sie von dem Genter Arbeitertyrannen geübt wird, eine schwere Gefährdung des Gerichtsverfahrens, soweit die- mit Zeugenaussagen arbeiten muß, bildet. Denn die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen hat zur Voraus setzung, daß der zeugnißablegende Theil dies ohne Nebenrück- sickten irgend weicher Art tbue. Nun ist eS aber bock einer der ernstesten GcwistenSconflicte, in welche der Mensch, der als Zeuge vor Gericht erscheinen und fungiren soll, gerathen kann, wenn er im Voraus weiß, daß in Processen, in welchen ein Socialdemokrat alS Angeschulbigter erscheint, er unter Umständen seine bürgerliche Existenz aufs Spiel setzt, wenn er so aus sagt, wie eS Zeugeneid und Bürgerpflicht von ihm verlangen. Der von den socialbemokratischen Führern den Genoffen aus erlegte Kadavergehorsam führt in direkter Eonsequenz zur Verhöhnung von Gesetz und Recht, von Treue und Glauben, d. h. er legt die Axt an die sittlichen Wurzeln der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung. Daß der gesunde Sinn der Arbeiter sich gegen diese unwürdige Zumukhunz der Führer empören sollte, erscheint bei dem Herdeninstinct, mit welchem der große Haufe Ordre parirt, ja leider aus geschlossen; dafür kann man jetzt, in Belgien wenigstens, die Beobachtung machen, daß zahlreiche bürgerlich-demo kratische Elemente, die bis jetzt, sei eS in einer Anwand lung von Denkfaulheit oder weil sie naiv genug waren, die socialdemokratischeu Phrasen für baare Münze nahmen, an gesichts der brutalen GewissenSknechiung, welche sich Herr Anseele dem Vooruitperioual gegenüber herausnimmt, dock stutzig werden und sich fragen, wohin man gelangen würde, wenn erst einmal ganz Belgien, wie jetzt der Genter Vooruit, nach der Pfeife Anscele's tanzen müßte. Es ist zwar wenig wahrscheinlich, daß der Liberalismus, dessen fäher Zusammenbruch nur Len Abschluß eines schon längst im Gange gewesenen Zersetzungsproccsses bildete, aus den Lehren des Falles Anseelc erneute Lebenskraft schöpfen werde. Die staats- und gesellfchaftscrhaltenden Elemente des belgischen Volkes werden sich auf ganz neuer Grundlage zu organisiren haben, wenn sie nicht in dem Kampfe zwischen llltramon- tanismus und Revolution hoffnungslos an die Wand ge drückt werden wollen. Wird ihnen das gelingen, oder sollte die parteiorganisatoriscke Kraft in Belgien wirklich nur auf die genannten beiden Extreme beschränkt sein? Deutsches Reich. --0- Plauen i. B, 12. November. Die auf heute vom nationalliberalen Wahlverein des 23. sächsischen Reichstag-Wahlkreises einberusene öffentliche Versammlung war sehr zahlreich, auck von konservativen und freisinnigen Parteigängern, besucht. Herr Generalsecretair Breithaupt referirke in N/z stündigen, klaren Ausführungen über die gesetzgeberischen Arbeiten des Reichstage- und erörterte zum Schluß unter wiederholtem Beifall der Versammlung die Verunglimpfungen und Angriffe auf den Altreichskanzler Fürsten Bismarck. An diesen wurde folgende Depesche abgesandt: „Eine zahlreiche Versammlung reichstreuer Wähler Plauens bittet Euer Durchlaucht, Angesichts der unwürdigen Angriffe eines Tbeils der deutschen Presse, den Ausdruck unerschütterlichen Vertrauen» und auf richtigster Dankbarkeit entgegennehmen zu wollen." — Ein in der Debatte austretender Redner der freisinnigen Volkspartei vermochte irgend einen Eindruck nicht zu erzielen. * Berlin, 12. November. Der Wortlaut derAnsprache, die der Kaiser gestern bei der Recrutrnverei digung gehalten hat, liegt in officiöser Fassung bisher nicht vor. Wir geben deshalb den Inhalt der Rede, wie ihn ein Local- berickterstatter verstanden haben will, wieder. Danach hat der Kaiser ungefähr Folgendes gesagt: „Ihr habt jetzt auf das Erucifix und die Fahnen Treue geschworen, mir, Eurem Kriegsherrn, und dem Vaterlanve. Ebenso wie die Krone ohne Altar und Erucifix nichts ist, ebenso ist daS Heer ohne die christliche Religion nichts. Ihr seid berufen, in meiner Garde zu dienen, in den Regimentern, die die schönsten Abzeichen haben. Seid eingedenk, daß Ihr die Waffen tragt für Krone und Altar. Ihr habt die Pflicht, durch Gehor sam ein gutes Beispiel zu geben; dann wird auch der Dienst leicht. (Hierbei gebrauchte der Kaiser einen längeren Satz, in dem von Mißtrauen die Rede war. Wortlaut und Zu sammenhang gingen verloren, da der Kaiser schnell sprach und da- Gefickt gerade ein wenig wegwandte.) Die Geschickte, die in euren Feldzeichen liegt, ist groß. Seid bemüht, Zu friedenheit zu erwerben, die Treue zu erfüllen und den Eid zu kalten. Unter den Augen der Vorgesetzten ist da- nicht schwer; aber auch da, wo Ihr Euch allein überlasten seid, denkt daran. So denkt heute und jeden Tag. Ihr seid eingetrelen in dem Jahre, an besten Wende wir das 100jährige Jubel- s, Hans Jürgen. Roman von Hedda v. Schmid. Nachdruck vertote«. Nun gab Harald JngerSbeim da» Signal zum Aufdruck, die vorzüglich eingejagte, meist gelb, schwarz und weiß ge zeichnete Meute, stob, ihrer lästigen Fesseln ledig, wie der Wind dahin, ihr nach flogen die Reiter, ollen voran Han- Jürgen auf seinem schlanken hellbraunen „Darling". Der Ritt ging zuerst über ein Brachfeld, dann über eine weite Fläche, auf welcker daS spärlich» HerbstgraS ver kümmerte, eS dauerte nicht lange, da hoben die Hunde einen Hasen, der sich in einem Graben versteckt gehalten. Nack- kurzer Frist kielt ihn „Lady", Harald JngerSheim'S LieblingS- hündin, gepackt. Das war die erste Jagdbeute, dann ging eS weiter mit Jagdruf und Horngetön. Ein barbarische- Vergnügen, welche- trotzdem ein „edlcS" genannt wird. Das Wild ist freilich dazu da, um erlegt zu werden, von seinem Feinde, dem Menschen, dem größten Naubthier unsere- Erdballs, und wenn es getödtet wird durch sicheren wohlgezielten Schuß, so bereitet ihm dieser Tod nur kurze Qual oder gar keine, während ein armer Hase oder FuckS unsäglicke Qualen auS stehen muß, wenn er zn Tode gehetzt wird, wenn er durch Busch und Brach flieht, und instinktiv fühlt, daß ihm seine unbarmherzigen Verfolger dicht aus den Fersen sind, daß er ihnen nicht entrinnen kann. E» war eine hübsche Jagd an jenem Octobertagr, und als zum Sammeln geblasen wurde, um auf einer hock gelegenen Stelle rin Frühstück einzunehmrn, da blickte man ra lauter, vor Jagdlust leuchtende, befri»kigte Gesichter. Nur der junge Lenning»», der Jo gern Han» Jürgen cvpirte, schien verdrießlich, weil sein Rappe hinkte. Die anderen Herren besahen den Schaden de» Thieres. „Na", meinte der Major von Stramm, ein schon alter Herr, der «S trotzdem im Reiten mit »hn jungen aufnebme, konnte und durch seine unglaublichen Jagdgeschichten berühmt war, ,«a, liebster Freund, der alte Kerl bi«r, stammt wohl noch au» Noah'« Arche? DaS Hinken ist bei ihm nickt» weiter, al» purer Rheumatismus, verträgt so'n Morgennebel nicht mehr." „Aber erlauben Sie, Herr Major, er bat sich äugen- cheiulich einen Dorn in den Huf getreten", vertheidigte Henningen seinen ehrwürdigen Gaul. Hans Jürgen legte seine Hand auf die Schulter de» jungen Mannes. „Sie sind schleckt beritten, Lenningen, waS meinen Sie, wollen wir einen Handel miteinander abschließen? Ich habe einen Falben in meinem Stall, den ich gern loSwerden möchte. Sie tbun mir geradezu einen Gefallen damit, wenn Sie mir den Gaul abnehmen. Der Preis ist Nebensache", setzte er bmzn, als er bemerkte, daß Lenningen eia etwa- ängstliche- Gesicht machte: „mit dem Gelte bat es auch durchaus keine Eile; vorher sehen Sie sich natürlich das Thier an, wer kauft eine Katze im Sack?" „Mit Ihrer Erlaubniß, Herr von Lommerd, spreche ich übermorgen bei Ihnen vor", erwiderte Lenningen. Sein Rappe verlangte allerdings darnach, in den Ruhe stand versetzt zu werden. HanS Jürgen lag der Pferdehandel gewissermaßen im Blut, sein rastloser Sinn heischte ewige Veränderung. Bald bevorzugte er nur Sckimmel, bald Goldfüchse, dann wieder nur Rappen oder Kastanienbraune. Daß das häufige Kaufen und Verkaufen meist zum Nacktheit seine« Geldbeutels gr- schab, kümmerte ihn wenig, Geld auSgeben war ja so leicht und — so angenehm. Diesmal war es jedoch nicht ausschließlich die Freude am Pferdehandel, welche ihn bewog, Lenningen den Falben an- .ubieten, sondern auch der Wunsch, dem nicht sehr bemittelten jungen Mann, obne ein große« Geldopfer zu einem guten Pferde zu verhelfen. Hans Jürgen war ein nobler Charakter, vielleicht mischte sich diesmal auch eine kleine Dosis Eitelkeit in seine Hand lungsweise — er liebte e», Jüngere ein wenig zu protegiren. Man lagerte sich nun in zwangloser Gruppe aus Teppichen, um das Frühstück »inzunehmen, welches auS kalter Küche, allerhand Delikatesten und einer reichen Auswahl von Triuk- earem bestand. Major v. Stramm war bald in seinem beliebten Fahr wasser und gab ei», Jagtgrschicht« nach der anderen zum besten. „Seben Sie, meine Herren", schloß »r, „Sie wissen, ich bin kein übler Schütz», abrr rinmal war ich doch selbst übrr mick verblüfft. Ich patrouillirte eine- TageS auf meinen Feldrändern umher und sah auf der Spitze einer Wipfeldürren Eller «ine Krähe sitzen. So eine unverschämte Saatkrähe treibt mir allemal die Galle ins Blut. Meine Flinte, die ich zum Glück bei mir hatte, von der Schulter reißen, war da» Werk eine» Augenblick». Die Distanz zwischen mir und dem Kräbvogel war nicht klein — hundert und zwanzig Schritt etwa — ich lege flug» an, ziele, brücke ab und schieße der Krähe erst da» linke, bann mit einem zweiten Schuß da rechte Ange auS." Alles lachte. „Bravo", rief Herr v. Inger-Heim, sein Gla» bebend, „auf Dein specielleS Wohl, Major, Du bist doch immer eia ganzer Kerl." „Aber, Herr Major", sagte schüchtern ein junger Herr, der Jura stnbirte, vorübergehend zum Besuch auf einem der umliegenden Güter weilte, der mit Hangen und Bangen heute zum ersten Mal in seinem Leben eine Parforcejagd mitritt und dem, obzwar ibm Latein an und für sich sehr geläufig war, dennoch jegliche- Verständniß für Jägerlatein abging — „entschuldigen Sie, aber fiel denn die Krähe nicht nach dem ersten Schuß vom Baume?" „Im Gegentheil", log der Major mit der größten Srrlen- rubr, „da- tbat sie nicht; diese Krähe war eben eine rück sichtsvolle Krähe, wollte mir den Spaß nickt verderben." Die Unterhaltung sprang jetzt auf andere Themata über. .Lommerd", rief der Annoferscke, «in Herr mit Falken augen und einem intelligenten Gefickt, „Ihnen strht heute beim Diner unsere« liebenswürdigen GastfreundeS eine neue Bekanntschaft bevor — Herr von Salidah nebst Fräulein Tochter." „So", sagte Hans Jürgen gleichgiltig, „allerdings bisher noch unbekannte Größen; Herr v. Saliday — vermutblich der neue Besitzer de- unter den Hammer gekommenen aräflick Aller-brig'schen Familiengutes. Sckadr, daß solch alte Besitzibümer in die Hände von Emporkömmlingen übergeben." „Hm — al- Emporkömmling kann man Herrn v. Salivay nickt bezeichnen, e« ist verbürgt. daß er einer vornehmen Emigrantrnfamilir entstammt. Daker verfügt er über «in immens große« Baarvermögrn. J«s die Erbinnen in unserer Provinz mehren sich, da ist dir kleine Irma Monfort, allerbing« kein Vollblut, hat abrr gewiß mehr Nace in fick, al» Mademoiselle Hortense Saliday, br, — nun Sir werden ja selbst urtbrilen." „Pad" — schnippte Han« Jürgen mit srinrr Reitgertr durch die Luft, wa« ging ihm der sammtliche Damenflor der Wiek an, er dachte an Margaret'- braune, liebestrahlende Augen und rin warme» beglückende» Gefühl durchströmte ibn. „Hat Ihnen übrigen- die hübsche Erbschaft so gut wie fortgenommen, dieser neuaufgelauchte Backfisch", fuhr der Annofersche fort. „Pah", wiederholte Hans Jürgen geringschätzend, überall mußte er über diese widerwärtige Erbschaft kören, es lag ihm ja nicht- an derselben, er batte genug, um standesgemäß zu leben. „In den Sattel, meine Herren, in den Sattel", rief Herr v. Inger-Heim, der seines Körpergewicht« halber einen großen starken Braunen ritt, „wir haben noch ein weites Revier vor unö, und um sechs sollen wir, vom Jagdslaub befreit, zum Diner ersckeinen." Die Jagd nahm ihren weiteren Verlauf, und als da letzte Hallali geblasen wurde, waren im Ganzen acht Hasen zur Strecke gebracht worden. ES dunkelt; bereit« stark, al« die Jäger in Pallokükl einritten. Eine Stunde später beleuchteten die beiden Lustres im hohen Speisezimmer eine bunte, glänzende Tafelrunde. Silber und altes Krystall blitzte auf der reich und ge schmackvoll gedeckten Tafel. Hobe, geschliffene Kelchglä,er trugen Bouquet- von Herbstblumen, rin Kranz rötblick schimmernden Weinlaub« schlang sich um da« Oval der langen Tafel. Gläserklang und da« summende Geräusch der lebhaft ge führten, von einzelnen Lachtönrn unterbrochenen Unterhaltung schwirrt« durch da« Gemach und die beiden Diener servirteu geräuschlos mit bewunderungswürdiger Gewandtheit Zn Palloküll war Alle- vornehm und in großem Stil gehalten, und dir joviale Heiterkeit de- Hausherrn belebte das Ensemble wir wobltbätig iprudelnve« Üuellwaster. Die Herren, jetzt in hocheleganten GesellschaftSanzügeu, berichteten mehr oder minder lebhaft ihren Tischnachbarinnen über dir Jagd. Margaret, die eine sie vortrefflich kleidende weiße Toilette trug, war von Herrn v. JnzerSheim zu Tisck geführt worden: ihr gegenüber saß ihr Gatte neben Fräulein Hortense v. Saliday. An dieser jungen Dame war Alle« farblos; graublond die Haarfarbe, blaßblaue, unter mübsam sich bebenden Lidern halb verschwindende Augen, mattgrau der Teint, resedafarben die Toilette und am färb- und klanglosesten di« Unterbaltung Hortensens Die Antworten, welche sie HanS Jürgen gab, besckränkten sich fast nur auf „Ja" und „Nein". HanS Jürgen gab e» schließlich auf, seine Dame zu unter.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite