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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.11.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-11-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961120016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896112001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896112001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-11
- Tag1896-11-20
- Monat1896-11
- Jahr1896
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Warum soll nicht auch ein Prinz, der in festem Gehorsam gegen die katholische Kirche und in der Meinung erzogen worden ist, sie sei die wahre christliche Kirche, in sich den Drang spüren, seine Kraft ihrem Dienste zu widmen und mit ihren Mitteln zum Wohle der Menschheit, wie sie es versteht, zu wirken? Dieser innere Trieb kann durch den Blick auf die äußere Stellung gestärkt werden, welche der KatholicismuS in unserer Zeit errungen hat. Tie katholische Kirche hat ihre Kraft einheitlich zusammengefaßt; das Volk zumal in Deutschland, unterwirft sich sklavisch ihrem Wort; die päpstliche Diplomatie erringt Erfolge; selbst die preußische Regierung beugt sich vor ihr, sie sucht des Eeutrum« Gunst und Unterstützung. Eine Gemeinschaft aber, die Macht und Erfolg an sich kettet, wird immer manche Gemüther anziehen und begeistern. Wir dürfen auch nicht übersehen, daß die römische Kircke Ehren und Einkünfte zu gewähren vermag, wie sie ein Staat anzubieten selten in der Lage sein wird. Eardinäle und Bischöfe werden an den Höfen und von der Bureaukratie wie Fürsten behandelt; da« abergläubische Bolk liegt vor ihnen auf den Knien und meint, im päpstlichen oder bischöflichen Segen die segnende Hand de« Allmächtigen auf seinem Haupte zu fühlen. Die Huldigungen, welche die römische Hierarchie empfängt, können auch einem Prinzen begehrenswerth erscheinen. Die religiöse Ueberzeugung von der Wahrheit der römischen Kirche und der Eindruck ihrer Macktentfaltung in unseren Tagen reichen für mich aus, den Eintritt des Prinzen Max in den Priesterstand zu er klären. Neber diesen seinen Entschluß selbst haben wir nicht zu urtheilen; das ist ganz und gar des Prinzen eigene Angelegenheit, für die er nur seinem Gott und seinem Hause Rechenschaft abzulegen hat. Wohl aber gehört die Aufnahme, welche die« Ereigniß bei den Römischen und in der öffentlichen Meinung gefunden hat, zu den Erscheinungen, aus denen man den Geist de« Katholizismus und den Geist unserer Tage deutlich erkennen kann. Das soll jetzt kurz beleuchtet werden. Die römische Kircke sucht überall ihren Pomp und ihre Macht in« Licht zu stellen; sie will damit schlichte Gemüther bestechen und zu der Annahme führen, sie sei die von Gott berufene Herrin der Welt. Jede Gelegenheit, welche den blendenden Schimmer der römischen Kirche hervorkehrt, wird reclamebaft dazu ausgenutzt. Die katholischen Organe haben das Priesterthum des Prinzen Max ausgiebig für den Glanz des PapstthumS verwertbet; wie bestrickend muß diese« sein, wenn sogar das Glied eines Herrscherhauses sich ihm zur Verfügung hält, das ist der Gedanke, den man drüben herauSkehrt. In Eichstädt ist Prinz Max am 26. Juli l. I. zum Priester geweiht worden. Welchen Aufputz hat dieser Tag empfangen! Der Eichstadter Rath hatte die Be wohner der Stadt aufgefordert, die Häuser zu flaggen und zu schmücken; am Abend vorher wurde da« RathhauS illuminirt und trug ein riesige« Transparent mit dem NamenSzug deS Prinzen Max unter einer Königskrone. Eine festliche Procession bewegte sich zur Kirche, die durch Traperien von rothseideuem Damast zu einem glänzenden Raum umgestaltet war. An dem Gottesdienste nahmen die Spitzen der königl. Behörden, der Magistrat und da« ganze OsficiercorpS Theil; anwesend war auch S. K. H. Prinz Georg mit seiner Familie. Der Eichstädter Bischof hielt eine, wie eS heißt, „überaus schöne Ansprache, welche den mächtigsten Eindruck hinterließ". AuS ihr sei folgende Stelle be merkt: „Im heutigen Evangelium haben wir gehört, daß der göttliche Heiland Jerusalem betrat und über da- Schicksal der Stadt Thränen vergoß. Hätte er heute ebenso Eichstädt betreten, so würde er auch geweint haben, aber nicht über das Unglück, sondern über das Glück der Stadt Eich städt, die beute eine solche Feier in ihrer Mitte gesehen." Natürlich sah eS auch der Papst als ein solche« an. Er schickte zu der Feier eine goldene Münze mit seinem Bildniß und der Umschrift: Es werde eine Herde und ein Hirte, und mit einem Schreiben an den Bischof, in dem es heißt: „Mit welch großer Freude unS die Nachricht von der nabe bevor stehenden Priesterweihe des durchlauchtigsten Prinzen Max erfüllt hat, kannst du leicht abnehmen aus der Liebe, welche uns gegen den Prinzen beseelt, wie auch aus unserem be ständigen Streben, die Ebre und das Ansehen der katholische» Kirche befördert zu sehen. Denn diese heilige Priesterweihe ist ebenso eine Auszeichnung für den Weihecandidaten, als für die katholische Kirche ein Glück und eine Zierde." Es genügte aber den Römischen nicht, in Eichstädt mit dem priuzlichen Priester ihren Prunk zu entfalten; e» wurde dazu auch die katholische Hofkirche in Dresden benutzt. Prinz Max mußte dort seine erste Predigt halten. Auch den protestantischen Sachsen sollte als ein Triumph der katho lischen Kirche der Umstand vor die Augen gestellt werden, daß ein Glied ihres Herrscherhauses sich dem römischen Clerus eingereiht habe. Und zunächst hat man drüben den Erfolg davongetragen, daß die Predigt Schaaren Neugieriger herbeigezogen hat. Das katholische Kirchenblatt berichtet darüber: „Prinz Max hielt am Sonntag in der katholischen Hoskirche unter außerordentlichem, einem Hochfeste der Kirche entsprechenden Andrang von Menschen die erste Predigt. Sie machte einen tiefen Eindruck und war wirklich ein Er eigniß des Tages, das vielfach besprochen wurde und hoffent lich nachhaltig wirken wird." Die Ultramontancn hatten er reicht, was sie wollten: sie hatten genügendes Aufsehen erregt und die Gedanken der Menge wieder einmal damit beschäftigt, was eS doch für großes Ding um den KatholicismuS sein müsse. Und sie halten die öffentliche Aufmerkjamkeit noch in Athem. Von Zeil zu Zeit wird immer etwas in der Presse über den Prinzen Max mitgrtheilt; eS wird gern erzählt, wie eifrig er als Priester wirke; cs wird darauf hingewiesen, welch freundlicher Seelsorger er für die armen Deutschen in London sei. Die ultramontane Reclame schweigt nicht, sie redet nur „zu höherem Ruhm der Kirche". Ader dahinter stecken doch auch ernsthaftere Ziele. Es soll daS berechtigte Mißtrauen gegen Rom eingeschläfert und weiterer Raum für ultramontane Ansprüche und Versuche gewonnen werden. Ist es ohne Zweck, daß der Papst der Medaille, die er dem Prinzen Max schenkte, die Umschrift gab: Es werde eine Heerde und ein Hirt? Ist es ohne Bedeutung, wenn der Prinz in seiner Predigt sagt: „Gott möge abermal das Hephatah über un« aussprechen, damit die Wahrheit überall verkündet und vernommen werde, die eine und einzige Wahrheit, welche die katholische Kircke besitzt? Die Arme der Kirche seien weit geöffnet, die Rückkehrenden liebend zu umfassen, sie würde gern für jede rllckkehrende Seele den letzten Blutstropfen vergießen, vor dem Heimgekehrtrn mit Freuden niedersinken und ihm die Füße küssen." Und wenn da« katholische Kirchenblatt dazu schreibt, hoffentlich wirke diese Predigt nachhaltig, wa« kann dies anderes besagen wollen, al« daß nun der Ladung de« prinz- licheu Priesters recht viele Protestanten au« Sachsen folgen möchten, zumal da dasselbe Blatt vor Kurzem die Erwartung ausgesprochen hat, das Sachsenvolk werde in tO Jahren unter dem erlauchten Scepter der Wettiner wieder katholisch geworden sein. Wir dürfen daS Ereigniß nicht auf die leichte Achsel nehmen. Nom verfolgt sein Ziel zähe, die Welt und vor Allem daS protestantische Sachsen wieder römisch zn machen; es bedient sich dazu wesentlich politischer Mittel. Die Ge schichte erhebt, uns warnend, ihren Finger. Ei» Wettiner Prinz, Christian August von Sachsen-Zeitz, trat 1686 zur römischen Kirche über und wurde bald Bischof und Cardinal mit einem Einkommen von über 206 000 Reichsthalern. Damals schrieb er an den Papst: „Gebt mir Canonicate und Prälaturen, und ich werde Sachsens Bekehrer sein." Er ist es, der August den Starken zum KatholicismuS gebracht hat; er war eö, der das Versprechen, da« dieser den Ständen gegeben batte, der Kurprinz solle evangelisch erzogen werden, unwirksam machte; er war c«, der die Hoffnung des Papstes, Sacksen werbe sich ihm unterwerfen, immer wieder aufstachelte, zumal nachdem August der Starke dem Papste geschrieben halte: „Eure Heiligkeit hat geruht, mit zärtlicher Liebe eine in den Jrrthümerii der Ketzerei verlorene Seele in Ihren väter lichen Schoost anfzunehmcn. Eurer Heiligkeit hat es gefallen, zu preisen die Hand und daS Werk des Herzogs zu Sachsen, dessen Eifers sich die Rechte des Allmächtigen bedient hat, um im Haupte Sachsenö das Haupt des LutherthumS zu vertilgen". Wir verdanken es also einen: zum Priester gewordenen Wettiner Prinzen, daß unser Herrscherhaus römisch wurde, daß es die Führung des protestantischen Deutschland verlor, und daß nut der unseligen Polcnkrvne Unglück und Elend über unser Vaterland hereinbrach. Die Absicht des Papstes, Lurch August den Starken das sächsische Volk in die römische Kirche zu ziehen, mißlang damals vollständig. Aber sie besteht noch heute. Im Valica» und in den ultramontanen Kreisen trägt man sich mit der Hoffnung, daß nun dem Wettiner Prinzen Max gelingen werde, was dem Cardinal von Sachsen, dem Wettiner Prinzen Christian August von Sachsen-Zeitz, nicht gelungen war, die evangelischen Sachsen unter das Joch deS PapstthumS zurückzusühren. Rom rechnet nur mit den Mächten der Erde, nicht mit den geistigen Mächten de« Himmels; durch die großen der Erde denkt es die Kleinen an sich zu ziehen. Wir Sachsen haben alle Ursache, für die Zukunft die Augen weit aufzuthu» für die Gefahren, die uns von Rom kommen können; Mißtrauen gegen ultramon tane Jntriguen ist mehr al« berechtigt, c« ist unsere heilige Pflicht. Und umsomehr ist dies unsere Pflicht, wenn wir sehen, wie charakterlos, wie urtheilslo« viele Protestanten sich zu diesem Ereigniß verhalten haben. Wer hat denn die katho lische Hofkirche bei der ersten Predigt des Prinzen gefüllt? Zu »/« waren eö Evangelische, welche verkehrte Neugierde dorthin getrieben hatte. E« wäre ein Zeugniß protestantischen Ehrgefühl« gewesen, jener Feier fernzubleiben, die von den Römischen al« ihr Triumph auSposaunt wurde. Sind wir wirklich so weit herabgekommen, daß wir nur noch gut genug sind, vor den SiegeSwazen der Ultramontanen ge spannt zu werden? Wie wird die Thatsache, daß dem Gottesdienst viele Protestanten anwohnten, drüben auSgebeutet! Sehet, so wird man sagen, wie die Sachsen ihr Mißtrauen und ihren Widerspruch gegen Rom fallen lassen, welche herz liche Theilnabme sie dem prinzlicheu Priester auS ihrem Herrscherhause entgegentragen, wie viele sich seines Schrittes freuen! Laßt un« weiter arbeiten für die Romanisirung SachsenS, der Boden ist bereitet! Und wenn nun unter un« eine lebhaftere ultramontane Agitation einsetzen und allerlei Wirren in unserem Volke Hervorrufen sollte, so kommt die« auf Rechnung jener neugierigen Schwächlinge, die sich ein bildeten, durch ihre Gegenwart in der katholischen Hvskircke den Glanz der Feier erhöhen zu müssen- Aber e« ist hierbei nicht bloö die charakterlose Sucht zu tadeln, etwas zu sehen, waö man für interessant hält; eS hat sich bei diesem Anlaß auch byzantinische« Wesen breit gemacht, daS den Evangelischen und den wahren Vaterlandsfreund nur abstoßen kann. Da« katholische Kirckenblatt berichtet, daß zur Priesterweihe des Prinzen aus Leipzig von conservalivcn Protestanten herzliche Glückwünsche dargebracht Worten seien, die Prinz Max telegraphisch beantwortete: „Besten Dank für freundliche Wünsche, die mich ganz besonders erfreut haben". Ich kann kaum glauben, daß Conservative, die zu unserer Kirche gehören, jenen Glückwunsch abgesandt haben. Es liegt im Interesse ter konservativen Partei, baß dies klar gelegt werde. Ich nehme an, daß der Vater jener Wünsche derselbe Literat ist, der unter dem Titel eines Protestanten für die ultramontanen Zeitungen Berichte schreibt, in denen er das Katholische verhimmelt, derselbe Literat, der an die leere Synode die ungemein dreiste Petition auf Abschaffung des Reformationöfeste« gerichtet hat und in dieser Petition fick unterschrieb als Protestant und Conservativer. Aber weiter. Prinz Max wird al« Priester der deutsche» katholischen Gemeinde in London verwendet. Dort wurde er in dem Gesellenverein begrüßt. Bei dieser Gelegenheit Hal ein Herr v. Limburg, cin Protestant, ausgesprochen, daß sich die Deutschen, gleichviel ob Katholiken oder Protestanten, um den Prinzen i» London schaaren würden; Bonifacius sei einstens der Apostel der Deutschen gewesen; er hoffe, daß S. K. Hoheit ein neuer Apostel unter den Deutschen in London werden würde. Wir wissen, daß Bonifacius seiner Zeit die christliche Kirche in Deutschland fest jmit dem römischen Bischof verbunden bat. Der Vergleich des Protestanten v. Limburg läßt den Schluß zu, daß Prinz Mar berufen sein möchte, wenigstens zunächst die Deutschen in London in gleicher Weise um den Stuhl Petri zu vereinigen. Man muß sagen, daß in solchen Worten da» evangelische Ehrgefühl tief erniedrigt ist. Und noch weiter. Ich sagte oben, die ultramontane Partei übt immer Reclame; da« gehört zu ihrem Geschäft: sie hcffl dadurch Staunen und Bewunderung für die katholische Kirche wenigstens bei den Protestanten hervorzurufen, die ihre eigene und die römische Kirche nicht kennen. Man sollte glauben, daß unsere protestantische Presse sich für diese« ultramontane Reclamebedürfniß nicht mißbrauchen ließe. Allein wie ost findet man in den Zeitungen Notizen über den Prinzen Max, als wäre eS für un« eine der wichtigsten Angelegenheiten, zu erfahren, was der junge römische Priester treibt. Ick richte an unsere Presse die Bitte, da« zu unterlassen. Es ist nickt heilsam für den jungen Priester, wenn über ihn so viel be richtet wird; er könnte zu der Meinung kommen, daß seine Thätigkeit als eine der ereiqnißvollsten und folgereichsten angesehen werde; da« könnte ihn zu Bestrebungen reizen, die weder ihm noch unserem Herrscherkause noch unserem Vater land« zum Segen gereichten. E« ist nicht gut für die Protestanten, sie immer mit römischer Thätigkeit zu unter halten; manche bilden sich dabei den Wahn an, als ob drüben besonders Große« geleistet würde, al« ob den römischen Dingen vor allen anderen Beachtung zu schenken sei. Graf HoenSbroech hat auf der Darmstädter Generalversammlung des Evangelischen Bundes gesagt, eine der besten Waffen gegen den UltramontaniSmuS sei: seine Reclame und seine Ansprüche zu ignoriren und seiner Sehnsucht, sich in den Vordergrund der öffentliche» Aufmerksamkeit zu schieben, keine Nahrung zu geben. Unsere Zeitungen werden recht daran thun, wenn sie die fernere Thätigkeit de« junge» Priester« der schweigsamen Stille überlassen, in die sie gehört In den Thatsachen, die ich angeführt habe, finde ich die Klage über die charakterlose Schwache mancher Protestanten FeuiHetsn. Das Kirchweihfest. Von E. Glaser. Nachdruck verboten. In den Monat November fallen die meisten Kirchweih feste. An die kirchliche Frier dieser Feste haben sich viele profane Gebräuche anzehängt, die auS älterer Zeit stammen und ihr altheidnische« Gepräge nicht verleugnen. Schon bei den Griechen und Römern wurden die Tempel ge weiht, und da- jährliche Erinnerung-fest au die ur sprüngliche Weihe gefeiert. DaS jüdische Fest der Tempel weibe wurde von den Juden am 25. deS neunten Monate« KiSlev (im December) zum Andenken an die im Jahre 164 v. Cbr. durch JudaS den Makkabäer vollzogene Erneuerung deS Altar« und an die Neuweihuna de« von Antiochu« Epipbane« entweihten Tempel« al« Freuden- und Dankfest acht Tage lang gefeiert, welche Feier sich seit jener Zeit bi« heute erhalten bat. An die heidnischen Erinnerungsfeste der Trmpelweihen knüpfte ohne Frage auch auf germanischem Boden da« Cbristentbum zunächst an, und die Berufung auf da« jüdische Tempelweibfest zur Rechtfertigung der christlichen Sitte de« Kirchweihfeste« kommt erst in zweiter Linie in Betracht. In christlichem Sinne versteht man unter Kirch weih da« Fest, welche« zum Gedächtniß desjenigen Tage«, auf welchen rin neuerbaute« Gotteshaus vermittelst kirchlicher Weihe dem Gebrauche der Gemeinde übergeben ist, alljährlich von der betreffenden Gemeinde gefeiert wird. Früher fielen die Kirchweihfeste auf beliebige Tage und Jahreszeiten, und deshalb ist e« einleuchtend, daß profane Gebräuche, welche sich an die kirchlichen Feiern angesetzt haben, den Charakter der verschiedenen heidnischen Festzeiten an sich tragen. Daß aber solche Gebräuche heidnischen Ursprung» sind, wissen wir au« einem merkwürdigen Schreiben de« Papste« Gregor'« de« Großen, da« er gegen da« Jahr 600 an den Bischof Augustinu« richtete, welchen er mit der schwierigen Ausgabe betraut hatte, die heidnischen Angelsachsen für da« Christeothum zu gewinnen. Gregor schreibt dem Augustinu«, daß er zu folgendem wichtigen Resultat gekommen sei: „Erstens muß man nicht die Tempel der Götzen zerstören, sondern die Götzen. Man entziehe die Tempel dem Dienste der Götzen dadurch, daß man sie zu christlichen Tempeln um- weihe. Weil die Angelsachsen ihren Göttern noch viele Stiere zu opfern pflegen, so ist geboten, ihnen diese Feier lichkeit zu belassen, nur muß man derselben einen christlichen Sinn unterlegen. Und so sollen sie am Tatze der Kirchweih sich auS Baumzweigen Hütten ring« um diejenigen Kirchen Herrichten, welche au« Götzentempeln zu christlichen Tempeln umgeweiht worden. Diesen Menschen muß man äußerliche Freuden lassen, damit sie desto leichter zu den inneren Freuden hingeführt werden. Denn e« unterliegt keinem Zweifel, daß eS unmöglich ist, diesen barten Gemüther» auf einmal Alles wegzunehmeu, und zwar deshalb, weil Derjenige, welcher einen hohen Standpunkt zu gewinne» bemüht ist, dieses nur schritt-, nicht sprungweise erreicht." Die alten religiösen Gebräuche der Heiden waren durch und durch volkSthümlich und blieben auch bei den christliche» Festen al« Volksbelustigungen und Volksfeste haften. So finden sich seit den ältesten Zeiten die auS dem Heidenthum herrührenden Anhängsel vor, di« die Kirchweihen al« voll«- thümliche Festsitten begleiten. Im Mittelalter aber, al« di« Kirche immer mehr der Verweltlichung verfiel, arteten diese Fesisitten sehr au«. Dazu kam, daß die Theilnahme de« Volke« an den Kirchweihen durch die Ertheilung von Ablässen im 15. Jahrhundert wesentlich gesteigert wurde. Da« wüste Treiben an den Kirchweihfesten nahm immer mehr zu. Priester und Volk wetteiferten in widerwärtigem Ge triebe, und wie e« dabei in de» geheiligten Statten, den jÄrchen selbst, auSsah, darüber wird vielfach geklagt. So berichtet un« z. B. Jakob Wimvheliua (s 1528) au« eigener Anschauung Folgende«: Alljährlich kam auf da« Kirchweihfest (de« Straßburger Münster«) fast au« dem ganzen Bi-lhum ein« so große Menge Volke« beiderlei Ge schlecht« in die Kathedrale, wie in ein Wirth«hau« zusammen, daß da« GotteShau« di« ganz« Nacht gestopft voll war. Diese Versammlung schien an di« Orgien de« Bacchu«, an den Dienst der Benu« und an Pluto« unterweltliche« Fackel- fest zu erinnern. Man pflegte nämlich in der St. Katharinen- Capelle ein Faß aufzulegen, daraus den Fremden Wein ver zapft wurde, und wenn Jemand vor Müdigkeit «inzuschlafen begann, wurde er von dem ersten besten mit einer kleinen Nadel oder mit einem anderen spitzigen eisernen Gerath ge- prickt, damit er aufwache. Der den Fremven verabreichte Wein stammte auS einer um das Jahr 1300 gemachten frommen Stiftung. Von verschiedenen Seiten wurde gegen die Auswüchse der Kirchweihfeste geeifert, di« erfolgreichsten Angriffe gegen die aller Zucht baren und höchst verwilderten kirchlichen und weltlichen Kirchweihfeste gingen von der Reformation au«. Luther wollte die Kirchweihfeste ganz austilgen, sintemal sie nickt« anders seien, denn rechte Tabern-, Jahrmarkt- und Spielhöfe worden. An einer andern Stelle sagt derselbe ge waltige Streiter in seiner derben Weise: „Da sind nun allenthalben Schenken und Krüge, darinnen e« zugehet, wie im rechten Babylon (denn also hält man jetzt die Kirmes). Und so e« Abend wird, so kehren sie wieder heim mit vollen Ablaß, da« ist voll Bier und Wein, voll Unzucht und andern gräulichen Lastern, die sie da getrieben haben, kommen sie ander« heim. Denn e« fehlet nicht selten, daß einige auf der Kirme« erstochen werden, oder doch schwerlich verwundet; also daß nun auch cin Sprichwort daraus geworden ist: Ma» thrilet an den Kirchweihen am Abend Ablaß auS mit Prügeln und Schwertern, ja Mord und Todtschlag." Wie e« mit der Feier de« Kirchweihfeste« im 18. Jahr hundert bestellt war, sehe» wir au« einer Schilderung, welche der Pastor Gerber in Lockwitz gegeben hat; er sagt: „Eü ist bekannt, wie der größte Haufe bei solchen Kirchmesseu nicht christlich, sondern schändlich, ärgerlich, ja heidnisch sich be zeiget. Man fängt schon am Sonntage au zu schwelgen und zu tanken bi« in die spät« Nacht, ja oft bi« an den Morgen. Die jährlichen Kirchweihen sind eine alte Ceremonie, dabei aber heut zu Tage viel Mißbrauch und ärgerliche« Wesen ge funden wird. DaS Landvolk hält sehr steif und fest an diesem Freß- und Saufsest, und dürste «her da« Weihuacht«sest oder Osterfest fahren lassen al« diese«. Im a'tenburgischen Lande fand man auch solche Greul, daß mancher Bauer drei, vier, fünf Wochen lang von seinen Geschwistern und Anverwandten bald da, bald dorthin zur Kirme« geladen wurde, und also seine Haushaltung vernachlässigte, auch wohl gar in ein lieder lich Leben gerielh und dabei zu Grunde ging. Deshalb ge dachte der berühmte fromme Herzog Ernst zu Gotha diesem Uebel zu steuern, und verbot durch einen ernsten Befehl, daß alle Dorfschaften zugleich und auf einen Tag Kirchweihfest halten sollten, damit die Schmausereien in einer Woche durcks ganze Land vollbracht würden." Jetzt werden alle Kirck weihen in Altenburg innerhalb dreier Wochen gefeiert. Mit dem sittlichen Aufschwung, den der gesammte deutsche VolkSgeist vorzugsweise in diesem Jahrhundert genommen, sind auch die Kirchweihen auf eine höhere Stufe gehoben und in besserem Sinne Volksfeste geworden. In Thüringen findet acht Tage vor der HauptkirmeS die Antanzkirme« statt, die Mädchen erscheinen dann in gewöhn licher Hauskleidung, in Rock und Schürze auf dem Tanz boden. In älteren Zeiten begann am Abend vor deut Feste der Kirchweihfrirde, der Schutz und Schirm allen Denen verhieß, welche zur Feier diese« Feste« von nah und fern eintrafen. In der Eifel hat sich ein merkwürdiger Gebrauch erhalten. Dort ist Sitte, einige Zeit vor der KirmeS die Mädchen des Dorfe« zu versteigern. Etwa vier bi- fünf Wochen vor der Kirme« versammeln sich die Burschen de« Orte« am Abend auf den Ruf der Trommel in einem Hause und versteigern die Mädchen deS Orte« an den Meistbietenden. Bei dem Bieten wird am meisten auf Tugend und Schönheit Rück sicht genommen; die Mädchen sind aber nicht zugegen. Von dem Erlöse wird theil« an demselben Abende, theil« später eine gemeinsame Zeche bezahlt. Zugleich werden zwei Bur schen al« Hüter bestellt, welche darüber zu wachen haben, daß von dem Tage der Versteigerung an bi« nach der Kirme« kein anderer Bursche al« der Ansteigerer zu dem betreffenden Mädchen freien geht. E« darf auch kein Anderer ohne Erlaubniß de« Ansteigerer« da« Mädchen zur Musik führen oder mit ihr tanzen. In Thüringen schmückt jedes Mädchen de» Hut ihre« Burschen mit bunten langen Bänder» und heftet ihm ein Bouquet (einen sogenannten Busche») mit einem rothea Bande an de» Hut. Diese« Baud mit den, Bouquet darf der Bursche nicht eher vom Hute nehmen, als bi« die festgesetzten Tage der Kirme« vorüber sind, e« ist die« «in unverletzliche« Zeichen deS GelatzSburschenwürd«. Am Niederrhein wird jetzt al« Repräsentant der Kirme« lust statt deS früher üblichen RoßhaupteS das Bild des heiligen Zachäu«, de« KirmeSpatron«, welcher zu Pferde sitzt,
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