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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18961224015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896122401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896122401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-12
- Tag1896-12-24
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Bon einem Freunde unseres Blattes, der dieser Tage in Hamburg war und dabei Gelegenheit fand, sich über Auffassungen zu informiren, die beanspruchen dürfen, in weitesten Kreisen Beachtung zu finden, wird uns geschrieben: Wenn der Streik der Hamburger Hafenarbeiter das öffent liche Interesse in Deutschland und darüber hinaus in so hohem Maße fesselt, wie kaum ein anderer AuSstand zuvor, so wird man den Grund nicht bloS in seinen Dimensionen und seiner Einwirkung auf die wirthsckaftlichen Functionen der ersten Handelsstadt des Reiches zu suchen haben. Obwohl schon dies auSreichen würde, die Spannung zu erklären, mit der man überall dem weiteren Ver lause der Sache entgegensiebt, so liegt doch dir außer gewöhnliche Bedeutung des Streikes darin, daß sein schließ licher AuSgana der Socialdemokratie entweder einen Triumph gewahren oder ihr eine Niederlage bereiten muß, welche beide für die Entwickelung der socialistischen Bewegung im deutschen Reiche von größter Tragweite sein müssen. Es wird in Hamburg zwischen den streitenden Parteien nicht um eine Lohndifferenz oder um bessere Arbeitsbedingungen gekämpft, sondern um die Frage, wer Herr sein soll in den Betrieben: die Unternehmer oder die Arbeiter. Nicht Noth und daraus resultirender Zwang zur Erhebung und Durchsetzung höherer Lohnforderungen hat dir Hamburger Hafenarbeiter und ihre Genoffen veranlaßt, zu streiken, son dern e» handelt sich bei ihren« AuSstand, wie sich immer deut licher zeigt, mn eine von der socialdemokratisckeu Führerschaft in Scene gesetzte Kraftprobe gegen das Capital, daS Unternebmerthum nnd die bürgerliche Gesellschaft überhaupt. ES sollte ml oculcm demonstrirt werden, daß der un gestörte Fortgang der Betriebe tkatsächlich in daS willkür liche Belieben der Arbeitnehmer gestellt sei, daß diese somit die eigentlichen Herren der Situation seien und de«« Unternehmern ihre Gesetze dictiren könnten. Es handelt sich um eine neue socialistische Argumentation gegen die bestehende bürgerliche Productions und Erwerbsordnung nach dem be- tannten Motto der Maifeier: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm eS will." ES ist klar, daß, wenn die Socialdemokratie an einem wirthschaftlich so wichtigen Platze wie Hamburg und in dessen Hauptbetriebe, dem Hafrnverkehr, damit durchdränge, ein Präjudiz schwerstwiegendrr Art für den schließlichen Erfolg der socialdemokratischen Herrschaft-gelöste auf allen Gebieten der ErwerbStbätigkeit unsere» Volkes gegeben sein würde, während umgekehrt, wenn die Streiker nicht durchbringen, sondern sich fügen müssen, die social demokratische Sache eine Schlappe erleidet, die um so schmerz baster für sie sein und um so nachtheiliger auf dir socialistische Propaganda rinwirken wird, je mehr sich die social demokratische Partei im Reichstage und sonst für den Erfolg des Hamburger Streiks eingesetzt hat. ES wird, kurz auSgedrückt, in Hamburg die erste Schlacht in dem Kampfe geschlagen, den Fürst Bismarck meint, wenn er sagt, daß die sociale Frage keine Rechtsfrage sei, sondern eine Macht- und KriegSfragr. Der Ausfall dieser ersten Schlacht wird für den Sieg oder die Niederlage der Social demokratie oder der bürgerlichen Gesellschaft ebenso ent scheidend sein wie der Erfolg oder Mißerfolg der ersten Zusammenstöße mit dem Feinde in einem militairischrn Feld zuge. Diese Empfindung herrscht überall, und deshalb steht der Hamburger Streik weit mehr, als e» der der Bergarbeiter oder der ganz anders geartete und aus ganz anderen Ur sachen entstandene der Berliner Confectionsbranche gethan bat, im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Mit Rücksicht auf diese principielle Sachlage können wir nicht umhin, einige rutioueg ckubitaucki an der Richtigkeit der Schritte zu erheben, die man dieser Tage in Hamburg von Seiten deS Arbeitgeberverbandes im Einvernehmen mit dem Senat zur Beilegung des Streike- gelban hat. Wir verkennen nicht das große Interesse, welches die Ham- ? burger Kaufmannschaft ihrerseits an der baldigen Wieder herstellung des vollen Hasenbrtriebrs hat, aber wir halten es sowohl vom hamburgischen, wie von« allgemeinen Gesichts punkte auS für nnrathsam, bei den Streikenden auch nur den Anschein zu erwecken, als ob auf Seiten der Unter nehmer ein Bedürfniß nach Beendigung deS Streiks um jeden Preis empfunden werde. Es liegt aus der Hand, daß, wenn dies geschieht, die Ausständigen darin ein Zeichen von Schwäche erblicken und sich um so leichter von ihren socia listischen Inspiratoren zur Fortsetzung des Streiks anstiften lassen werden, in der Hoffnung, daß es verbältnißniäßig nur noch kurzer Fortdauer des Ausstandes bedürfe, um die Unternehmer mürbe zu machen und damit nicht nur die Durchsetzung der Arbeiterforderunzen, sondern auch — was viel wichtiger sei — den Ausgang der Kraftprobe zu Gunsten der Streikenden herbeizuführen Daß eine solche Wirkung deS Entgegenkommens von Seiten der Arbeitgeber nicht in« Interesse ter Hamburger Betriebe liegt und die Wahrschein lichkeit baldiger Wiederholungen des jetzigen Ausstandes in vergrößertem Maßstabe und unter ungünstigeren Bedingungen für die Arbeitgeber erzeugt, sonder«« auch die Sache der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber den socialistische«« An stürmen schwer schädigen würde, bedarf nach dem vor her Angeführten keines weiteren Beweises. Aus diesen Gründen stehen wir der Bereitwilligkeitserklärung de» S'tnats, nach Beendigung deS Streikes die einschlägigen Lohnverhältnisse und Arbeitsbedingungen in Gemeinschaft niit Vertretern der Arbeitgeber und -Nehmer einer Enquvte zu unterziehen und etwa ermittelte Mißstände zu beseitigen, nicht ohne Bedenken gegenüber. Wir verkenne«« nicht die Schwierig keit, in der sich der Senat dem Ausstande gegenüber befindet, und begreifen, daß ibin, nachdem seine Vermittel»"; von den Arbeiter» durch VersammluiigSresolutioiien na-, gesucht worden war und nachdem auch der Arbeitgeber verband sich dem Senat gegenüber bereit erklärt batte, sich auf Unterhandlungen mit den Arbeitern unter behörd licher Betheiligung einzulassen, wenn dieselben vorher den Streik sür beendet erklärt und die Arbeit aufgenvmmen hätten, nichts Anderes übrig blieb, als in irgend einer Weise Stellung zu nehmen Aber wir würden cs für richtiger gehalten haben, wenn der Senat den im Eingänge seines Bescheides auf die Arbeiterresolution vertretenen Standpnnct konsequent aufrecht erhalten hätte: daß Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber«, und Arbeitnehmer«, lediglich zwischen den streitenden Parteien — sei es durch Delegirte, sei es durch das gemeinsam als Schiedsgericht aufgerufene Gewerbe gericht, aber ohne Einmischung eines staatlichen MachtfactorS — ausgelragen werden müßten. Wir halten diesen Stand punkt für den einzig correcten und glauben, daß der Staat auS dem Kreise der ihn« gestellten Aufgaben beraustritt, wenn er sich selbst als Schiedsgericht constituirt und dadurch weiter, als zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notbwcndig ist, in Differenzen der Arbeiter mit ihren Unternehmern über Lohnverhältnisse und Arbeitsbedingungen einmischt. Es wird dadurch nicht nur die Herausbildung ungesunder wirlhschaft- licher Zustände begünstigt, sondern vor allen Dingen die Ge fahr erzeugt, daß die Arbeiter sich gewöhnen, es nicht nur als eine Aufgabe, sondern als Pflicht des Staates anzuseben, daß er sich zur Vertretung ihrer Forderungen den Unternehmern gegenüber herbeiläßt. Deshalb hätten wir gewünscht, der Senat hätte an dem von ihm im Eingänge seines Bescheides an die Arbeiter declarirten Princip der Nichtintcrvention festgehalten und sowohl den Arbeitern, wie den Arbeitgebern seine Vermittelung als Behörde ebenso versagt, wie das preußische Ministerium in einem ähnlichen Falle sie versagen würde. Der Streik hätte dann, wie es seiner Natur ent spricht, als eine Angelegenheit, die lediglich zwischen Arbeit gebern und -Nehmern zum AuStrag zu bringen ist, seinen weiteren Verlaus genommen und dementsprechend sein Ende gefunden. Das geschieht zwar jetzt, nachdem die Arbeiter die Ver mittlung deS Senats abgelehnt haben, auch, aber wir glauben, daß das principielle Zugeständniß, welches in dem Anerbieten des Senats lag, nicht nur im Allgemeinen der Socialdenio- kratie zu Gute kommen und von ihr entsprechend verwendet «verden wird, sondern daß auch der jetzige Streit länger dauern wird, als wenn der Senat rundweg erklärt hätte, er könne sich nicht einmischen und die beiden streitenden Parteien möchten selbst mit einander fertig zu werden suchen. Es liegt in der menschlichen Natur, daß die Bedin gung, an welche die Senatsvermittelung geknüpft worden ist — die Streikenden müßten zunächst die Arbeit aufnehmen —, aufreizend wirkt, wenn dieselbe öffentlich in einer staatlichen Kundgebung gestellt wird. Die Arbeitgeber durften und mußten dieselbe stellen, weil ihnen der Streik frivol als „Kraftprobe" aufgedrängt worden war, aber sie haben unseres Erachtens ihre bis dahin unanfechtbare Position dadurch ge schädigt, daß sie sich dem Senat gegenüber bereit erklärten, nach Erfüllung dieser Bedingung sich aus Verhandlungen mit den Arbeitern unter staatlicher Betheiligung einzulassen. Damit haben sie bei den Arbeitern den Ein druck erweckt, daß sie sich nicht in« Stande fühlen, ihre Sache selbst auszufechten, wie das ihr Recht und ihre Pflicht ist, wenn sie nickt zu demselben „faulen Frieden" gelangen wollen, der als Ergebniß des von ihnen abgelebnten Schieds gerichtes drohte. Wir glauben, daß den Interessen der Ham burger Unternehmer und zugleich der Sache der bürgerlichen Gesellschaft am besten gedient worden wäre, wenn der Senat jede Einmischung abgelebnt und der Unter nehmer Verb and den Arbeitern erklärt hätte: „Ihr nehmt zunächst die Arbeit wieder auf und dann wollen wir mit Euch, ohne Betheiligung des Staates oder dritter Un- betheiligter, darüber verbandeln, was von Euren Ansprüchen berechtigt und mit unseren Betrieben vereinbar ist und was nickt!" .lut Genugthuuug dagegen ist es zu begrüßen, Haß jetzt die Hamburger Polizeibehörde sich dazu aufgcrasft bat, nickt nur die öffentlichen Geldsammliingen für den Streik zu verbieten, sondern auch endlich energisch gegen die sogenannten Streikposten und alle Diejenigen vorzugeben, welche den Versuch machen, die Leute von der Wiederaufnahme der Arbeit weiter abzuhalten. Es wäre nur zu wünschen gewesen, daß man schon vor vierzehn Tagen oder drei Wochen in dieser Weise Vvrgegangen wäre; der Streik würde dann wahrscheinlich schon längst zu Ende sein. Deutsches Reich. Berlin, 2.'!. December. Wie cS in den letzten Jahren Uebung der deutschen Colonialverwaltung gewesen, so werden auch in der laufenden Session dem Reichstag Denkschriften über die Entwickelung der Colonien in dem letzten VerwaltungSjahr in der nächsten Zeit nach Weih nackten zugebcn. Die Beratungen des ColonialetatS in der Budgetcommissioi« «verden, wie auch die Beratlmng des Etats des Auswärtigen Amtes, höchst wahrscheinlich in« Februar zu erwarten sein, so daß das amtliche Auskunstsmaterial über die colonialen Verhältnisse rechtzeitig zur Kenntniß aller Be theiligten gebracht werden kann. Die Verhandlungen werden dicsrnal einen lebhafteren Verlauf nehmen als in früheren Jahren, da in den wichtigsten Acmtern der Colonialverwal tung, an der Spitze der Colonialabtheilung sowohl wie in der größten Colonie Deutsch-Ostafrika, sich ein Wechsel voll zogen bat. Wenn, wie in allen sachkundigen Kreisen geurthcilt wird, dieser nur als eine weitere Phase der sachgemäßen Förderung der colonialen Sache, soweit diese eine Personen frage ist, betrachtet «verden kann, so «vird er doch zu eingebenden Aussprachen über die bisherige Entwickelung und die Zukunft der Colonien Anlaß geben. Um so mehr »vird dies der Fall sein, als zwei wichtige Fragen auf eine entscheidende Antwort drängen, und wenn auch nicht ßin den ersten Wochen des kommenden Jahres, «vobl aber noch in der laufenden Session den Reichstag beschäftigen müssen, wenn auch ihre Vorberei tungen, soweit die Mitwirkung der übrigen behördlichen Stellen in Betracht kommt, noch nicht abgeschlossen sind. Das erste ist die Erschließung der Colonien durch Eisenbahn anlagen, wobei gleichmäßig in Frage stehen die Weiterfiib- rung der für die Erschließung des KilimandscharogebieteS so wichtigen, bereits um ein gutes Stück landeinwärts ge führten Tangababn, ferner die Deutsch-Ostafrikanische Centralbahn, welche den binnenafrikanischen Handel der großen Gebiete um den Nyassa, Tanganyika und Victoria Nuanza mitten durch das deutsche Schutzgebiet über Baga- nioyo und Dar es-Salaam seewärts führen soll, ferner die Verbindung von Windhoek mit Swakopmund durch eine Eisenbahn zum Ersatz der Ocksentvagentransporte, welche jähr lich allein, die vielen Unbequemlichkeiten nnd Nachtheile ab gerechnet, an 400 000 Unkosten verursachen. Dazu kommt die Ueberfübrung der Verwaltung des Gebietes der Nen- Guineagesellschast von Kaiser - Wilbelnislano und Neu Pommern und den übrigen dazu gehörigen Inseln des Bismarck Archipels an das Reich. Auch hierüber sind, wie «vir hören, die Verhandlungen noch immer nicht abgeschlossen. Die Schwierigkeiten liegen darin, zwischen den gereckt fertigten Ansprüchen der Gesellschaft und den« Votum des Reichstages, das dieser in der verflossenen Session in der vorliegenden Frage gefällt hat, einen die Annahme des Ab kommens im Reichstag gelvährleistenden Mittelweg zu finden. Die im verflossenen Winter eingebrachtc Vorlage war damit begründet, daß die Neu-Guineacompagnie als Erwerbsgesell schast dort, wo sie ihr Hobeitsrecht insbesondere in Gericht» facher« ausübt, in vielen Fällen entweder mit den eigenen oder den öffentlichen Interessen in Conslict gerathe. Ferner konnte die Gesellschaft für sich geltend machen, daß Teutsch-Ostafrika auch der unmittelbarcii Hoheit des Reiches unterstellt worden ist. Da aber vom Reiche ein Verwaltungszuschuß von zu nächst 180 000-^ verlangt wurde, wenn auch aus der «virlb- schaftlichcu Bedeutung des Schutzgebietes heraus in Aussicht stand, daß dgs Reich nach Uebcrnahme der Verwaltung in kürzester Zeit auf seine Kosten kommen würde, und der Ver trag der Gesellschaft dazu wirtbschaftlicke Monopole bis auf 75 Jahre sicherte, so fand die Vereinbarung keinen Anklang. Daß die Stimmung im Reichstag aber seil dem letzte«« Winter selbst für unbestritten nothwendige coloniale Forderungei« be willigungSfreudiger geworden sei, läßt sich kaum behaupten. * Berlin, 23. December. Der im Proceß Lecke rt Lützotv ausgetretene Zeuge Renv beschäftigt nachhaltig die antisemitische und bündlcrische Presse. Wir haben vor einiger Zeit die Auslassungen des Stöcker'schen „Volk" wiedergegeben, nach denen Herr Renü Herrn von Ploetz zu den „kleinen" Börsenspeculationcn verleitet habe, was Herr Renö jedoch in Abrede gestellt bat. In antisemitischen Blättern «vird allerlei erzählt, aus dem hervorgehen soll, Herr Renö habe dem Abgeordneten Singer das Material zu den Enthüllungen über die Börsengeschäfte des Herrn von Ploetz geliefert, wie er früher darauf bingcarbeitet habe, Herrn Stöcker von der conservativen Partei zu trennen. Jetzt schreibt die „Hann. Post": „Reim hat dem Abg. v. Ploetz das thürichte Märchen aufbinden wollen, Singer habe feine Angriffe nur deswegen auf ibn gerichtet weil er öfter einmal rnit dem Abg. Liebermann von Sonnenberg zusammenfäße! Daniit aber auch Herr v. Manteuffel erfährt, weo Geistes Kind der „Conjul" Rens ist, dem er in seiner großen Liebenswürdigkeit oftmals gestattet hat, an seiner Seite iin Reich? tage herumzulanfen, wollen wir noch folgende Mitthcilung macken, die wir unter Zeug enbeweis zu stellen uns bereit erklären. Reiw hat verschiedenen Herren auf der Journalisten-Tribüne erzählt, von Herrn v. Manteuffel folgende Nachricht erhalten zu haben Der Kaiser habe etwa im August dieses Jahres Herrn v. Manteuffel in Audienz empfangen und sich dahin geäußert: „Er verlange, das; die Eonservativen endlich zu staatsmännischen Auf fassungen zurückkehrten, die Extreme ausstießen und dadurch in den Stand gesetzt würden, zusammen mit den Nationalliberalen ein Gegengewicht gegen das Centrnm zu bilden." Auf diese Aeußerung von höchster Stelle versuchte Rens die Rede des Herrn v. Manteuffel in dcr confervativen Delegirtenversammlung zurückzuführen. Natürlich ist an dem ganzen Märlein nichts wahr, Herr Rens hat, um sich ni:- Pcrtrauensperjon des Herrn v. Manteuffel auszuspielen, gestunken Aber der Führer der Conservativen wird aus dieser Mittheiluug Goethe's Puppentheater. Eine Weihnachl-rtitmerung aus deS Altmeisters Leben. Bon Vr. Ernst Maa»bnrg. Ratdrvck »erboten. Wir sind gewohnt, die Ereignisse der Kindheit, so gern wir NN« ihrer auch erinnern, mit einer gewiffen verachtungs vollen Neberlegenheit zu betrachten; wir lächeln über die Dinge, welche un» al» Kinder große Sorgen gemacht und zu Thränen gerührt haben. Wahrend wir seiner Zeit ver zweifeln zu müssen meinten und weder Licht noch Ausweg mehr auf nuferem Kindrrpfade erblickten, erscheint un- in der Erinnerung selbst der wichtigste Anlaß so klein nNd un bedeutend, daß wir unseren damaligen Kummer beim besten Willen nicht wehr zu begreifen vermögen. Nnd doch thun wir Unrecht, di« kindliche» Leiden und Freuden so von oben herab zu betrachten. Denn „kleine Ur sachen, große Wirkungen" sagt da» Sprichwort mit Recht, und wer kann wissen, ob nicht irgend ein kleines Ereigniß in unserem Leben, uns unbewußt, unserem ganzen Wesen und Streben da- Ziel gegeben hat? ob nickt irgend »in für ganz unerheblich gehaltene» Moment die Quelle großer Tugenden oder Laster geworden ist? Wer zum Beispiel könnte wffsen, ob Jean Jacques Rousseau ohne seine Flucht auS der Lehre jene Reihenfolge von Ursachen und Wirkungen durchlebt hätte, welche sein Genie in der bekannten Weise zur Reife brachte und ihn zu einem der größten Männer seines Jahrhunderts entwickelte? Daher ist cs keine fruchtlose Arbeit, in der Kindheit unserer großen Männer nach den Spuren ihrer künftigen Größe zu sticken, und aus diesem Gesichtspunkte heraus gewinnt auck ein Moment aus Gbethe'S, des Altmeisters, Kindheit, eine kleine Episode auS dem Familienleben im väterlichen Hause, eine ungeahnte Bedeutung und gestaltet sich nickt nur, da sie auf den lieben Weihnachtsabend zurückzuführen ist, zu einer sinnigen Weih- nachtSerinnerung, sondern auch zu einem beherzigenswerthen Vorbilde für uns alle, die wir Kinder zu erziehen und zu beschenken haben. Es ist ein freundliches, schönes Bild, welches sich vor unserem Gtiste entrollt, wenn wir uns der Kindheit de- herr lichen Mgnnes erinnern, seine» träumerisch-thätigen Leben- in dem ehrwürdigen, allen Hause am Hirschgraben zu Frank furt, gekheilt zwischen den Studien, die ihm der ernste Vater aufetleckt, und den mannigfachen Anregungen, welche von der geliebt/« Mutter, der unvergeßlichen „Frau Rath", in die Seele/ve- empfänglichen Knaben gepflanzt werden. Mit Liebe /und Begeisterung pflegte Und hegte sie ihre beiden Kindel, den späteren Dichter und seine von ihm über Alle- geliel4e einzige Schwester Cornelia (die übrigen Kinder starben zeitig hinweg), und Goetbe selbst gesteht in seinem ost citirten Gedickt, daß er von ihr die „Frohnatur, die Lust zn fabuliren" einpsangen. Ihre Märcken und Erzählungen weckten Gemüth nnd Phantasie, fast reichte ihr großer Vorratb nickt aus, den lebhaften Knaben zu befriedigen; sie mußle sich selbst aufk Erfinden verlegen, und wo sie einmal um die Ent wickelung des begonnenen Fadens verlegen war, da half der Knabe, wie sie in einem ibrer durch naive Ursprünglichkeit und reizvolle Frische ausgezeichneten Briefe mittheilt, selbst mit seiner kindlichen Phantasie aus: „Ich konnte nicht ermüden, zu erzählen, so wie er nicht ermüdete, zuzuhören. Luft, Feuer, Wasser und Erde stellte ich ibn« unter schönen Prinzessinnen vor, nnd Alles, waö in der Natur vorging, dem ergab sich eine Bedeutung, an die ich bald fester glaubte als meine Zuhörer; und da wir «ins erst an den Gestirnen Straßen dachten, und daß wir einst Sterne bewohnen, und welchen großen Geistern wir da oben begegnen würden, da war kein Mensch so eifrig auf die Stunde deS Erzählens wie ich; za ich war im höchsten Grade begierig, unsere kleinen, eingebildeten Erzählungen «veiter zu fühlen, und eine Einladung, die mich um einen solchen Abend brachte, war mir immer ver drießlich. Da saß ich, und da verschlang er mich bald mit seinen großen, schwarzen Augen: und wenn das Schicksal irgend eine« Liebling» nicht recht nach seinem Sinne ging, da sah ick, wie die Zornader an seiner Stirn schwoll, und wie er die Thränen verbiß. Manchmal griff er ein und sagte, noch ehe ick meine Wendung genommen hatte, z. B.: „Nickt wahr, Mutter, dir Prinzessin heiratbet nicht den ver dammte«« Schneider, wenn er auch den Riesen todtschlägt?" Wenn ick nun Halt machte und die Katastrophe auf den nächsten Abend verschob, so konnte ich sicher sein, daß er bis dabin Alles zurecktgrrückt hatte, nnd so ward mir denn meine Ein bildungSkraft, wo sie nicht mehr zureichte, bäusiq durch seine ersetzt. Wenn ich dann am nächsten Abend die Schicksalsfäden nack seiner Angabe weiter lenkte und sagte: „Du bast geratben! so ist's gekommen!" da war er Feuer und Flamme, und man konnte sein Herzchen unter der Halzkrause schlagen sehen Der Großmutter, deren Liebling er war, vertraute er alle Mal seine Ansichten, wie eS mit der Erzählung Wohl nock werde, und von dieser erfuhr ich, wie cs seinen Wünschen ge «näß «veiter im Text kommen sollte, und so war ein geheimes diplomatisches Treiben zwischen uns, das keiner an den anderen verrieth; so batte ich die Satissactivn, zum Genüsse und Erstaunen der Zubörenden meine Märchen vorzutragen, und der Wolfgang, obne sich je al» den Urheber aller der merkwürdigen Ereignisse zu bekennen, sah mit glühenden Augen der Erfüllung aller seiner glühenden Pläne entgegen und begrüßte das Ausmalen derselben mit enthusiastischem Beifalle." Von der im Hause «vvhnenben Großmutter, welche not zärtlicher Liebe an den Enkeln hing, sollte jedoch bald nock eine ganz andere Urberraschung dem Knaben «verden. „Meines Vaters Mutter", sagt der Dichter von ihr, „bei der wir eigentlich im Haufe wohnten, lebte in einem große» Zimmer hinten hinaus, unmittelbar an der Hau-flur, und wir pflegten unsere Spiele bi- an ihren Sessel, ja, wenn sie krank war, hi» i i l ft
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