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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.05.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990501026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899050102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899050102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-01
- Monat1899-05
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, hi» Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. NeLaction und Lrpeditio«: J*hanut-«aff« 8. Di« Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. /Malen: Dtt» Klemm's Sovtim. (Alfred Hahn), Uuiversitätsstraße 3 (Paulinuni/. Louis Lösche, Kotharinenstt. 14, pari, und Köntgsplatz 7. Bezugs-PrekS tu der Hauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Au?- aabestellen ab geholt: vierteljährlich ^ts.üO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus 5.Ü0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertestäbrlich X 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandsendu.ng ins Ausland: monatlich ^l 7.b0. a? M. Abend-Ausgabe. MpMcr... Tageblatt Anzeiger. Ämtsvlatt -es Königlichen Land- nn- Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Nalizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Montag den 1. Mai 1899. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter demRedactionSstrich (4ge- spalten) SO^L, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmrschluß für Zeigen: Abend-Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halb« Stunde früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz la Leipzig. Ver Empfang -er „Valdivia". D Hamburg, 30. April. Zum Empfange der Thril- nehmer der deutschen Tiefsee-Expedition, die an Bord der „Valdivia" nach neunmonatiger Abwesen heit gestern die Elbmünduna erreichte, waren hier eingetrvffen: aus Berlin der Staatssekretär des Innern Staat-minister vr. Graf v. PosadowSky die Ge- heimräthe Hauß, Lewald und Schmidt, Kapitän z. S. v. FrantziuS und Prof. Drygalski, der Führer der künf tigen Südpolar-Expedition, auS Dresden der königlich säch sische Cultusminister ».Seydewitz, aus England Sir John Murray. Die Stadt Hamburg war bei dem Empfang ver treten durch den Bürgermeister vr. Mönckeberg, den Senator vr. Burchard, den Syndikus vr. v. Melle, Gustav W. TietgenS und Direktor Merck von der Verwaltung der Hamburg-Amerika-Linie, ferner durch de» Professor vr. Neumayer, AdmiralitätSrath Koldewey und den Vorstand deS Naturwissenschaftlichen Vereins. Alle Vorgenannten fuhren um 9 Uhr Vormittags auf dem Dampfer „Blankenese" elb- abwärtS der „Valdivia" entgegen, die bei der Lühe vor Anker gegangen war. Gegen 10>/r Uhr war der Ankerplatz der „Valdivia" erreicht. Die Mitglieder der Tiefsee-Expedition, Professor vr. CHun-Leipzig, Vr. G. Scholl, vr. v. Höffen, vr. Appstein, vr. Brauer, vr. Brähm, vr. zur Straßen, vr. Schmidt, Photograph Winter und der Arzt vr. Hay batten mit dem Kapitän Krecd und der Bemannung auf dem Deck der „Valdivia", die, schmuck wie am Tage der Aus reise, unter Flaggengala lag, Aufstellung genommen. Nach der Begrüßung fand in dem festlich geschmückten Speisesaal das von der Hamburg-Amerika-Linie veranstaltete Diner statt, an welchem die empfangenden Herren, die Mitglieder der Tiefsee-Expedition, der Kapitän, die Osficiere, Maschinisten und der Zahlmeister der „Valdivia" theilnahmen. Bei der Tafel hielt Staatssekretär Staatsminister vr. Graf v. Posa- dowsky folgende Rede: Meine hochverehrten Herren! Als vor fast Jahresfrist die „Valdivia" den heimischen Hafen verließ, lastete auf uns Allen die bange Sorge, ob e» der Expedition gelingen würde, ihre Ausgabe zu lösen, und ob nicht vielleicht durch unerwartete, unabwendbare Ereignisse ihr Ziel beeinträchtigt oder ganz vereitelt werden möchte. Desto größer ist heute unsere Freude, wo das brave Schiff mit den Gelehrten der Expedition und seiner Besatzung wieder wohlbehalten im heimischen Hafen ange kommen ist. Aus den Berichten, die der Leiter der Expedition, Herr Professor vr. Chun, selbst unter der bleiernen Last der Tropenhitze gewissenhaft und regelmäßig erstattet hat, können wir heute schon mit Befriedigung ersehen, daß es der Expedition gelungen ist, dem widerstrebenden, verschwiegenen Meere manches wissenschaftliche Geheimniß zu entlocken, und daß die Forschungen der Expedition die Grundlage für ein Werk liefern werden, welches einen wesentlichen Fortschritt auf dem Gebiete naturwissenschaftlicher Erkenntniß dar- stellen und den Leitern der Expedition ebenso wie ihren Mitgliedern zur Ehre und Anerkennung gereichen wird. Diesen Erfolg ver- danken wir vor Allem Herrn Professor Chun, welcher eS durch seine umfassende Sachkenntniß, durch sein praktisches Geschick und durch seine promelheusartige Voraussicht verstanden hat, die schwimmende kleine Gelehrtenrepublik weise zu regieren und in jedem Mitglied« der Expedition den edlen Ehrgeiz anzuregen, sein Bestes für das Beste des Ganzen einzusetzen. Aber auch dem Kapitän des bewährten Schiffes der Hamburg-Amerika-Linie, seinen Osficiere» und Mannschaften gebührt Dank. Sie haben sich, nicht nur der Pflicht gehorchend, sondern mit herzlichem Eifer» in den Dienst der wissenschaftlichen Aufgabe gestellt. Wenn es insbesondere gelungen ist, die legendenhafte Insel Bouver, deren geographische Lage etwas in Unordnung gerathen war, wieder aufzufinden und photographisch getreu und geographisch correct festzuslellen, so gebührt hierfür sicher das Verdienst dem seemännischen Geschick des Herrn Kapitäns Krech. Wenn wir die Valdivia-Expedition hinaus sandten und uns jetzt anschicken, alsbald eine Südpolar-Expedition auszurüsten, so sind das nicht zufällige Ereignisse, sondern es ist der Ausdruck einer tieferen inneren Entwickelung. Da» zu nehmende deutsche Staatsbewußtsein, dir Empfindung, daß wir dir Pflichten einer Großmacht auch auf wissenschaftlichem Gebiete haben, unsere wirthschaftlichen Fortschritte drängen uns dazu, in friedlichem Wettbewerb mit anderen großen Culturnationen auch an die Lösung derartiger zunächst rein idealer Ausgaben heranzutreten. Auf diesem Gebiete ist uns Seine Majestät der Kaiser ein wahrer Pfadfinder. Mit Seiner schnellen Auffassungsgabe, mit Seinem scharfen, tiefgehenden Blicke hat Er erkannt, daß das deutsche Volk aus seinem ängstlichen Nativismus heraustreten und seinen Blick mehr über die Grenzen des eigenen Vaterlandes richten muß. Denn die Gestaltung der Verhältnisse außerhalb unserer Grenzen kann auch wichtige Rückwirkungen für unsere eigene wirthschaftliche Entwickelung mit sich bringen. Mit lebhaftestem Interesse folgt Er dem Culturleben anderer Nationen und nimmt daraus den Maßstab für die Bemessung der Ausgaben, die Er Seinem eigenen Volke stellen muß. Wenn Seine Majestät Sich so lebhaft für alle seemännischen Fragen interessirt, so ist das nicht nur persönliche Vorliebe, sondern die reife Frucht der tiefen Er kenntniß, welche wirthschaftliche Bedeutung diese Fragen für unser Vaterland haben und in Zukunft vielleicht noch in größerem Maße haben werden. Sein reges Interesse für die Valdivia-Expedition, deren Berichte Sr. Majestät fortgesetzt vorgelegt worden sind, hat Allerhöchstderftlbe auch dadurch bekundet, daß Er den Leiter der Expedition, zur Ehrung aller ihrer Mitglieder, und den Kapitän des Schiffes, zur Anerkennung für Osficiere und Besatzung, durch Ver leihung von Ordensdecorationen ausgezeichnet hat. Ebenso hat Se. Majestät der König von Sachsen für das Unter nehmen, an dessen Spitze ein Mitglied der Leipziger Facultät stand, seine wärmste Theilnahme bekundet und derselben die Gnade gehabt dadurch Ausdruck zu geben, daß er Allerhöchstseinen Cultusminister zur Theilnahme an der heutigen Feier gesandt hat. Wir sehen auch heute unter uns die Vertreter der freien Hanse stadt Hamburg, welche dem Reiche in allen seemännischen An gelegenheiten stets ein verständnißvoller Bundesgenosse und Berather war. Die Aussendung der so glücklich durchgeführien Tiefsee-Expedition verdanken wir der Fürsorge Seiner Majestät des Kaisers und Seiner hohen Verbündeten, und ich bitte Sie, Allerhöchstdenselben unsern Dank auszudrücken, indem wir unsere Gläser mit dem Rufe erheben: Seine Majestät der deutsche Kaiser und Seine hohen Ver bündeten, sie leben hoch! Begeistert stimmte die Versammlung in den Ruf ein. Der sächsische Cultusminister v. Seydewitz toastete aus die Freie und Hansestadt Hamburg, die ihre aus gezeichneten maritimen Einrichtungen der Forschungsreise zu Gebote gestellt habe. Bürgermeister vr. Mönckeberg dankte im Namen Hamburgs und schloß mit einem freudig aufgenommenen Hoch auf den Staatssekretär Staatsminister vr. Grafen v. PosadowSky. Professor vr. Chun sprach warme Worte de» Danke» an alle Förderer des Unternehmen-, an die Hamburg-Amerika-Linie, den Capitän und die Be satzung der „Valdivia". Der Vorsitzende deS VerwaltungS- ratbeS der Hamburg-Amerika-Linie Gustav W. TietgenS widmete dem Professor Cbun ein Glas. Zum Schluß dankte Kapitän Krech für die Ehre, die ihm, den Osficiere» und der Besatzung der „Valdivia" zu Theil geworden. Gegen 5 Uhr traf die „Valdivia" in Hamburg ein und vertäute am Petersrnquai. Eine zahlreiche dort versammelte Menge begrüßte lebhaft die Heimkehrendrn. Graf v. Posa- dvwsky hatte von der „Valdivia" aus dem Kaiser und dem König von Sachsen die glückliche Ankunft der Tiefsee-Expedition gemeldet. Hierauf ging, nachdem bereit» um 4 Uhr 50 Mi». Graf PosadowSky die Rückreise nach Berlin angetreten hatte, an den Letzteren folgende Depesche in Hamburg ein, die von Geheimrath Hauß verlesen wurde: „Ich heiße die Mitglieder der Tiefsee-Expedition auf der „Valdivia" herzlich willkommen und spreche denselben Meine An erkennung und Freude aus über die reiche wissenschaftliche Aut- bente, welche sie heimgebracht haben. Bedeutsame Unternehmungen zu föidern, gereicht Mir zu um so größerer Genugthuung, je mehr die Männer, die sie leiten, sich ihrer Aufgabe so vollkommen ge- wachsen zeigen, wie im vorliegenden Falle. Wilhelm I. k." Ein jubelndes dreifaches Hurrah folgte der Verlesung. Später traf noch aus Sibyllenort vom König von Sachsen eine Depesche folgenden Inhalt- an den Grafen PosadowSky ein: „Ich danke Ew. Exccllenz für die gegebene Nachricht und freue Mich der ruhmvoll durchgeführien Expedition der „Valdivia." Albert." Ein vom Naturwissenschaftlichen Verein im Dammthor- Pavillon Veranstalter FestcommerS schloß am Abend die EmpfangSfesttichkeiten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Mai. Den Telegrammaustausch zwischen Kaiser Wilhelm und dem Präsidenten Mae Kinley wird man überall in Deutschland mih Freude und Genugthuung begrüßt haben. ES ist ja die.j'^guxg eines Kabels zwischen unseren Gestaden und denen Nordamerikas kein so weltbewegendes Ereigniß, daß sie so große feierliche Worte erheischte. Aber gerade der Umstand, daß die ersten Repräsentanten beider Nationen einen verhältnißmäßig geringen, mehr zufälligen Anlaß ergriffen, um eine bedeutsame politische Kundgebung zu ermög lichen, rückt das Ereigniß in rin ganz besondere- Licht. Der zwischen dem Kaiser und dem Präsidenten über den Ocean gewechselte Händedruck ist mehr als die gegenseitige Beglück wünschung zur Schaffung eine- neuen, beide Welten verbindenden Verkehrsmittel»; diese herzlichen Begrüßungen, dieser Austausch der Versicherung freundschaftlichen Wohlwollens im Interesse wechselseitigen Vortheils sind die öffentliche Documentirung des Anbruchs einer neuen Phase in den Beziehungen Deutschland» zur Union. Man weiß, welche Periode der Verstimmung vorauS- gegangen ist, wie im spanisch-amerikanischen Kriege jenseits de» Ocean» grundlose» Mißtrauen gegen Deutschland sich ver breitete, wie man dann in den Argwohn sich hineinredet hatte, Deutschland rivalisire mit Amerika auf den Philippinen, und wie endlich die Samoawirren und der Fall Coghlan die Kluft noch greller beleuchteten, die zwischen hüben und drüben sich aufgrtban hatte. Wir haben immer darauf hingewiesen und besonderen Werth darauf gelegt, daß zwischen dem amtlichen Deutschland und der Washingtoner Regierung stets die correctesten und loyalsten, ja daß fortgesetzt freund schaftliche Beziehungen zwischen beiven bestanden haben und daß e» lediglich die systematisch betriebenen Hetzereien und Quertreibereien einer gewissen englischen Presse gewesen sind, welche an der immer mehr Platz greifenden Disharmonie die Schuld trugen. Der Telegrammaustausch kommt also nicht sonderlich überraschend, zumal wenn man sich erinnert, daß schon während des spanffch-amerikanischen Krieges amtliche Vertreter der Union wiederholt sich aufs Aeußerste indignirt über die englischen Versuche, Feindschaft zu säen, ausgesprochen haben. Immerhin lag die Gefahr nicht ganz fern, daß man im Weißen Hause zu Washington sich schließlich dahin getrieben sehen würde, der Volksstimmung Rechnung zn tragen, oder daß man schließlich den immer und immer wiederholten Versicherungen der englischen „Freunde" Glauben schenken würde, Deutschland sei da» dsts noiro, das den amerikanischen Imperialismus mit Haut und Haaren zu fressen trachte. Die sehr warm gehaltene Antwort Mac Kinley's. besonders der Schluß: „daß das neue Kabel sich als weiteres Band zwischen den beiden Ländern bewähren möge, ist mein heißer Wunsch und meine Hoffnung'', darf nun al« offenkundiger Beweis, al« eine Documentirung cornw munäo in Anspruch genommen werden, daß die Unionsregierung auch heute noch auf durchaus freundschaftlichem Fuße mit un» steht und fick aus noch freundschaftlicheren stellen will. Sie ist aber auch ein Zeichen dafür, daß die Stimmung in den Vereinigten Staaten gegen Deutschland sich entschieden zum Besseren gewendet bat und daß man dort einsieht, man habe uns Unrecht gethan und thue viel bester, die beiderseitigen Interesten, die nirgend» sich feindschaftlich kreuzen, in gegen- seitigem Einvernehmen zu pflegen. Begänne diese Einsicht drüben nicht immer mehr Platz zu greifen, Mac Kinley hätte e» nicht wagen können, sein Antworttelegramm so abzufassrn, wie e» abgesaßt ist. Es mag ja fein und ist auch ganz natürlich, daß der Präsident noch auf gewisse Strömungen eine gewiss« Rücksicht zu nehmen bat, und deshalb kann man es auch verstehen, wenn er den Deutschenhasser Coghlan etwa» freundlicher begrüßt hat, als dieser eS nach unseren Anschauungen verdient hat, wenn auch selbstverständlich der Präsident die ihm vom Londoner „Daily Chronicle" in den Mund gelegten Worte über die Flotte der Vereinigten Staaten nicht gesprochen hat. Man kann vielleicht auch daran Anstoß nehmen, daß Mac Kinley die englisch geschriebene Depesche Kaiser Wilhelm'« nicht deutsch beantwortet hat, aber wir sind überzeugt, daß, wenn der Kaiser deutsch gekabelt hätte, die Antwort in deutscher Sprache abgesaßt gewesen wäre. Doch dem mag sein, wie ihm wolle, wir haben Anlaß genug, so viel an uns liegt, weiter dahin zu wirken, daß die deutsch-ameri kanischen Beziehungen sich immer freundlicher, womöglich herzlich gestalten. Jedenfalls kommt man mit einem ehrlichen Makler eher ins Reine, al- mit einem hinterhältigen, wie England, von dem Deutschland Nichts zu hoffe», aber Alles zu fürchten hat. Im Reichstage hatte man bekanntlich am Donnerstag darauf gerechnet, daß am folgenden Tage die als erster Gegenstand aus die Tagesordnung gesetzte dritte Berathung Fruilletsii. Errungen. 18j Roman von M. Buch Holtz. Nachdruck versote». Hella War über diese Entdeckung außer sich. Sie, die sich den Fürsten in tiefer Liebe ergeben geglaubt, sah sich bitter enttäuscht. Wenn sie ihn auch nicht liebte, so gewann doch ihre tief verletzte Eitelkeit jetzt vollständig di« Oberhand über ihre Liebe zu Stanis laus und ließ ihr das plötzlich ferne gerückte Glück, Frau Fürstin zu werden, in den verlockendsten Farben erscheinen. Der Fürst, der den 'Schlitten nach Hause geschickt hatte, sagte, er würde nun als Pfadfinder vorangehen, und da nur zwei ^Kr- sonen auf dem schmalen Wege neben einander schreiten könnten, so bäte er Greta, daß er neben ihr gehen dürfte, sonst käme er aus der Unruhe nicht heraus, daß sie ihm doch noch verschwände. Der Oberst lachte und sagte, dann wolle er den Bruder in Gewahrsam nehmen. Stanislaus, der sich enttäuscht sah, nun nicht, wie er gehofft und gewünscht, mit Hella gehen zu dürfen, machte gute Miene zum bösen Spiel. War es doch schließlich der Vater der Geliebten, den sich günstig zu stimmen immerhin nicht schaden konnte. Er sah mit einem komisch verzweifelten, sehn süchtigen Blick zu Hella hin, die diesen Blick aber nicht zu be merken schien, und trat dann liebenswürdig an des Obersten linke Seite, um mit ihm zusammen zu gehen. Ransau blieb nun nichts übrig, als Comtesse Hella seine Be gleitung anzubieten, die sie mit einem kaum merklichen, hoch mütigen Neigen deS Kopfes anzunehmen geruhte. Ihm war, weiß Gott, nicht froh zu Sinn. Seine quälende Eifersucht auf den Fürsten hatte seine 'Gedanken vollständig in Anspruch genom men, aber er bezwang sich trotzdem und begann in seiner mun teren, gewandten Weis« rinGespriich mit der jungen, wenig liebens würdig aussehenden Dame anzustreben. Aber so große Mühe er sich auch gab, es gelang ihm nicht. Hella war zu verstimmt, als daß sie sich wegen eines Wirthschaftsbeamten die Mühe ge nommen hätte, ihre schlechte Laune zu verbergen und gab kurze, unfreundliche Antworten, di« Ransau nach einiger Zeit veran laßten, auch still neben der unliebenswürdigen Comtesse einher- zugehen. Das ärgerte Hella noch mehr, und ihre schlechte Laune wuchs von Schritt zu Schritt. Ihre Hände hatte sie im Muff geballt und ihr Herz war von solchem Zorn gegen Greta erfüllt, der sie unfähig machte, überhaupt noch klar und vernünftig zu denken. D«r allerdings nicht ganz kurze Weg kam ihr endlos vor, und es erhöht« ihre Ungeduld, daß ihr Bater, der vor ihnen ging, von einer Langsamkeit ausschritt, die ihr unerträglich schien, besonders da der Fürst und Greta bedeutend voraus waren und bei ein tretenden Wegkrümmungen ab und zu ganz ihren Blicken ent schwanden. Auf ihr« endlich ausgesprochene Bitte, etwas schneller zu gehen, meinte der Bater, er sehe nicht ein, warum si« sich über eilen 'sollten. Das Wetter wäre 'herrlich und es könnte ihnen Allen nur zum Vortheil gereichen, wenn der Fürst einige Minuten früher als sein« Gäste zu Hause anlangte, besonders da er in Fräulein v. Tarden die geeignetste Persönlichkeit an seiner Seite hätte, um seine Vorbereitungen zu ihrem Empfange aufs Freundlichste zu unterstützen. Hella grub die kleinen Zähne ti«f In die Unterlippe und ant wortete auf Stanislaus' für sie sehr durchsichtige Bemerkung, „es ginge sich schön einer verlockend winkenden Rast entgegen" — „sie fände daS nicht, da sie gar kein Verlangen nach «iner solchen hätte!" Stanislaus sah sie verwundert an. Was fehlte Hella? Sicher war sie verstimmt, daß sie nicht mit ihm gehen konnte! Ja, auch er hätte sie lieber als ihren Vater an seiner Seite gehabt — aber es ging doch einmal nicht, und man mußte sich in Unvermeio- liches fügen. Trotz seinerWorte beschleunigte der Oberst doch seine Schritt«, denn Hella eine Bitte abzuschlagen, brachte er ebenso wenig fertig wie seine Frau. Greta, die in ihr selbst unerklärlicher Unruhe hastig an des Fürsten Seite auszuschreiten begann, erwiderte auf seine Bemer kung: „Wie sehr er sich freue, si« so unerwartet in seinem Hause für einig« Augenblicke willkommen heißen zu können", gar nichts. Sie konnte es aber nicht verhindern, daß unter seinen unverwandt auf ihr ruhenden Blicken «ine warme Blutwelle ihr langsam ins Antlitz stieg und ihr Dank für den ihr zum Christfest gesandten Blumenstrauß, den sie nicht umhin konnte, jetzt auszusprechen, und den sie sich bemühte, in kurze, knappe Worte einzukleiden, unsicher und befangen klang. „Darf ich hoffen, daß die Blumen Sie ein wenig erfreut haben, gnädiges Fräulein? Daß sie etwas von den tausend Grüßen bestellt haben, die ich ihnen mitgab? Daß der süße Duft der Rosen Ihnen, ihrer schönsten Schwester, in etwas die Sehn sucht versinnbildlichte, die ich besonders an diesem Abenv nach Ihnen empfand?" Er war bei diesen Worten ganz nahe an Greta'S Seite ge treten, die jetzt verwundert ihre Augen auf seine erregten Züge heftete: „Ich muß gestehen, Durchlaucht, daß ich kein so poetisch be- anlagtes Gemüth habe, wie Sie bei mir voraus'zusetzen scheinen. Ich sah in Uebersendung der Blumen nur «ine Aufmerksamkeit, wie sie «in häufiger Gast eines Hauses wohl für die Hausherrin hat, weiter nichts, und ich wünsche auch heute darin nichts weiter zu sehen." „Fräulein Greta", rief der Fürst, den ihre abweisende, kühle Antwort ganz außer sich brachte, „warum behandeln Si« mich mit einer Kälte, die ich nicht mehr ertragen kann? Sie müssen doch sehen, daß ich Sir aufs Höchste verehre, ja mehr, daß ich Sie anbete, daß ich Sie liebe mit jeder Faser meines Herzens, daß Sie für mich —" „Ein Mädel sind, mit dem man sich amüsiren kann, oela vous vn!" unterbrach sie ihn bitter. „Ja, Durchlaucht, das weiß ich; aber ich weiß auch, daß die mir von Ihnen dargebrachten Huldigungen, trotzdem Sie ein Fürst sind, unangenehm und ver letzend sind, und daß ich Sie ernstlich bitt«, sie mir nicht weiter darbringen zu wollen!" Sie athmete tief auf, als fühle si« «ine innere Befriedigung nach ihren heftigen Worten, und wußte sicher nicht, wie schön sie in ihrer leidenschaftlichen Erregung aussah mit den tiefen, von Thränen der Entrüstung halb verschleierten dunkelblauen Augen, di« in gekränktem Stolze voll und gerad den Fürsten anblickten, auf dessen beweglichen Zügen sich deutlich abspiegelte, daß er sehr wohl wußte, auf was Meta mit ihren Worten hinzielte. „Sie haben mein Gespräch mit Leutnant Prahl an jenem ersten Abend unserer Bekanntschaft belauscht. Ich entsinne mich, damals diese nicht zu beschönigende, häßliche Aeußerung gethan zu haben; aber ich kannte Sie damals noch nicht, gnädiges Fräulein." „Ja, ich gebe zu, daß ich das Gespräch damals unfreiwillig mit anhören mußte. Ich kannte Sir auch damals noch nicht, Durchlaucht, aber ich lernte Sie dadurch kennen." „Nein, Fräulein Greta, das thaten Sie nicht. Sicher habe ich meine Mängel und Schwächen wie jeder Mensch, aber meine Liebe zu Ihnen ist echt, ist so riesengroß, daß ich nicht rechts, nicht links mehr sehe, sondern nur noch den einen Wunsch, das eine Ziel vor Augen habe. Sie mir trotz Allem zu erringen." Greta lachte herbe auf. „Trotz Allem? Wirklich, trotz Allem? Dieser Edelmuth läßt mich aber trotz Allem kalt! Denn, Durch laucht, hören Sie wohl, ich liebe Sie nicht und werde Sie nie lieben! Ls wäre besser gewesen, unsere Wege hätten sich nie gekreuzt, hoffentlich gehen sie von heute ab für immer ausein ander!" „Nein, das werden sie nicht, denn ich werde Alles, was in meiner Macht steht, thun, Sie mir zu erringen! Meine Eltern werden Sie, wenn sie Sie kennen lernen, auch als Tochter will kommen heißen; denn wer könnte Sie kennen, Greta, und nicht lieben?" Je abweisender Äreta's Haltung wurde, um so glühender wurden seine Worte, um so mehr glaubte er selbst in seiner wachsenden Erregung, daß er alle Hindernisse überwinden werde, um dies schöne, liebreizende Weib sein eigen zu nennen, das alle seine Sinne erweckte. „Ich aber liebe Sie nicht, ich sagte es Ihnen schon und trage kein Verlangen, weder nach Ihrem Reichthum, noch nach Ihrer Liebe." „Sie werden mich lieben lernen, Greta, denn ich will Sie auf Händen tragen! Geben Sie mir Hoffnung, «in wenig Hoffnung, daß es mir gelingen wird!" „Nein, nein!" rief Greta außer sich. „Das wird nie der Fall sein! Nie!" „Nun, dann werden Sie ohne Liebe mein, aber mein, mein müssen Sie werden!" Greta sah ihn mit fast entsetzten Augen an. Sie fühlte es bei seinen Worten eisig durch ihre Adern gehen, und die un bestimmte Ahnung eines ihr drohenden Unglücks legte sich er drückend auf ihr wild und erregt schlagendes Herz. Sie blieb unwillkürlich stehen und sah hinter sich, um wie befreit auf- zuathmen, als sie die Anderen herankommen sah, die ihnen zu riefen, auf sie zu warten und nicht so eilig vorauSzugehen. Dem Fürsten gelang es mit wunderbarer Schnelligkeit, seine Züge zu beherrschen, und Niemand hätte ihm etwas von der er regten Unterhaltung, die er eben mit Greta geführt, anmerken können. Aber Greta hatte ihr Gesicht nicht so in der Gewalt. Wenn Stanislaus nicht so ganz mit Hella beschäftigt gewesen wäre, so hätte <r sicher ebenso wie Ransau und die junge Com tesse die ungewöhnliche Aufregung bemerken müssen, in der sich die Schwester augenscheinlich befand, trotz ihrer Benrühung, die selbe zu verbergen. In sehr verschiedener Weise beunruhigten sich Ransau und Comtesse Hella über Das, was Greta so erregt haben könnte, und empfanden Beide aus sehr verschiedenen Grün den eine quälende Eifersucht. (Fortsetzung folgt.)
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