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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990508013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899050801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899050801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-08
- Monat1899-05
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Größere Schriften laut unserem PreiS- verzrichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Vxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrförderung 60.—, mit Poslbeförderung 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 2A. Montag den 8. Mai 1899. 83. Jahrgang. Konkursverfahren. In dein Konkursverfahren über do» Vermögen der Firma Tack E Fleischer hier ist zur Abnahme der Schlußrechnung d»s Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schluß« verzeichniß der bet der Berthetlung zu berücksichtigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die Erstattung der Auslagen und die Gewährung einer Vergütung an die Mitglieder de« Gläubigerausschusses derlSchlußtermin auf den 3«. Mat 18S», Vormittag« 11 Uhr, Vor dem Königlichen Amtsgerichte Hierselbst, Zimmer Nr. 7, bestimmt. Weißenfels, den 2. Mai 1899. Petschick, vertchtSschretber des Königlichen Amtsgerichts. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Die Herren Mitglieder de» Raths- und Stadtverordneten- Collegiums werden zur Vornahme der , vberbkrgermeifter - Wahl zu einer Freitag, den 1». Mat dss. I«., , Atzend, '/,7 Uhr im Sitzungsiaal« der Stadtverordneten abzuhaltenden gemeinschaft lichen Sitzung hierdurch eingeladen. Leipzig, den 6. Mai 18SV. vr. Georgs, Oberbürgermeister. Lachsen um 1500. i. Wenn man von der Personalunion mit Polen absteht, hatte Dachsen um das Jahr 1500 einen seiner größten Besitzstände. Nur schade, daß es gctheilt war. Wenn auch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht sich als Brüder recht gut vertrugen und die beiden Regierungen Rücksicht aufeinander nahmen, so blieb doch immer eine Zweitheilung vorhanden, die später zu manchem Zwist und Kampfe führte. Immerhin konnte man Sachsen nach außen hin als etwas Geschloffenes ansehen, und wenn von Sachsen in der Geschichte um diese Zeit die Rede ist, wird gewöhnlich immer das ganze Land unter den zwei Fürsten begriffen. Nach dem Anfalle Thüringens bei Wi'lhelm's Tode, bis zur Theilung 1485, umfaßte das sächsische Land recht bedeutende und fruchtbare Landschaften, die schon zahlreiche Spuren des Gewerbefleißes zeigten. Von oer sächsischen Schweiz bis nach der Wartburg, von dem Erzgebirge bis tief in die Mart hinein erstreckten sich die sächsischen Lande. Und noch weiter lagen die sächsischen Graf schaften Sagan, Sorau, Beskow und Storkow. Auch Tollenstein und Schluckenau waren 1471 durch Kauf erworben worden, und im Jahre 1491 kaufte Albrecht den im meißnisch- böhmischen Hochlande, den Herren Tet scheu gehörigen, gelegenen Winterberg für 1200 Gulden dazu. Auch städtische Gebäude in fremden 'Landen besaßen die Fürsten, nämlich dort, wohin sie öfters ihre Gesandten schickten. So gehörte ihnen in Prag ein größerer Hof un weit der Jacobskirche. Gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts wurden die Länder unterschieden in das Land Sachsen mit der Kurwürde, in das Meißnerland, Osterland, Franken und Thüringen, ungerechnet die Vogtlandrschen Besitzungen. In Sachsen war der Hauptort Wittenberg, weniger bedeutend waren die übrigen Städte, unter Anderen Liebenwerda, Brena, Schweinitz, Bitterfeld, Zahna, Herzberg; es erstreckte sich Sachsen von der «inen Endmark Meißens bei dem noch zu letzterem gehörigen Torgau an der Elbe, zu beiden Seiten dieses Flusses bis über Niemegk längs der Grenze der Nieder lausitz; an die Mark Brandenburg, an die meißnischen Länder, an die Besitzungen der Anhaltiner und an das Osterland grenzend. Das Land Meißen erstreckte sich von dem Hochlande an der Elbe bis Wurzen, und von dem erzhaltigen Gebirge bei Schnee berg, bis über die Waldgegenden um Senftenberg; es umfaßte mehrere Städte von Bedeutung: zuerst Meißen, den namen gebenden Mittelpunet der Mark, den Fürstensitz Dresden, an beiden Ufern der Elbe; die Alt- und Neustadt verband ein bedeutendes Brückenwcrk, dem ein Brückenmeifter Vorstand; dann Freiberg mit den reichen Bergwerken, auch Torgau, — 1485 zum thüringischen Loose geschlagen, — Rochlitz, Pirna, Chemnitz, letzteres werthooll auch im 15. Jahrhundert durch sehr bedeutende Bleichen; Hain (Hainichen) und Wurzen, auch diese nicht ganz unbedeutend, besonders war Hain bekannt durch eine ansehnliche, den Verkehr fördernde Waidniederlage. Feste Schlösser der Fürsten gab es zu Lauterstein, Jrauenstein, Tharandt, Senftenberg, Hohenstein, letzteres ein Ortschloß der Lande, Rochlitz, Schellenberg; auch die alte Bergstadt Freiberg war mit dem festen Schlosse Freudenstein versehen. Das alt« Stammschloß Wettin, welches dem Fürstengeschlechte den Namen gegeben, war zu Ernst'ä und Albrecht's Zeit schon längst in fremder Hand. Das Osterland, von Zörbig! bis Zwickau (ehemals Reichsstadt) hatte, mit Einschluß jener zwei Orte, in seinem Gebiete das fröhlich aufstrebende Leipzig mit der Pleißenburg und 'Universität; Borna, Schmölln, Ronneburg, das stattliche Altenburg, vormals Reichsstadt, Crimmitschau, Lobda, Burgau rc. Zum Vogtlande gehörten u. A. Vogtsberg, Schwarzenberg, Schöneck, nach 1466 auch Plauen, wenigstens der näheren staatsrechtlichen Verbindung nach; ferner Oelsnitz, Mylau, Reichenbach. Das Land Franken umfaßte Coburg, Sonnenberg, Hildburghausen und einige andere Schlösser und Orte. Thüringen endlich ging 'von der Saale bis zur Wartburg und Kreuzburg; es hatte dies Land ehrwürdige Schlösser und Burgen: Wartburg, Gleichen, Sachsenburg, und vor Allen die alte kaiserliche Burg Kyffhausen. Nicht unergiebig flössen die Quellen für Volts- Und Fürsten- reichthum in jenen Ländern: das Erzgebirge lieferte treffliche Metalle, auch andere Gegenden brachten welche, so daß es weder der Münze an Silber, noch dem Waffenschmied und dem, der Sense und Pfkugfchaar fertigte, an Eisen fehlte; die Wälder versorgten mit Holz und hegten Wildpret in Menge; die Fluren des Thüringer und Meißener Landes gaben reiche Ernten. Man baute außer den gewöhnlichen Getreidearten be sonders auch Lein, sorgte für Anpflanzung guter Obstbäume und gewann, namentlich auf den landesherrlichen Aemtern und den Gütern der Bischöfe, nicht unansehnliche Summen aus den Schäfereien; der Weinbau war zum Theil vielleicht noch älter als die christliche Kirche in den Elbthalgegenden, z. B. bei Loschwitz, doch fängt seine auSgvbreiteter« Cultur in Meißen mit dem verdienstvoll und segensreich wirkenden Bischof Benno an. Die Weincultur ward sorgsam und mit Fleiß betrieben. Die Rebe von Meißen und Naumburg entsprach in der Regel den Ansprüchen, welche man damals machte; denn nur bei großen Festen sah man, und auch da nur auf den Tafeln der Reichsten und Vornehmsten, 'den edlen Rheinwein. Das platte Land prangte mit mancher stattlichen Burg der sächsischen Ritter schaft und der Erbamannen. Zu den angesehensten Familien des Landes Meißen gehörten die Schleinitz auf Kriebenstein, Seethansen und einer Menge anderer Schlösser. Auch mit Bergwerken waren sie in Schluckenau und Tollenstein in Böhmen von der Krone des gedachten Landes beliehen, und Hugold von Schleinitz steigerte den Wohlstand seines Hauses sehr, indem er die Stimmung der Fürsten und Gelegenheit zu be nutzen wußte. Die Miltitz find seit 1186 in meißnischen Ur kunden nachgewiesen, im XV. Jahrhundert auf Len Schlössern zwischen Dresden und Meißen, am linken Ufer der Elbe, na mentlich Scharfenberg und Taubenheim, di« Schönberg zum Burschenstein und Saida, die Einstedel zum Gnandstein, und die Köckeritz zu Elsterwerda und Walda; die Bünau zu Wesen stein und Liebstadt u. A. m. Aber auch Thüringen und die anderen Theile der sächsischen Lande hatten zahlreiche Ritter schaft, und es gestattet dies auf Anbau des Bodens einen Schluß. Zu dem höheren Adel, der im Lande selbst war, öder doch mit ihm auf irgend «ine Weis« in staatsrechtlicher Verbindung stand, konnte man zählen: die Burggrafen zu Leisnig, die Grafen von Schwarzburg, Stollberg, Hohenstein, Mannsfekd, die Schenken von Tautenburg, die Herren zu Waldenburg, die Birken zu Mühlberg, die Grafen zu Donin. Bon den Städten des Landes waren Dresden, Freiberg, Leipzig, Meißen, Torgau, Hain, Chemnitz, Zwickau, Erfurt, Wittenberg, Oschatz, Rochlitz und andere mehr durch 'Gewerbefleiß, Hand«!, oder dadurch ausgezeichnet, daß sie die Residenz -der Fürsten vbga'bcn, oder daß Bischöfe und andere Prälaten 'ihre Sitze daselbst hatten; denn außer dem an Besitzungen reichen Adel, und den durch sich kräftig regenden, gewerbfleißigvn Bürgerstand ausgezeicht- neten Städten, waren Bischöfe und Arbte nicht ohne große Be deutung durch Güterbesitz und durch staatsrechtliche Wichtigkeit in der Zeit der Feudalstände. Allen voran standen unter den Prälaten die Bischöfe zu Meißen, Merseburg und zu Naumburg- Zeitz; von diesen wiederum besonders der Bischof zu Meißen, weil er zu der Mark Meißln, schon der Begründung nach, in noch nähere Beziehung kam als die übrigen. Für die Cultur der Länder, über welche di« Fürsten Wettiner Stammes herrschten, waren die drei Bisthümer von heilbringender Wich tigkeit gewesen. Nächst den hohen Stiftskirchen kamen die Klöster in Betracht. Die Zahl der Klöster war sehr bedeutend, und fast in allen Städten gab es deren, auch auf dem Platten Lande sah man manche prächtige Klostergebäude mit reichen Stiftungen. Die wichtigeren und bekannteren Klöster in Meißen und den übrigen sächsischen Landen waren: St. Afra zu Meißen, Goseck in Thüringen, -die Pforte bei Naumburg, das Kloster auf dem Petersberg« bei Halle, das Kloster Seußlitz an der Elbe und die bei Nossen liegende alte Zelle, jenes reich« markgräfliche Begräbnißkloster, ausgestattet mit großem Besitz- thum in Meißen, Thüringen und Osterland. Binnen drei Jahren beherbergte letzteres später, zu Anfang des 16. Jahr hunderts, 14 000 zu Pferde und 20 000 zu Fuß Reisende, und ist, gleich dem Pctersbergkloster, bis auf unsere Tage den Frsunden vaterländischer Geschichte durch ehrwürdige Ruinen und Denkmäler, sowie durch Ueberlieferung der Begebnisse aus den Tagen der Vorzeit werthvoll geblieben. Auch die Mönche des heiligen Benediotus besaßen das nicht unbedeutende Kloster Bosau auf den Hügeln unfern der alten Stiftsstadt Zeitz. Ferner nahmen ehrenvolle Stellen «in die Aebte zu Buch und zu Chemnitz, zu Pegau, zu St. Thomas in Leipzig, zu Mühlberg, Grünhain, Dobrilugk und an anderen Orten. Endlich gab es nicht unbedeutende Güter des deutschen Ordens auch in den meißnischen und thüringischen Landen; die bekanntesten waren: der deutsche Hof zu Zschillen, die Comthurbesitzungen zu Grif- städt, zu Zwetzen, Altenburg, Plauen, Adorf, Liebstädt, Reichen bach, Weimar, 'Weißensee und andere mehr. In den Namen der Orte, und in den Sitten und 'Gebräuchen des Volkes mochte es sich zeigen, daß die Länder der Fürsten aus dem Hause Wettin anfänglich von Einwohnern verschiedenen Stammes angebaut worden waren, denn in Meißen war ehedem sorbisch-wendische, in den übrigen Lawdestheiken mehr deutsche Bevölkerung. Die sogenannte Landes- und Territorial-Hoheit, wie in vielen Ländern des Reiches, so auch namentlich in Sachsen, war zum Theil eine Folge des dahinsinkenden Reichswesens. Seit alter Zeit hatten 'die Regenten der sächsischen Länder manche Schwierigkeit gegen die höhere weltliche Aristokratie, die an gesehensten Vasallen und Insassen, zu überwinden gehabt. Diese, verbunden mit der staatsrechtlichen Unbildung der früheren Zeit, führte zunächst dahin, daß man auf staats- und völker- rechiliche Grundsätze ebenso wenig als auf die Reichsverbindung sicher vertraut«, sondern sich mit besonderen Verträgen und Anerkenntnissen von der Seite der Eingesessenen half, was schon sehr früh der Fall war. Schon Heinrich der Erlauchte hatte sich bei der Erwerbung von Thüringen als rechten Lehns- und Landcsherrn von den mächtigen Großen jenes Landes an erkennen lassen, gegen das Versprechen, daß sie nur von ihm und in seiner Gegenwart Recht nehmen sollten; auch hatte er ihnen die Handhabung strenger Gerechtigkeit und Schutz zu gesichert. Friedrich der Streitbare stellte der Mannschaft zu Sachsen «ine Urkunde aus, worin er sich anheischig machte, sie bei der alten guten Gewohnheit, „die sie von Alters her gehabt und ihre Eltern an sie gebracht hätten, zu lassen. Im Falle Irrungen einträten, so möchte es bleiben bei dem Er kenntnisse des Rat'hes und der erbaren Mannschaft in Sachsen". Eben solche Bestätigungen und Hebereinkommen finden sich von Friedrich dem Sanftmüthigen und Herzog Wilhelm hinsichtlich Meißen, Osterland, Franken und Vogtland. Auch Ernst und Albrecht bestätigten im Jahre 1484 auf besonderes Verlangen den Prälaten, Aebten, Klöstern, dem Capitel zu Naumburg, der 'Ritterschaft und den Städten des Osterlandes ihre Vorrechte überhaupt, und besonders, was die Vorfahren auf sie gebracht. Die großen Gutsbesitzer, die Bischöfe, die Aebte und kaiserlichen Unterbeamten, z. B. die eine Classe der Burggrafen, hatten stets das Reichsoberhaupt als ihren Oberherrn angesehen, und was nicht vom Fürsten als Lehn- oder Erbgut besessen ward, das blieb in der Hauptsache von seiner Macht ausgeschlossen. Manche der Insassen hielten es für möglich und rathsam, auch ihrerseits mächtig und selbstständig zu werden; daher in manchen deutschen Provinzen so viele unmittelbar« Dynasten und Herren. In den meißnischen und den übrigen sächsischen Ländern bildete zuziehen, mischte sich unter di« braune Menge und war für einige Zeit spurlos verschwunden. Ganz abgesehen davon, daß die Frau eines seiner Collegen sich in ihn verliebte und ihn, weil er nichts von ihr wissen wollte, Miß Houghal's Lais.*) Indische Skizze von Rudyard Kipling. Deutsch von M. Elpen. Nachdruck verholen. Es wird vielfach behauptet, 'Indien entbehre einer Romantik, doch diese Annahme ist irrig. Wir Bewohner Indiens lernen die romantische Seite des Lebens zur Genüge, ja oft mehr kennen, als uns lieb ist. Strickland,einjungerPolizeibeamter, galt als ein höchst eigen- thümlicher, unbegreiflicher Mensch und wurde daher vielfach für ein« verdächtige Persönlichkeit gehalten, der man möglichst aus dem Wege ging. Das hatte er sich selbst zu verdanken. Er ging nämlich von der sonderbaren Ansicht aus, daß ein indischer Polizeibeamter hinsichtlich der Bewohner des Landes ebenso orientirt sein müsse als diese selbst. In Folge dessen trieb er sich mit Vorliebe in ungesunden Hintergäßchen umher, wo kein an ständiger Mensch jemals hinkam, und war stets inmitten des Pöbels zu finden. So trieb er es sieben Jahre lang, ohne ge bührende Würdigung zu finden. Auf dies« W«is« lernte er u. A. den Hagendissen-Sang der Dansis und den Halli-Hukk-Tanz, eine Art fanatischen Cancans, kennen. Wer da weiß, wer den Halli-Hu'kt tanzt, und wie und wann und wo, der weiß etwas, worauf er stolz sein kann. Aber Strickland war nicht stolz, obwohl er zu Jajadhi einmal eigen händig bei der Bemalung des Todtensti«r«s mitgewirkt hatte, wobei die Anwesenheit eines Weißen bei Todesstrafe verpönt ist. Er hatte sich di« Diebssprache der „Changars" zu eigen gemacht, bei Attock ganz allein einen Pferdedieb festgenommen und in einer Moschee an der Grenze sogar einmal wie ein richtiger Sinni Mollah (Priester) den Gottesdienst geleitet. Allein seine größte Kriegsthat war, daß er einmal elf Tage lang als Bettel'mönch in den Gärten von Baba Atal zu Amritsar gewohnt und dort dem Morde zu Ncrfsiba auf di« Spur gekommen war. Aber die Leute meinten, Strickland thät« besser, ruhig in seinem Bureau Uber seinen Büchern und Acten zu sitzen, statt auf Liese Weis« die Jrr- thümer und Unterlassungssünden seiner Collegen ans Licht zu bringen. Und daher trug ihm der Nassibaer Mordproceß auch keine Beförderung ein. Doch nachdem seine erste Wuth darüber verflogen, kehrte er zu seiner Gewohnheit, das Leben der Einge borenen an Ort und Stell« zu studir«n, zurück. Wer einmal Geschmack an diesen eigenartigen Vergnügungen gefunden, dem bleibt derselbe zeitlebens. Die Lieb« nicht ausgenommen, ist eS da« Interessanteste, wa» sich denken läßt. Und während Andere Urlaub nehmen, um ins Gebirge zu gehen, benutzte Strickland den seinen, um in irgend einer Vermummung auf „Studien" aus *) SaiS — Reitknecht. Er war ein ruhiger, junger Mann, groß und schlank, sehr brünett, mit schönen, schwarzen Augen, und konnte, wenn «r nicht gerade an andere Ding« dachte, ein sehr interessanter, unter haltender 'Gesellschafter sein. Di« Eingeborenen haßten Strickland und 'fürchteten ihn zu gleich, da er zu viel wußte. Als die Aoughals in die Garnison kamen, verliebte Strickland sich so ernstlich, wie er Alles zu betreiben Pflegt«, in Miß Uoug- hal und sie sich in ihn, wahrscheinlich, weil er ihr ein Rüthsel war. In Folge dessen redete Strickland mit ihren Eltern, allein der Vater erklärt« ihm rund heraus, daß er sein ganzes Thun und Treiben höchlichst mißbilligt« und Strickland ihn verbinden würde, wenn er jegliche Beziehung zu seiner Tochter abbrechen wollte. Und um dem Mädchen nicht unnütz das Leben zu er schweren, ließ Strickland, nachdem er noch «ine lange Unter redung mit ihr gehabt, die Sache fallen. Im April gingen die Aoughals nach Simla. Hm Juli nahm Strickland in „dringender persönlicher Angelegenheit" drei Mo nate Urlaub und reifte zu einem alten Bekannten, einem in Tarn-Taran wohnenden Färber. Hier verlor man ihn aus den Augen, bis mir eines Tages «in Sais in der Simla-Mail (Wandelplatz in der Mailbahn) folgende Zeilen einhändigte: „Bester Mann! Geben Sie Ueberbringer dieses gefälligst ein Dutzend Cigaretten erster Güte mit. Im Club ist «ine neue Sen dung angekommen. Sobald ich wieder auftauche, 'werde ich meine Schuld begleichen; doch augenblicklich bin ich für di« Menschheit tvdt. E. Strickland." Ich kaufte zwei Dutzend und übergab sie dem Sais mit meinen besten Empfehlungen. Es war Strickland selbst, der, zur Zeit in des alten Aoughal Diensten stehend, di« Sorg« für den Araber seiner Tochter übernommen hatte. Der arm« Ker! schmachtete nun nach einem Zuge aus einer guten, englischen Ciga rette, und da er wußte, daß ich reinen Mund halten würde, hatte er sich damit an mich gewandt. Nach einiger Zeit begann Frau Aoughal, deren Dienerschaft ihr Lieblingsthema bildete, ihren Bekannten gegenüber in allen Tonarten das Lob ihres Sais zu singen, der schon im Morgen grauen aufstand, um Blumen für die Frühstückstafel zu schneiden und sogar die Hufe des ihm anvertrauten Pferdes putzte, bis sie funkelten und blitzten, so daß es «in Vergnügen war, Miß Aoughal's Araber auSreiten zu sehen. Bei solchen 'Gelegenheiten wurde Strickland — jetzt Dullor genannt — durch di« Freundlichkeit seiner Herrin vollauf ent schädigt. Ihre Eltern merkten mit Befriedigung, daß sie die Thorheit mit Strickland vergessen zu haben schien und nannt«n sie ein liebes, gutes Kind. Strickland behauptet, daß diese zweimonatliche Di«nstz«tt die schwerste geistige Disciplin gewesen, die er jemal» durchgemacht. mit Rattenkraut zu vergiften suchte, mußte er sich auch in Geduld und Schweigen üben, wenn Miß Aoughal mit einem od«r dem anderrn ihrer Verehrer ausritt und er grnöthigt war, mit den Pferdedecken hinterher zu reiten und jedes Wort der Unterhaltung zu hören. Und ebenso mußte er ruhig bleiben, als ihn gelegent lich ein von ihm selbst angestellter Polizeibeamter herunter machte oder ein grüner Leutnant „Schwein" titulirte, weil er ihm nicht schnell genug aus dem Weg« ging. Doch hatte dieses Leben auch wiederum sein Lohnendes. Er erlangte so tiefe Einsicht in das Wesen und die Diebereien der Sais, daß es genügt hätte, die halbe Bevölkerung der Punjab auf die Anklagebank zu bringen, falls «r von Berufs wegen darauf ausg«gangen wäre. Er lernte allerhand Würfrlfpiel« und Tabak rauchen, der zu drei Vierteln aus Kuhdüng«r bestand. Sehr amüsant ist sein« Schilderung der Foltern, die er ausgestanden, wenn er, von Kopf bis Fuß in eine Pferdedecke gehüllt, an reg nerischen Ballaben'den vor dem erleuchteten Gouvernements gebäude seiner Herrin harrt« und die Klänge der Walzermusik sein« Füße «lektrksirten. Er will dieser Tag« ein Buch über sein« damaligen Erfah rungen schreiben, dessen Ankauf entschieden lohnend sein dürfte, zumal es wahrscheinlich verboten werden wird. Und so dient« er getreulich wie Jakob um Rahel, und sein Urlaub war nahezu abgekaufen, als die Bombe platzte. B«im Anhören d«r vorerwähnten Courmachereien hatte er nach Möglichkeit sein« Ruhe bewahrt, doch eines schönen Tages riß ihm die Geduld. Ein alter und sehr angesehener General, d«r Miß Aoughal auf ein«m Spazierritt« begleitete, verlegte 'sich bei dieser Ge legenheit auf die alleibeleidigendste Art von FUrtation, di« in d«m Ausrufe zu gipfeln pflegt: „Sind Sie aber noch ein Kind!" Miß Aoughal erröthete vor Scham und Bestürzung beim Anhören dieser Dinge, umsomehr, da sie in Hörwrit« ihres Sais geäußert wurden. Dieser ertrug es, so lange er «s vermochte. Dann faßt« er plötzlich des Generals Zügel und ersucht« ihn in fließendem Eng lisch, gefälligst abzusteigen und sich das Genick brechen zu lassen. Miß Aoughal begann zu weinen, und Strickland sah «in, daß er sich hoffnungslos verrathen hatt«. Der General bekam vor Schreck beinahe einen Schlaganfall, während das junge Mäd chen ihm schlivchzend die Geschichte von Strickland's Vermummung und ihre» Verlöbnisses mittheilte, das ihre Eltern nicht billigen wollten. Strickland war wüthend auf sich selbst, und noch wüthender auf den General, der die Veranlassung seiner Unvor sichtigkeit gewesen. Doch als der Letzter« d«n Zusammenhang «rfahren, rollte er fast vom Pferde vor Lachen und erklärt«, Strickland verdiene ein Vicwriakreuz, und s«i es auch nur für di« malerisch« Art und W«ks«, in der er seine Daisdeckt umg«schlag«n habe. Dann schalt er auf sich selbst und schwor, daß er ein Pack Schläge ver dient habe, aber zu alt sei, um sie anzunehmen. Schließlich machte er Miß Uvughal ein Kompliment über ihren Liebsten. Etwas Skandalöses schien er bei der Sache absolut nicht zu finden, denn obwohl er «in Courmacher und Schwerenöther, war er im Grunde ein guter alter Mann. Strickland ließ die Zügel fahren mit der Bemerkung, wenn der General so darüber denke, solle er ihm lieber helfen. Er kannte des alten Voughal Schwäche für Männer mit Titeln und hohen Stellungen. „Es ist der rein« dramatische Schwank", meinte der General, imm«r noch lachend; „aber helfen will ich, und sei es auch nur, um der verdienten Tracht Prüg«l zu «ntgehen. Mein Herr Sais-Polizist, gehen Sie ruhig heim und ziehen Si« vor allen Dingen anständige Kleider an. Unterdessen will ich den alten Aoughal bearbeit«». Miß Voughal, darf ich Sie ersuchen, heim zu reiten und das Weitere abzuwarten?" Etwa zehn Mnuten später entstand «in gewaltig«« Aufruhr in der Socictät. Ein nur mir «iner Decke bekleideter Sais bat Alle, die er kannte, d«r Reih« nach: „Erbarmen Sie sich und leihen Sie mir anständige Kleider!" Da ihn Niemand erkannte, traten all«rhand eigenthümliche Situationen ein, «he Strickland, nachdem er ein warmes Bad mit Soda genommen, hier ein Hemd, dort «inen Kragen, ein Paar Hosen u. s. w. zu erlangen vermochte. Dann jagte er auf dem Pony «ines völlig Unbekannten zum Hause des alten Voughal, wo er d«n General in 'vollster Gala vor- fand. Was derselbe gesagt, hat Strickland niemals erfahren, allein Aoughal empfing ihn mit ziemlicher Liebenswürdigkeit. Dann erschien auch Miß Voughal, und «he ihr Vater recht wußte, wie es geschehen, war ihm sein« Einwilligung abgerungen. Strickland, der sogkich zum Telegraphenamt geeilt war, um seinen Bekannten Mittheilung von seiner Verlobung zu machen, wurde auf dem Rückweg von einem unbekannten Individuum angefallen, das ihn, als d«n Dieb seines gestohlenen PouyS, ein stecken lassen wollte. Und so wurden Strickland und Miß Voughal schließlich doch ein Paar, nachdem es Ersterem zur Bedingung gemach! worden, seine abenteuerlichen Strerfzüge aufzugeben und sich an seine vor- geschriebenen Pflichten zu halten. Strickland war dazumal zu verliebt, um sein Wort zu brechen, allein es kostete ijun große Ueberwindung. Ein anderes Mal werd« ich erzählen, wie er ein mal sein Gelübde brach, um eimm Freunde zu helfen. Das ist aber schon lange her, und heutzutage ist er «in häu»lich«r ftßhafter Mann, dessen Gedächtniß Patois, DiebSzeich«n, Gaunersprache und sonstige Errungenschaften feiner „Quellenstudien" allgemach entscbwinden. Doch seine amtlichen Rapporte lassen nicht» zu wünschen übrig.
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