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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990602019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899060201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899060201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-02
- Monat1899-06
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Morgen-Ausgabe. DnWAer TllAtlilaü Anzeiger. Amtsblatt des Äömgkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes «nd Notizei-Amtes der Ltadt Leipzig. VezngS-PrekS t» d«r Hauptexpeditioa oder den im Stadt bezirk und den Vororten errickitrten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährliches Ä), vei zweimaliger täglicher Zustellung ms Hou» e b.LO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertehährlich e k.—. Directe tägliche Kreuzbandiendung io< Ausland: monatlich e 7.bO. Die Morgen-Ausgab« erscheint um '/,7 Uhr. dir Avrnd-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Nrdaction und Lrpeditio»; J«hanni»«affe 8. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Filialen: klt« klemm'- Eorttm. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Loni» Lösche, Datharinenstr. 14, part. und AönigSplatz?. M. Anzeigen-PreiS die 6gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem RedactionSstrich (-ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtra (6 gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Zissernjay nach höherem Tarif. Extra-veilaaen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung e 60—, mit Postbrsörderung e 70 — Ännahmeschluß für Änzeigkn: Abeud-AuSgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgeu-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet deu Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anteilen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang, Äerzte und Krankencassen. ' c. Die große sociale Bedeutung der deutschen Krankenkassen rechtfertigt die Aufmerksamkeit, welche man in socialpolitischen Kreisen auch der inneren Entwickelung derselben schenkt. In diesen Kreisen verfolgt man daher mit einer gewissen Antheil- nahme auch die Auseinandersetzungen, welche seit Jahren zwischen dem Aerztestande und den berufenen Vertretern namentlich der großen Krankencassen vielfach stattgefunden haben. Diese in ein zelnen Fällen leider zu schroffen Gegensätzen führenden Erörte rungen sind in der Hauptsache durch materiell« Erwägungen und durch Rücksichten auf die ärztliche Standesohre hervorgerufen. Es läßt sich nicht verkennen, daß der ärztliche Stand durch die gewerbliche Freigabe der Heilkunde in eine eigenartige Lage ge- rathen ist. Es hat sich in manchen deutschen Gegenden ein sehr skrupelloses, marktschreierisches Eurpfuscherthum entwickelt, gegen das der Aerztestand nach der Lage der gegenwärtigen Verhält nisse fast machtlos ist. Durch Erziehung, Ehrenhaftigkeit und Standesordnung ist «s den Aerzten verboten, sich der Öffentlich keit gegenüber der gleichen Mittel zu bedienen, wie sie von vielen Curpfuschern zur Ausdehnung ihrer Thätrgkeit angewendet wer den. Es ist daher erklärlich, wenn die Aerzte nicht nur die aner kannten Curpfuscher, sondern überhaupt jede Ausübung einer ärztlichen Thätigleit durch einen Laien mit einiger Heftigkeit bekämpfen. Daß ein großer Theil des Aerztestandes durch ent sprechende Abänderung der 'Gewerbeordnung den Laien überhaupt di« Möglichkeit nehmen will, die Heilkunde gegen Entgelt aus üben zu können, ist bekannt. Zunächst aber wehren sich die Aerzte namentlich dagegen, mit derartigen Erwerbstätigen an Kranken kassen zusammen zu wirken. Im Allgemeinen haben sie damit Erfolg gehabt. In allen Bundesstaaten ist die Praxis der Ver waltungsbehörden und Gerichte dahin zielend, daß nur den in Deutschland approbirten Aerzten das Recht zugestanden wird, ge wisse autoritative ärztliche Handlungen, wie die Ausstellung von Krankenscheinen bei Lassen, Ertheilung von Zeugnissen, Abgabe von Sachverständigen-Urtheilen u. s. w., auszuüben. Allerdings werden die bestehenden Vorschriften in der Praxis nicht überall beachtet, ebensowenig, wie man z. B. in Sachsen überall das Ver bot berücksichtigt, daß Laien-Heilkundige von Krankencassen gegen Bezahlung beschäftigt werden. Nicht so glücklich, wie bei der Beseitigung der Curpfuscher aus den Krankenkassen, sind bisher die Aerzte mit den auf eine bessere Honorirung ihrer Thätigkeit hinzielenden Wünschen ge wesen. Es ist in den weitesten Kreisen durch zahlreiche und oft sehr lebhafte Erörterungen bekannt, daß von manchen großen OrtSkrankencassen der Besuch des Eassenarztes bei dem Er krankten dem ersteren schlechter als der Weg eines Dienstmannes bezahlt wird. Dies« Lassen behaupten, die große Anzahl der Besuche müsse für die geringe Bezahlung der einzelnen entschädigen; mehr zu zahlen sei den Lassen nicht möglich, ohne die Mitgliederbciträge ungebührlich zu erhöhen. In vielen Fällen mag das wohl richtig sein und die Aerzte werden hierauf, wie billig, Rücksicht zu nehmen haben. Im klebrigen darf jedoch nicht vergessen werden, daß die heute zwischen Aerzten und Krankencassen herrschenden Beziehungen auf die Dauer unhaltbar sind. Es liegt, bei aller Hochachtung vor der wissenschaftlichen Erziehung und den Cha raktereigenschaften des deutschen Aerztestandes, doch die Befürch tung nahe, daß ein für seinen Weg zum Kranken unter dem Dienstmann bezahlter Arzt, der sich durch die große Zahl der Be suche für die dürftige Honorirung des einzelnen entschädigen muß, seinen Beruf in einem etwas handwerksmäßigen Sinne au» übt. Dabei fühlt sich weder der Arzt noch der Kranke wohl. Jedenfalls ist es eine Forderung der Volkswohlfahrt, daß die Be ziehungen zwischen Aerztestand und Krankenkassen besser werden, als sie es gegenwärtig sind. Doch ist es nicht leicht, einen Weg zu freundlicheren Der- Freitag den bältnissen zu finden. Um zu diesen zu gelangen, wird von den Aerzten ein sehr großes Gewicht auf die freie Aerztewahl bei den Krankencassen gelegt. Einzelne 'Lassen haben diese freie Wahl bereits eingesührt, die meisten sträuben sich bisher jedoch, im Wesentlichen aus materiellen Gründen, dagegen. Auf dem im vorigen Monat in Dresden abgehaltenen 27. Deutschen Aerztetag bildete diese freie Aerztewahl der Krankencassen-Mitgliedcr den Hauptpunkt der Tagesordnung. Durch die ausführlichen Ver handlungen gerade über diesen Gegenstand wurde der Stand- punct des deutschen Aerztestandes zu den Krankencassen neuer dings festgelegt. Vollständige Uebereinstimmung herrschte über den Ausschluß nicht in Deutschland approbirtrr Personen, also namentlich der sogenannten Curpfuscher, von der Krankencassen- praxis. Ebenso war die große Mehrheit der Aerzte in der Ver sammlung der Ansicht, daß nur solche Personen in die Kranken kassen ausgenommen werden sollen, deren Jahreseinkommen 2000 nicht übersteigt. Auch die freie Aerztewahl fand als solche nur geringen Widerspruch, doch gingen die Anschauungen über die Art ihrer Durchführung auseinander. Von verschiedenen Aerzten wurde betont, daß jeder gesetzliche oder andere Zwang bei der Durchführung der freien Wahl den Lassen gegenüber unter bleiben müsse. Thatsächlich ist man in ärztlichen Kreisen vielfach der Ueberzeugung, daß die allgemein anerkannten Erfolgt der freien Aerztewahl wesentlich dadurch erreicht wurden, daß unab hängige ärztliche Körperschaften auf dem Wege freier Verein barung mit den Krankencassen in Beziehung getreten und den Aufgaben und Verhältnissen der Lassen in richtiger Weise gerecht geworden sind. Dies« Aerzte glauben, aus ethischen und recht lichen Gründen könne die freie Aerztewahl nur dadurch erreicht werden, daß die Lässenmitglieder für dieselbe eintreten. Dieser Weg wird als der sicherste bezeichnet, da, wie mit Recht betont wird, zwischen den Aerzten und den Cassenmitg'lisdern in Be ziehung auf die freie Aerztewahl eine völlige Interessengemein schaft herrsche. Einzelne Aerzte bezeichnen die gesetzliche Durch führung der freien Aerztewahl als eine nicht zu billigende Zwangsmaßregel und als ein Ausnahmegesetz. Auf dem letzten deutschen Aerztetage drangen diese An schauungen nicht durch. Nach den gefaßten Beschlüssen wird der deutsch« Aerztestand auch fernerhin daran festhalten, daß die freie Aerztewahl so bald als möglich bei sämmt'lichen Kranken cassen gesetzlich durchzuführen ist. Die Mitglieder derselben sollen sich nach gänzlich fröiem Ermessen einen Arzt aus den jenigen staatlich approbirten Aerzten des Cassenbezirks wählen können, die sich zu den entsprechenden Leistungen verpflichtet haben. Die Bezahlung dieser Aerzte soll nach den Bestim mungen der Landestaxen erfolgen. Die Verhältnisse der Aerzte zu den Lassen sollen durch schriftliche Verträge fest gelegt werden, die der Genehmigung der staatlichen Standes- vertretung der Aerzte bedürfen. Es sollen Schiedsgerichte ge bildet werden, die zu gleichen Theilen aus Aerzten und Lassen mitgliedern gebildet sind. Diese Gerichte haben die Ausführung der von Aerzten und Lassen übernommenen Verpflichtungen zu überwachen und Streitigkeiten zwischen beiden Parteien zu schlichten. Gegen den Spruch dieser 'Gerichte kann Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erhoben wenden, die vor ihrem "Urtheil jedoch die staatliche Standesvertretung der Aerzte zu hören hat. Der Reiichstag wird schwerlich vorläufig geneigt sein, die freie Aerztewahl bei den Krankencassen in der vom Deutschen Aerzte tage gewünschten Form zu billigen. Die Honorirung der kassen ärztlichen Leistungen nach den bekanntlich einen sehr weiten Spielraum gewährenden Landestaxen wird gleichfalls auf Widerstand stoßen. Auch der Bundesrath wird Bedenken haben, dem deutschen Aerztetag soweit zu folgen. Für bi« Stellung der Regierungen zu den Forderungen der Aerzte ist eine Aeußerung des Geheimraths Aschenborn be zeichnend, der die preußische Regierung auf dem letzten Deutschen Aerztetage vertrat. Derselbe gab den Aerzten in den wärmsten Worten die Versicherung, daß die preußische Regierung für den 2. Juni 1899. Aerztestand die größte Sympathie hege, aber es sei von diesem doch klug, wenn er mit der Gewährung eines Theiles seiner Forderungen sich zufrieden gebe, wenn das 'Ganze unerreichbar sein sollte. j Die „Zuchthausvorlage". L. Berlin, 1. Juni. (Privattelegramm.) Unter dem Titel „Gesetzentwurf zum Schutze des gewerblichen Arbeitsverhältnisses* ist heute dem Reichstage der Gesetzentwurf zugegangen, den der Kaiser am 6. September vorigen Jahres in Oeynhausen mit folgenden Worten angekündigt hatte: Wie Alle, die industriellen Betrieben obliegen, so haben auch Sie ein wachsames Auge auf die Entwickelung unserer socialen Verhältnisse, und Ich habe Schritte gethan, soweit es in Meiner Macht steht, Ihnen zu helfen, um Sie vor wirthschastlich schweren Stunden zu bewahren. Der Schutz der deutschen Arbeit, der Schutz desjenigen, der arbeiten will, ist von Mir im vorigen Jahre in der Stadt Bielefeld feierlich versprochen worden. Das Gesetz naht sich seiner Vollendung und wird den Volksvertretern in diesem Jahre zugehen, worin Jeder, er möge sein wer er will und heißen wie er will, der einen deutschen Arbeiter, der willig wäre, seine Arbeit zu vollführen, daran zu hindern versucht oder gar zu einem Streike anreizt, mit Zuchthaus bestraft werden soll. Die Strafe habe Ich damals versprochen, und Ich hoffe, daß das Volk in seinen Vertretern zu Mir stehen wird, um unsere nationale Arbeit in dieser Weise, so weit es möglich ist, zu schützen. Recht und Gesetz müssen und sollen geschützt werden, und so weit werde Ich dafür sorgen, daß sie aufrecht erhalten werden. In Folge dieser kaiserlichen Aeußerungen war vem jetzt eingegangenen Entwurf schon im Voraus in deu öffentlichen Erörterungen die Bezeichnung der „ZuchthauSvorlage" an geheftet worden; der H 8 des Entwurfs enthält in der That eine Androhung von Zuchthausstrafe, indeß nicht gegen den, welcher einen Anderen an der Arbeit hindert, oder gegen „Anreizung zum Streik", sondern für den Fall, daß in Folge eines Streiks oder einer ArbeiterauS- sperrung „eine Gefährdung der Sicherheit dcS Reiches oder eines Bundesstaats eiugetreten oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder das Eigenthum herbeigeführt worden". Diese Bestimmung macht deu Eindruck, als ob der Verfasser des Entwurfs um jeden Preis irgendwo die Androhung von Zuchthausstrafe hätte anbringen wollen. Die Vorbereitung des Entwurfs ist schließlich so geheim betrieben worden, daß in den regelmäßigen amtlichen Berichten über die Sitzungen des Bundesrathes weder die Einbringung in diesem, noch die Ueberweisung an einen Ausschuß, noch endlich die Genehmigung seitens des Bundesrathes erwähnt wurde. Der Entwurf Hal folgenden Wortlaut: 8 1. Wer es unternimmt, durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehrverletzung oder Berrusserklärung Arbeit geber oder Arbeitnehmer zur Theilnahme an Vereinigungen oder Verabredungen, die eine Einwirkung auf Arbeils- oder Lohnver- hältnisse bezwecken, zu bestimmen oder von der Theilnahme an solchen Vereinigungen oder Verabredungen abzuhalten, wird mit Gefängniß bi» zu einem Jahre bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu 1000 zu erkennen. 8 2. Die Strasvorschriften des 8 1 finden auch auf denjenigen Anwendung, welcher es unternimmt, durch körperlichen Zwang, Drohung, Ehrverletzung oder Verrufserklärung 1) zur Herbeiführung oder Förderung einer Arbeiteraussperrung Arbeitgeber zur Entlassung von Arbeitnehmern zu bestimmen oder an der An nahme oder Heranziehung solcher zu hindern, 2) zur Herbei- sührung oder Förderung eines Arbeiterausstand es Arbeitnehmer zur Niederlegung der Arbeit zu bestimmen oder an der Annahme oder Aufsuchung von Arbeit zu hindern, 3) bei einer Arbeiter aussperrung oder einem Arbeiterausstande die Arbeitgeber oder Arbeitnehmer zur Nachgiebigkeit gegen die dabei vertretenen Forderungen zu bestimmen. 8 3. Wer es sich zum Geschäfte macht, Handlungen der in den 88 1, 2 bezeichneten Art zu begehen, wird mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. 8 4. Dem körperlichen Zwange im Sinne der 88 1 bis 3 wird die Beschädigung oder Vorenthaltung von Arbeitsgerät!», Arbeitsmaterial, Arbeitserzeugnissen oder Kleidungs stücken gleichgeachtet. Ter Drohung im Sinne der 88 1 bis 3 wird die planmäßige Ueberwachung von Arbeitgebern, Arbeit nehmern, Arbeitsstätten, Wegen, Straßen, Plätzen, Bahnhöfen, Wasser straßen, Hasen- oder sonstigen Verkehrsanlagen gleichgeuchtet. Eine Berrusserklärung oder Drohung im Sinne der 88 1 bis 3 liegt nicht vor, wenn der Thäter eine Handlung vornimint, zu der er berechtigt ist, insbesondere wenn er befugter Weise ein Arbeits oder Dienstverhältnis) ablehnt, beendigt oder kündigt, die Arbeit einstcllt, eine Arbeitseinstellung oder Aussperrung fortsetzt oder wenn er die Vornahme einer solchen Handlung in Aussicht stellt. 8 5. Wird gegen Personen, die an einem Arbeiterausstand oder einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd Theil nehmen oder Theil genommen haben, aus Anlaß dieser Nichtbetheiligung eine Beleidigung mittelst Thätlichkeiten, eine vorsätzliche Körperverletzung oder eine vorsätzliche Sachbeschädigung begangen, so bedarf es zur Verfolgung keines Antrags. 8 6. Wer Personen, die an einem Arbeitcrausstande oder einer Arbeiteraussperrung nicht oder nicht dauernd Theil nehmen oder Theil genommen haben, aus Anlaß dieser Nichtbetheiligung bedroht oder in Verruf erklärt, wird mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist auf Geldstrafe bis zu 1000 ./! zu erkennen. 8 7. Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei der eine Handlung der in den 88 1 bis 6 bezeichneten Art mit vereinten Kräften begangen wird, Theil nimmt, wird mit Ge- sangniß bestraft. Die Rädelsführer sind mit Gefängniß nicht unter drei Monaten zu bestrafen. 8 8. Sind in den Fällen der 88 I, 2, 4 ein Arbeitrraus- stand oder eine Arbciteraussperrrung herbeigeführt oder ge fördert worden und ist der Ausstand oder die Aussperrung mit Rücksicht auf die Natur oder Bestimmung des Betriebes geeignet, die Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaates zu gefährden oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder für das Eigenthum herbeizusühren, so tritt Ge- fängnißstrafe nicht unter einem Monat, gegen die Rädelsführer Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Ist in Folge des Arbeiterausstandes oder dec Arbeiteraussperrnng eine Gefährdung der Sicherheit des Reichs oder eines Bundesstaats eiugetreten oder eine gemeine Gefahr für Menschenleben oder dos Eigenthum herbeigeführt worden, so ist ans Zuchthaus bis zu drei Jahren, gegen den Rädelsführer auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu erkennen. Sind in den Fällen deS Nbs. 2 mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechsMonatcn, für die Rädelsführer Gefängnißstrafe nicht unter einem Jahre ein. 8 9. Soweit nach diesem Gesetz eine gegen Arbeitgeber gerichtete Handlung mit Strafe bedroht ist, findet die Straivorschrift auch dann Anwendung, wenn die Handlung gegen einen Vertreter des Arbeitgebers gerichtet ist. Feuilleton. Llanes Llut in der Anion. Eine Studie auS dem Hixst lick« der Vereinigten Staaten. Von Erich Hulk. Nag trink »erröten. Wenn ich von „blauem Blut" in der Union, d. h. dem größten und mächtigsten demokratischen Freistaat der Erde, rede, so verstehe ich darunter nur die Exclusivität gewisser Familien seiner Bevölkerung; keineswegs aber ist der Ausdruck als ein Epitheton des Adels, wie im europäischen Sinne auf zufassen. Es giebt keinen privilegirten oder gesetzlich als be sondere Classe anerkannten Adelstand in den Vereinigten Staaten, denn die Constitution widerspricht jeglichem Unter schiede in der Bevölkerung; „blaues Blut" dagegen giebt's trotz- dcm genug, auch Wappen werden bereits geführt, sind aber — wenigstens vorläufig! — ihren Besitzern weder schädlich noch nützlich. Auch Orden, al» Dekoration, existiren in der Union nicht, und kein Bürger darf einen ihm verliehenen fremden ohne ausdrückliche Erlaubniß de» Longresie» — die so gut wie nie ertheilt wird — anlegen. Trotz aller dieser Hindernisse jedoch hat sich mit der Zeit auch in der Union eine sogenannte Aristokratie oder ein Blaublut herausgebildet. Diese Aristokratie — wir wollen sie so nennen — setzt sich aus zwei Classen zusammen, aus den Nachkommen der ältesten Ansiedler de» Ostens, ferner der einstigen Insassen der Mayflower, aus England vertriebenen Dissenter», sodann äuS den Enkeln der Unterzeichner der Unabhängigkeitserklärung, der Kämpfer im Revolutionskriege gegen England u. A. m. Diese älteste Llaffe, die ihre Ahnen zählt, Stammbäume führt und sich auf die politischen Verdienste ihrer Familienmitglieder beruft, dürfte d«m europäischen Adel am nächsten gestellt werden. Wir können diese Classe die geschichtliche Aristokratie der Union nennen. Die ungleich größere und äußerlich glanz vollere Classe setzt sich dagegen aus den Millionären allein zu- sammen — von denen beispielsweise die Stadt New Aork, da» Lentrum d«» List» lick«, allein rund 1100 beherbergt. Diese letztere Classe, die wir demnach die Geldaristokratie der Vereinigten Staaten tituliren können, verwandtschaftet sich immer mehr, in allerneuester Zeit fast ausschließlich, mit dem wirklichen, streberisch veranlagten Erbedelthum Europas, na mentlich Englands, Frankreichs und Italiens. Die berühmtesten Familien der geschichtlichen Aristokratie sind heutzutage etwa: die Van Reusselaers, deren berühmtester Ahn Jeremias van Neusselaer einer der Delegirten des ersten „Diet" oder Landtages in der City Hall New Uorls am 10. April 1664 war. Nächst diesen stehen die Schuyler, deren Urahn, Peter Schuyler, der erste Mayor Albanys war. Die Barclays, nach welchen eine der Straßen New Z-orks benannt ist, datiren sich her von dem ersten Missionare unter den Mohawk-Hndianern, Henry Barclay, welcher um 1752 in der St.-Georgscapelle an der Ecke der Cliff- und Beekmanstreet predigte. Die Kings stammen her von Rufus King, welcher 1786 Mitglied des Congresses war. Die Mortons haben zu ihrem Urahnen John Morton, Mitglied des berühmten „Committee of 100", welches die öffentlichen Angelegenheiten New Aorks im Jahre 1775 regulirte. Die Hancocks gehören zur Nach kommenschaft des Ersten der Unterzeichner der Unabhängigkeits erklärung. Die berühmtesten Familien der Geldaristokratie sind unter Anderen vorzüglich die Rockefellers, die Banderbilts, die Goulds, die Havemeiers, Astor» u. s. w. in New Kork, Pulman, Armour u. s. w. in Chicago, M'Kay in St. Francisco und wie sie sonst heißen mögen — eS ist unmöglich, sie alle an zuführen. Am meisten von sich reden machen natürlich die Geld aristokraten, weil sie die weitaus einflußreichsten und geachtetsten in der Union, dem Lande des Reichthum», sind; ein Mitglied der geschichtlichen Aristokratie gelangt heutzutage auch nur durch seinen Reichthum zu Ansehen und Einfluß. Es wird daher dem Leser vollständig einleuchten, wenn ich in Folgendem mit Uebergehung der geschichtlichen Aristokratie nur die Lebens gewohnheiten u. s. w. der Geldaristokratie, so weit sie allgemein feststehen und von charakteristischer Wichtigkeit sind, zu schildern versuche. Was dem Beobachter dieser Gesegneten de» irdischen Dasein» zu allererst in die Augen fällt, ist der stauneniwerthe und in seiner Art beispiellose Luxus, welcher getrieben wird. Mauern und Thtirmr von echtem Braunstein, JaSpi»- oder Onyxfliesen in den Vestibules, Mahoganithüren und Treppenstufen mit massiv goldenen oder stark vergoldeten, massiv silbernen Orna menten, schweren sammetnen, golddurchwirkten Draperien und Vorhängen, mit echten Perlen und kostbaren Edelsteinen (nament lich Türkisen) ausgelegte Möbel, Badewannen aus einem Stücke unschätzbaren, fleckenlosen, parischen Marmor» mit massiv gol denen Füßen und Krähnen u. s. w. — Und die märchenhafte Pracht der Toiletten der Frauen und Töchter und kleinen Kinder dieser Aristokratie des Geldes! Da trug vor drei Jahren eine im Uebrigen wegen ihrer Philanthropie mit Recht berühmte Miß Celia Wallace eine Balltoilette im Werthe von 50 000 Lstrl, Miß Marion Fish, welche letzten Winter ihr Debüt in der soeiet^ machte, besitzt 30 verschiedene Ballroben, von denen keine unter 300 Lstrl. kostet. Mrs. Geo. Gould erscheint in einem feenhaft schönen Spitzenkleide. Sie sieht aus, als wäre sie in gefrorenen Schnee gekleidet, doch kostet dieser Schnee die Summe von 2000 Lstrl. Mrs. I. I. Astor's Robe re- präsentirt ein Capital von 3000 Lstrl. Mrs. Elbridge Gerry zeigte sich eines Tages in einer pflaumenvioletten Sammettoilette für 1200 Lstrl. Straußenfedern zum Preise von 75—200 Lstrl. und Hüte — wahre Kleinodien — von 50 Lstrl. aufwärts muß man schon al» Bagatellen ansehen u. s. w. Daß der Luxu» in kulinarischer Beziehung dem in der Toilette die Waage hält, versteht sich von selbst. So ein „Luncheon" für 10—15 Lstrl. pro Person ist kaum der Erwähnung Werth Was ein Diner verschlingen mag? Guter Gott! Hätte ich nur das Glück gehabt, an einem solchen Theil zu nehmen! Ich hätte da» Diner verschlungen, ohne zu fragen, wie viel eS selbst verschlang! Zumeist sind e» die Frauen und die erwachsenen Kinder, welche zu den Feinschmeckern gehören, die alten Papas leben, wo sie können, in ihrer Art fast spartanisch einfach. So hatte ich persönlich das „Glück", auf einer Fahrt mit der „Lake Shore Eisenbabn" von Buffalo nach Cleveland den großen Millionär Rvckefeller am Mittagstische beobachten zu können. Nachdem er in dem herrschend-n Gedränge in der Dining-car ruhig auf einen Platz an einem der Tische gewartet und diesen Platz mitten unter anderen Speisenden eingenommen hatte, winkte er den Lonductor herbei und bestellte sich — ein 8t«»lc und m»sk«<i pointos«, zu deutsch: ein Beefsteak mit Kartoffel brei; und Rvckefeller'» Reichthum, de» Präsidenten der „Standard Oil Company", geht in die Hunderte von Millionen! Was seine Familie derweil zu Hause gespeist haben mag, entzieht sich der Beschreibung. Ueberhaupt sind die Stammväter der Geldaristokratie der reichsten und somit ältesten Familien, als Männer von altem Schrot und Korn, die sich inmitten des Glanzes und der Ueppig leit stets ihrer einfachen Herkunft und der Härte ihrer Arbeit in früheren Zeiten erinnern, allermeist liebenswürdig im Ent gegenkommen und schlicht und bescheiden in ihrem Auftreten. Ter junge Nachwuchs oder die erste Generation, von der zweiten vorläufig ganz zu schweigen, ist dagegen fast stets sozusagen unnahbar für jeden pecuniär unter ihnen Stehenden. Er ähnelt in dieser Beziehung der englischen Aristokratie, die ja bekanntlich was Exclusivität anbetrifft, daS überhaupt Denkbare leiste! Diese Exclusivität, diese Geringschätzung ihrer nicht so glücklichen Mitbürger ist es zumeist, welche sie verleitet — namentlich, was den weiblichen Theil anbetrifft — hinüber zu schauen über den Ocean nach England, Frankreich, Italien um — einen „litlocl stughanci" (betitelten Mann) zu heirathen Die guten alten Leutchen müssen allermeist, d. h. da, wo sie nicht selbst die Anstifter solcher „inatc-ti«-," sind, nachgeben und ihre Millionen oft verarmten, verschuldeten, aber aus altem und ältestem Adel stammenden Herren Schwiegersöhnen zu Füßen legen. So hat die weibliche Geldaristokratie bereits ihren unbestrittenen siegreichen Einzug in die englische Geburts aristokratie gehakten, und seit eine Miß Mary Leiter, Tochter eines Millionärs von Chicago Namens Levi Leiter, es durch ihre Verheiratung mit dem Vicekönig von Ostindien als Ladv Curzon zum Range einer Vicekönigin gebracht hat, ist die traditionelle Verquickung englischen Adels mit amerikanischen Millionären nur noch eine Frage — Hymens! Ebenso ist es mit Frankreich, in welchem eine Miß Sonsuelo Vanderbilt es zur Herzogin von Castellane gebracht hat u. A. m. und Italien ebenfalls. Gegen Repräsentanten deutschen Adels scheint trotz aller Freundschaft beider Länder bis jetzt eine gewisse Anti pathie vorzuherrschen, obwohl auch hier das Eis mit der Zeit aufthauen mag.
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