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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.06.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990622013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899062201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899062201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-06
- Tag1899-06-22
- Monat1899-06
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Vrötzere Schriften laut unserem Preis« verzeichnib. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Posibesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Margen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. An-eigen siud stet« au di« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 93. Jahrgang, Eisenbahngemeinschaft und Personentarife. u. Die Eisenbahnartikel der Reichsverfassung (41 ff.) sind, wie schon Fürst Bismarck mit Bedauern constatirte, nicht in dem Maße durchgesührt worden, wie man eS vor einem Menschenalter erwartete. Art. 42 besagt: „Die Bundesregierungen verpflichten sich, die deutschen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Ver kehrs wie ein einheitliches Netz zu verwalten und zu diesem Be huf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen"; ferner Art. 46: „Dem Reiche steht die Controle über das Tarifwesen zu . . . Dasselbe wird namentlich dahin wirken, daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt wird u. s. w." Heute noch haben wir kein „einheitliches Netz", keine gleichmäßigen Tarife u. s. w., das Reichseisenbahnamt spielt eine ziemlich mindere Rolle. Nachdem Mitte der siebziger Jahre Fürst Bismarck's Plan, alle deutschen Eisenbahnen auf das Reich zu übernehmen, gescheitert war, entstand die Uebermacht der preußischen Staats bahnen. Die vor einem Jahrzehnt sehr lebhaft gewesene Be wegung zu Gunsten der Vereinheitlichung und Verbilligung der Personentarife hatte ein ähnlich negatives Schicksal, und längere Zeit war es danach in diesen heiklen Eisenbahnfragen, die neben dem wirthschaftlichen «in politisches Moment bergen, stille. Jetzt ist mit einem Male merkwürdiger Weise neues Leben in diese Dinge gekommen. Die Eisenbahngemeinschaft, welche vor drei Jahren aus Anlaß der Verstaatlichung der auf beiden Staatsgebieten liegenden hessischen Ludwigsbahn zwischen Preußen und Hessen — von letzterem mehr der Noth gehorchend als dem eigenen Triebe — abgeschlossen wurde, hat ihre Wirkung auf die angrenzenden süddeutschen Bahnen geäußert. Diese mußten sich unter der neuen Eonstellation einige Verkehrsent ziehungen u. s. w. gefallen lassen, und diese Beeinträchtigung, in Verbindung mit den zweifellos glänzenden finanziellen Er gebnissen der „Gemeinschaft" für Hessen, haben in Süddeutsch land die Frage neu aufgeworfen. Allerdings haben sich dabei alsbald in München, Stuttgart und Karlsruhe Regierungen und Parlamente energisch gegen eine Eisenbahngemeinschaft mit Preußen, und zwar, wie besonders der württembergische Minister präsident Freiherr von Mittnacht betonte, schon aus Motiven der politischen Selbstständigkeit, ausgesprochen. Aber damit ist die Sache nicht abgethan. Nicht nur lassen sich in der süddeutschen Presse einzelne, aber gewichtige Stimmen weiter dafür ver nehmen, sondern jetzt haben auch mehrere württembergische Handelskammern, voran die Stuttgarter, dann die Rottweiler, sich direkt für eine gesammtdeutsche Eisenbahngcmeinschaft er klärt, mit Berufung auf den Reichsstandpunct und mit der Betonung, daß schließlich doch eine solche Gemein schaft, wie der Zollverein, unausbleiblich eintreten müsse. Das ist um so auffälliger, als im vorigen Jahre, wo zunächst Baden von diesen Dingen berührt wurde, die handelspolitischen Körperschaften des Landes und das Publicum mit dem Minister von Brauer völlig einig schienen in der Zurückweisung von Vereinheitlichungsplänen. In ihren Kundgebungen heben nun die genannten wllrttem- bergischen Handelskammern die „bedeutenden wirthschaftlichen und finanziellen Vortheile" des Anschlusses an die preußisch- hessische Eisenbahngemeinschaft hervor und äußern merkwürdiger Weise gar kerne Furcht vor etwa daraus resultirender Be einträchtigung der politischen Selbstständigkeit, während doch sonst die „Schwaben" in dieser Beziehung gewiß nicht unempfind lich sind. Nun wird aber diese letztere Bewegung, wenn nicht in be absichtigtem Gegensatz, so doch in sonderbarem Zusammentreffen, durch eine andere Action durchkreuzt. Wiederholt ist im vorigen und in diesem Jahre im Reichstag und im preußischen Landtag, wie auch in anderen Parlamenten, regierungsseitig auf ent sprechende Anfragen oder Anregungen erklärt worden, es fänden neuerdings Verhandlungen zwischen allen deutschen Staats bahnverwaltungen wegen Vereinheitlichung und Vereinfachung der Personentarife statt. Es wurde dabei von preußischen Regie- rungsvertretern wie vom Präsidenten des Reichseisenbahnamts besonders betont, daß es sich nur um Ver ¬ einheitlichung, nicht um allgemeine Verbilligung der Personentarise handle. Der letzteren wird bekanntlich von agrarischer Seite im Interesse der Seß ¬ haftigkeit der Bevölkerung aus principiellen Gründen widerstrebt. Da tritt zum allgemeinen Erstaunen Ministerpräsident von Mittnacht in der württembergischen Kammer mit einer Kundgebung hervor, nach der nicht nur eine Tarifgememschaft zwischen den süddeutschen Staaten im Werke ist, sondern auch eine er hebliche allgemeine Verbilligung der Personentarife für Württemberg, und somit wohl auch für die anderen süddeutschen Staaten beabsichtigt wird. Es wird also indirekt proclamirt, daß die lange genug geführten Verhandlungen mit Norddeutschland gescheitert sind, und der Hinweis, daß die süddeutsche Ver einigung durchaus keine Spitze gegen den Norden habe, um so weniger, als das Reichseisenbahnamt und die Reichseisenbahnen in Elsaß^Lothringen an den Verhandlungen theilnähmen, muß doch angesichts der Umstände einigermaßen skeptisch aus genommen werden. Erstens haben, wie oben bemerkt, die An regungen auf Betheiligung Süddeutschlands an der preußisch- hessischen Eisenbahngemeinschaft von den Parlamenten und Regie rungen in München, Stuttgart und Karlsruhe unzweideutige Zurückweisung erfahren, so daß einer im gleichen Moment ab geschlossenen Sondergemeinschaft des Südens leicht ein demon strativer Charakter beigelegt werden kann. Zweitens ist auf fällig, daß man im Süden gerade jetzt mit einer Verbilligung der Personentarife vorgehen will, wo inBerlin, nichtnurausRücksicht auf die Conservativen überhaupt, eine solche als unangebracht an gesehen wird, sondern wo noch dazu im Hinblick auf die ge fährdete Canalvorlage momentan nicht absolut nöthige Opfer für die Eisenbahnen vermieden werden müssen. Man könnte beinahe denken, mit der angekündigten Personentarifermäßigung habe man von Stuttgart aus dem Rhein-Elbe-Canal oder der preußischen Regierung «inen Knüppel zwischen die Beine werfen wollen. Im Uebrigen ist bekannt, daß die preußischen Staatsbahnen durch Mangel an Eifer für Einführung von Verkehrserleichte- rungcn und durch allzu fiskalische Ausbeutung sich keine großen Sympathien erworben haben; umgekehrt ist es aller Achtung Werth und liegt im Verkehrsinteresse, wenn die württembergischen Staatsbahnen, welche bisher von allen deutschen Staatsbahnen am schlechtesten rentirten, trotzdeiN mit weiteren Concessionen an das Publicum und mit Reformen vorzugehen sich nicht scheuen. Dem wird schließlich auch im Norden Nachfolge geleistet werden müssen, wie ja jetzt zur Beschönigung der in Berlin uneingestanden gar nicht freundlich aufgenommenen süddeutschen Tarifvereinigung gesagt worden ist: je weniger Gruppen, desto leichter die schließ liche volle Einigung. Vielleicht bringt das Jahr 1900 doch eine weitere Verwirklichung der Eisenbahnartikel der Reichsver fassung, welche Fürst Bismarck nicht mehr erleben sollte. Deutsches Reich. * Leipzig, 21. Juni. Ueber die Stellungnahme der Mehrheit der nationalliberalen ReichstagS- fraction zu der Vorlage zum Schutze des gewerb lichen Arbeitsverhältnisses schreibt beute die „Sacks. Nationalliberale Corresp.": „Die Stellung, die eine Mehrheit der nationalliberalenFraction durck den als FractionSredner be stellten Herrn Abg. Bassermann gegenüber dem Gesetz entwurf zum Schutze des gewerblichen Arbeitsverhältnisses gestern im Reichstage hat darlegen lassen, dürfte auf un- getheilte Zustimmung in der Gesammtpartei nicht zu rechnen haben. Wenigstens haben wir begründeten Anlaß zu der Annahme, daß sich die sächsischen Nationalliberalen der Auf fassung der Fractionsmehrheit nicht anzuschließen vermögen. Wer dieEntwickelnng der Socialdemokratie.wic sic sich in Sachsen vollzogen hat, tagtäglich zu verfolgen Gelegenheit bat, wer diese straffe, jede selbstständige Regung rücksichtslos unterdrückende Organisation, diese in Permanenz erklärte Mobilisirung der Masse in ihrer die Existenz des Staates und damit das All gemeinwohl fort und fort unterwühlenden Thätigkeit wirk sam sieht, darf sich, wenn er nicht bedingungslos vor der Socialdemokratie capituliren will, der Tbatsache nicht ver schließen, daß der dem Staate und seiner bürgerlichen Gesell schaft aufgedrungene Kamps mit aller Entschiedenheit durch geführt werden muß. Insoweit der umstrittene Gesetzentwurf dem Staate in diesem Kampfe auf einem bestimmten Ge biete neue Machtmittel zu gewähren und eine zweifellose Lücke im Strafrecht auSzufüllen bestrebt war, hätte es lediglich den Traditionen der Partei entsprochen, einer sach lichen Prüfung sich nicht zu entziehen und eine EommissionS- beratbung nicht a limius abzuweise». Ter Gesetzentwurf mag juristisch mangelhaft, ja er mag sogar ein juristisches Monstrum sein, aber er enthält entwickelungSsähige Gedanken, die auszugestalten erste Pflicht gerade der nationalliberalen Fraktion gewesen wäre. Wer die Coalition-freiheit geschützt wissen will, darf keinen Coalition-zwang dulden. Wer das Vorhandensein dieses CoalitionszwangeS bejaht, muß unseres Erachtens im wohlverstandenen Interesse der Erhaltung der CoalitionSfreiheit die strafrechtlichen Mittel gewähren, mit denen diesem Zwange wirksam entgezengetreten und die Freiheit der eigenen Entschließung gewahrt werden kann. Und da bedarf eS gar nicht der von der Regierung vorgelegten Denkschrift, um diesen Zwang als in schlimmster Form thatsächlich vorhanden fcstzuslellen. In Uedereiustimmiinz mit der der Fraktion telegraphisch übermittelten Resolution namhafter Führer der national liberalen Partei in Sachsen halten wir mit der Minderheit der Fraction dafür, daß die tzZ 1 und 2, sowie Abs. 1 von H 4 und die in der Anlage zum Gesetzentwurf niit- getheilten Bestimmungen des englischen Rechtes, betreffend die Streikposten, als durchaus geeignete Grundlagen zu einem Sondergesetze oder zur Ausgestaltung des H 153 der Gewerbeordnung anzusehen seien!). Herüber sollte unter allen Umständen eine Verständigung mit den verbündeten Regierungen angestrebt werden. Haben diese vielleicht mit der Einbringung der Vorlage im gegenwärtigen Augenblick einen schweren politischen Febler gemacht, so kann es nicht Sache einer bürgerlichen Mittelpartei sein, diesen Febler durch völliges Imstichlassen der ver bündeten Regierungen zu verschärfen. Wir möchten hierbei noch einer nicht lediglich von uns getheilten Auffassung Ausdruck geben. Es gewinnt den Anschein, als ob seit den letzten ReichStagSwablcn, seit der nahezu völligen Neubildung der Fraction, die Eontinnität zwischen ibr und der Gesammtpartei nicht mehr in dem Maße vorhanden wäre, wie früher. Eine Weilerentwickelung dieses nur erst ') Leider würde, da das Ceutrum eine so entschieden ablehnende Stellung gegen die Vorlage genommen hat und somit eine aus Centrum, Socialdemokraten und Linksliberalen bestehende Mehrheit gegen jede Erhöhung deS Schutzes der Arbeitswilligen vor handen ist, eine Verständigung der Nationalliberalen mit der Re gierung und den konservativen Fraktionen auch dann keinen praltischen Erfolg haben, wenn sich die gesammte nationalliberale Fraction zu der Ansicht ihrer Minderheit bekehrte. D. Red. d. „Leipz. Ta gebt." Feuilleton. Im Löhmerland. Don Clemens Thieme. Nachdruck verboten. Mitten in das hastende geschäftliche Leben, in dar Klirren der Mieths- und Zinsthaler klingen di« ernst feierlichen Klänge der Osterglocken. Alle Räder stehen still, Herr, wenn dein starker Arm es will. In gehobener Stimmung wünschen sich Freunde und Bekannt«: „Vergnügt« und gesunde Feiertage!" Ja, vergnügte und gesunde Feiertage wollte ich mir bereiten, aber nicht Hinterm Ofen an der Bierbank, sondern in den Thälern, auf >r>en Bergen der sächsisch ^böhmischen Schweiz. Selbst die nebelgraue Witterung am ersten Feiertag hielt mich nicht ab, meine Absicht auszuführen. Aprilwetter ist veränderlich, auf Regen folgt Sonnenschein. Mit nur wenig Verspätung hielt um 12 Uhr der Schnellzug in Pirna, dem ich daselbst entstieg. Reges Feiertagsleben herrschte auf dem Bahnhofe und im freund lichen Städtchen. Bei dm Klängen der Militärmusik promenirte Alt und Jung im Fclertagsgewand durch di« Anlag«n. — Rach eingenommenem Mittagsmahl stieg ich die Stufen hinauf zu dem von Kurfürst August 1673 gegründeten Schloß Sonnenstein, um von da di« Krietzschwitz« Straße zu gewinnen. Rückwärts schauend hat man von da einen entzückenden Blick über die Stadt. Aus der Tiefe zur Höhe dringt da- Feiertagsgeläute der alten stattlichen, in gothischem Stil« erbauten Hauptkirche; silber glänzend wallen die Muthen der Elbe zum Herzen des Sachsen- landeS, im Hintergrund« zeigen sich am fernen Horizont« der Poreberg bei Pillnitz und die anschließenden Höhenzüge. Nur burze Zeit durfte ich mich dem leicht erkauften Genüsse hingeben. Der hohe Schneeberg war mein Ziel, und daher mußte ich tüchtig fürbaß schreit«». Bald war beim Vorwerk KyauS die Hochebene erreicht. Links zeigten sich die beiden Bärensteine, der Lilien- und Königstein, vor mir «regte «in grotesk gezeichneter FelS meine besonder« Aufmerksamkeit, «S war der Spitzbera bei Groß- Cotta. Sehr angenehm aing sich heute die von alten Kirsch bäumen eingesäumte Landstraße. Bald war Krietzschwitz erreicht. Uebnraschend bot sich ein« schön« Aussicht ins Gottleubathal. Hinter dem Dorfe führt link» dir Straß« nach Königstein, ge radeaus di« nach dem Böhmerland, ihr folgt« ich wohl ein« Stund« lang durch dichten Wald. Welch« Wonne! Die Sänger de« Walde» gaben in Begleitung deS Waldesrauschen» ein Frei- eoneert, kein störende» Geräusch war zu vernehmen, ich allein war ihr andächtiger und dankbarer Zuhörer. Beim Austritt au» dem Walde war der Sattel, welcher da» Gottleuba- von dem Bislathal scheidet, erreicht, in betd« Lhäker senkten sich meine Vlick«. Jetzt wurde auch der Königstein wieder sichtbar, ihm reihten sich im Vordergrund« der Pfaffen- und Pabfistein, im Hintergrund« der Winterberg, d«r Zschirnstein und der lang gezogene hohe Schnaeierg an. Mit frohem Muth« ging e» hinab in» freundliche vtelathal, dir Hälfte de» Dege» lag hintn mir. Bald »ar Hermßdorf und damit di« Straß« nach der Schweizer mühl« rrreicht. Noch vor derselben bog ich in di« Tetschen« Straße «in, um über Rosenthal und da» Zollhaus meinem Ziele näher »u kommen. Ohne daß Dorf Schneeberg zu berühren, nahm ich den kürzeren Fußweg, um die Spitze des hohen Schnee berges zu gewinnen. Punct 6 Uhr stand ich vor dem Thurme. Ein lauter, von mir nach oben gerichteter Juchzer sand die herz liche Erwiderung eines anwesenden Touristen. Mit der Aus sicht war es wieder nichts. In abendliche Dämmerung gehüllt, ragten gespenstisch die dunklen Höhenzüge aus dem Nebel hervor. Ein Waldwärter öffnete die noch nicht bewirthschaftete Hütte zur kurzen Rast d«r beiden Wanderer, vr. H. aus Dresden hatte denselben Schnellzug, wie ich, bis Schandau benutzt und am Krippenbach entlang seinen Weg genommen. Wir entschlossen uns, da uns« Bleibens hier nicht sein konnte, zum gemeinsamen Abstieg nach Bodenbach. Die Besorgniß des Waldwärters, den Weg durch den Wald in der Dunkelheit verfehlen zu können, theilien wir nicht, zumal mir derselbe schon bekannt war und ich außerdem meine Latern« für all« Fälle zurecht gemacht hatte. Der Abstieg ging glatt von Statten, um 8 Uhr war Bodenbach erreicht. Im Hotel zur Post nahmen wir Quartier, des WirtheS Küche und Keller botrn das Veste und das „Bodenbacher" mun dete vorzüglich. Goldener Sonnenschein überfluthete am zweiten Feiertage früh das Ekbthal. Des Wanderns müde, fuhr vr. H. mit der Bahn hinauf nach Aussig, um von dort aus sich mit dem Daupfschiff wieder nach Dresden zurückbringen zu lassen. Ich zog es vor, meine Wanderung zu Fuß fortzusetzen. Reges Leben herrschte in der mit Bodenbach durch «ine Hängebrücke verbundenen Stadt Tetsch«n. Die Landbewohner strömten auf allen Straßen herein zur Messe. Mein Weg führte mich an dem vom Grafm Maximilian Thun auf einem 45 Met« hohen Felsen 1668 erbauten Schlosse vorüber mitten durch die belebte Stadt. Den 620 Meter hohen Rosenberg hatte ich mir zum Ziel erkoren. Die Straß« führt über Loosdorf bis kurz vor Günthersdorf immer bergan. Die Aussicht gewann mehr und mehr an Um fang, im Osten stiegen das Lausitzer und Jeschkengebivge, im Norden die Höhen des ElbsandsteingebirgeS, im Südwesten und Westen daS Mittel- und das Erzgebirge auf. Zum Greifen nahe lag vor mir d« so wunderbar geformte Rosenberg. Ein« Wan derung durch den Wald bracht« mich an den Fuß desselben und nach halbstündigem Aufstieg stand ich auf der mir von früh« her wohl bekannten Höhe. Sin herrlich« alter Buchenbestand ist ihre Zierde und lauter Vogelsang erfüllt die Luft. Aber, o Ungemach! Auch hi« waren Hütt« und Thurm noch verschlossen. Zu letzterem hatten gewaltsame Hände durch AuSbrechen von Brettern Bahn gebrochen. Ich zwängte mich durch den un natürlichen Eingang und gelaunte zur Trepp«. Die Thurm fenster warm mit Hölzläden verschlossen und vernagelt und nur hier und da gestattete «ine Spalte den Ausblick. Im Norden be schien di« Sonne di« steilen Felswände de» Prebischthore», im Ost«n überragt« der spitze Kegel de» 1010 Meter hohen Jeschken stolz alle anderen Höhen, im Westen zeigte sich das Massiv de» hohen Schneeberg«», im Süden wuchsen reich an Zahl die Kegel d«S vulkanischen Mittelgebirge» au» d« Erde heraus, und ring» umher lagen in stillem Frieden freundliche Dörfer. Wie schön wäre e» gewesen, dm Nachmittag ungestört im Genüsse der groß artigen Aussicht verbringen zu können! ES war 2 Uhr. Hunger und Durst mahnten mich Abstieg nach Windisch-Kamnitz. An einem einfachen Gasthaus« wurde Einkehr gehalten und der Rest de« Tage» im Kreis« deutscher Stammesbrüder »«lebt. Ti« warm stolz auf ihr Deutschthum und stolz darauf, ihren Ort frei zu wissen vom Bruder Tschech. Erstaunt war ich über ihre Vertrautheit mtt der politischen Lage. Der Kampf weckt und stählt di« Kraft, und der Ernst desselben um di« Erhaltung ihres Deutschtums hat sie politisch gerefft. Natür lich kamen wir auch auf reichsdeutsche Zustände zu sprechen, und ich muß es gestehen, diese einfachen Leute hatten «in klares und treffendes Urtheil. Augenblicklich stände Deutschland isolirt da, der Dreibund sei gelockert, seine Landmacht sei zwar stark gmug, um vielleicht den Kampf nach zwei Seiten aufnehmen zu können, aber, da di« Entwickelung der Weltmacht und die Zukunft Deutschlands jenseits des Meeres liege, seine Flotte viel zu schwach, um machtgebietend daran Antheil nehmen zu können. — Darum, ihr Reichsdeutsche, wollt ihr eure Größe und euer Ansehen wahren, sorgt für ein« große deutsche Flotte! Ist es in der That so? — Schweigend mußte ich dem Sprecher Recht geben. Der Abend war herangekommen und ermüdet suchte ich schon frühzeitig mein einfaches Lager auf. Der andere Morgen fand mich gestärkt wieder. Ein Liedchen trällernd, verfolgte ich ohne festes Ziel die Straße nach Dittersbach. Ein Mann im schlichten Arbeiterkittel kam mir entgegen, in der Nähe erkannte ich den Sprecher vom gestrigen Abend. Mit einem „Behüt Gott" und festen Händedruck nahm ich von ihm Abschied. — Erquickend wirkte die kühl« Morgen luft. In I Stunden hotte ich den Ort Schemnrel und nach gleicher Zeit Dittersbach erreicht. Hier mußte ich mir die Frage vorlegen; „wie kommst du nach dem Elbthal"? Da ich Land straße genug getreten hatte, wurde die Straße über Hohenleipa verworfen. Der mir schon bekannte, immer durch Wald führende Wey nach Hinterdittersbach hatte große Vorzüge und Annehmlichkeiten, aber zum Abschluß meiner Tour hätte ich gern «in« neu« Route eingeschlagrn. Ohne weitere Erkundi gungen einzuziehen, entschloß ich mich kurzer Hand, Herrns- kretschen durch das Kamnitzthal zu erreichen. Die grotesken, in der Sonne hell glänzenden Dittersbacher Felsen, welche mein Fuß schon so oft betreten, blickten scheel auf den einsamen Wan dersmann herab, der sie heute „rechts" liegen ließ. Hinter dem Dorfe folgte ich dem Laufe eines behenden und klaren Wasser», welche» bald ein schattiger Grund aufnahm. Plätschernd hüpfte es von Stein zu Stein und da, wo es staute, standen die Forellen, um blitzartig wieder den Standort zu wechseln. In einer halben Stunde war die Kamnitz, die den Bach auf nimmt, und damit die Grundmühl« erreicht. An eine tzellsenecke angebaut, spiegelt sich das alte romantische Gebäude in dem vor ihm sich ausbreitenden, durch «in Wehr aufge- hailtenen Wasser. Ein idyllisches Bild, unvergeßlich für jeden, der Gelegenheit gehabt, eS zu sehen. Hier mündet der direkte Dog vom Rosenberg und der von der Kahnfahrt herein, beide mir wohlbekannt. Heute folgte ich der Kamnitz auf der rechten Seite. Nach kurzer Zeit weist «ine Wrgtofel über «ne Brücke linkt hinüber nach Kamnitzleithen, recht» den FelS hinauf nach Hohenleipa. Der Fußsteig am Fluss« hin führt zur Hohlen- truft. Di«f«m fdlgte ich. Während am linken Ufer die Fell wände steil au» dem Wasser aufsteigen, schlängelt sich der Weg am rechten nur wenig höher al» der Wasserspiegel dahin. Bald ist di« Hohlenteufe rrreicht. Ein großer, etwa SO odm haltender Felsblock hat sich vom Massiv glatt abgelöst und ist in di« Kamnitz herabgefallen. Mit seinem oberen Ende an der uferen Abbruchsstelle angelehnt, wird «in etwa 8 in langer dunkler Durchgang gebildet. Hier hätte ich umkehren sollen, um den Weg über eines der beiden vorgenannten Dörfer zu nehmen, aber dir Neugier führt« mich weiter. Eine weihe volle Ruhe herrschte zwischen den kühlen, engen und steilen Felswänden, nur das Geräusch meiner Tritte hallte darin wider. Immer mehr verlor sich der schmal«, mir wenig be tretene Fußweg zwischen trockenen Holzreften und dichtem Brombeergebüsch. Immer mehr rückten die steilen Felsen auch an das rechie Ufer 'heran, von Weitem schon sah ich, wie sich das Thal zu einer Klamm verengte, wie das Wasser an beiden Setten die Felsen umspült und den Weg versperrte. Zwei Auswege nur gab es zum Vorwärtskommen, den durchs kalte Wasser — brr, nein, das war auf die Dauer zu kalt — und den, an den Wänden hinauf zum Plateau zu klettern, um oben, die Klamm umgehend, an geeigneter Stelle wieder abzu steigen. Gedacht, gethan! Ein« steile Schurr«, voll von Gestrüpp, Geröll und todtom Fichtenholz bot d«n Angriffspunkt, vorsichtig wurde jede Wurzel und feder Stamm als .Halt benutzt. Der Hakenstock leistete beim Aufziehen vortreffliche Dienste. Hoch über mir verengt« sich die Schurre zum Kamin. Langsam, aber sicher stieg ich auf. Ein hohes Wild-Gatter versperrte den weiteren Weg. Mit Leichtigkeit war es überstiegen. Linls zeigte sich eine getreten« Spur, ist es ein Fußsteig oder ein Wildwechsel? Auf gut Glück folge ich ihr auf einem schmalen Bande, überschreite, mich bückend, eine böse Platte. Nach wenigen Schritten sperrt ein Fels den Weg, links seitwärts umgehe ich ihn, schon ist die andere Seite gewonnen, da gähnt der Abgrund mir entgegen. Vorsichtig steige ich zurück und klettere rechts hinauf. Hurrah, der Weg ist gefunden! Auf weichem Rasen führt er hart am Rande des Plateaus hin. Ein Aagdsteig. Zahlreiche Wildspuren verrathen mir reichen Be stand. Das klopfende Herz beruhigt sich wieder, und in Ruh: genießt das Auge die Pracht einer verschlossenen Welt. Nicht lange dauert das Glück, schon wieder ändert sich die Situation, von rechts her fällt «in Seitenthal ein; an den äußersten Punkt des Plateaus vortretend, erschaue ich tief unter mir den Kamnitzfluß und den neben ihn hin führenden Fußweg. Hinab ins Thal! Ich biege ein Stück inS Seitrnthal ein, gewinne einen bewachsenen Abhang, in welchem ich troverfirend hinunter gelange. Derselbe mündet in eine breite Felsenspalte, welche mit einem Gatter verlegt ist. In hohem Bogen fliegen Stock uns Rucksack darüber hinweg, während ich selbst an den starken Stangen mich emporzieh«, sie übersteige und mich jenseit» herab schwinge. Ach stand auf dem im vergangenen Jahre neu eröffneten Wege, der von Rainwies« durch die wild« nach der Edmundsklamm und von da nach HerrnSkretschen führt. Hunderttaufende von Touristen kommen jährlich dahin, um Gottes Wunder der Natur zu schauen. — Um 2 Uhr stand ich bei HerrnSkretschen an der Elbe. Mit einem zweistündigen Spaziergang nach Schandau an den Steinbrüchen entlang in gleichem Tempo mit den von dem Strom getragenen Fracht kähnen beendete ich mein« vom hrrrlichsten Wetter brgünstigte Oster-Wanderung. Hoch befriedigt kehrte ich heim; gestärkt und von neuem Muth beserlt kann e» an die Arbeit gehen, die mein Denken und Sein erfüllt: di« Errichtung d«S Völker- schlacht-National-DenkmalS -ei Leipzig.
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