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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.10.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991019010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899101901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899101901
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- LDP: Zeitungen
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
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Größere Schriften laut unserem PreiS- vcrzeichniß. Tabellarischer und ZtffernsoN nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« SUHL Lei den Filialen und Annahmestellen j« ei« halb« Stunde friiher. kuzeigen sind stets an die Exprditio» zu richtrrr. Druck und Verlag von S. Pol» in Lel-jt^ 533. Donnerstag den 19. October 1899. 93. Jahrgang. Die „Los-von-Rom-üewegung" und die Bestrebungen für eine offenkundig klerikale Wendung in der österreichischen Regierung. Von Friedrich Nippold. H. Mein erster Artikel schloß mit dem Hinweis auf Rosegger's »Heimgarten", als die beste Quelle für das Verständniß sowohl der in den nicht jesuitisch dressirten Kreisen Deutsch-Oester reichs herrschenden Anschauungen, als der ebenso tückischen wie kleinlichen Mittel, mit welchen der Kleritalismus diese An schauungen zu unterdrücken sucht. Der Ausspruch Rosegger's, man müsse sich beeilen, die Evangelien zu gebrauchen, so lange sie noch nicht auf den Index gesetzt seien, ist zu einem geflügelten Worte geworden. Aber es genügt nicht, wie es so häufig ge schieht, das eine oder' das andere Votum des großen Dichters und Bolkssreundes zu colportiren. Man muß seine Zeitschrift wie seine selbstständigen Werke im Zusammenhang kennen, um wirklich in Deutsch-Oesterreich heimisch zu werden. Daneben aber giebt es für die Ziele der mit der deutschen Centrums partei gemeinsam operirenden „katholischen Volkspartei" und ihres „christlich-socialen" Anhängsels noch eine zweite, kaum weniger lehrreiche Quelle, nämlich die österreichischen Correspondenzen der „Historisch-Politischen Blätter". Wenn auch die Stimmen Vogelsang's und Helfert's verstummt sind, so sind dafür andere Mitarbeiter an ihre Stelle getreten, die kaum weniger „ziel bewußt" sind. Auch hier aber kommt es naturgemäß darauf an, wenigstens eine Anzahl der letzten Jahrgänge auf diese öster reichischen Artikel hin anzusehen, sowohl in ihren Klageliedern als in ihren Zukunftsforderungen. Wenn es für die nächste Zeit kaum mehr bezweifelt werden kann, daß das verschämte klerikale Regiment sich in ein offenkundiges zu verwandeln strebt, so dürfte es eben darum unumgänglicher als je sein, sich über die nächsten Zielpuncte desselben zu orientiren. Dieselben liegen obenan auf dem Gebiete der Schule. Neben den mancherlei parallelen Er rungenschaften der klerikalen Schulpolitik in Bayern, im Elsaß, in den preußischen Westprovinzen stehen die in Oesterreich bisher erreichten Ergebnisse einstweilen noch im Hintergründe. Um so energischer sucht man auch dort das gleiche Ziel zu erreichen. Der frappanteste Beweis für diese Thatsache liegt genau in der gleichen Zeit, in welcher die „katholische Volkspartei" dem Ministerium Badeni und seinen Sprachverordnungen den Rücken deckte, um sich dafür das übliche Trinkgeld auszubedingen. Denn dies versprochene Trinkgeld für die Auslieferung der Deutschen in Böhmen bestand eben in der klerikalen Umgestaltung des Schulwesens. Seit der Grundlage der österreichischen Schul gesetzgebung in dem Gesetz vom 25. Mai 1868 und der weiteren Durchführung derselben in dem Gesetz vom 14. Mai 1869 haben die Angriffe der klerikalen Partei auf die österreichische Schule eigentlich niemals aufgehört. Die neuesten Bekämpfungen der selben stützen sich vorzugsweise auf eine Schrift von Justus Berns, „Die österreichische Volksschule", Freiburg, Herder 1895. Dem gegenüber hat die Vertheidigung des gesetzlichen Bodens ihren Mittelpunct in dem großen deutsch-österreichischen Lehrer bunde, dessen Hauptorgan die österreichische Lehrerzeitung ist, von welcher die „Historisch-politischen Blätter" jammernd klagen, daß sie in 12 000 Exemplaren verbreitet sei. Kaum batte sich nun das Ministerium Badeni auf Grund der Sprachenverordnungen seine bekannte Mehrheit geschaffen, so kündigte die von Badeni inspirirte Thronrede auch sofort die Inangriffnahme einer sogenannten Schulreform an. Dieselbe erklärte ausdrücklich: „Die vornehmste Aufgabe der Schule wird jedoch deren erziehliche Thätigkeit bleiben. Diese in ihren Folgen wirksamer zu gestalten, soll durch entsprechende Einrichtungen in den Lehrerbildungsanstalten erreicht werden." Die in diesen Morten angekündigte Vorlage der Regierung ist in Folge der über die Sprachenverordnungen eingetretenen Wirren nicht er schienen. Ilm so eiliger aber hatte es die „katholische Volks partei", selbst ihre Anträge zu stellen, die zugleich für den Proceß der Auseinanderzerrung des Staates in die verschiedenen Länder überaus symptomatisch genannt werden müssen. Der erst« dieser Anträge bezweckte die Umgestaltung des seitherigen simultanen Schulwesens in ein konfessionelles, der zweite die Uebertragung der gesetzlichen Regelung der Lehrerbildung, Lehrer anstellung, Schulaufsicht, Lehrbücher u. s. w. aus die Landtage der einzelnen Kronländer. Der obersten Unterrichtsverwaltung sollte nur noch eine gewisse Einsichtnahme gestattet sein. Dabei gaben sich diese Anträge durchaus als von der „zur Rechten (Majorität) gehörenden katholischen Voltspartei" ausgegangen. Als Antragsteller figurirte in erster Reihe vr. Ebenhoch. Er ist der jetzige Landeshauptmann von Oberösterreich. Um heute den vollen Einblick in den Zusammenhang dieser Schulpolitik mit der Auslieferung der böhmischen Deutschen an die Tschechen völlig zu überschauen, ist unter den schon vorher im Allgemeinen empfohlenen Artikeln der „Historisch-Politischen Blätter" besonders derjenige im elften Hefte des 122. Bandes (1898) überaus lehrreich. Hier heißt es unter Anderem aus drücklich: „Eine Lösung muß kommen, so oder so. Sie läßt sich nicht aufschieben. Und wenn das Centralparlament seine Dienste versagt, werden die Landtage die Sache an die Hand nehmen müssen .... Einer weiteren Devastirung des religiösen Bewußtseins der katholischen Bevölkerung muß unter jeder Be dingung mit allen nur möglichen Mitteln gesteuert werden." Der Verfasser > spricht ausdrücklich seine Freude aus über die durch di« Thronrede „bei den Freunden eines christlichen Schulwesens" erweckte Hoffnung. Er kargt nicht mit seinem Lobe für Badeni: „Dies glaubt man um so eher erwarten zu dürfen, als der Ministerpräsident Graf Badeni im Rufe eines überzeugten Katholiken und energischen Charakters stand und ihm nachgasagt wurde, daß es ihm wirklich ernst sei mit der Lösung der Schulfrage in christlichem Sinne, und daß er nach oben und unten Einfluß genug hätte, etwaige Hindernisse und Schwierigkeiten zu überwinden." Er fährt dann weiter noch in höchst bezeichnender Weise fort: „Die auf Badeni gesetzte Hoffnung wurde noch genährt durch die bangen Befürchtungen, welche sich der liberalen Lehrerschaft bemächtigt hatten." Be sonders ein Artikel der „Lehrerzeitung" vom 16. Mai 1897 wird zum Beleg für die in den Lehrerkreisen herrschende Furcht an geführt, „daß die österreichisch: Regierung für di« Aufrichtung einer klerikalen Schu(Herrschaft sich besonders «insetzm werde'. Am bezeichnendsten von Allem aber ist die unverhohlene Furcht, daß es trotz allen guten Willens Badeni's einstweilen noch nicht so weit kommen werde: „Das wird sie (die österreichische Regie rung) ganz gewiß nicht thun, dafür steckt noch zu viel josephinischer Dureaukratcngeist in ihren Knochen, den auszutreiben auch ein noch so konservativer Ministerpräsident so bald nicht im Stande ist." So das Urtheil eines unverfälschten Klerikalen über das ver schämte klerikal« Regiment. Seither ist Ebenhoch Landeshaupt mann geworden. Sein Gesinnungsgenosse Dipauli hat, kaum daß er Handelsminister geworden war, dem verbündeten deut schen Reiche den bekannten parlamentarischen Fußtritt gegeben. Herr von Fuchs, seiner Zeit bei der „lex Falkenhayn" be sonders betheiligt, galt neuestens als „neutral" genug, um die jüngste Komödi« sogenannt«: Ausgleichspolitik zu inaugurirm. Don größerem Einfluß noch ist der Clubobmann vr. Kathrein. In welcher Werse er den gegenwärtigen Moment auszunuhen ver steht, um hinter den Coulissen ähnliche Concessionen zu erlangen, wie die Centrumsabgeordneten bei der Berliner Bureaukratie, dafür ist eine Mitteilung des klerikalen „Grazer Volksblatt" von Anfang September 1899 besonders lehrreich. Unter der Stichmarke „Beschwerden der katholischen Volk-Partei" ist dieser Bericht auch in andere österreichische Blätt«r übergegangen, in Deutschland aber unseres Wissens völlig unbeachtet geblieben. Wir führen denselben daher im Wortlaut« einer Correspondenz der „Neuen Freien Presse" vom 15. September 1899 hier an: Wien, 14. September. (Beschwerden der k a t ho lt s ch e n V o l k s p a r t e i.) In der letzten Sitzung der katho lischen Volkspartei bildeten, wie das „Grazer Do,!k^- blatt" meldet, crrvch verschiedene Beschwerden und Wunsche in Bezug auf wirthschafrlick>e und administrative Angelegen heiten den Gegenstand der Berarhung. Es wurde beschlagen, diese Gravamina den Ressortministern zur Kennrmtz zu bringen. In Folge dessen begab sich Dienstag eine Deputation der Partei, bestehend aus den Abgeordneten Vr. Tallinger, Platz, Hagen Hofer und Wagner, unter Führung des Clubobmannes vr. Kathrein zuin Finanzmmister vr. KaizI, um darüber Beschwerde zu rühren, dah m vielen Orten die Grundbesitzer in ganz ungerechtfertigter Weise zur (L in kommensteuer herangezogen werden. Abg. Wagner wies auch darauf hin, daß in einzelnen Veranlagungs-Bezirken insbesondere die Pfarrer in Bezug auf die Einkommensteuer in der willkürlichsten Weise behandelt "werden. Der Fina n z- minister versickerte, die angeführten Fälle genau prüfen und überhaupt veranlassen zu wollen, daß bei Bemessung der Ein kommensteuer dem Gesetze gemäß vorgegangen und ins besondere ein willkürliches Vorgehen der Beamten, hintan- gehalien werde. — Die Abgeordneten Hagcnhofer und Wagner wurden im Laufe des Tages auch noch von dem Minrster-^Präsidenien Grafen Thun, dem Handelsminister Baron Dipauli, 'Justizminster v. Rübe r und dem Gisen- bahuminister v. Wirtet in Audienz empfangen, bei welcher Gelegenheit sie die Wünsche und Beschwerden der steirischen Bauernschaft im Allgemeinen und in einzelnen in Schwebe be findlichen Fragen zum Ausdrucke brachten. Bezüglich des Eisen- bahnprojecres Hcrrrberg-Ospcrng, welches von der Deputation zur Sprache gebracht wurde, erklärte der Eisenbahnminister, daß die Regierung den besten Willen habe, dasselbe ckhestens zu verwirklichen, „aber", fügte er hinzu, „ich bitte, nicht zu ver gessen, daß wir hierzu einen arbeitsfähigen Reichsrath brauchen." Die in dieser Correspondenz erwähnten Audienzen haben in denselben Tagen stattgefunden, in welchen Graf Thun sich mit Herrn von Fuchs über dessen „Mission" verständigte. Wenn die letztere auch einstweilen gescheitert ist, so wird darum doch kein Verständiger glauben, daß jene Beziehungen hinter den Couliffen aufgehört haben. Und hinter den Parlamentariern der katho lischen Volkspartei und der Lueger'schen „christlich-swialen" Wiener Stadtverwaltung, die von Cardinal Rampolla die Losung „Nur Muth" empfangen hatte, stehen die vielen Tausende von den Jesuiten in Kalksburg, Bregenz u. s. w. erzogenen Mitglieder der regierenden Kreis«. Was diese österreichischen Jesuitengymnasien bedeuten, was sie leisten und nicht leisten, hat der große Prager Germanist Kelle seiner Zeit in zwei eigenen Schriften aus den archivalischen Quellen dargrlegt. Aber wer kennt dieselben heute noch? Und doch gab es gewiß kaum ein deutlicheres Zeichen der Zeit, als daß das Gymnasium in Kalksburg gerade im letzten Jahre all« Rechte der Svaatsgymnasien zugesprochen «rhielt. Deutsches Reich. Berlin, 18. Oktober. („Klerikale Parität".) Ge legentlich seiner in Nürnberg abgebaltenen Generalversamm lung bat der Evangelische Bund ein Begrüßungsschreiben an den Prinzregenten von Bayern gerichtet, auf welche- be kanntlich nachstehende Antwort ergangen ist: „Se königl. Hoheit der Prinzregent haben die von der 12. General- Versammlung deS Evangelischen Bundes an Allerhöchst dieselbe aus Nürnberg gerichtete herzliche Kundgebung huldvollst entgegen zu nehmen geruht und lassen hierfür ihren besten Dank entbieten. Im Allerhöchsten Auftrag (gez.) Freiherr v. Zoller, Generalleutnant, Generolajutant." Darob herrscht in der „Kölnischen Volkszeitung" Helle Em pörung; sie muß „unbedingt" annebmen, daß dem Prinz regenten über den Evangelischen Bund nichts Weiler mit- getheilt war, als jene Begriißungsdepesche oder doch nur die „corrigirten" Nürnberger Reden, und fragt dann mit dem üblichen Paritälsschrei: Würde einem Katholikentage, der in ähnlicher Weise, wie der Evangelische Bund gegen Len Katholicismus und gegen „Rom", gegen den Protestantismus tobte, die Protestanten im Sturme „Los von Wittenberg" zu reißen suchte und die höchsten Spitzen deS Protestantismus mit den schärfsten Angriffen bedächte, auS dein Geheimcabinet eines protestantischen deutschen Fürsten eine Antwort zu Theil werden, die auch nur annähernd so huldvoll gehalten wäre, wie diejenige des Generalleutnants v. Zöller? Tie Antwort darauf kann die „Köln. Volksztg." sich selbst geben, wenn sie ihre eigenen Berichte über den Neiffer Katholikentag liest. Dort wird sie nicht nur die Schimpfreden gegen die Evangelischen und den Evangelischen Bund finden, den der brave CcnlruniSniann Gröber liebens würdig als „Kläffer, der uns in die Waden beißt," bezeichnete, sondern auch ein Telegramm des Herrn v. Lucanus, in dem der protestantische Kaiser und König seinen Allerhöchsten Dank für den Huldigunzsgruß des Katholikentages aus sprechen ließ. Selbstverständlich findet kein Protestant etwas dabei, daß der Kaiser für ein vom Katholikentag empfangenes Huldigungslelegramm seinen Tank übermitteln läßt; die paritälSsüchtige „Köln. Volkszeitung" aber kündigt an, daß das im Auftrage des Prinzregenten an den Evangelischen Bund gerichtete Tankeötelegramm jedenfalls in der Kamm er „zur Sprache gebracht werden" muß! Wenn das wirklich geschiebt, so wird man ja hören, waö die bayerische Negierung erwidert. /?. Berlin, 18. Oktober. (Rennsport und Spiel- sucht; Aberkennung des Adel s.). Das „Deutsche Adelsblatt" enthält in seiner neuesten Nummer zwei „Ein gesandts" zum Proceß gegen die Harmlosen, deren eines einen beachtenswerthen Hinweis enthält, während das andere zum Widerspruch herausfordert. In dem zuerst erwähn:en „Einge sandt" wird nämlich u- A. das Nachstehende ausgeführt: „Geht man an der Hand des Processes der Wurzel des Uebels nach, so findet man dieselbe auf den öffentlichen Rennplätzen. Dort ist der Sport vielfach zum Geschäft, zum Glücks spiel geworden. Der mühelos erworbene Gewinn hat dann das Glücksspiel mit den Karten und seine Consequenzen im Ge folge. Was nützt die Erziehung zu einer strengen Auffassung seiner Standes- und Berufs'pflichien, welche dem jungen Officier im Osficiercorps zu Theil wird, wenn dieselbe auf den öffent lichen Rennplätzen zum Theil paralysirt wird durch den intimen Verkehr mit zweifelhaften Elementen, welche dort ihr Wesen treiben. Die breite Kluft, welche den Officier von solchen Ele menten trennt, sollte weder durch den Sport noch durch das Spiel überbrückt werden können. Hierher sollten die in diesen Dingen maßgebenden Stellen ihr Augenmerk lenken und energisch Wandel schaffen" Das ist gewiß zutreffend. Wandel aber wird sich so lange nicht schaffen lassen, als d«r Rennsport auf das System der G e l d p r e i s c nicht verzichten zu können glaubt. So oft Vorschläge auftauchten, welche für die Ersetzung der Geldpreise durch Ehrenpreise Propaganda machten, wurde ge antwortet, daran sei mit Rücksicht auf die Pferdezucht nicht zu denken. Bei dieser Ansicht dürft« man auch jetzt noch beharren, und so wird denn nach wie vor, wenn auch nicht die Wurzel der Spielsuch: und sonstiger Ausschweifungen, so doch eine sehr starke Wurzel dieser Uebel fortbestehen. — In dem zweiten „Eingesandt" des „Deutschen Adelsblattes" wird der Proceß gegen die Harmlosen zum Ausgangspunkte der Mahnung an den Adel genommen, „sich zusammenzuschließen, um sich einerseits gegen die Feinde ringsum zu wehren, andererseits seine Reihen zu mustern und Unwürdige auszuschließen, damit sie nicht im Sande sind, unseren ehrlichen Stand zu besudeln. Die Aberkennung des Adels ist das einzige radikale Mittel, um uns von solchen Elementen zu reinigen". — Eine derartige „Reinigung" mag_für den Adel eine ebenso einfache wie angenehme Procedur sein. Die große Masse der Bürgerlichen jedoch, die im großen Ganzen auch Anspruch auf das Beiwort „ehrlich" haben, müssen sich für die hiervorgeschlagene Procedur höflichst bedanken. Zum Glück ist die Aberkennung des Adels nicht so einfach ins Werk zu setzen, wie der Einsender des „Deutschen Aselsblattes" anzunehmen scheint. In Preußen wenigstens ist für Namensänderungen — und darum Feirillrtsn. Technik und Wissenschaft. Zur Hundertjahrfeier der Berliner Technischen Hochschule. Von W. Berdrow (Coswig). Nachdruck verboten. Wenn Wir unser ablaufendes Jahrhundert ins Auge fassen und für sein« Bedeutung und seine hervorragenden Leistungen nach einem Maßstab suchen, welcher andere liegt uns näher, als der gewaltig« Gang der Technik, deren Schritt ein Jahrzehnt nach dem anderen mit immer größeren Wundern erfüllt hat und dennoch dem anbrechenden 20. Jahrhundert die größten, un geahntesten Erfolge Vorbehalten zu wollen scheint? Die Eisen- kxihn, die Dampfschifffahrt, die Rotationspresse, dir Telegraphie, die Elektrotechnik, sie haben umwälzend, umgestaltend nicht nur auf ein Volk, auf «ine Generation, sondern auf die Menschheit, auf Jahrhundert« gewirkt. Und wenn die größte und besuchteste der Hochschulen Deutschlands in diesen Tagen unter der Theil- ncchm« der ganzen gelehrten und praktischen Welt festlich die Hundertjahrfeier deS Tag«S begehen will, da ihre Wieg« an den Ufern der Spree ausgestellt wurde, wenn ihr bet dieser Gelegen heit als äußere» Zeichen der veränderten Bedeutung der von ihr und ihren Schwesteranstalten gepflegten Wissenschaften die Be rechtigung zur Verleihung des DiKtotgrädes gegeben wird, wer wollte leugnen, daß diese Feier dem Anlaß, diese Ehrung den Verhältnissen entspricht? Dir systematische Schulung in den technischen Wissenschaften, die voll« Anerkennung der Bedeutsamkeit des Jngenieurfache» für das öffentliche Wohl ist verhältnißmäßig jung. Bei den Griechen und Römern lag die Pflege der Technik in Sklavenhänden, dann starb sie mit wenig Ausnahmen völlig au», um in Handwerker kreisen wieder zu erstehen. Ja, als die Zünfte blühten, war die Technik gewissermaßen vogelfrei und sie war es eigentlich bis in die neuere Zeit. All« Berufe fühlen sich berechtigt, über sie zu urtheilen, aber auch aus allen Kreisen und Schichten sind ihr An regungen gekommen. Am Ende des 18. Jahrhunderts wuchsen die der Baukunst, dem Straßcnwesen und Maschinenbau gestellten Aufgaben; das eigene Fachleben der Technik begann sich zu regen, und es ent standen die ersten Schulen, in denen es zielbewußt gepflegt wurde, im Jahre 1794 in Paris dieLcois pol^teckoiguo, 1799 in Berlin die königliche Bauakademie, jene erste Pflanzstätte technologischer Wissenschaften in Deutschland, aus der, im V«rein mit dem 1821 begründeten Technischen Institut, der Schöpfung Beuth's, di« heutige Hochschule erwachsen sollte. Die alten bescheidenen Gewerbeinstitute, welche Roll« spielt ihnen gegcnü er die gewaltige modern« Hochschule, die an Be sucherzahl innerhalb Deutschlands nur von den Universitäten Berlin, München und Leipzig übertroffen wird! Peter Christian Wilhelm Beuth, dem kernigen Mann der Praxis im preußischen Staatsministerium der 20er bis 40er Jahre, wird stets der Ruhm bleikxn, Gewerbe und Industrie das Staates von Grund auS umgefchaffrn zu haben. Sein weiter, großer Blick für das Praktisch« und Nothwendige hat zu txm industriellen, die Wohl fahrt Preußens fördernden Aufschwung jener Jahre das Meiste beigetragen. Belebung des Handwerks und der Fabrikthätigkeit, Unterstützung der noch so neuen Ausstellungen, Niederlegung der älteren Erfahrungen und neuen Erfolge der Technik in guten Lehrbüchern, Entsendung tüchtiger Kräfte ins Ausland zur An eignung neuer Fortschritt«, das waren die Mittel, mit denen er nicht kargte. Ein Pfadfinder ist Beuth nicht gewesen. Einen seiner größten Schüler, der später als eine der markigen Riesen gestalten am Beginn des deutschen Maschinenbaus stand, Johann Karl B o r s i g, hat er so wenig verstanden, daß er ihm rieth, das Glwerbeinstitut zu verlassen, es würde doch nichts aus ihm in diesem Fache. Das hinderte ihn nicht, seinen Schülern später Borstg'S Maschinenfabrik al» eine Musteranstatt wiederholt zu zeigen. Dann revanchirte sich Borsig für die alte Unbill, indem er Beuth's schlechte Prophezeiung lachend fernen Eleven erzählte und hinzufiigte: „Jetzt kommt er, der grob« Alte, um seinen Schülern eine ordentlich geleitet« Fabrik zu zeigen." Auch beim Aufkommen der Eisenbahn versagt« Beuth's Scharfblick. Als ihn der Jnspector Neuhaus um Urlaub nach England bat, um die Eisenbahnen an ihrer Wiege zu studiren, fertigte ihn der „grobe Alte" mit den Worten ab: „Lieber Neuhaus, ich habe Sie bis jetzt für einen vernünftigen Menschen gehalten, aber ich fange an, daran zu zweifeln." Ist es heute besser geworden mit der Fühlung zwischen den Männern der technischen Wissenschaften und denen der Praxis? Wir erwidern unbedenklich: ja. Nicht nur, daß die Führer der studirenden Jugend mit den Stätten, wo die technischen Groß- thaten unserer Zeit auSgefochten werden, in engerer Berührung stehen und sie vielfach mit den Resultaten ihrer Forschungen be fruchten, manche wichtig« Erfindung und Verbesserung ist auch unmittelbar aus den Laboratorien der Hochschul-Professorcn hervorgegangen. Daß letzter« überall an der Spitze der aus führenden Technik stehen, wird Niemand verlangen. Bleibt ihnen doch neben dem verantwortungsvollen Lehramt verschwindend wenig Zeit zur eigenen Forschung, zum Selbststudiren auf einem Gebiete, dessen reißende Fortschritte unaufhörlich« Weiterbildung mehr als jede» andere Feld deS Unterricht-wesens beanspruchen. Kein Borsig oder Schichau, kein Siemens oder Krupp hätte die glänzenden Erfolge seiner praktischen Laufbahn je in den Fesseln des akademischen Berufs erreichen können. Um so gewisser ist rs aber, daß zahlreiche hervorragende Leistungen von eminent praktischer Bedeutung, zahlreiche Winke, die den Weg ganzer Industriezweige beeinflußt haben, au» den Laboratorien der technischen Hochschulen oder den physikalischen Cabinetten der Universitäten hervorgegangen sind. Die neue elektrische Glühlampe von Nernst ist nur ein, frrilich wohl das nächstliegende Beispiel dieser Anregungen der Technik durch die reine Wissenschaft. Wenn die chemischen Industrien in Deutsch land ein« höhere Stellung einnehmen, als irgendwo in der Welt, so verdanken sie da» m erster Linie der vom AuSlande längst anerkannten, mustergiltigen wissenschaftlichen Schulung der jüngeren Generation von Technikern, die auf unseren Hochschulen ihre Ausbildung erhalten haben. Von den Vertretern der Universitäten ist gegen die Ansprüche der technischen Hochsckstilen, ihnen als gleichberechtigt zur Seite gestellt zu werden, lange eingewandt worden, daß der vorwiegend aufs Praktische gerichtete Bildungsgang der Hochschulen, der sie zu Fachschulen stemple, sich mit den universellen, rein wissen schaftlichen Bestrebungen der Universität nicht in eine Linie stellen lasse. Der Rector der Berliner Technischen Hochschule hat noch jüngst in einer glänzenden Vertheidigungsrede den allgemein bildenden Charakter des polytechnischen Unterrichts unter Hervor Hebung der mannigfaltigen Bcrührungspuncte zwischen der Technik und der Nationalökonomie, Rechtspflege und anderen Wissensgebieten beleuchtet, aber bedarf es dieser Rechtfertigung überhaupt? Sind nicht längst die technischen Berufszweige gerade durch ihre tausendfältige Berührung mit dem praktischen Leben für das Allgemeinwohl unendlich wichtiger geworden als Jurisprudenz, Philologie, Medizin und selbst die reine Natur forschung? Ist der Techniker, der durch Entwässerung von Sümpfen oder Herbeileitung gesunder Quellwässer ganze Distrikte assanirt, der durch Anlagen von Thalsperren den Volkswohlstand hebt und durch Stromcorrectionen und Quellenverbauung unend liches Elend verhindert, an sich weniger Werth, als der Mann der Wissenschaft, der di« Krankheiten erst zu bekämpfen sucht, wenn ihre zerstörende Wirkung schon vorgeschritten ist, und der bei den Ueberschwemmungen scharfsinnig nachweist, woher sie entstantxn sind? Der ganze Geist unserer Zeit protestirt laut gegen eine solch« Anschauung. Hundert Jahre werden es in diesen Tagen, daß die Be strebungen, die technische Schulung durch einen planmäßigen Unterricht zu heben, sich in Deutschland Bahn brachen. Viel Ehrenbezeugungen werden der Technik und ihren Jüngern bei dieser Gelegenheit erwiesen werden, aber wer den Geist unserer Zeit verstanden hat, wird sagen, eS kann für die Männer, die den größten Umschwung herbeigeführt haben, von dem die Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts wird zu berichten wissen, der Ehrungen nicht leicht zu viel werdrn!
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