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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189910292
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18991029
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18991029
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-10
- Tag1899-10-29
- Monat1899-10
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1899
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Der Augenblick ist günstig, dieunbestreitbareund auch nicht ernstlich bestrittene Wahrheit, daß die deutsche Seemacht, wie sie ist und nach dem Flottengesetz werden soll, den Anforderungen der Gegenwart und denen der nächsten Zukunft nicht genügt, ist heute, während des südafrikanischen Krieges, in den weitesten Kreisen der deutschen Nation anerkannt; aber wie die Begeisterung, so ist auch die politische Einsicht eines Volkes, zumal eines politisch nicht sonderlich erfahrenen Volkes, „keine Heringswaare, die man einpökelt auf einige Jahre". Der Gedanke, ein Jahr zu warten — diese Absicht wird vielfach auS dem früheren Artikel der „Nordd. Allg. Zlg." herauSgclesen —, wäre der denkbar unglücklichste. Man würde im nächsten Jahre mit dem Argumente zu kämpfen haben: wenn unsere Marine wirklich so unzulänglich wäre, so hätte man nicht nöthig, ein Jahr verstreichen zu lassen, seit der Kaiser gesagt bat, „ihre Verstärkung thut uns bitter noth". Man hört auch die Vermuthung äußern, vorläufig solle nur eine Denkschrift über die Aenderungsbedürftigkeit des bestehenden Flottengesetzes an den Reichstag gelangen. Das wäre also ein Ding, das in der Masse Niemand im Original liest und daS von den Gegnern der Marine dem Publicum in Auszügen servirt werden würde, die die Entbehrlichkeit einer Schiffsbaubeschleunigung „schlagend" nachweisen und die „absolute" finanzielle Unmöglich keit weiterer Ausgaben für das Flottenwesen darthun würden. Eine baldigst erscheinende Begründung zu einer Flotten vorlage würde von den gleichzeitigen Ereignissen mit Illustrationen versehen sein, deren Eindruck die demo kratische Dialektik nicht aufzuheben vermöchte; nach einem Jahre können die englischen Waffen dafür gesorgt haben, vatz sich der Deutschen eine unüberwindliche coloniale, ins besondere eine afrikanische Resignation bemächtigt hat. Daß jetzt daS Eisen heiß ist, verrät!) die Verlegenheit der Parteien, die eine Flottenvorlage in ihrem Sonderinterefse bekämpfen zu müssen glauben. Inmitten der günstigen, ins besondere auch die Arbeiter fördernden industriellen Entwicke lung ist es schon eine der Socialdemokratie fatale Möglich- lichkeit, daß die Wähler befragt würden, ob die Erhaltung Deutschlands auf seiner gegenwärtigen wirthschaftlichen Höhe und somit die Erhaltung der derzeit gezahlten Löhne durch den Verzicht auf einen gleichfalls die Nachfrage nach Arbeitskräften begünstigenden Geldaufwand für dieFlotte gefährdet werden solle und dürfe. Tas Centrum bat von dieser Fragestellung noch viel mehr zu fürchten. Es kann sich der Rücksichten auf die industriellen Arbeiter nicht entschlagen; eö hat mit Arbeit gebern zu rechnen; die Vernichtung der Aussichten des deutschen Colonialbesitzes zum VortheileEnglandS — eine unausbleibliche Folge der Fortdauer unserer Ohnmacht zur See — bedroht das Uebergewicht, das die deutsche Colonial- und überseeische Politik in großen Gebieten Afrikas und anderer Welttheile nun einmal der katholischen MissionSthätigkeit über die evangelische verschafft hat; der große innerpolitische Einfluß deS UltramontaniSmuS endlich kann auf die Dauer nicht durch ein Copiren der klerikalen SeptennatSpolitik von 1886 aufrecht erhalten werden — mit einem Wort, es ist dem Centrum schwül. Diesen Temperaturzustand in den Parteigemächern konnte Herr vr. Lieber schon in seiner Mülheimer Rede nickt ganz verheimlichen, jetzt zeigt die CentrumSpresse, daß sie rathlos ist. Was sie gegen die Hamburger Anregungen und deren Weiterverbreitung durch die nationale Publicistik vor bringt, ist erbarmungswürdig einfältig. Man höre: „Der spanisch-amerikanische Krieg und die Erwerbung von Kiautschau, worauf sie (die Ftottenschwärmer) Hinweisen, sind ja für das Gesetz bereits ausreichend verwerthet worden. Dann bleiben noch Faschoda, der Transvaalkrieg und dergleichen Dinge, von denen vorläufig nicht abzusehen ist, was sie mit der Nothwendigkeit zu thun haben, unser Flottengesctz zu ändern. Da die Weltgeschichte nicht still steht und irgendwo immer etwas passirt, so könnte man auch ebenso gut aller sechs Wochen behaupten, die Weltlage habe sich in unvorhergesehener Weise verändert, wir müßten unsere Flotte verstärken." Also, weil die Weltlage sich mehr als einmal in einem Jahrhundert verändert, verlohnt eS sich nicht, sich um ihre Veränderung überhaupt zu kümmern. Der auS Indolenz un- geacktetet der natürlichen leiblichen Begebenheiten und ihrer Wirkungen sich nicht vom Platze bewegende Würzburger Mönch, von dem Seume in der Schilderung seiner Amerikafahrt erzählt, ist — er nimmt wenigstens Nahrung zu sich — noch ein unternehmender Herr zu nennen im Vergleich zu diesen klerikalen WeisheitSlebrern des deutschen Volkes. Aber was die Herren selbst nickt glauben und nur zum Besten geben, weil ihnen nichts Anderes ein fällt, vas glauben die noch zum Centrum zählenden Kauf leute und Industriellen erst recht nicht und die geistige Selbstentwürdigung, die von dem Transvaalkrieg als wie von Bagatellen, „dergleichen Dingen", spricht, dürfte umsonst vollzogen sein. Viel besser als die Centrumspresse weiß es die kon servative Partei freilich auch nicht zu machen. Die „Kreuzzeitung", der in diesen Tagen mit vollem Recht „etwas laue Flottenbegeisterung" nachgesagt wurde, antwortet, wenn dieser Vorwurf gegen die Conservativen zuträfe, „so müßte Kaiser Wilhelm der Große ebenso wie Bismarck und alle Diejenigen, die seitdem bis auf den heutigen Tag die Regierung Deutschlands geleitet haben, einer nur lauen Flottenbegeisterung bezichtigt werden. Denn keiner dieser Männer bat beansprucht, daß das deutsche Reich eine Seemacht ersten Ranges werden und eine der englischen ebenbürtige Flotte Herstellen müsse." Hierauf ist selbstverständlich zu erwidern, daß an eine Flotte gleich der englischen auch am heutigen Tage kein die Regierung Deutschlands leitender Mann denkt, daß wir — eigentlich sollte man daö nur einem Eugen Richter, nicht aber einem conservativen Blatte sagen müssen — eine Flotte letzten Ranges haben und noch vier uns jetzt maritim weit überlegene Mächte erst erreichen und die zur See stärkste unter ihnen weit überflügeln müßten, wenn wir eine der englischen ebenbürtige Marine erlangen wollten. Daß die Wilhelm I. und Bismarck von der Geschichte gestellten politischen Aufgaben andere waren als die der Gegenwart obliegenden und daß diese deshalb zum Theil anders geartete Mittel braucht, entgeht auch der „Kreuzzeitung" nicht; ihre Einrede ist einfach eine chicanöse, sie könnte sich gerade so gut, wie gegen Flottenforderungen im Jahre 1900 auf Königgrätz und Sedan, gegen eine Artillerieforderung auf Karl den Großen berufen. Wir haben aber schon hervor gehoben, daß die von conservativer Seite ausgehende Flotten opposition die Probe nicht bestehen wird. Der Be stand der conservativen Parteien des Reiches — und manches Andere, waS den Ostelbiern auch nach den ZurdiSpositions- stellungen und den Streichungen von der Hofliste noch höchst sckätzenSwerth erscheint — wäre einfach dem Unter gänge geweiht, wenn die Herren Graf Limburg-Stirum und Kropatscheck die deutschconservative Reichstagssraction gegen eine Flottenvorlage auf die Seite Eugen Richter'S zu ziehen versuchten. Transvaal, daS „Ding" deS klerikalen Parteigenerals, beherrscht neben der Flottenfrage, die zu ihm gehört, wie die Feuerspritze zum Brande, bei unS die Aufmerksamkeit. Das amtliche Deutschland zeigt bekanntlich dem Ringen in Südafrika ein anderes Gesicht als die 53 Millionen mit dem von Herrn v. Rochow bcwertheten Verstände. Aber eine kleine Aenderung ist doch zu verspüren: die Osficiösen sind nicht mehr verhalten, die Boereu schlecht zu macken, eine recht verständige Contreordre. Dann noch etwas Merkwürdiges. Die „Berl. Pol. Nachr." haben am Donnerstag darauf hingewiesen, daß jetzt England sich gegenüber der ganzen Welt ebenso benehme wie zur Zeit deS KrimkriegeS gegen das zur See völlig wehrlose Preußen, da es drohte, die preußischen Küsten zu blockiren, falls amerikanische Waffen über die preußisch-russische Grenze ge krackt würden. DaS genannte, in diesem Falle zweifellos „inspirirte" Organ hat dann fortgefahren: „DaS Streben nach dem Besitz deutscher Kabel, mindestens nach unseren Küstencolonien, kann deshalb nicht dringend genug sein. Was neutrale Nationen, die zur See ohnmächtig sind, zu erwarten haben, wenn England einmal in einen großen Krieg verwickelt sein würde, ist klar. England beansprucht die Seeherr« schäft bis an die Küsten aller Staaten und wird darnach streben, sie Neutralen gegenüber mindestestens polizeilich auszuüben." Wir bringen diese Auslassung, die au dieser Stelle schon veröffentlicht worben, wieder in Erinnerung, weil sie uns aufrichtig freut. Ist dies doch seit dem Abschlüsse deS deutsch englischen Afrikaabkommens des gouvernementalen deutschen Mägdleins erste Klage über die seitdem ja schon oft hervorgekehrte Rauhheit deS „angelsächsischen" Liebsten. Jenes Abkommen ist bis jetzt nur Verlöbniß, nicht Vermählung, vielleicht „geht die Partie noch zurück". Was wir am Donnerstag aus der „Saturday Review" angeführt, ist doch recht geeignet, vorläufig einmal die Erkaltung deS Verhältnisses zu begünstigen. Daß diese Wochenschrift, auf die Tausende der gebildetsten Engländer schwören, eine Coalition gegen unser Reich mit dem Programm „Deutschland muß vernichtet werden" in diesem Augenblick zu verlangen wagt, belebt die neuerdings fast gänzlich eingeschlummerten Zweifel an der Richtigkeit der Meldung, daß die Reise des Kaisers nach England beschlossene Sache sei. Ein bei Hofe gelesenes Blatt schrieb aller dings noch gestern: „Der Kaiser geht nach England", und die „Germania", die das Gegentheil behauptet, wickelt ihre Ver sicherung in so viel krauses Zeug ein, daß sie unmöglich von ernsthafter Seite unterrichtet sein kann. Es heißt da unter Anderem: „Die Reise geht nach — Rußland." An einen solchen Plan ist nicht zu denken, der bevorstehende Besuch deS ZarenpaareS in Potsdam erheischt keinen Gegen besuch. Nikolaus II. wird bis dahin Monate lang aus privaten Gründen auf deutschem Boden geweilt und mit einer An zahl deutscher Fürsten Begegnungen gehabt haben. Da versteht es sich von selbst, daß er nicht am Kaiser vorbeifährt. Eine Zusammenkunft der beiden Herrscher war bekanntlich schon für die Reise deS Zaren nach Süddeutschland in Aussicht genommen und deshalb sogar ein Garderegiment auS dem Manöver nach Potsdam commandirt gewesen — ein weiterer Umstand, der diesen Besuch als zu den fürstlichen Gelegenheits besuchen gehörigen zeigt, die nach dem herrschenden Brauche nicht erwidert werden. Mit dem Gesetzentwürfe zum Schutze der Arbeits willigen verhält es sich gerade umgekehrt wie mit der in Aussicht stehenden Marinevorlage. Jenem kann eine Ver zögerung nur zu Statten kommen und auch eine neue Denk schrift zu seiner Begründung, die die „Köln. Ztg." verlangt, könnte nicht schaden. Das einem verstärkten Arbeiterschutze sehr geneigte rheinische Blatt stellt in einer sehr ruhig ge haltenen Auseinandersetzung noch einmal die unbestreit bare Thatsache fest, daß die dem Entwurf auf den Weg mitgegebene, richtiger: nachgesckickte „Denkschrift", eS durch ihre eigenartige Abfassung erreicht habe, daß eine nicht geringe Anzahl von Socialpolitikern, die ein lebhaftes Interesse an dem Schutze der Arbeitswilligen hatten, „angesichts einer derartigen „wissenschaftlichen" Be gründung von vornherein auf eine vielleicht ersprießliche Mit arbeit verzichteten". Dann sagt die „Köln. Ztg.": „Eine sowohl juristisch wie socialpolitisch gewissenhaft bearbeitete Denkschrift würde im Interesse einer gedeihlichen Commissions« berathung sicherlich von allen Parteien, die mit uns das Zustande- kommen eines Schutzgesetzes in der einen oder andern Form als eine wirthschastlich nothwendige Maßregel betrachten, dankbar begrüßt werden. Damit wäre auch die bekannte socialdemokratische Phrase, daß für ein „solches Gesetz beim besten Willen keine bessere Denkschrift hergestellt werden könne", all nbsurckum geführt. Daß die ganze Materie eine besonders schmierige ist, wollen wir nicht in Abrede stellen, aber der in Aussicht stehende Gewinn, durch die Ueberzeugungskrast der Argumente auch solche Kreise umzustimmen, die heute noch un schlüssig sind oder auf Grund einer irrtbümlicken Auffassung von den Lebensbedingungen des socialen Körpers beiseite stehen, wäre die Arbeit werth. Wir wünschen kein Gelegenheitsgesetz niit einer nothdürstig ausgestatteten Begründung, sondern eine den Zeit verhältnissen in jeder Beziehung auf die Dauer Rechnung tragende Vorlage. Eine Einigung der verschiedenen auseinandcrgchenden Meinungen, die meist im Grunde genommen alle dasselbe wolle», kann aber nur geschehen auf der sicheren Grundlage einer er schöpfenden, sachlichen Verwerthung sämmtlicher vorhandenen Quellen. Deshalb also dürfen wir wohl eine neue Denkjchrist erwarten." Im württembergiscken Landtagswablkreise Crails heim hat die deutsche Partei Unglück gehabt, sie ist aus der nvtbwendig gewordenen Stichwahl ausgefallen. Es wird nicht an mehr oder minder übelwollenden Erklärungen des Ergebnisses in der Presse fehlen. Vielleicht aber paßt in der Hauptsache auch auf Württemberg, was wir in einem national liberalen Organ aus Anlaß einer Ersatzwahl in Schlett- stadt gesagt finden, nämlich: „In Schlettstadt vollzieht sich Weilerbin der allmähliche Uebergang des Besitzstandes der Elsaß-Lothringer anS Centrum. Das hat man von jeher kommen sehen, ohne daß sich daran etwas ändern ließ. Aber hier concurriren überhaupt nur radikale Richtungen mit dem Klerikalismus. Unter den Altdeutschen sind Wohl ernste Persönlichkeiten genug, die auch das Ansehen besitzen würden, um eine Mittelpartei ins Leben rufen zu können, doch hörten wir erst neulich wieder von linksrheinischen Freunden äußern, daß daran „unter den gegenwärtigen Verhältnissen im Reich" weniger als je zu denken sei." DaS giebt zu denken. Zur Flottenfrage. (D Berlin, 28.October. (Telegramm.) Die „Nord deutsche Allg. Ztg." veröffentlicht unter der Ueberschrift »Zur Flottenfrage" folgenden Artikel: „Wenn einer allgem einen Verstärkung der Mari ne näher getreten werden muß, so ergiebt sich Ziel und Richtung der Verstärkung aus dem Flottengcsetze. Nach Letzterem zer fällt die Marine in zwei Theile: in eine heimische Schlachtflotte und in Auslandsschiffe, erstere für einen europäischen Krieg, letztere für die Vertretung über seeischer Interessen an Ort und Stelle. Die Verstärkung der Marine würde sich auf beide Gebiete erstrecken müssen. Das Ziel für die Vermehrung der Schlachtflotte ergicbt sich aus dem organisatorischen Ausbau derselben. Es muß zu dem vorhandenen Doppelgeschwader, bestehend aus dem ersten und dem zweiten Geschwader, allmählich ein zweites Doppelgeschwader, bestehend auS dem dritten und dem vierten Geschwader, hinzuaefügt werden. Um so schnell wie möglich zu einer militärischen Leistung zu kommen und obiges Ziel finanziell durchführbar zu machen, würde es sich empfehlen, zunächst nur den Ausbau eines dritten Geschwaders, bestehend aus 10 Linienschiffen nebst Zubehör an Kreuzern und Tor pedobooten, in Aussicht zu nehmen und als viertes Ge schwader das vorhandene Küsten-Pan z e rschiffgesckWader zu verwenden. Erst wenn die Küsten - Panzerschiffe nack Maßgabe deS Flottengesetzes in den Jahren 1912 bis 1917 ersatzpflichtig werden, würde der Ersatz durch vollwerthige Linienschiffe zu erfolgen haben. Will man diesen Plan durchführen, so erscheint es zweck mäßig, sobald durch den Etat 1900 der Sollbcstand deö Flottcn- gesetzeS bewilligt ist und dieSchiffe im Bau sind,dasselbe Bau tempo wie in den ersten drei Jahren des Flottengesetzes beizubehalten, nicht aber die Zahl der großen Schiffe, welche jährlich auf Stapel gesetzt werden, zunächst er heblich herabgehcn zu lassen, um sie dann einige Jahre später auf das Doppelte und Dreifache zu steigern. Ein derartiges Vorgehen beeinträcktigt die Finanzen und erschwert eine ruhige, gleichmäßige Entwickelung der Staats- Ferrölleton. Ein deutscher Tonkünstler vor hundert Jahren. Zum 100. Todestage von Karl DitterS von Dittersdorf.*) Won vr. Adolf Kohut (Berlin). SiaLtruck vkrbotcn. Die deutschen Tonkünstler der alten guten Zeit haben zu weilen all' die Freuden, aber auch die Leiden des Daseins aus gekostet; ihr Leben glich manchmal einem Roman mit spannenden, aufregenden, tragischen und komischen Scenen, und jene Har monie, nach der sie in der Musik strebten, vermochten sie selten in ihrem Erdendasein zu finden; wir erinnern hier nur an die Stürme und Kämpf«, die ein Mozart, ein Beethoven, ein Weber, ein Lorhing und ein Nicolai durchzumachen hatten, denen des Lebens ungemischte Freuden nur in geringem Maße zu Theil wurden, und die theils durch Schicksalsschläge und die Verkettung äußerer Verhältnisse, theils durch schwere Leiden aller Art, Krank heiten und den Mangel an Anerkennung seitens der Zeitgenossen vielfach in ihrem Schaffen gehemmt wurden und sich aus heiteren, fröhlichen Menschenkindern zu griesgrämigen, galligen Pessi misten entwickelten. Freilich, dies« großen Geister fanden stets Trost in allen Wirrnissen des Geschicks in dem Bewußtsein ihrer erhabenen Sendung, indem der Gottesfunke des Genies in ihnen empor loderte, auch wenn ringsumher Nacht und Grauen sich geltend machten. Zu diesen genialen, geistreichen und originellen Tonheroen, *) Die Musik- und anderen Lexika geben al» Todestag den 31. October an: nack den jüngst grmachten Erhebungen in den Kirckenbüchrrn soll es schon der 24. d. M. gewesen sein. D. Red. deren Werke Jahrzehnte hindurch die Bühnen der Welt be herrschten, und die alle Höhen und Niederungen des Lebens kennen lernten, gehörte auch Karl Ditte rs v. Ditters dorf, seit dessen Ableben Ende October dieses Jahres ein Jahr hundert verflossen sein wird. Er ist heutzutage freilich nicht mehr so bekannt wir jene „ragenden Gipfel" der Musikgeschichte, deren Genius noch nach Jahrhunderten in unverlöschlichem Glanze leuchten wird. Don all' den zahlreichen Schöpfungen dieses Meisters hat sich nur seine komische Oper „D o c t o r u n d A p o- theker" auf dem Repertoire erhalten und dürfte voraussichtlich noch lange hinaus den Namen des Componisten der Nachwelt überliefern, aber immerhin hat er den Bosten seiner Zeit genug gethan, und überdies hat er «in so buntes, interessantes uno romantisches Dasein geführt, daß sich's wohl verlohnt, anläßlich seines Saculärtages seiner eingrhend zu gedenken, zumal es geichsäm typisch ist für die Stellung, die ein deutscher Musiker noch vor hundert Jahren in der Gesellschaft einnahm, sein Leben und Wirken deshalb also deS kulturhistorischen Interesses nicht entbehrt. Der Componist von „Doctor und Apotheker" wurde am 2. November 1789 zu Wien geboren und den Einfluß der genuß süchtigen und leichtlebigen Phäakenstadt hat der Meister nie zu verleugnen gewußt. Er gehörte zu den echten Wunderknaben, deren Reiz heute freilich schon ziemlich verblaßt ist, die aber noch zu den Zeiten unserer Altvorderen als unerklärlich« Phäno men« weit und br«it angestaunt wurden. S«ine musikalische An lage geigte sich schon frühzeitig, und so erhielt er guten Biolin- unt«rricht und wirkte bereits als Kn-abe im Orchester der Bene- dictimr-Kirche mit. dann wurde er Page beim General-Feld- zrugmeister Prinzen Josef von Hildburghausen, der sich für den Kleinen lebhaft interessirte, in umfassender Weise für seine Er ziehung sorgt« und ihm schließlich eine Stelle im Hoforchester verschaffte. Neben dem Prinzen war «s die berühmte Sängerin Test, di« «in« Freundin und Beschützerin deS jungen Geigen- dirtuvsin wurde, auch dem italienischen Tapellmrister und Tom- ponisten Trani, der sein Lehrer wurde, hatte er viel zu verdanken, und di« Eomposiüonen Karl Ditters v. Dittersdorf zeugen in deutlicher Weise von dem Studium der italienischen Leichtigkeit und -Grazie. Seit jener Zeit gestaltete sich das Leben des jungen Meisters gu einer Krttb des Glückes und Behagens, denn er wurde nicht allein von seinen Gönnern, dem Prinzen, den Sängerinnen und Capellmeistern mit Lob überschüttet, in reichlichster Weise be schenkt und verhätschelt, sondern auch di« Kaiser, Könige und Großen dar Welt boten Alles auf, um den Lebenspfad des Wundergeigers und genialen 'Componisten mit Rosen zu be streuen. In Wien hatte er das Glück, in dem Ritter von Gluck einen treuen Freund und Berather z-u finden. Der unsterbliche Com- ponist des „Orpheus" veranlaßte seinen jungen Freund, ihn im Jahre 1762 zur Eröffnung d«s neuen Opernhauses in Bologna, für das er zu Metastasio's „II Iriouko cki Olelin" die Musik schrieb, zu begleiten. In Italien, im klassischen Lande der Musik und der Schönheit, that sich dem jungen Geni« an der Seite des alten Meisters ein« gange Welt neuer Eindrücke auf und die Opera Buffa, die damals eine so hervorragende Rolle spielte, nahm ihn vollends gefangen. In Bologna traten beide Meister auch in ein näheres intimes Verhältniß zu dem alten, berühmten Farinelli, dem in den früheren Jahren an der Spitze von Händel's Widersachern stehenden Sänger, sowie zu dem in seiner Zeit hoch gefeierten Pater Martini. Bei dem großen Kirchenfeste bei St. Paolo hatte Karl Ditters Gelegenheit, durch den Capell- meistcr und Componisten Mazzoni, berühmt durch seine Sol- feggien, sich im Hochamt und in den beiden Vespern im Violin- concert hören zu lassen, und «r bezauberte die Italiener vollends, was damals keine Kleinigkeit war, da die Vorurtheile gegen deutsche Virtuosen und Componisten noch sehr im Schwünge waren. Nach der Vesper wurden Gluck und Ditters von den Klosterbrüdern in glänzender Weise gefeiert; ihnen zu Ehren wurde ein wahrhaft sardanapalisches Bankett veranstaltet und Alles, was Italien um jene Zeit an Leckerbissen hervorbrachie, zum Besten gegeben. Damals war es auch bei den Klöstern Sitte, daß, wenn Jemand von ihnen ein Geschenk erhielt, ihm dieses öffentlich auf einem eigens dazu bestimmten Apparat feierlich in seine Wohnung g«tragen wurde. Es pflegte gewöhn lich ein Mann in schwarzer spanischer Galarracht, mit einer großen Perrücke, voranzugehen,, dann folgten zwei Kirchen diener in Ehorröcken, die die Spenden auf einem ungeheuren silbernen Präsentirtellrr mit zwei Henkeln und mit einem Stück Damast zugedeckt trugen. Hinter ihnen kamen zwei andere Brüder in Mönchsgewand, worüber sie einen weißen Chorrock hatten. Diese Karawane ging nun auch diesmal auf Umwegen durch die Hauptplätze und -Straßen der Stadt und dem feier lichen Ausizuge schloß sich ganz Bologna an, wobei der Anführer der Deputation jedem Neugierigen erklärte, woher, wohin und warum dieses Geschenk komme. Der Sprecher hielt an Ditters ein« Anrede, die über ein« halbe Stunde dauerte und nichts weiter enthielt, als Danksagungen seitens des Priors und des ganzen Convents, und wie sehr sie ihn bäten, in Anbetracht ihrer großen Armuth, von der man übrigens bei dem Festmahl nichts gemerkt hatte, mit diesem kleinen Geschenk vorlieb nehmen zu -wollen. Dieses bestand aus 20 Pfund der herrlichsten Früchte und des allerfeinsten Zuckerwerkes, dabei lagen sechs Paar weiß seidene und sechs Paar schwarzseidene Strümpfe, sechs doppel seiden« Mailänder Schnupftücher und ziwölf größere und kleinere Reliquien, die alle in silb«rnen Filigran gefaßt waren. Nach Wien zurückgrkehrt, componirte Ditters sehr fleißig und schrieb u. A. eine große Anzahl Orchester- und Kammermusik werke, sowie mehrere Oratorien, die sich kbhaften Beifalles zu erfreuen hatten. Neben Gluck verkehrte er besonders intim mit Josef Haydn, dessen anregendem Umgang und Rarhschlägen er gleichfalls unendlich viel zu danken hatte. Anläßlich der Krönung Erzherzog Josef's, des späteren Kaisers Josef II., reiste er in seiner Eigenschaft als kaiserlicher Hofvirtuos in Gesellschaft Gluch's, des Castrcri«n Guadagni und noch 20 anderer Personen
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