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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991109010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899110901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899110901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
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Größere Schriften laut unserem P«t-- verzeichntss. Tabellarischer und Zisfttnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit d«r Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ^ll 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Annahmeschluß fnr Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen nnd Annahmestellen je eia» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Srprditia« zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 571. Donnerstag den 9. November 1899. 93. Jahrgang. Kaperbriefe. v->Jn der Presse ist seit dem Ausbruch des Krieges zwischen England und den Boerenfreistaaten verschiedentlich die Nachricht ausgelmicht, Transvaal werde, um seinen übermächtigen Gegner an recht empfindlicher Stelle zu treffen, zur Ausstellung von Kaperbrief-n schreiten. Während der letzten Tage brachten fran zösische uns spanische Zeitungen gleichzeitig sogar sehr bestimmte Meldungen nach dieser Richtung hin. Der „Eclair" wollte wissen, dass die Transvawlregierung bereits zahlreiche ent sprechende Dienstanerbietungen erhalten habe, und zwar ins besondere von amerikanischen Rhedern. Schon seien Kaperbriefe ertheilt, und Kaperschiffe würden demnächst in Thätigkert treten. In Madrid ließ man sich von den Kanarischen Inseln tele- graphiren, ein in den Gewässern von Las Palmas stationirtes englisck^es Schiff übe eine strenge Ueberwachung aus, was seinen Grund in dem Gerücht von dem bevorstehenden Erscheinen von Schiffen finde, denen Transvaal Kaperbriefe ertheilt habe. Sicherlich wird man in Deutschland, wo allgemein die leb haftesten Sympathien für die tapferen südafrikanischen Stammes- gcnossen herrsckM, mit Freuden jedes wirksame Vertheidigungs- mitlel begrüßen, welches die frivole angelsächsische Vergewaltigung zn hindern geeignet ist. Und ebenso unzweifelhaft steht fest, daß die Kaperei, d. h. die staatlich autorisirte Wegnahme von Schiffen feindlicher Nationalität durch Privatfahrzeuge, dem Seehandel des Gegners desto größeren Schaden zufügen kann, je bedeutender dieser Handel ist. Beliefen sich doch schon während der Kriege Ludwig's XIV. die Prisengelder des berühmten Dünkirchener Kaperhafens allein auf 22 Millionen Francs. Man kann sich danach ungefähr vorstellen, welchem Schaden Englands überseeischer Handel heutzutage selbst in einem kurzen Kriege durch energische Kaperei ausgesetzt wäre, wie viel mehr in einem langwierigen Feldzuge, wozu sich wider alle hoch- müthigen Erwartungen Albions der mitiärische Spaziergang nach Präioria auszuwachsen scheint. Repressalien der Eng länder aber, durch die sie sich einigermaßen schadlos halten könnten, wären durch die einfach Thatsache ausgeschlossen, daß die Boerenfreistaaten eine Handelsflotte nicht besitzen. Gerade mit diesem letzteren Factum ist jedoch andererseits auch eine bedeutende Schwierigkeit für den angedlichen Plan Transvaals gegeben, Kaperbriefe auszustellen. Und zwar liegen die Bedenken auf dem Gebiete völkerrechtlicher Erwägung. Zwar Las Princip, wonach nur souveräne Staaten Kaperbriefe aus stellen dürfen, hat keine Bedeutung. Denn wenn auch Groß britannien der Südafrikanischen Republik die Souveränität ab spricht und den Anspruch eigener Suzeränität erhebt, so ist das doch nur eine Behauptung, und die Vermuthung streitet so lange für die entgegengesetzte Auffassung, bis ein neuer Vertrag völlige Klarheit schafft. Etwas ganz Anderes aber ist es, ob die Boeren- repuüliken, welche selbst keine Kauffahrteischiffe besitzen, berechtigt sind, Unterthanen neutraler Staaten, wie es z. B. amerikanische Rheder sein würden, zum Kaperkriege gegen England zu autori- siren. In früheren Jahrhunderten freilich bejahte die Praxis diese Frage ohne Weiteres, ja Auswärtige wurden sogar meist ausdrücklich aufgefordert, sich zur Verfügung zu stellen, so von England unter Georg II., so von Schweden im Jahre 1715. Seitdem hat sich aber doch die internationale Rechtsüberzeugung wesentlich geändert. Es gilt heutzutage im Allgemeinen nicht mehr als mit der Neutralität verträglich, daß Unterthanen von Staaten, die keiner der kriegführenden Parteien angehören, von einer dieser letzteren Kaperbriefc annehmen und die Kriegsflagge ihres Auftraggebers führen. Schon das französische Decret vom 22. Mai 1803 stellte sich auf diesen Standpunct, während der Expedition vom Jahre 1838 drohte der französische Admiral Baudin, er werde jedes nicht mexikanische Schiff, das im Auf trage des mexikanischen Generals Santa-Anna Feindseligkeiten verübe, als Seeräuber behandeln, und die Bereinigten Staaten von Nordamerika verfuhren 1847 in ihrem Kriege gegen Mexiko genau nach demselben Grundsatz. Man wird daher nicht umhin können, diesem Princip den Charakter einer wirklichen völker rechtlichen Norm zuzuschreiben. Dem entspricht es, wenn das Institut äe ckroit intorimtioiml im Jahre 1882 das geltende Recht dahin präcisirte, die Kaperei bleibe zwar als Retorsions mittel gegen diejenigen Staaten bei Bestand, welche sich ihrer Abschaffung durch die Seerechtsdeclaration vom 16. April 1856 nicht angeschlossen hätten und daher ihrerseits weiter Kaperei übten, es dürfe aber in diesem Falle der Auftrag nie an einen Fremden ertheilt werden. England könnte sich daher sowohl auf eine bereits häufig geübte Praxis, als auch auf ein vom vornehmsten Organe der völkerrechtlichen Theorie anerkanntes Princip stützen, wenn es die Transvaalkaper als Piraten be handelte. Und es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß es dies gegebenen Falls thun wird. Damit aber dürfte der etwa be stehende Plan der Boeren, Kaperbriefe auszustellen, jeder prak tischen Wirkung beraubt sein. Denn es ist nicht anzunehmen, daß sich viele Rheder oder Capitäne in Amerika oder sonstwo finden werden, die auf solche Gefahr hin den Kaperkrieg be ginnen möchten. Um als Seeräuber behandelt zu werden, brauchen sie wahrhaftig keine Kaperbriefe! Vermuthlich aber werden sie weder bisher in die Lage gekommen sein, noch fürderhin in die Lage kommen, derartige Anerbietungen zu machen. Wenigstens hat das Cabinet von Washington, als es 1861 in merkwürdiger Jnccmsequenz zu seiner früheren Haltung gegenüber Mexiko Fremden Kaperbriefe anbieten ließ, die Er fahrung machen müssen, daß die neutralen Staaten ihren Unter- tbanen die Annahme solcher Vollmachten verboten. Heutzutage würden die Vereinigten Staaten wahrscheinlich gegen ihre eigenen Staatsangehörigen, wenn sie sich zum Kapcrkriege drängen wollten, mit gleichem Verbote Vorgehen, und die anderen Neutralen würden es wohl kaum anders halten. Nach alledem besitzen die Nachrichten, welche Transvaal Kaperbriefe vertheilen und England seine Gegenmaßregeln treffen läßt, keine große innere Wahrscheinlichkeit. Die maritimen Rüstungen, dir Großbritannien augenblicklich allerdings über das Maß dessen hinausbeireibt, was zum Transport seiner Truppen nach Afrika nöthig ist, lassen andere Erklärungen zu, ja legen dieselben sogar sehr nahe. Denn es ist noch nicht gar zu lang« her, daß der bloße Beginn einer englischen Flottenmobilisirung Frankreich sein Faschoda brachte. Sollte nicht England das kürzlich mit so gutem Erfolge angewandte Mittel der Einschüchte rung auch in seiner gegenwärtigen Lage, wo die Gerüchte groß- mächtlicher Interventionen nicht verstummen wollen, von Neuem auf sein« Bewährtheit prüfen wollen? Die Entscheidung der Samoa-Frage. Wie der Telegraph bereits gemeldet hat, ist zwischen dem deutschen Reiche und Großbritannien ein Abkommen getroffen worden, nachdem die Samoa-Inseln mit Ausnahme einiger an Amerika fallenden kleinen Inseln, Deutschland zufallen. Wie zu erwarten war, ist dieser Gewinn nicht ohne Gegenleistung Deutschlands zu erreichen gewesen; ein ausführlicherer telegraphischer Bericht über das Abkommen giebt darüber folgende Auskunft: Zwischen dem deutschen Reiche und Großbritannien ist, unter Vorbehalt der Zustimmung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, ein Abkommen getroffen worden, wonach, unter Aufhebung der Samoa-Acte, die beiden Samoainseln Upolo undSavai, sowie die anliegenden kleinen Inseln als freies Eigenthum an Deutschland, die Insel Tutuila und ihre Nebeninseln an Amerika fallen. England ver zichtet auf jede- Anrecht auf die Samoa-Inseln. Deutschland verzichtet auf alle Ansprüche an den Tonga-Jnseln und Savage-Island zu Gunsten Eng. lands und tritt die beiden östlichen Salomon-Inseln Choiseul und Isabel nebst ihrer insularen Um- gebung an England ab. Die beiderseitigen consnlari- schen Vertretungen auf den Samoa- und Tonga- Jnseln kommen bis auf Weiteres in Fortfall. Deutschland hat ferner dieselbe Berechtigung wie die englischen Unter- thanen zur freien und unbehinderten Anwerbung eingeborener Arbeiter in der gesammten im englischen Besitz befindlichen Salomon- Gruppe einschließlich Choiseul und Isabel. Gleichzeitig ist eine Vereinbarung zwischen den beiden genannten Mächten getroffen worden, wonach die sogenannte neutrale Zone im Hinterland« von Deutsch-Togo und der eng- lisch en Goldküsten-Colonie in der Weise getheilt wird, daß die Grenze zwischen dem deutschen und englischen Gebiet durch den Dakafluß bis zu dessen Schnittpunkte mit dem 9. Breitengrade und von da durch eine von einer gemischten Commission noch festzustellende Linie nach Norden gebildet wird. Es besteht dabei der Vorbehalt, daß die Länder Mamprusi und Gambaca an England, die Länder Uendi und Chakosi an Deutschland fallen. Endlich ist ein Verzicht aus die bis zum Ablauf unseres Handelsvertrages im Jahre 1902 währenden Exterritorialitätsrechte in Zanzibar seitens Deutsch lands gemäß einem Colonialraths-Beschluß mit der Maßgabe zu gesagt worden, daß dieser Verzicht erst mit dem Zeitpuncte in Kraft tritt, wenn auch die übrigen Nationen zu Gunsten Englands ihre exterritorialen Rechte in Zanzibar aufgegeben haben. Zu dem Abkommen wird bemerkt, daß die Zustimmung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zu demselben als gesichert erscheinen darf. Zugleich ist zwischen Deutschland, Großbritannien und den Ver- einigten Staaten von Amerika eine weitere Vereinbarung dahin getroffen word.u, -aß die Frage der Entschädigungsansprüche für alle in Samoa gelegentlich der letzten Wirren erlittene Kriegsschäden einem unparteiischen Schieds- gericht unterbreitet werden soll. Dasselbe wird darüber zu ent scheiden haben, welche Entschädigungsansprüche als gerechtfertigt anzucrkennen und von wem dieselben zu bezahlen sind. lieber die Verhandlungen, die zu diesem Ergcbniß führten, erfährt die „Nat.-Zig.", wie uns telegraphisch aus Berlin gemeldet wird, von zuverlässiger Seite Folgendes: „Die Ver handlungen wurden ausschließlich betreffs der genannten Puncte geführt und eS haben keinerlei andere Ab machungen daneben stattgefunden. Es sind keinerlei Bindungen betreffs der allgemeinen Politik erfolgt, wie dabei auch völlig ausgeschlossen war, daß man etwa die jetzige südafrikanische Verwickelung von deutscher Seite hätte als Pressionsmittel verwenden wollen oder können. Der einzige politische Hintergrund der Verhandlungen waren die ungestörten Beziehungen zwischen den beiden Mächten nnd der Wunsch, jede künftige ungünstige Beeinflussung dieser Beziehungen durch neue Samar-Wirren zu verhüten; das einzige Mittel, durch welches der Abschluß erreicht worden, war die freundliche Geltendmachung dieser Gcsichtspuncte. Ilm so mehr gereicht das Ergebnis; dem diplomatischen Geschick des Staatssekretärs Grasen Bülow zur Ehre, der beständig daran festgehalten hat, daß Samoa deutsch werden müsse." „Somit" — fährt die „Nat.-Ztg." fort — „wird, ab gesehen von der in amerikanischen Besitz übergebenden Neben insel, fortan die deutsche Flagge unbestritten über den zwei Jahrzehnte hindurch so heiß umworbenen Samoa- Inseln wehen. Sie sind werthvoll wegen ihrer Frucht barkeit, ihres KlimaS, der lenksamen, nur durch inter nationale Intriguen zeitweilig verhetzten Bevölkerung und vermöge der geographischen Lage auf dem großen See- Wege zwischen der amerikanischen Westküste, Australien und Ostasien. Aber die Inseln waren außerdem das erste Gebiet, wo Anfänge einer deutschen Colonialpolitik versucht wurden, und sie haben uns in den vermöge der Dreiherrscbaft ent standenen Wirren und durch elementares Unglück Opfer an Menschenleben gekostet. So war eö gewissermaßen ein nationaler Ehrenpunct für Deutschland geworden, daß sie deutsch wurden; es wird in Deutschland nur eine Stimme darüber herrschen, baß die Leistung einer Entschädigung an England deutscberseit- bei Weitem vorzuziehen war der Abtretung der Samoa- Inseln an England gegen irgend eine Entschädigung, welche wir nach der Lage der Dinge hätten erhalten können. Es versteht sich von selbst, daß englische Unternehmungen und solche jedes anderen Landes in Samoa unter deutscher Herr schaft ebenso gesichert sein werden, wie anderwärts, wo die deutsche Flagge weht; voraussichtlich wird, sobald die Drei herrschaft fortgefallen ist, Ruhe und Ordnung in Samoa ohne Mühe deutscherseits aufrecht zu erhalten sein. Nötigen falls wird die Stationirung eines Kriegsschiffes dazu aus reichen. In internationaler Beziehung aber ist es, zumal die weltpolitische Entwickelung sich gegenwärtig weniger als je mals in neuerer Zeit übersehen läßt, von großem Werthe, daß an jenem Puncte im stillen Ocean der beständige Anlaß zu unabsehbarer! Conflicten zwischen drei Großmächten be seitigt ist. DaS Verdienst des Grafen Bülow um den Abschluß dieses Abkommens, auf dessen die deutschen Abtretungen bezüglichen Puncte zurückzukommen sein wird, ist um so höher zu veran schlagen, je schwerer eS ihm anderen Einflüssen gegenüber geworden ist, die Verschleuderung des deutschen Antheils an Samoa an England gegen Ueberlassung der Gilbert- und der englischen Salomoninseln zu verhüten. Ter Unwille, der deutlich genug in vielen deutschen Blättern beim Bekanntwerden dieses Planes laut wurde, gab ihm neuen Muth in dem Kampfe, den er zu bestehen hatte und in dem er trotz der englischen „Hartnäckigkeit" Sieger geblieben ist. Wenn etwas geeignet ist, seine Befriedigung über den Er folg zu beeinträchtigen, so ist es die betrübende Erfahrung, daß auch solche deutsche Blätter sich fanden, die der Ver schleuderung SamoaS aus Rücksicht auf vermeintliche höhere Wünsche eifrigst das Wort redeten. Deutsches Reich. -r- Berlin, 8. November. (Die Eintragung der Berufsvereine nach dem Bürgerlichen Gesetz buch.) Das socialdemokratifche „Correspondenzblatt der Generalcommission der Gewerkschaften Deutschlands" wendet sich in seiner neuesten Nummer gegen den „ A r b e i t s m a r t t ", der den Gewerkschaften einpfohlen hat, durch Eintragung in das Vereinsregister gemäß den Be stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches das Recht der juri stischen Person zu erwerben. Bekanntlich ist das Rechtsoer- hältniß der Berufsvereine von dem Inkrafttreten des Bürger- lichen Gesetzbuches ab im Wege des Compromisses dahin verbessert Feuellstsn. Der 18. Brumaire. Erinnerungsblatt zur 100jährige n Wieder kehr des 9. November 1799. Von I) r. F. Sauerhering. MaLdruck «erboten. „Man hat in den Zeitungen eine ebenso lächerliche wie abge schmackte Genealogie des Hauses Bonaparte aufgestellt — ein läppisches Bemühen. Das Haus Bonaparte datirt ganz einfach vom 18. Brumaire!" So lautete eine Notiz ans der Feder des Kaisers Napoleon I., die im Juli 1805 im „Moniteur" erschien; dieselbe richtete sich gegen das Be mühen zahlreicher Höflinge, die Abstammung des großen Torsen von erlauch:cn Ahnen nachzuweisen. Deutlich liegt es in jener kurzen drastischen Erwiderung ausgedrückt, daß der erste Fron- zosenkaiser, der sonst den eitlen, wahrheilswidrigen Auf bauschungen der Thatbestände am allerwenigsten abhold war, alle genealogischen Lobhudeleien strikte von der Hand wies, dafür aber mit desto größerem Selbstbewußtsein eine historische That sache als Anfangspunkt seiner glänzenden Laufbahn markirte, die als solcher auch von dec Geschichtsforschung fcstgelegt ist. Der 18. Brumaire — der 9. November 1799 — ist Napoleon Bonaparte's politischer Geburtstag; denn an diesem Tage stürzte der ungewöhnlich zielbewußte Mann durch einen Staatsstreich die Directorialregierung und machte sich, an der Spitze der Miliiärgewalt stehend, zum Herrn des Staates. Heute vor hundert Jahren vollzog sich dieses so überaus wichtige Geschehniß; desselben zu gedenken, bietet zur Zeit um so mehr Interesse, wofern man auf die jetzigen Zustände in Frank reich hinblickt: Dorten dasselbe verworrene Bild wie vor hundert Jahren, nur in etwas civilisirter zugeschnitztem Rahmen. So dann haben wir ander« Europäer, die wir „doch bessere Menschen" als jene wahnwitzigen Franzmänner zu sein uns rühmen, inso fern Veranlassung, uns des denkwürdigen 9. November zu er innern, als aus jener kühnen That die europäische Staaten geschichte des 19. Jahrhunderts resultirt. Im sonderbaren Wechselspiel haben wir wähnnd des verflossenen Säculums fol gende bedeutsam« Erscheinungen: am Ende des 18. Jahrhundert» in Frankreich das End« der revolutionären Greuel und da» Ausrichten eine» ersten Kaiserreich«» durch einen Emporkömmling, in Deutschland und den anderen europäischen Län dern die Entfesselung blutiger Kämpf« und die Niederwerfung einer ganzen Reihe angestammt regierter Staaten durch den französischen Imperator; am Ende des 19. Jahrhunderts im übrigen Europa eine Anzahl neuerstanidener, festgefügter Reiche mit kraft- und weisheitsvoll regierenden Monarchen an der Spitze, in Frankreich ein von Haß, Unredlichkeit und Ungerechtigkeit durchsetzter, in Folge Fehlens einer diktatorisch waltenden Oberleitung völlig zerrütteter Staat. Vergegen wärtigt man sich zudem die verschiedenen hervorragenden Zwischenstadien in diesem so grandios antiponderirend«n Wägen der Geschichtsgöttin, so wird man gerade am heutigen Tage aufs Höchste interessirt den Blick zurückschweifen lassen bis zu jenem ehernen Grenzpfahl auf dem weiten Geschichtsfelde, in den die Worte „Le 18. Brumaire" zu ewigem Gedächtniß eingegraben sind. Als sich um die Wende des 18. Jahrhunderts an der unglück lichen Regierung der Bourbonen ihr tragisches Geschick erfüllt hatte, tauchte im Juni 1793 auf Frankreichs Boden der Spröss ling «ineS corsicanischen Patriziers auf, der als Freund der französischen Partei von der Jns«l hatte flüchten müssen. Der junge Held mit den mageren Wangen, dem kalt funkelnden Blick und dem langen Haar — Bonaparte war sein Name — erwarb sich gleich anfangs die Dankbarkeit seines neuen Vaterlandes durch die schnelle Wiedereroberung des der revolutionären Staats form abholden Toulon, so dass er im Früjahr 1794 bereits als Brigadegrneral der Artillerie in Italien commandiren durfte. Der Sturz des bestialischen Robespierre drohte, wie so manche politisch« und militärische Spitze, auch Bonaparte unter das neu erfundene Mordinstrument zu beugen; doch die Schicksalsgöttin hatte es anders beschlossen. Statt daß das scharfe Fallbeil seinen genialen Kopf der Blutgrube überlieferte, wandten sich die von ihm gerichteten Kartätschen niederschmetternd gegen die Pariser Empörer, und stolz zog er dann im Auftrag« des „Direk toriums" als Oberbefehlshaber der italienischen Armee gegen die Oesterreicher. Nach der Einnahme von Mailand am 14. Mai 1796 und von Mantua am 2. Februar 1797 war die Eroberung der Lombardei vollendet, und Oesterreich sah sich am 17. Oktober genöthigt, von dem al» Nebenbuhler des Evzherzogs Karl mit Genie und Glück die Waffen führenden Napoleon Bonaparte den Friedensvertrag von Campe Formio entgegenzunehmen. Die Popularität, die der neu erstandene Generalissimus durch seine Erfolge gegen da» mächtige Kaiserhaus erzielt, und die eigenwillige Rücksichtslosigkeit, mit welcher derselbe auf seinem Kriegszuge in Oberitalien geschaltet hatte, zogen ihm natürlich die Eifersucht und das Misstrauen des Directoriums zu. Die damaligen Machthaber in Frankreich waren daher froh, als Bonaparte mit dem abenteuerlichen Plane herauskam, die eng lischen Interessen im Orient zu gefährden, und sich wirklich im Mai 1798 mit einer Expeditionsarmee nach Egypten «inschifft«. Der Sieg über die Mameluken bei den Pyramiden am 21. Juli 1798 und die Vernichtung einer türkischen Truppe in der Landschlacht bei Abukir am 25. Juli 1799 brachten nicht nur dem Orient eine ge nügende Meinung von dem immer mehr erstarkenden militärischen Uebergewicht des republikanischen Frankreich bei, sondern erfüllten auch die französischen Bürger mit Stolz, um so mehr, als zahl reiche Gelehrte, Künstler und Techniker im Gefolge des Ober feldherrn sich nach dem Pharaonenlande begeben hatten und von dort dir interessantesten, auch dem Laienverstande imponirenden wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen meldeten. Dazu kam nun, dass während der anderthalb Jahre, wo Bonaparte im Orient weilte, der Kampf gegen die zweit« Coa- lition der europäischen Großmächte am Rhein, in der Schweiz und in Oberitalien von den französischen Heerführern mit ent schiedenem Misserfolge geführt tvorden war. Jourdan war Ende März 1799 vom Erzherzog Karl bei Ostrach und Stockach besiegt worden, worauf die Franzosen auf das linke Rheinufer zurück gehen musst«n; in der Schweiz hatte derselbe österreichische Feld herr den General Masse-na am 4. Juni bei Zürich geschlagen, und ein Drittel der Schtveiz war in die Hände der Oesterreicher ge- rathen; ferner in Oberitalien hatte der Russe Suworow die frän- zsische Armee des Generals Scherer bis hinter di« Adda zurück gedrängt und des letzteren Ersatzmann Moreau am 27- April b«i Cassano geschlagen, so dass die Trümmer des Heeres bis hinter den Po und schließlich immer weiter nach Westen zurückweichen mussten. Die Hoffnung Moreau's, sich in Kurzem mit der von Macvonald geführten neapolitani schen Armee bei Asti vereinigen zu können, wurde vereitelt durch die dreitägige Schlacht an der Trebbia (17.—19. Juni), durch die Macdonalv von den Russen und Ocsterreichern zum Rückzug genöthigt wurde. Alle oberitalienischen Plätze waren in die Ge walt der Verbündeten gekommen, und als Joubert mit einer neuen Armee in Italien vorrückte. wurde er von Suworow am 5. August bei Novi besiegt. Mit Begeisterung kamen in Folge dessen die Franzosen dem von der afrikanischen Sonne gebräunten Feldherrn bei seiner plötzlichen Heimkehr entgegen, mit Jubelrufen empfingen ihn insbesondere die Pariser am 16. October 1799 in ihren Mauern. Umsonst hatte also das Direktorium den emporstrebenden Militär der im Schatten von viereinhalb Jahrtausenden alten Pyra miden lagernden Sphynx dahingezebcn, glänzender und wohl behaltener kam er zurück. Das Räthsel bezüglich Englands Ver nichtung hatte der ehrgeizige General in Egypten nun zwar nicht gelöst, doch das Räthsel über Frankreichs Zukunft löste er nunmehr wenige Wochen nach seiner Rückkehr. Aus der Stimmung, die ihn auf seinem Heimzuge von der Landungsstelle in Fröjus (19. Oktober) durch das ganze Land bis nach Paris umgab, konnte Napoleon Bonaparte nur zu gut erkennen, daß das französische Volk, die schlechteren ebenso wie die besseren Elemente desselben, einen Retter aus aller Noch herbei sehnte und an ihm, dem Mann von zielbewusstem Sueben uns willensstarkem <Älbstgefühl, dem im In- und Auslände als tapfer und tüchtig bewährten General, diesen „Schutzgeist" gefunden zu haben wähnte. Unter diesen Umständen fiel die letzte, seinem Ehrgeiz entgegenstehende Schranke, und unatwendlich war sein Entschluß gefaßi, der bestehenden Verfassung ein Ende zu be reiten und selbst die Zügel der Staatsregierung in die Hand zu nehmen. An der Spitze der Staates stand damals, wie gesagt, noch immer das Direktorium; von den fünf Mitgliedern desselben kamen Gohier und Moulins als unbedeutende Männer überhaupt n'ich: in Betracht, Barras andererseits hatte sich als mehrmaliger Diktator bei den Meisten missliebig gemacht. Mit den beiden übrigen Direktoren, SieyöS und Roger Ducos, von denen ausser dem der erstere für einen politischen Kopf galt, hatte Bonaparte schon um deswillen gu rechnen, weil diese bei ihren Entschlüssen fast stets die Mehrheit des RatheS der Alben und eine beträcht liche Partei im Rath« der Fünfhundert für sich hatten. Ueber die Vorgänge, die sich kurz vor dem 18. Brumaire und dann an diesem und dem folgenden Tag« zutrugen, unterrichten uns ausführlich die nach dem Dictat des auf Sankt Helena ge fangen sitzenden Franzosenkaisers niedergeschriebenen und von den Generalen Montholon und Gourgaud herausgegebenen berühmten ..d-l^moiro» pvur sorvir ü l'fimtoiro I'rnnce svus !e röxne «io KupnILon 1.^ (neue Ausg., 9 Bde., Paris 1830). Dieser reich haltigen Quelle zufolge ereignete sich nun seit Bonaparte's Wiedereintreffen in der Hauptstadt am 16. Oktober 1799 Folgendes: Alle BedölkerungSclassen, alle Lande-Heile Frankreich» er warteten mit Ungeduld, waS Bonapar!« thun würde; von allen Seiten näherte man sich ihm mit Vorschlägen und servilen Unter»
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