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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991113017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899111301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899111301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-13
- Monat1899-11
- Jahr1899
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Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. NeLaction und Expedition: Johannisgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet vo« früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktto Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. BezugS'PrelS Kl der Hauptexpedition oder den im Stadt« bezirk und den Bororten errichteten AuS- aabestellrn abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteliäbrlich ^i 6.—. Dirrcte tägliche Kreuzbandsenvung ins Ausland: monatlich 7.50. 578. Morgen-Ausgabe. MpMr TaMM Anzeiger. Amtsöl'alt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rashes «nd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Arizelgen.Preir die 6 gespaltene Petitzeile r- Pfg. 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November von den Protestanten als Ge burtstag Luther's gefeiert wird. Ein« solch« Feier zu Ehren Dr Martin Luther's finden wir in Nordhausen. Früh 5 Uhr wird ein Choral vom Petersthurme geblasen und Nachmittags um 4 Uhr werden in drei Zwischenräumen die Glocken der Stadt geläutet. Der Jugend ist es erlaubt, Freudensalven zu geben, und gegen Abend versammeln sich Innungen und Gesangvereine m>i Fahnen am Töpserthor und ziehen mit Musik auf den Rath hausplatz. Sind sie dort angelangt, so wird Luther's Lied: „Ein feste Burg ist unser Gott" angestimmt, worauf sich Alle nach Hause begeben, um bei brillanter Beleuchtung mit bunten Lichtern, die meist Bilder von Luther tragen, die Martinsgans zu verzehren. lieber den Ursprung dieser Feier bestehen zwei Erzählungen: Luther's Freunde in Nordhausen, der damalige Bürgermeister Meinberg und der Prediger Justus Jonas, luden ihn einst zum Geburtstage nach Nordhausen ein. Er kam, und als nun die drei Freunde in heiterer Stimmung bei einander saßen, dachten sie daran, daß am nächsten Tag« (11. November) in der katholi schen Kirche ja auch ein Martinsfest begangen werde, und daß ebenso wie dort bei ihnen auch bunte Lichter ang«zünd«t werden könnten. Gesagt, gethan! Die bunten Lichter wurden bestellt und brannten noch an demselben Tage auf den Tischen, um welche sich des Abends die Familien versammelten. Besonders läßt die Zunft der Schuhmacher es sich angelegen sein, den Tag recht glänzend zu feiern, weil sie sich das Verdienst dieses Festes zuschreibt. Sie behauptet nämlich, einige ihrer Vorfahren seien eines Tages, als Luther noch lebte, auf der Heimkehr von dem Markt in Sondershausen, diesem frommen Manne, der öfters nach Nordhausen zu kommen pflegte, unter wegs begegnet und hätten ihn ersucht, da es schon dunkel wurde, mit ihnen zu ziehen und auf ihrer Herberge zu bleiben. Luther habe den Vorschlag angenommen, und die Schuhmacher seien darüber so erfreut gewesen, daß sie bei ihrer Ankunft in Nord hausen durch ihren lauten Jubel die ganze Stadt in Bewegung geletzt und den Neugierigen, welche an den Fenstern erschienen wären, die Worte zugerusen hätten: Herr Martin Luther kommt, der brave Mann, Zündet hunderttausend Lichter an! In Erfurt ziehen die Kinder am Martinsabend, sobald es dunkel wird, mit brennenden Lichtern, den sogenannten Martins- lichtern, durch die Straßen und Plätze der Stadt, um sich auf den Friedrich-Wilhelmsplatz zu begeben, wo in der sechsten Abendstunde die Seminaristen mit brennenden Lichtern in der Hand einige Choräle vortragen. In Stollberg am Harz versammeln sich Gesangverein«, Schulkinder und die Einwohner der Stadt auf dem Marktplatze. Alle halten bunte Laternen, die sie ans hoh«n Stäben tragen, in der Hand, und bei diesem Laternenschein werden Choräle und andere G.sänge vorgetragen. Um 6 Uhr ist der Gesang beendet, die Glocken läuten von 6—7 Uhr in drei Pulsen (Pausen), und nun begiebt sich ein Jeder nach Hause, um unter Glockengeläut die MartinSgans zu verzehren. Bei Tische hat ein jeder Tisch genosse, auch das kleinste Kind, ein Martinslicht vor sich stehen. Die Martinsfeierlichkeiten und -Gebräuche sind nach dem Faurlleton. Ein unangenehmer Mensch. Humoreske von Karl M u r a i. Aus dem Ungarischen von Julius Halm. Nachdruck verrott». „Bitte, hierher, Excellenz, dieser Schaukckstuhl ist bequemer. Freilich ist auch dieser Sitz nicht der allei'behaglichste, aber in einem Geschäftscomptoir gehl es eben nicht anders; Excellenz müssen vorlieb nehmen." Excellenz läßt den Blick einige Male voll lebhafte: Neugier um'herschweifen, Venn was sie hier sieht, ist eine ganz neue Welt. Die schmutzigen Glaswände, hinter denen junge Leute in abge tragenen Röcken arbeüen, die riesigen Geschäftsbücher, welche sie nicht einmal Heden könnte, die verstreut umher'liegenben Muster fesseln ihre Aufmerksamkeit; sicht sie ja doch diese Dinge zu-n ersten Male aus nächster Nähe. Endlich beginnt sie: „Wenn ich nichl irre, so war ein Buchhalter Namens Johann Szabä bei Ihnen angestellt." Der Kaufherr verrieth sein Mißbehagen durch eine erstaunte Geberde und antwortete: „Ich hab« ihn entlassen." „Und warum?" „Weil er ein unangenehmer Mensch war, und ich fühle mich Wohl, seit ich ihn los bin." „Und doch war er lange Zeit bei Ihnen thälig." „Dreiundzwanzig Jahre!" „Nun, das ist ein ziemlich gutes Zeugniß für den armen Teufel. Dreiunwzwanzig Jahre in einem Geschäft, wo man Fleiß, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit fordert." ,„Ja, ja, solch« dreiundzwanzig Jahre setzen große Geduld voraus!" „Von Seiten des Bediensteten? Gewiß!" „Oh, Verzeihung, Excellenz, von Seiten des Chefs. Die Angestellten leisten nur mechanische Arbeit und gehen lustig ihrer Weg«, wenn sie fertig sind. Wir haben die Sorge, den Kampf und die Verantwortlichkeit." „Ehe wir diesen Gegenstand weiter berühren, muß ich Ihnen sagen, daß besagter Szabä auf die Sekretärsteil« bei einem unter mein«r Leitung stehenden Wohlthätigkeitlinstitute aspirirt. heiligen Markin benannt. Dieser wurde im Jahre 336 zu Sa- baria in Ungarn von heidnischen Eltern geboren. Als der Knabe 10 Jahr« alt war, wurde der Vater als römischer Militär-Tribun nach Pavia versetzt und in dieser Stadt wurde der junge Martin im Christenthum unterrichtet. Nur erst 16 Jahre alt, trat der Jüngling als Officier in das Herr des Kaisers Constantins und lag zu Amiens im Winterquartiere. An diesen Aufenthalt knüpft sich die folgende bekannt« Legende. Eines Tages, im Januar 354, als er durch das Stadtthor gehen wollt«, sah er einen armen Menschen fast nackend und zitternd vor Kälte am Wege stehen. Rasch zog Martin das Schwert aus der Scheide, schrüitt seinen weiten Mantel mitten durch und gab die Hälfte dem Entblößten. In Gallien feiert« man um das Jahr 500 d«n Bcgräbnißtag (11. November) des heiligen Martin, und im Jahre 650 ver ordnete der Papst Martin die allgemeine kirchliche Feier dieses Tages. Dieses kirchliche Martinsfest wurde nun auf germani schem Boden mit ganz besonderem Glanze gefeiert, es war hier nicht nur ein kirchliches, sondern vorzugsweise ein Volksfest. Das letztere aber war es hier in dem Sinne, daß sich eine bereits weit ältere heidnische Feier mit dem kirchlichen Martinsfest« äußerlich verband. Diese alte Feier war die alte heidnische No- vember-Herbstfeier, welche dem Wodan als Erntegott galt. Diese altheidnischen Gebräuche können gar nicht in Verbindung mit der späteren kirchlichen Feier g«bracht werden. Um die Martinszeit mußten gewisse Abgaben der Kirche dar gebracht werden.' Die Angelsachsen opferten am Tage des hl. Martin am Altäre eine bestimmte Quantität Weizen. In Deutschland wurde bereits zu Karlls des Großen Zeit das Martinsfest zum allgemeinen Zinstage gewählt und wegen der an diesem Tage fälligen Zinsen hieß es sprichwörtlich: „Martin ist ein harter Mann oder schlechter Bezahler." Wie es scheint, bekamen auch die Mönch« feiste Martinsschweine. Simrock (Martinslieder) sagt in dieser Hinsicht: A. W. Schlegel scheine auch von Martinsschweinen (als Abgabe an die Kirche) ver nommen zu haben, indem er singe: Die heidnischen Westfalen, Sie schlachteten nicht ein. Die Mönch« darauf befahlen Ein feist St Martinsschwein. Eine andere Abgabe waren die Martinshühner. Die Gans gehöte zu dem Matins-Lehen-Zins, der an Martini bei aus gehender Sonne unfehlbar entrichtet werden mußte. Auch die erste Spende an Wein fällt schon früh auf Martins tag. Der Mertenstrunk ist in Deutschland, der Schweiz, Frank reich, Holland und dem Norden bekannt. In den Landschaften, in welchen Wein gebaut wurde, stach man den ersten Wein auf Martini an, woher das Sprichwort kommt: Heb' an Martini, Trink Wein per cironlnm nnni. Wir haben also in der Martinsminne «in Erstlingsopfer vom heurigen Wein zu erblicken, und eben deshalb, weil sie ein Opfer war, schrieb der Volksglaube dem Brauche die Wirkung zu, daß St. Martin dadurch bewogen werd«, den in den Fässern gähren- den Most in Wein umzuwandeln. Letzterer Glaube war allge mein verbreitet, wofür folgende alte Liederformeln sprechen: Auf Martini schlacht man fette Schwein' Und wird allda der Most zu Wein! — Martin«! Martine! Hae vespern mustnm, rrns vinum. — St. Martein übt guten Wein, Kann aber den Bauern und Zinsleut' schrecklich sein. Alte Zinsbücher auS den Weingegenden Deutschlands und der Schweiz verzeichnen um Martini die an Herrschaften. Klöster, Darum interessire ich mich für ihn. Der Arme kämpft mit großer Noch, seine Frau kränkelt, und dazu hat er vier kleine Kinder." „Ja, so geht's hält. Früher war er leichtsinnig, ist jeden Sonntag Nachmittag ins Kaffeehaus gegangen und wenn ich mich nicht irre, hat er sogar hier und da eine Partie Billard gespielt. Dann hat er mit seiner Frau am Abend im Grünen genacht- mahlt- Einmal habe ich ihn in einem Restaurant getroffen, wie sie eben Gansbraten mit Güikensalat aßen." „Ach du lieber Gott, der Mensch muß sich doch auch eine Zer streuung gönnen." „Als ich Buchhalter mar und so einen Gehalt bezog wie er, habe ich in der Arbeit Zerstreuung gesuchl unld gefunden- Ich habe mich in Spekulationen eingelassen und dabei gewonnen. Oh, Excellenz, in seinem Alter habe ich nicht daran gedacht, daß man sich auch zerstreuen muß, und es fiel mir gar nicht ein, am Sonntag in einem Resttaurant Gansbraten mit Gurkensalat zu bestellen, sondern ich berechnete, daß, wenn ich mich am Abend hungrig hinlege, ich das Geld erspare, das mir das Nachtmahl k0ft«t." „So ein Leben ist keinen Pfifferling Werth." „Ich kann Ihnen sagen, Excellenz, daß ein solches Leben ein Hochgenuß ist und den Grundstein zu künftigem Glücke legt. Der leichtsinnige Mensch hat kaum eine sich«re Stelle gehabt, als er sich schon den unerhörten Luxus erlaubt«, verkiebt zu sein und neben dem Hauptbuch Verse machte und Liebesbriefe schrieb. Ja, er war sogar so leichtsinnig, daß er das Mädchen, das er liebte, auch grheirathet hat, Mchon er wußte, daß sie ebenso war, wie er selber. Was war die Folge? Er hat seine Stelle verloren; die Familie hat sich vermehrt, die Frau kränkelt und er steht vor der Frage, ob's nicht besser wäre, wenn er sich ins Wasser stürzen würde." „Vergessen Sie nicht. Verehrter, daß er dar Glück gekostet hat, daS große, hitmmKsch« Glück, das Einem Frau und Kinder bieten." „Excellenz fassen daS Leben sehr poetisch auf. Auch ich habe geheirathet und habe Kinder; aber daS Glück, das sie mir gewähren, hat gar nichts Himmlisches, sondern sehr viel Irdisches an sich. Glauben Sie mir, dieses Glück kostet mich sehr viel Geld. Meine Frau führt ein großes Haus. Meinen Töchtern muß ich riesig« Mitgiften geben, und mein Sohn lebt, als wäre er ein Prinz." „Sie sind ein reicher Mann." „Das kann ich nicht leugnen, denn die SteuerbemessungS Kirchen, Capellen und Pfarren zu liefernden W«ing«fälle. In württembergischen Klöstern hatte sonst der Prälat die Verpflich tung, allen Leuten seines Ortes den Martinswein zu geben. So erhielt in der Probstei Hellingen jeder Lehensinbatxr ein Maß, jeder Greis oder jüde Frau ein halbes Maß, Knechte und Mägde, selbst das Kind in der Wiege ein Viertel oder einen Schoppen. In Würzburg wurde den Armen auf Martini Wein ausgethetlt, ebenso empfingen noch im vergangenen Jahrhundert die Bürger der Altstadt zu Hanau am Martinstage nach altem Brauch und Herkommen ein Maß Martinswein aus dem Schloß keller verabreicht. Es darf nicht auffallen, daß dem Martinswein besondere Eigenschaften zugeschrieben werden. Der am Martinstage ge trunkene Wein soll Stärke und Schönheit bringen. Daher kommt es, daß im Böhmerwalde Burschen und Mädchen sich in den Dorfschenken versammeln, um gemeinschaftlich zu trinken. Damit aber die Mädchen aus Sucht, schöner zu werden, nicht zu weit gehen, pflegen die Eltern sie zu bewachen. Wie der heilig« Martin nun dem Weine solche Kraft verleihen soll, so soll er auch nach dem Volksglauben bewirten, daß der Most den Tag nach dem 11. November in W«in verwandelt werde, worauf das Sprichwort zielt: „Nach Martini gut«r Wein (post Llartiuum bouum vinum)." Wie St. Martin nun aus Most Wein machen konnte, so ver mochte er sogar Wasser in Wein zu verwandeln. Das erzählt uns Sommer (sächsische Sagen) folgendermaßen: Am Martini tag stellen in Halle a. S. die Kindre der Halloren Krüge mit Wasser in die Saline. Die Eltern gießen das Wasser heimlich aus, füllen die Krüge mit Most, legen auf jeden Krug ein Martinshorn, verstecken sie und h«ißen die Kinder den „lieben Martin" bitten, daß er ihr Wasser in Wein verwandle. Dann gehen di« Kinder des Abends in die Saline und suchen die Krüge, indem sie rufen: „Marteine, Marteine, Mach' das Wasser zu Wein«." Daß übrigens diese Martins- oder Herbsttrünke, di« früher- hin auch im Elsaß seit undenklichen Zeiten im Schwang« waren, ausartet«n und zu Saufgelagen und Schlemmereien führten, darf nicht Wunder nehmen. Darüber erschollen in früheren Zeiten mannichfaltige Klagen, und diese Martinsgelage wurden deshalb von der Landesobrigkeit abgeschafft oder eingeschränkt. Wie arg eS bei derartiorn Herbstfesten hergegangen sein mag, kann man daraus abnehmen, daß sogar Derjenige, welcher sein Hab und Gut verpraßt hatte, ein „Martinsmann" genannt wurd«. In Italien genießt man den frischen Wein auch am Tage des heiligen Martin, um dieselbe Zeit, wann dies von den Griechen geswab. -1 8rm Nnninu oxni mostu s vmo, sagte ein sirilianisches Sprichwort. Dieses ländliche, überaus heitere Martinsfest ist an die Stelle jenes Festes getreten, welches bei den Griechen die kleinen oder die ländlichen Dionysien hieß, von deren Lust und Lärm uns Aristophanes in seiner Komödie „Die Acharner" eine lebendig« Schilderung hinterlassen hat. Wein genuß und Schmaus bildeten die Hauptsache, ebenso beim Wein fest der sogenannten Anthesterien, bei welchen Wettkämpfe im Trinken des neuen Weines angestrllt wurden. Diese herbstliche Weinlust hat San Martino unter seinen weiten Mantel genommen. Das Volk erzählt, daß er einen Be trunkenen, der in der Kälte am Wege lag, mit seinem Mantel zudeckte, und daß er deshalb vom christlichen Volk zum Beschützer der Trinker ernannt wurde. In Frankreich wurd« nach der Weinlese (10. November) lange Zeit bei Mahl und Tanz tüchtig gezecht, wobei der hl. Martin ebenfalls schlecht wegkam, indem sein Name in gewisser Hinsicht anrüchig wurde. Ein Salzburger commission hat es mir schriftlich bestätigt. Aber bedenken Excellenz, um wieviel reicher ich sein könnte, wenn mir dies Glück erspart geblieben wäre. Ich müßie kein« Gäste laden, und das Souper würde nicht mit Austern beginnen. Auch würde ich keine Bälle geben und hätte keine Idee davon, wie theuer das Leben in Ostende ist." „Sie sind zu sparsam und überschätzen den Werth des Geldes." „Sagen Sie frei heraus, daß ich ein Geizhals bin- Ich leugne es nicht. Aber nicht hiervon war ja die Rede." „Sie haben Recht. Ich will über besagten Szabä Erkundi gungen einziehen." ' ,Sitte zu fragen, ich «werde antworten." „War er ehrlich und verläßlich?" „Ach, diesbezüglich habe ich keinen Grund zum Tadel gehabt. Sein« Ehrlichkeil ist über den Schatten jedes Verdachtes echaben, und ich konnre mich auf ihn verlassen, wie auf mich selbst." „Und sein Fleiß?" .Mährend der 'dreiuirpManzig Jahr«, die er in meinem Geschäft ihätig war, ist! er ein einziges Mal durch seine Schuld ausgeblieben." „WaS hatte er gethan?" „Als er inS Geschäft eilte, wurde er von einem Tramway wagen angerempelt. Damals las ich ihm tüchtig die Leviten, und seitdem ist er achtsamer geworden." „Wenn er aber so verlähkich, ehrlich und fleißig war, warum haben Sie ihn entlassen? War er vielleicht ungeschickt?" „Im Gegentheil, er war äußerst verwendbar und anstellig." „Dann begreife ich nicht. Hat er etwa Schulden ge habt?' „Bei mir kann kein Ang«st«llter Schulden haben. Wer mit seinem Gehalte nicht auSkvmmt, wird verdrossen, und dem kann man nicht trauen. Ich glaub«, er war sogar seinem Schneider nichts schuldig; und das kann ichselbst von mir nicht be haupten" „So wiederhol« ich also meine Frage: Warum haben Sie ihm gekündigt?" „Er war ein unangenehmer Mensch. Sin sehr unangenehmer Mensch. Brrr." „So? Und inwiefern?" „Ob mir Excellenz glauben oder nicht, seit zwanzig Jahren hat dieser Mensch mir jeden frohen Tag, jedes Freudenfest velditiert. Wenn ich ihn nicht entlassen hätte, wäre ich über kurz oder lang zum Selbstmörder geworden." Mönch des 14. Jahrhunderts hat den hl. Martin durch ein Wein lied v«rh«rrlicht: Sei willkommen^ Herr Martein, Lieber zarter Herr« mein, Schenk «in uns den W«in Sonder Peiw, Daß wir immer selig müssen sein. Schenk uns ein Ein gutes Trünkelein, Daß uns unsre Wängeleiri Werden fein. Geuß auS, schenk ein! Durch solche Weinspenden wurde der hl. Martin der Patron der Freigebigkeit. In solcher Zeit mußt« auch di« schön« Leg«nde, welche uns die Theilung des Mantels erzählt, wahrscheinlich von zechenden Mönchen ein« profane Auslegung erleiden, man erzählt nämlich, der hl. Martin habe dem Wirth die schuldig« Zeche mit der Hälft« seines Mantels bezahlen müssen, daher reimten si: von ihm: St. Martin war ein wilder Mann, Trank gern« Oerevisiam, Und hott' doch kein köcllmam, Drum muß er lassen luaicsm. Der MartinsschmauS fand am Abend des 10. November statt. Das Festgericht bestand auS gebratenem Kalbs-, Schweine- und Hühnerfleische, Würste, namentlich aber auS dem Brawn einer gemästeten Gans. Arm« sprachen Wohlhabende an, ihnen mitzuth«ilen. Most oder der neue Wein wurde angestochen und in großen Humpen und Pokalen darg«reicht. DaS nannte man den Martinswein, der zu der Ehre des St. Martin ge trunken wurde. Auf ihn wurde angestoßen, sein G«dächtniß, oder was dasselbe ist, seine Minne wurde getrunken. Aber auch zum Lobe der Martinsgans erschollen Lieder, auch ihre Minne wurd« nach heidnischem Brauch ausgebracht. Zur Vorfeier des Gelages fanden, wie einst bei den Göttersesten, noch im Mittelalter Spiele statt. Hiervon erzählt Sebastian Frank in seinem Weltbuch: Zwei Eb«rschwein« kämpften an diesem Tage in ein«m Circus mit einander, bis sie sich zerrissen hattrn, deren Fleisch dann theilL dem Volke, daS B«st< aber der Obrigkeit gegeben wurde. Nach dem Schmause folgte wohl ein« Tanzbelustigung, die daS Fest schloß. Alle diese Züge weisen auf hohes Alterthum, weisen sicher auf ein Götterfest aus der vorchristlich«» Zeit zurück, und der hl. Martin ist an di« Stelle eines Gottes getreten, dem die Gänse heilig waren. Des hl. Martinus Minne wurde schon früh getrunken. Um'S Jahr 1000 geschah dies schon von dem nor wegischen Könige Olaf Tryggwesen. Ihm «rschien der hl. Mar tinus einst im Traum und fordert« ihn auf, er möge, wie sich das für «in«n Christenmenschen gezieme, nunmehr doch den Minnebecher bei Gastmahlen zu seiner, des Heiligen, Ehre leeren, anstatt, wie bisher, des Thors, des Odins und der übrigen Äsen Minne trinken. Wie es in Deutschland beim Minnetrunt zu ging, lehrt folgendes interessante Beispiel: Kaiser Otto I. (gest. 973) trank im Kloster Emmeran zu Regensburg mit seinen Ttschgenossen, um das Mahl zu schließen, die Minne zur Ehre des hl. Emmeram Bei diesem feierlichen Minn«trunk umarmte und küßte man sich unter gegenseitiger Aufforderung zum Trinken. Am Martinstage werden auch die Martinshörner gebacken. In mehreren Gegenden ist der Tag des hl. Martin das Ende des DibnstjahreZ für di« Kuhhirten und Viehmägde. Beim Ab schied erhalten diese gewöhnlich «in gebackene- großes Horn, welches di« Gestalt der Hörner des Hornviehes hat. Es wird aus Hefenteig von Weizenmehl und Milch bereitet, mit Mohn „Ach, daS interessirt mich. Bitte, fahren Sie fort." „In den ersten drei Jahren hatte ich mit ihm gar keine Schecrerei. Wir arbeiteten fleißig und freuten uns des Erfolges. Aber im vierten Jahre, als ich heirathete und mein Schwieger vater mir die hunderttausend Gulden betragende Mitgift auf zählte, trat er vor mich hin und versetzt« mich derart in Auf regung, daß ich während des Hochzeitssestes, ja sogar aus der Hochzeitsreise vor Wuth schäumte." «Ei, ei, das war nicht schön von ihm." „Und von dem Augenblicke an verbitterte er mir jeden frohen Tag. Nicht einmal der Geburt meiner ersten Zwilling-söhne konnte ich mich freuen, denn der unangenehme Mensch pflanzte sich wieder vor mich hin." „Eigenthümkich!" „Eines Tages zog ich das große Loos, und meine Freude war grenzenlos. Ich glaubte, ich sei der Glücklichste auf Erd«n. Aber nein, ich meinte vor Zorn berstien zu müff«n, darüber, daß ich auch an diessm Freudenlage vor diesem Menschen keine Ruhe hatt«." „Und that er es geflissentlich?" „Aber natürlich. Eines Tages ging meine Frau wieder zu ihrer Mutter zurück und schrieb mir, sie wollt« sich von mir scheiden. Es ist vielleicht nicht schön von mir, aber ich muß ge- steb«n, daß ich vor Freude auf einem Bein hüpft«; d«nn ich be- rechneie, daß ich durch die Scheidung zehntausend Mark jährlich erspare." „Nun, und auch dies Mdl war er der Freudenstörer?" „Di«S Mal und imnnr. Kurz darauf machten wir Bilanz und hatten einen unerwartet großen Gewinn zu verzeichnen. Das war das glänzendste Geschäftsjahr meines Lebeni, ab«r ich konnte mich nicht freuen, denn auch diesen Freudenbecher vergällte er mir. So ging «S von Jahr zu Jathr. So oft ich ein Freudenfest feierte, so ost er m«rkt«, daß mich die Rührung über mannte, »der daß ich zugänglicher war, flug» pochte er an und trug mir mit der immer gleichen vergrämten Miene »nd mit zitternder Stimme sein Ansinnen vor, ich möge " „Nun? Was denn?" „Ich möge ihm sein Gehalt erhöhen." „Und haben Sie eS »«nigstenr gethan?" „So einem unangenehmen Menschen? Nein, Excellenz, ich hab« eS nicht gethan. Kein einziges Mal. Solchen unan genehmen Personen, die Einem dal Leben verbittern, thut man kein« Gefälligkeiten."
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