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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899121802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899121802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-18
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Der „Hamburger Correspondent" bezweifelt dies, bemerkt aber: Der Presse kann man allerdings nichts befehlen, und es liegt trotz allen osficiell angrordneten Festlichkeiten und allen privaten Antecipationcn immer noch in ihrer Macht, die Jahrhundertwende zu dem Zeitpunkt ihre- thatjächlichen Eintritt», über den kein Zweifel möglich ist, zu begehen. LS wird sich aber allerdings fragen, ob es einen Sinn hat, auf diesem Widerstande zu beharren, oder ob man im Interesse der Einheitlichkeit der deutschen Jahrhundertfeier nachgrben will unter au-drücklicher Verwahrung allerdings und in der bestimmten Hoffnung, daß der Hohe Bundes rath nicht bei der nächsten Gelegenheit festsetzt, zweimal zwei sei fünf oder die Erde stehe still." Di« „Nat.-Ztg." will die Competenzfrage nicht erörtern, da sie dem Beschlüsse der hohen Körperschaft keine besondere Bedeutung beilegt. Sie hält e- zwar gleich unS für aus geschlossen, daß die Mathematiker und die Chronologen, die anderer Meinung sind, als der BundeSrath, sich diesem unter werfen werden, aber sie ist andererseits der Ansicht, daß der Streit nach 12 Monaten gegenstandslos sein werde. Die welt geschichtlichen Perioden fielen ja doch selten oder nie mit einer Jahrhundertwende zusammen und speciell das 19. Jahr hundert werde die Geschichte ganz anders beginnen und enden lasten, als mit den Jahren 1800 und 1900 oder 1801 und 1901. Deshalb kommt da» Blatt zu folgendem Schlüsse: Aber der Sinn für Feierlichkeit, der gegenwärtig bei UN» in den „entscheidenden Kreisen" ganz besonders entwickelt ist, verlangt nun einmal, auch nach der Empfindung der minder feierlich beanlagten Menschen, nach einem Ausdruck „an der Wende des Jahrhundert»", und so wird der Beschluß des BundesrathS wenigstens den Vortheil bringen, daß man sie — nicht zweimal zn feiern braucht: mit den Enthusiasten, die nicht warten wollen, am 1. Januar 1900 und mit den methodischen Leuten am 1. Januar 1901. Der Bunde-rath kann sich übrigens auch auf einen mathe matischen Beweis für seine Ansicht, daß daS neue Jahrhundert mit dem Jahre 1900 beginne, berufen; er ist vor einiger Zeit durch einen Theil der Presse gegangen, aber er war allerding» so gelehrt, daß wir ihn nur halb verstanden und ganz vergessen haben. Im Allgemeinen hat der BundeSrath den kritischen Verstand wohl gegen sich; denn dieser läßt sich nicht von der Frage abbringen, wohin das letzte Jahr d«S ersten Jahrhundert» unserer Zeitrechnung gekommen ist, wenn diese» erste Jahrhundert schon am 31. Drrember 99 zu Ende war. Dasür hat der BundeSrath aber den äußeren Eindruck für sich: daß man schon vom nächsten ersten Januar ab die neue Johrhundertzahl schreibt. Dir» wird für die Empfindung der großen Menge wohl in der That der entscheidende Punkt sein, so daß der BundeSrath, soll» ihm der Beifall der Gelehrten für seine Entscheidung versagt bleibt, sich mit dem stolzen Gefühle wird trösten können, demokra tisch gehandelt zu haben. Und für diejenigen Deutschen, denen e» unmöglich ist, ihre arithmetische oder chronologische Ueberzeugung dem BundeSrathunterzuordnen, bleibtimmernocheineHosfnung: derFürst von Neuß älterer Linie wird sich einer Competenziiberschreitung Le» BundeSrath- gewiß nicht fügen und deshalb in seinem Lande das neue Jahrhundert erst am 1.Januar 1901 beginnen lasten; erfüllt sich diese Er» Wartung, so wird man wenigstens irgendwo in Deutschland die Jahrhundertwende al» eherner Charakter begehen können. Wir aber wollen dem hohen BundeSrath unsere Ehrfurcht rrwrisen, indem wir unseren Rückblick auf daS neunzehnte Jahrhundert am 31. December 1899 bringen. Der Bundesrath hat gesprochen, die Streitfrage ist beendet: da» zwanzigste Jahrhundert beginnt am 1. Januar 1900. Wir haben dem nur hinzuzufügen, daß der Bundesrath zweifellos im Rechte ist, für die Reick Sbehörden fest zusetzen, welchen Tag sie als letzten deS Jahrhunderts anzu sehen und zu begehen haben. Und was für die Reichs behörden Vorschrift geworden ist, können sich auch di« staatlichen und kommunalen Behörden, sowie die Privaten gefallen lassen. Wir haben im Reiche so viel Differenzen, daß wir um die Frage deS Beginnes des neuen Jahrhunderts keine neue zu schaffen brauchen. Was man sich vor 100 Jahren gönnte — wir haben schon früher einmal darauf hingewiesrn, daß damals die „beiden Großen von Weimar", Goethe und Schiller, eine Weile vrrsckie- denerAnsicht waren und dadurch Kotzebue einen dramatischen Stoff lieferten —, darf man fick im neuen Reiche nicht mehr gönnen, wenigstens nicht durch Handlungen. Die Gedanken bleiben ja doch zollfrei, und so ist auch der, daß die Zukunft die Nichtbeachtung des Urtheils der W ffenscbaft über das Ende unseres Jahrhunderts als charakteristisch für dieses Ende ansehen werde, keinem Zoll unterworfen. Der Abgeordnete Eugen Richter hat in seiner EtatS- rede aus die Eivttltsten als aus Objecte hingewiesen, durch deren Besteuerung Beitrage zur Deckung der Kosten der Flottenvorlage zu erzielen seien; insbesondere war es die Civil- liste deS Kaisers, auf die Herr Rickler anspielte. Die politischen Freunde deS Führer- der Freisinnigen Voltspartei haben diese Ausführungen laut den Parlamentsberichten mit Beifall begrüßt. Wir sind der Meinung, daß jener Beifall nicht verdient war. Wer im Reichstage zur Deckung eines Reichsbedürf- nifseS eine Steuer vorschlägt, hat offenbar eine Reichssteuer im Auge. Die Civillisten aber werden von den Einzelstaaten aufgebracht; auch der Kaiser bat von Reichs wegen weder eine Civilliste, noch eine Krondotation, noch den Genuß von Do mänen; er lebt wie in mancher anderen, so auch in finanzieller Beziehung vom Könige von Preußen. Der preußische König aber ist von direkten Landes- und Communalabgaben für seine Person und seine Schlösser frei (Gesetz vom 24. Februar 1850 Z 2c, Gesetz betreffend die Einführung einer allgemeinen Gedäukesteuer vom 21. Mai 1861 tz 3 Nr. 1). Da eS ganz ausgeschlossen ist, daß eine reichsgesetzliche Besteuerung der Civilliste deS Kaiser- zu Stande kommt, müßte die preußische Gesetzgebung geändert werden, um eine Besteuerung der Civilliste deS Kaisers berbeizusühren. Daß in Preußen weder Abgeordnetenhaus noch Herrenbaus zu einer solchen Ab änderung der preußischen Gesetze sich versieben werden, leuchtet ohne Weiteres ein. AIS im Februar 1889 die Civilliste um 3 500 000 Mark erhöbt wurde, erklärte der Abg. von Tiedemann im Namen der Commiision, die den be treffenden Gesetzentwurf vorberatben hatte: Die Dotation der Krone müsse als eine Ehrenpflicht Preußen- betrachtet werden; Preußen, al- der Bormacht Deutschland-, falle auch dieses nobile okticium zu. Der Abg. Richter bat damals die Erhöhung der Krondotalion bekämpft, sein FractionSgrnoffe Zelle erklärte im Namen der Mehrheit der freisinnigen Partei, daß die Erhöhung durch die in allen Kreisen wesentlich gesteigerte Lebenshaltung, sowie durch die auSgedebnte Repräsen tation-Verpflichtung, besonders durch die Vertretung deS deutschen KaiserthumS, begründet sei. Wie hoch indessen auch von der Ehrenpflicht Preußen- gegenüber dem Rkicke gedacht werden mag: da» erscheint ganz ausgeschlossen, daß Preußen die von ihm geleistete Krondotation zu Gunsten eine» Reichsbedürfnisses von der Art der Flottenverstärkung be steuere. AuS praktischen Gründen vollends verbietet sich eine solche Besteuerung von selbst. Seit demGesetz vom 2O.Februar1889 beträgtdieKrondolationca. 15700 000^-; diese Summe mußan- gesichts der Thatsache, daß für die preußischen Prinzen und Prin zessinnen Apanagen nicht geleistet werden, als sehr mäßig be zeichnet werden. Dazu kommt, daß die Kinder de- Kaiserpaares gegenwärtig in einem Alter stehen, in dem sie, wie man im bürgerlichen Leben sagt, erst zu kosten anfangen. Aber Herrn Rickler kam es mit seinem Steuervorschlaze ja auch garnicht darauf an, etwas praktisch Durchführbare- anzuregen. Nach Art von Volksversammlungsrednern warf er seine „Anregung" in die Debatte, vielleicht in der Vorahnung, daß eine Etat-- rede als Agitationsbroschüre gedruckt und ver breitet werden würde. Ueber eine Lympathickundgebuttg der südamerikanischen Republiken für Spante» wird uns berichtet: In den süd amerikanischen Republiken wurde vor geraumer Zeit eine Geldsammlung veranstaltet, um dasür Spanien einen Kreuzer neuester Construction als Ersatz für die im letzten Kriege erlittenen Verluste zu verschaffen, und um ihrer Tbeilnahme für die so hart mitgenommene verwandtschaftliche Nation Ausdruck zu geben. An dieser Sammlung betheiligten sich Herren und Damen Argentiniens, Uruguays und fast aller südamerikanischen Republiken, sowie auch die Mann schaften der noch übrig gebliebenen überseeischen spanischen Besatzungen. Der Kreuzer ist bereits fertig und wurde in Spanien auf den Namen „Rio de la Plata" getauft. Jetzt wird derselbe von Spanien auS eine lange Reise rrnter- nebmen, um die meisten Küsten Südamerika- zu besuchen, und den Spendern, durch deren Freigebigkeit er geschaffen wurde, den warmen Dank Spanien- zu überbringen. Zu nächst wird er sich nach Santa Cruz in Tenerifa begeben und von dort nach den Canarischrn Inseln, ferner wird er das Cap von Verde umfahren und dann den Weg nach Argentinien und Uruguay einschlagen. In Montevideo und Buenos Aires haben die dortigen Damen für daS Schiff das nationale Banner in Gold und Silber gestickt, und eS wird ihm dasselbe bei seiner Ankunft feierlickst überreicht werden. Darauf wird der Kreuzer die Magelhaenslraße paisiren und von dort nach dem Stillen Ocean durch die schwer zugäng lichen Klippen, die sog. deS CdiloS, fahren um nach Coquimbo, Lora y Quique und bi» nach Guayaquil und Callao zu gelangen. Der „Rio de la Plata" wird von dem Capitän Mac Mahon, einem Neffen des berühmten französischen Marschalls, geführt werden. Der Krieg in Südafrika. Nach den Berichten de- KriegSamtS in London sind die Verluste Buller'» in der Schlacht am Tugela außerordentlich bedeutende. Buller giebt sie an Todten, Ver wundeten, Gefangenen und Vermißten auf 1097 Mann, ein schließlich 66 Officieren, an. In der Brüsseler TranSvaal- gesandtschaft dagegen schätzt man die Verluste der Engländer aus 1500 Mann. Das dürfte auch daS Richtiger« sein, da die officiellen englischen Berichte, wie sich jedes Mal später herausgestellt hat, regelmäßig nct usuw populi zurechtgemachl sind. Wie bei den früheren Kämpfen ist auch am Tugrla da» OsficierScorpS wieder stark gelichtet worden. Von ihm sind, wie gemeldet, 6 todt, 42 verwundet, 15 gefangen, 3 vermißt. Die Gesammtzabl der Vermißten beträgt 348.2 DaS Wort „vermißt", da» man so oft in den officiellen Berichten vom südafrikanischen Kriegs schauplatz« findet, ist, wie ein englisches Blatt erklärt, ein sehr dehnbare» Wort. E- kann bedeuten, daß Leute getödtet wurden, ohne daß man ihre Leichen finden konnte; es kann bedeuten, daß sie gefangen genommen wurden oder daß sie — desertirten; eS kann endlich auch bedeuten, daß sie von der Hauptlinie abgekommen sind und sich nur durch irgend einen Zufall verirrten. Derartige Fälle kamen im englischen Heere unter Wellington häufig vor. So schreibt er nach der Schlacht von Victoria: „Ich weiß nicht, waS ich mit unseren von der Marschlinie abgekommenen Soldaten thun soll. Gestern hatten wir 12 000 Mann weniger unter den Waffen, al- vor der Schlacht bei Victoria. Sie sind nicht im Spital, sind nicht getödtet worden und auch nicht in die Hände der Feinde gefallen. Ich glaube, sie halten sich in den Gebirgsdörfern verborgen." Dieses „Ber- borgensein" ist jedenfalls nur eine optimistische Umschreibung sür Desertiren. Es scheint demnach, daß man da» Wort „vermißt" der officiellen Kriegsberichte mofficiell öfter — abgesehen natürlich von den Officieren — durch da» Wort „desertirt" ersetzen muß. Da» Gelände, auf dem die Schlacht sich abspielte, ist folgendermaßen ge staltet: Der Tugelafluß strömt in diesem Theile Natal- ,m Allgemeinen in der Richtung von Westen nach Osten, er muß sich indessen in zahlreichen Windungen durch ta» Gebirge seinen Weg bahnen. In einem solchen Knie, in dem der Fluß nach Norden auSbieat, um sich dann westlich und weiterhin aufs Neue nach Norden zu wenden, liegt auf der Südseite des Flusses, der ein paar Kilometer östlich in zwei Wasserfällen abstürzt, der kleine Ort Co len so mit der Eisenbahnstation. Die Bahnlinie überschreitet in nördlicher Richtung auf der Bulverbrücke den Fluß, während etwa 1 Icm oberhalb die Straße nach Harrysmitb in einer zweiten Brücke über Len Tugela führt. Beide Brücken hatten die Boeren zerstört. Das Gelände ist stark durchschnitten und besonders im Osten der Bahnlinie bewaldet, (rin Reisender schildert die Gegend folgendermaßen: „Der Fluß, hier noch schmal und flach, schlLngelt sich zwischen hohen Bergen hin, auf deren steilen, steinigen Abhängen verkrüppelte, mit finger langen Dornen gewappnete Akazien stehen. DaS Flußbett ist von großen blankgewafchenen Steinen durchsetzt. Ein hübscher breiter, wenn auch nicht hoher Wasserfall ist von der Bahn au» leccht zu erreichen." Colenso ist 278 kor von Durban entfernt, auf der anderen Seite deS Flusses, etwa 20 lcm nördlich, liegt Ladysmith. Fsre-U-tsn» Line AorLlanLgeschichte. Don v. Paul Kaiser. kNachdnlck »erboten.) „Du verkauftest viel mehr", erwiderte Mutter Toljr. „Ich kann doch unmöglich alle verkaufr haben." „Du hast gewiß die anderen beim Spielen verloren. Du spieltest, und ich sah Dich ein Mal nach dem anderen verlieren." „Ich kann aber doch nicht all« sechzig Rennthierr verkauft oder verspielt haben", sagte der junge Lappe in Heller Ver zweiflung. „Ich erhielt allein für da» große Thi«r fünfzig Kronen." „Du warst nicht mehr nüchtern", entgegnet« Mutter Tolje, „Du weißt nicht, was Du gethan hast." „Da» wäre doch ein« groß« Schurkerei, welch« jene Menschen verübt haben." „Gewiß ist e» eine solche", antwortete die mütterliche Freundin. Auch sein Geld war fort. Alle» verspielt. In düsterem Schweigen saß er da. Mutter Tolje wollte ihn trösten. Auch Ander« versuchten e». ES ist ja oft ein wenig Trost für die Unglücklichen» Genossen im Leiden zu haben. Sie erzählten ihm, daß auch Andere viel verloren hätten. Aber bei ihm wollte dieser Trost nicht recht sein« Wirkung thun. Er hatte seinen ganzen Besitz verloren. Uiw da» durch Trinken und Spiel! Reue und Scham wühlte in seiner Brust. Wenn dan«ben noch irgend ein Gefühl aufkam, so war e» Haß, glühender Haß gegen die Be trüger, welch« sich seine Schwachheit zu Nutze gemacht hatten. Al» Jakko au» seinem Tiefsinn erwachte, erklärte er seinen Freunden, er wolle fort, weit fort. Er wolle in ein« Gegend, kn der ihn Niemand kenne. Seine Freunde hielt«» so viel auf ihn und bedurften ihn so dringend. vi«le Jahre hatte er in Toy«'» Dienst gestanden und dabei nicht blo» um Lohn gedient. Er war kein Lohndiener. Er hatte nicht auf seinen Dortheil gesehen. Er war in Tolje'» Familie ein unentbehrkichtr Mann, und man machte keinen Unterschied zwischen ihm und den Familienangehörigen. Mit großer Lieb« hingen Tolje'S Kinder an ihm. Er spielte mit ihnen. Er erzählte ihnen, wenn si« um'S Zrltsturr saßen. So dacht« auch er mit schmerzlicher Wehmuih an «ine Trennung. Aber bei einem harten Verlust will man auf dem gewohnten Leben-gleise nicht weitrr gehen. Man wird dabei zu ost an seinen Schmerz erinnert. Jakko empfand das tief. Er sehnte sich heraus aus den bisherigen Lebensdeziehungen in ganz andere. Es ging ihm besonders nahe, daß er an seinem Unglück einen großen Theil der Verschuldung trug. So sollte es em neuer Lebensansang sein, äußerlich und innerlich. Er wollte durch einen noch eifrigeren Dienst, den er in ferner Fremde suchen wollte, wieder gut machen, was er durch seinen Leichtsinn verschuldet hätte. Richt einmal Abschied nehmen wollte er von allen Freunden. Mochten sie durch Tolje hören, was ihn in die fernen nordischen Alpenlandschaften hinausgerrirben hatt«. Er wollt« dann wiederkehren, ein Mann, kein verachteter, kein besitzloser Mann. Auf diesem Wege in die ungewisse Fremde, an diesem Abschnitt zwischen Vergangenheit uns Zu kunft trafen wir den Wanderer. Frischer Schmerz ist doch der schlimmste, und d«r grub und wühlte in sein«r Brust., Zuweilen dachte er, es wäre für ihn am Besten, für immer'in seinem Schneehaufen begraben zu sein. Aber er schloß die Oeffnung nicht, die ihn mit der Außenwelt verband. Die Lebenslust und die Jugendkraft waren stärker als sein Schmerz. III. Auch die äußere Ruhe wollte nicht kommen. Wieder schlug Argo an. Der tr«ue Wächter in dem engen Schneegelaß mußte wirklich etwas zu melden haben. Einer kleinen Furi« ähnlich, war er hinausgestürzt. Jakko sprang wieder auf, schüttelte etwas von dem vielen Schnee von seinen Kleidern. Seinen Stab in der Hand, stand er alsbald vor der Oeffnung. „WaS hast Du nur, Argo?" Aber Argo bellt« und wüthete fort. Jakko konnte nicht» entdecken. Hatten wirklich Wölf« um das Schneelager in der Nacht ihr Wesen? Nur die Schatten an den fernen Bergen sah er weiter ziehen, wie vorher. Sonst sah und vernahm er nicht». „Argo komm!" Der Hund aber hörte nicht und lief bellend in die Nacht hinaus. Sinnend stand Jakko. Aber wie schrak er zusammen, al» er mit einem Male ange rufen wurde. Die Stimme kam au» der Nähe. „Hark ju!" d. i. Hören Sie! hieß e» in lappisch» Sprache. E» war eine melodische Stimme. Eine Frauen-, eine Mädchenstimme schien «» zu sein. „Hark ju!" hieß e» wieder. Es war ein freudiges Erschrecken, da» durch Jakko'» Seele ging. So ist e» dem Wanderer in der Wüste, der auf der öden Reise lange nicht» gehört hat, al» seinen eigenen Tritt und den seines Thieres, und plötzlich und unerwartet Menschen trifft. Einige Hundert Schritt entfernt standen zwei Personen, sie standen auf Schneeschuhen und auf ihre Skid- stäke gelehnt. Sie zögerten, näher zu treten. Durch den Hund, welcher die Näh« der Ankömmlinge gespürt hatte, waren sie darauf aufmerksam geworden, daß ein Mensch nicht weit sein konnte. Es war ein Knabe von etwa zehn und ein Mädchen von etwa siebzehn Jahren. Wie kamen sie hierher? In diese kalte Einöde? Zu dieser nächtlichen Stunde? Während sich Jakko diese Fragen im Stillen vorlegte, waren si« näher getreten. Man erkannt« nun, daß Beide ihrer Kleidung nack Lappen waren. Das Mädchen aber war von stattlicher Gestalt und Schönheit. Sie war eine ungewöhnlich« Er scheinung. Wäre nicht die Kleidung wie der ganze Schnitt des Gesichtes lappisch gewesen, man hätte sie für eine Schwedin oder Norwegerin oder Finnin halten können. „Woher des Weges so spät?" — fragte Jakko. „Wir sind von der norwegischen Grenze herübergekommen." „Sind das Heerden dort oben auf den Bergen?" „Es sind unser« Heerden", nahm da» Mädchen wieder da» Wort. „Wir gehören zwei Familien an, di« dort ihren Umzug halten und herüber kommen." ES wann also doch Rennthiere und keine Wolkenschatten. Argo hatte Recht gehabt, als er sie anmeldete. Der Sinn der Lapphund« ist sehr scharf. „Warum seid Ihr nicht bei den Heerden geblieben?" „Die Unsrigen hoben von den Bergen ein kleine» Gehöft hier uniten gesehen. Nach diesem Hofe sind wir voraus geschickt und sollten da die Nacht zubringen, aber wir verirrten un» auf dem Wege. Darum ist es so spät geworden." Jakko war, wie wir wissen, nicht im Stand«, die gewünschte Auskunft nach diesem Hofe zu geben. Hatte er doch selber ver geblich nach einem Unterkommen cru»grspäht; aber er war bereit, sich den Beiden anzuschließen und mit ihnen in der bezeichneten Richtung nach der Niederlassung zu suchen. So legt« er die Schneeschuhe wieder an seine Füße und glitt mit sein«« Be gleitern dahin. Der groß« fremde Mann schien doch den Beiden einig« Furcht einzuflößen. Sie sagten wenig und antworteten nur schüchtern auf seine Fragen. So kamen sie ziemlich schweigsam an eine Stelle, von welcher man den kleinen Hof, von einige« Hügeln um schlossen, sehen konnte. Schon vorher hatte Argo da« -«gemeldet. Sie wurden froh, daß ihnen gastlich« Aufnahme und Nachtruhe winkte. „Da, dort!" — riefen sie fast aus einem Munde, als sie des Gehöftes ansichtig wurden. Zwischen ihnen und dem vorgeschobenen Bauerngehöft lag ein Fluß, der nur theilweise gefroren war. Bei dem jähen Fall, dcm diese Bergflüsse ausgesetzt sind, ist es trotz der Kält« möglich, daß sie theilweise offen bleiben. „Hier", sagte Jakko, „ist eine Stelle, an der wir übersetzen können. Fahre nur in meiner Fährte", rief er dem Knaben zu, „weder zu weit nach rechts, noch nach links. Es könnte gefährlich werden." Jakko schoß an dieser Stelle pfeilgeschwind hinüber und der Knabe folgte ihm. Da aber Hünen sie hinter sich einen gellenden Schrei. Das Mädchen war doch etwas seitwärts über ein vom Wind« zusammengetriebrneS Schneehäuflein gefahren, das auf einer sehr dünnen Eisdecke lag. Schnee und Eit hatten nach gegeben und das Mädchen war in kalte Nässe gestürzt, dabei in Gefahr, unter die Eisdecke zu gerathen. Den Schrei hören und zurückstürzen, ist eins bei Jakko. Mik Sturmeieele wirft er sich dem Mädchen nach. Aber kaum hat er sie ergriffen, bricht das schwach« El» unter seinen Füßen. Ein neuer Schrei au» dem Munde de» Mädchen», und dann «in Ringen und Kämpfen im Wasser, Schnee und Ei», in dessen Gemenge sie versinken. Hätten di« Schneeschuhe an dm Füßen nicht am Schwimmen gehindert! Neid« schienen verloren. Der Knabe schrie nach dem Hofe zu um Hilst. Da stieß Jakko mit seinem langen Tkidftab«, den er in der Hand behalten, kräftig nach unten. „Grund", Grund" — ent rang ct sich wie ein Freudenrus seiner Brust. So hielt er sich mit dem Stabe über Wasser, während er mit der anderen Hand die dünnen EiSstücke wegbroch und mit den Zähnen den Pelz de« Mädchen» erfaßte. Jetzt gab da» E!» nicht mehr dem Druck der starken Hand nach. E» war ein« Stell« da, an der er vor sichtig wogen durfte, sich in liegender Stellung hinaufzuschwingen So gelang die Rettung. AIS der Knabe an Vie Stelle geeilt, war sie vollbracht. „Dank! — Tausendfacher Dank!" — stammelt« da» Mädchen. Aber Jakko erwiderte: „Da ist nicht» zu danken!" Nun aber war <» gerathen. In den nassen Kleidern bei der herrschenden Kälte so bald wie möglich do» winkend« Obdach zu suchen. Die Schneeschuhe freilich konnten die Beiden nicht benützen. ES hatte sich da» Ei» in dicken Lagen anarsrtzt und machte sie zunächst unbrauchbar. So machte man sich daran, sie von den Schuhen abzubekommen und die langen Holzgeräthr auf die Schultern zu nehmen. Jakko lud sich Leide Paare auf,
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