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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991219013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899121901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899121901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 9934-9937 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-19
- Monat1899-12
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Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr, di« Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Lrdartion und ErpeLitio«: A«tza«nt»»asse 8. Di« Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filiale«: Ttt« Rlemm's Eortim. (Alfred Hahn), UuiversttätSstraß- 3 (Paulinum), LoniS Lösche, kathariurustr. 14, Part, und KönigSplatz 7. Bezugs-Preis kn der Hauptexpedition oder den im Gtabt- breirk und den Vororten errichteten Aok» aaoestellrn abgeholt: viertrliLhrlich^l4.bO, bei »wennalioer täglicher Zustellung ins Han» LLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrstährlich ^l S.—. Direkt» tägliche Kreuzbandirudung iuS Ausland: monatlich 7.50. Morgen-Ausgabe. ApMer T aMaü Anzeiger. AmlsUatt des ÄönigNchen Land- imd Ätttlsgerichles Leipzig, -es Mathes imd Molizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. » AuzeigeuPrei- die 6 gespaltene Peützeile 20 Pfg. . 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Wir wissen eS nicht, möchten eS jedenfalls nicht so bestimmt behaupten, wie die- die Mehr« zahl der Prehorgane tbut. Aber eins ist sicher: der Taktik der Parteien liegt die „Geaeralidee" zu Grunde, daß der Präsident und der Vicepräsident des preußischen Staats» Ministeriums im Kampfe liegende Gegner seien und der Sieg d«S einen mit dem Sieg der einen Parteigruppe und mit der Niederlage der andern gleichbedeutend sei. Vom Eentrum soll später die Rede sein. Der im Sonnabend- Abendblatt wiedergegrbene, au» Shakespeare-ReminiScenzen gewobene versteckte Angriff des nationalliberalen Parteiorgans auf Herrn v. Miquel deutet auf Kriegs bereitschaft, die Eonservativen auf der andern Seite setzen die Bcfebdung des Fürsten Hohenlohe fort und die „Kreuzzeitung" ergebt sich in ihrer letzten Ausgabe in sehr rniquelfreundlichen Auseinandersetzungen. Die Auslassung de» nationalliberalen Organs haben wir mitgetbeilt, weil sie einen AnhaltSpunct zur Beurtheilung gewisser Berliner Stimmungen bietet, wir wagen aber vorläufig noch die Ver- muthung, daß im Gegensatz zu der Bekundung de» Ver trauen- für den Fürsten Hohenlohe, die im Reichstag erfolgte und auSgesprochenermaßen eine Kundgebung der national liberalen Gcsammtpartei gewesen ist, jene negativen Liebens- Würdigkeiten gegen Herrn v. Miquel preußischen Sentiment entsprungen seien. Herr v. Miquel gehört ja auch den Preußen ganz allein. WaS die Eonservativen anlangt, so kann nur wieder holt werden: sie befinden sich im Kriegszustände gegenüber dem Reichskanzler. Der Versicherung, daß sie ihn nicht stürzen wollen, weil die Berufung und die Entlastung von Ministern das unbeschränkte Recht deS Kaisers und König- sei, kommt keine andere Bedeutung als die einer höfischen Wendung zo. Sie stellen ihn al» einen der Krone, dem Reiche und Preußen schädlichen Berather deS Königs hin, und wenn ihre Absicht nicht auf seine Beseitigung ginge, so bliebe nur das Dilemma: die Eonservativen schildern entweder wider bessere- Misten oder sie sind keine Patrioten. Das Wort von der „Kriegserklärung" bat gar kein „Liberaler" gemünzt, es rührt von dem aus Gewöhnung bei der Reichspartei ver bleibenden, aber erzrechtsconservaliven und erzazrarischen Herrn v. Kardorsf her, der, wie man jetzt dem stenographischen Be» richte entnimmt, im Reichstag auch erklärt hat, er persönlich — nickt seine Partei — unterschreibe die Kriegserklärung. Herr v. Kardorsf hat jedenfalls gewußt, was er unterschreibt; er hat dazu noch von „einer vollkommenen Kriegserklärung" gesprochen. Auch die Presse der Leitung deS Bundes der Landwirthe, die consermtiv ist, zeigt sich auf dem KriegSpfade. Die „Kreuzztg." selbst glaubt nichts Anderes, als einen tödtlichen Schlag zu führen, wenn sie die Erklärungen des sächsisckenFinanzminister» v. Watzdorf gegen socialdemokratiscke Agitationen im Kreise der Eisenbahnbediensteten mit der Be merkung begleitet: „Glücklicherweise bat der „Muth der Kalt blütigkeit" noch nickt bei allen Staatsmännern Eingang gefunden!" DaS wackere Organ ist, beiläufig bemerkt, den Beweis schuldig geblieben, daß die preußische Eisenbahn verwaltung nicht so verfahre, wie nach Herrn von Watzdorf in Sachsen zu verfahren sei. Der Beweis wäre auch nicht zu erbringen. Ehrlicher als die „Kreuzztg." und die hoffähigen oder die verlorene Hosfähigkeit zurück ersehnenden Führer der konservativen Fraction de- Reichstags» stellt der gleichfalls conservative „Reicksbote" den Kriegs zustand fest, indem er Regierung und Partei zum Frieden räth. Ersterer mit der kleinen Zumuthuna, „zu Weihnachten" die gemaßregelten Beamten wieder einzusetzen. Die Leitung deS Bundes der Laudwirtbe begnügt sich schon nicht mehr mit der Bekämpfung de» Fürsten Hohen lohe durch da- Werkzeug der eonservativen Partei, sie bat bereits die Feindschaft gegen den Reichskanzler zum Schibbo- leth der echten Bündler erklärt. Nachdem sie bemerkt: „Die Rrich»regierung weiß ganz genau, woran sie ist, und wir wissen ebenso genau, woran wir mit ihr sind", schreibt die „Deutsche Tageszeitung": „DaS Verhältnis deS „Bundes brr Laudwirtbe" zu den politischen Parteien hat sich durch die letzten Auseinandersetzungen zwar nicht verschoben, dürfte aber doch in Zukunft sich rin wenig ändern. Ts ist ganz klar, daß die im „Bunde dec Landwirthe" vereinigten deutschen Landwirthe sich zu den Parteien mehr hingezogrn fühlen, die drr bei ihuen herrschenden Stimmung entsprechenden Ausdruck gegeben haben, als zu solchen, welche sich durch windel« welche Vertrauensseligkeit in unmittelbaren Gegensatz zu der in den landwirthschaftlichen Kreisen herrschenden Stimmung setzten. Drr „Bund der Landwirthe" wird künftighin diejenigen Eandidate», welchea er seine Unterstützung angedeiheu läßt, noch sorgfältiger prüfen müsse», insbesondere dann, wenn sie einer Partei bei treten wollen, di« sich in solchen Gegensatz zur Volksstimmung gesetzt hat." Da- ist nicht „ein wenig geändert", sondern die förmliche Kriegserklärung gegen di« zur nationalliberalen Partei ge hörigen Mitglieder de» Bunde» der Landwirthe im All- artneinrn und in»besondere gehen den Grafen v. Oriola. vom agrarischen Ttandpuncte lägt sich gegen diesen Herrn — er bat sogar die parlamentarische Erörterung deS Antrag» Kanitz unterstützt — nicht» einweaden, und dir „D. T." ver sucht die- auch nicht. Die Absage an ibn erfolgt auf rein politischem Boden, deshalb, weil Gras Oriola mit den übrigen BundeSmitgliedern in der nationalliberalen Fraction fick der politischen Action der Eonservativen gehen den Reichs kanzler nicht angeschlostrn, vielmebr au-vrückttch erklärt bat, da» von vr. Sattler dem Fürsten Hohenlohe bekundete Ver trauen vorbehalt-lo» zu thnlen. Mit drr erst kürzlich wieder — Antisemiten gegenüber, wenn wir nicht irre» — vor- getragene» Fiction, daß der Bund den laadwirth- schaftlich-freundlichen Parteien gegenüber eine neutrale Haltung einnehme, ist e» nun endgiltig vorbei. Wie dir „BolkSstimmung" ist, ob für den deutlchen Reichskanzler oder für die specifisch ostelbische Interessen und selbst in dieser Be grenzung noch ein specifische» Standesinteresse vertretenden Herren Grafen Limburg-Slirum, Wangen heim, Grafen Klinckowström, v. Kröcher u. s. w., daS wird fick noch zu zeigen haben; vielleicht erleben dabei auch die sächsischen Eonservativen — vorausgesetzt, daß Graf Limburg-Slirum im Reichstag wirklich, wie er sagte, in ihrer Aller Namen ge sprochen — eine Enttäuschung. Da die oppositionelle Haltung der preußischen Conser- vativen sich ausschließlich von verMittellaud-Canalange- legenbeit und was sich politiich um sie krystallisirt, herschreibt, so sehen wir die stumm folgenden sächsischen Eonser vativen in ihrer reichSpolitischen Gesammthaltung auf eine rein preußische Frage festgelegt — ein seltsames Schau spiel, da- um so auffälliger wirkt, al» die nichtpreußi- schcn Nationalliberalen ihr „ckLswteresssmeut" an dem Canalstreite ausdrücklich zu bekunden Gelegenheit genommen haben; die Verwahrung gegen da- Hinüberspielen der Canal- sache auf den Boden der Reichspolilik ist die Quintessenz der Erklärung deS Grafen von Oriola. Selbstverständlich gilt sie für beide streitende preußische Lager. Letztere» sei der „Leipz. Ztg." bemerkt, die ihren Gedankenspaziergang zu frühzeitig unterbrochen bat, al» sie so fand, in der Ab sicht, den ihnen unbequemen Minister zu stürzen, unterschieden sich die Kanzler-Stürzer von den Miquel-Stürzern nicht um ein Haar. Die „Leipz. Ztg." hätte sich bis zu der Unterscheidung be mühen sollen, daß, wie die Canalfrage eine preußische ist, die ihrethalben erfolgende Bekämpfung de» preußischen Ministers! Herrn v. Miquel durch die Caaalfreuode auf eigenem Grund j und Boden bleibt, die thatsächlich ebenfalls wegen der Canal angelegenbeit — immer nach Herrn Grafen Limburg-Stirum — erfolgte Kriegserklärung der sächsischen Eonservativen gegen den Fürsten Hohenlohe dagegen eine preußische Sache zur ReichSsacke macht. Die Centrumspresse befleißigt sich z. Z., wahrschein lich unter dem Eindruck deS „UnsiegS" ihre- Führer-, eine- etwa» ruhigeren Tone», aber die Vorstellung, die man ver schiedentlich von dem Ausgange deS „DuelleS Lieber-Miquel" gewonnen haben will, daß e» nämlich ein Friedensschluß ge wesen, scheint nicht die richtige. Herr v. Miquel wollte, mußte sür die Flotte rintreten, und das Centrum giebt hier den Ausschlag, daher Wohl die rhetorische Trennung der Partei von Herrn Lieber, die der Minister vornahm. Eia Angriff gegen die Partei würde dem flottenunwilligen Theile der klerikalen Presse sehr zu Statten gekommen sein. Die Zeitungen dieser Art setzen zwar ihren Widerspruch fort, er erstreckt sich jedoch nicht mehr auf eine Ver mehrung der Schiffe, sondern auf die formal-gesetz liche Behandlung, die Festlegung, sowie auf die Kosten deckung durch Anleihen. DaS ist ein weiterer Fortschritt, der aber sofort gehemmt und in sein Gegentheil verwandelt werden würde, wenn e» den preußischen Eonservativen ge länge, den Fürsten Hobenlohe zu stürzen; vielleicht sehen die sächsischen Eonservativen ihre Unterschrift einmal von dieser Seite an. Mittlerweile ist ein Beitrag zur Förderung der Flotten sache von Herrn EugeaRichter beigebracht worden. Seine »Freis. Ztg." schreibt: „Im Januar gab Herr Tirpitz die bekannte Erklärung ab, daß die Gerüchte über neu« Flottrapläue nicht ernsthaft zu nehmen seien. Im April versicherte er den Schiffbauindustriellen diScret, daß sie sich auf erweiterte Flottenpläne einrichten könnten. Wo» liegt denn nun zwischen Januar und April? Der spanisch- amerikanische Krieg hatte schon vorher alle seine Eonsequenzen ge zogen, und an den Krieg mit Transvaal dachte man damals noch nicht. Dazwischen liegen nur(I) die Vorgänge in Apia. That- sächlich soll «in gewisse» protzige» Benehmen fremd ländischer Seeofsiciere vor Apia und vor Manila höheren Orte- gereizt haben, dies« Flottenverstärkung einzuleiten. Kleine Ursachen, große Wirkungen, kann man auch hier sagen." Entspricht diese Darstellung den Thatsachen, so wäre e» geradezu sträflich, wenn die Regierung sie nicht inhaltlich in eie Begründung drr bevorstehenden Flottenvorlage ein flöchte. „Niederen Orte»", d. h. im deutschen Volke, haben nämlich die Vorgänge vor Apia ohne Zweifel die flotten freundliche Stimmung, die wir jetzt beobachten, bervorgerufen. Hier hat man niemals geglaubt, r» in Samoa mit drr Protzigkeit einzelner Serofficiere zu thun zu haben, man empfand vielmehr mit bitterem Ingrimm die unser Land kränkenden Handlungen englischer Sendlinge — e» waren nicht nur Osficiere — al» ebensoviele von London au» in» Antlitz de« zur See ohnmächtigen Deutschland mit Cbamberlain'schem Uebermuthe geführte Peitschenhiebe. Zn Apia steht in der That die Wiege drr deutschen Flottenbegristerung, die kein Kind drr Eroberung»- und Großmannssucht, sondern dir Frucht erlittener schwerer Unbill, harter Schädigung und patriotischen Zorne» ist. Die „Freiheit" der katholische» Wissenschaft. Im vorigen Jahre wurde di« Oeffentkichkeit in lebhaft« Schwingungen versetzt durch mehrere Vorgänge, welche darauf hinzirdeuren schienen, daß innerhalb der katholischen Kirche sich ein« Auseinandersetzung vorderen«. ES schien, al» ob sich di« deutschen katholischen wissenschaftlichen Kreise entschlossen hätten, sich von der unter jesuitischem und vominiknvischem Einfluß rück- fichttslo» 'durchgreifenden hierotnrttschen Einengung zu emanci- ptren. Di« AuSemanversetzung rrreichtd ihren Gipfel, als die römische Jndexcongregadion zugriff und über die Schriften de» unbequemsten KriKkr», d«S Würzburger Professors Hermann Schell, da» kirchlich« verbot verhängt«. Mehrere Aeuße- rungen au- den Kressen der katholischen Theologie betundeten, daß dieser Gswaltact, statt zu beruhigen, die Verbitterung ge steigert hatte. Dir weitere Auseinandersetzung spielt« sich auch t sofort auf da» Gebiet drr „wissenschaftlichen Inferiorität" de» Kacholicismus hinüber, die von ver klerikalen Presse überhaupt bestritten, von den in ihrem Wirkungskreise beengten katholisch rheologischen Ilniversitätskreisen aber unverblümt auf das ihnen so unbequem gewordene kirchliche System geschoben wurde. In dieser Situation erschien um die Mitte dieses Jahres ein vielbesprochenes Buch, das, von dem Münchener Professor der Philosophie und Reichstag salbgeordneten Freiherrn von Hertling versaßt, „das Princip des Katholicismus und die Wissenschaft" behandelte und zu vermitteln versuchte. Aus der einen Seite gab Freiherr v. Heriling zu, daß eine beklagens- wervhe Rückständigkeit bestehe, auf der anderen Seite aber be mühte er sich, darzulegen, daß diese Rückständigkeit in lediglich vorübergehenden Maßregeln, wie beispielsweise der Aufhebung der Klöster und der Schädigung 'der katholischen Bildungsstätten in Bayern, zu erklären sei und daß es keineswegs im System der römischen Hierokratie liege, die wissenschaftliche Forschung zu beengen. Er ging so wett, daß er behauptete, daß selbst die viel umstrittene Entwickelungslehre, mit der theistischen Welt anschauung sich vereinbarend, „von 'dem gläubigen Forscher ohne Gefahr vertreten werden" könne. Die politische Quint essenz war, cs geb« Sine katholische Wissenschaft, die ihre volle Freiheit hab«; ein Unterschied zwischen Ultra mvntwnismus und Katholicismus sei nicht anzuerkennen. Lange ist diese Schrift ohne Erwiderung geblieben, um so bedeutsamer ist, daß gerade jetzt, wo dir Persönlichkeit des Frei herrn von Hertling durch seine Wirksamkeit in Rom die öffent lich« Minung wieder lebhaft beschäftigt, eine erste. Autorität der katholischen Wissenschaft, der Professor der katholischen Theologie. F. -k. Kraus an dor Universität Freiburg i. B., es unter nommen hat, dir Schrift d«s Freiherrn von Hertling in dem soeben zur Ausgabe gelangenden ersten Hefte des Jahrganges ! 1900 der im Verlage von B. G. Teubner erscheinenden . Deutschen Liter aturzeitung" kritisch zu beleuchten. In diesem Aufsatz weist Kraus nach, daß dem katholischen Ge lehrten unter dem heutigen römischen Rßgime nur die engsten Grenzen von freier wissenschaftlicher Bewegung bleiben und daß sich die Ansichten des Freiherrn v. Hertling mit dem den katho lischen Gelehrten verbleibenden Maß von Freiheit, was in unter richteten Kressen wohl bekannt sei, in keiner Wesse vereinbaren lassen. Eingehend wesst Professor Kraus nach, daß die Rück ständigkeit ver „katholischen Wissenschaft" nicht in vorüber gehenden Erscheinungen, sondern im System liege, demselben System, düs an maßgebendster kirchlicherStelle do-minirt und, wie Kraus behauptet, den „Untergang 'der katholischen Faculiäten" beschlossen habe. Seinen Widerspruch gegen Freiherrn von Hertling faßt Kraus schließlich zusammen in die Pointe: „Die Überzeugung, daß ein gebildeter Klerus zu den vornehmsten staatserhaltcnden Factoren gehört, kommt gar nicht in Be tracht, wo auf die Erhaltung des Staatswesens kein Werth gelegt wird." Diesen Punct beleuchtet er näher mit der Fest stellung, daß die Kirche sich förmlich das Recht für alle Zukunft gewahrt habe, mit körperlichen Strafen die Ketzerei zu ahnden; saß dieses Recht ausdrücklich im Syllabus direct und indirekt gewahrt wird. In feiner Wendung fügt er hinzu: „ordnungsgemäß müßte auf Grund dieser Bestimmungen Frei herr von Hertling selbst wegen seiner Auffassung — „kein Verständiger wünsche wieder die Wiederkehr des Staats zwanges in Glaubenssachen und der Bestrafung des Abfalls vom Glauben als staatliches Verbrechen" — wegen dieses für dir römische Inquisition durchaus unehrerbietigen Satzes förmlich und feierlich in Rom verbrannt werden." Professor Kraus erklärte die Hertling'sche Schrift zum Schluß für «in „in Mildem Gerste geschriebenes Idyll", es löse aber die Spannung nicht; klare Erkenntniß und ehrliche Darlegung der Lage seien die erst« Bedingung, und diese will Professor Kraus herbeizusühren be müht sein. Die „Deutsche Literaturzeitung" kündigt an, in der nächsten Ru>mm«r werbe ein .zweiter Artikel von Professor Kraus veröffentlicht werden. Dir Autorität -des Professor Or. Kraus in Sachen der katholischen Kirche ist so groß, daß die klerikale Presse nicht an diesen Ausführungen vorbeikommt, Weber mit der Methode, sie mit persönlichen Ausfällen zu über- täuiben, noch mit der bequemeren, sie zu ignoriren. Der Krieg in Südafrika. Au» London, 16. December, wird un» von unserem dortigen Specialberichterstatter über die Schlacht am Tugela noch geschrieben: E» war ein bittere» Erwachen nach der siegessreudigen, doffnungStrunkenen Stimmung de» gestrigen Tage»! . . . Ladysmith war entsetzt, General White batte seine endlich erlösten Truppen mit denjenigen Sir Buller'S glücklich ver einigt , so wenigstens hatte eS die „Afrikander-Ecke" der Börse wie mit Lauffeuer seit gestern früh ver breitet, um auf den längst ersehnten Sieg ihre Orgien zu feiern, und wenn auch da» KriegSamt sich vorsichtig geweigert batte, die dreimal auS den vornehmsten Kreisen der Hochfinanz feierlich bestätigte, aber immer noch von Ungläubigen bezweifelte Nachricht osficiell zu bestätigen, so batte e» dock annlich der Presse zugeraunr, daß die „befriedigendsten Nachrichten eingetroffen seien" und diese schließlich direct dabin desinirt, Buller melde, er babe mit zweien seiner Brigaden daS Hauptheer der Boeren, mindesten« 10 000 Mann, eingcschlosscn, die nun vor der Alternative ständen, entweder die Waffen zu strecken oder kläglich zusammrngeschossen zu werden. In den vornehmen Club», besonders denen deS HecrcS und der Marine, berrschte die gehobenste Stimmung. Man wußte dort, daß Buller am Morgen den Uebergang über den Tugrlafluß erzwingen Werde, und da man den General im Besitz weit überlegener Streitkräfte und vor Allem einer Artillerie zu wissen glaubte, denen die Boeren „nach besten Informationen" absolut auch nur im Entferntesten Gleich- wertbigeS nicht entgegen zu setzen hätten, so war man de» Erfolge» a priori sicher. Die Börsenmanöver vom Vormittag berubten thatsächlich auf denselben Prämissen. Maa baut« Häuser auf Buller'» Umsicht und dieser selbst hatte Tag» zuvor da» Krieg»- Ministerium benachrichtigt, daß alle seine Vorbereitungen so getroffen seien, um jede Niederlage auSzuschließen, — und nun meldete der Oberstcommandirende der gesammten afrikanischen Streitkräfte, nachdem er seit Wochen den entscheidenden Schlag vorbereitet und alle überhaupt verfügbaren Verstärkungen an Truppen zu sich hcrangezogen, er, der genau wußte, was auf dem Spiele stand und daß ein entscheidender Schlag einer Truppen allein daS durch die Niederlagen Methuen's und Gatacre's bereit» mehr denn gefährdete Prestige der englischen Waffen retten könne, genau wie vor ihm der Führer der Garderegimenter, eine „8erivus ressrvs". Wie seine beiden unglücklichen Collegen vor Stormberg und MagerSfontein, hatte auch er den Feind nicht einmal zu Gesicht bekommen) wie jene war er blindlings den ver achteten Boeren in die Falle gelaufen, schlimmer noch wie jene batte er sich gezwungen gesehen, zum Rückzüge blasen zu lassen, ohne auch nur dem Feinde eine regelrechte Schlacht geliefert zu haben, — demüthigender für die britische Waffen ehre, als die Verluste Metbuen'S und Gatacre's, hatte er rem Feinde den besten Theil seiner Artillerie fast kampflos über lassen und sich eiligst in sein Lager hinter Chiveley zurück ziehen müssen, um der Gefahr zu entgehen, seine besten Re gimenter abgeschnitten und gefangen genommen zu sehen. DaS waren in der That betrübende und demüthizende Nachrichten und nichts kam, den schweren Schlag auch nur in Etwas zu erleichtern. Tie letzte Hoffnung war vernichtet und so gründlich hatten die Niederlagen Methuens und Gatacre's die Gemüther ernüchtert, daß diesmal Niemand auch nur den Versuch machte, die ganze folgenschwere Bedeutung dieser Niederlage irgendwie abzuschwächen. Man war es satt, sich selbst etwas vorzugaukeln, man wußte nur zu gut, WaS dieser Rückzug von dem Tugela- fluß bedeutete. General Buller hatte seine besten Truppen und dann seine sämmtlichen Reserven, seine ganze Artillerie und alle die für unwiderstehlich gehaltenen Marinegeschütze mit ihren furchtbaren Lydditbomben iuS Feuer geführt und gerade die furchtbaren Kanonen deS „Terrible" dem Feinde überlassen müssen. Er hat keine Verstärkungen mehr beran- zuziehen; von einem neuen erfolgreicheren Angriffe auf die Position Schalk Burger'» konnte um so weniger die Rede sein, als er nicht einmal dessen Vorhut vom Südufer deS Tugela zu verdrängen vermocht hatte; man wußte, daß bereits seit fünf Tagen in seiner Flanke, halb in seinem Rücken ein bedeutende- BoereucorpS zwischen Weeueu und seiner Nückzugslinie, dem Mooiflusse, stehe, — und damit war Alles gesagt. Buller und seine vier Brigaden waren, wenn nicht bereits demselben Schicksal verfallen, so doch von derselben Gefahr bedroht, abgeschnitteu zu werden wie Metbuen und wie Gatacre; und Wochen, ja Monate müßten Vorgehen, bis Verstärkungen über den Ocean hinüber nach dem Kriegs schauplätze geworfen werden könnten, die eS ihm und seinen Untcrgenerälen gestatten würden, noch einmal daS KriegSglück herauszufordern. Eine düstere Stimmung herrschte im War-Osfice. Es war gegen Mitternacht, al- der erste Theil der Verlustliste von MagerSfontein auSgegeben wurde, und die Wenigen, die um diese späte Stunde Einlaß erlangt halten, sahen an den finster zusammengezogeneu Mienen LanSdowne'S, welcher auf fallender Weise persönlich zugegen war, daß schlimme Nachrichten cinzetroffen sein mußten. Aber man ver-, weigerte jede Auskunft, selbst zwei Generale a. D. welche gleichzeitig mit unserem Vertrauensmann vor sprachen, konnten keinerlei Informationen erhalten. Bald darauf — e» war um 1 Uhr Morgen- — wurde der zweite Theil der Verlustliste auSgegeben und jetzt ließ sich der Chef des Dienstes zu der kargen Bemerkung herbei: „Wir Haden allerdings schleckte, sehr schlechte Nachrichten erhallen!" Und dann kam gegen Morgen die vfficielle Depesche Buller's. Alle Mitthcilungeu der Specialcorrespondenten, ohne Unterschied der Agentur oder deS Blatte-, blieben zurückaehalten. Die nächste vfficielle Mittbeilung lautete, die Regierung bereite die sofortige Entsendung der siebenten Division sowohl, wie auch der sechsten vor. In wenigen Tagen würden die Streitkräfte in Süd afrika bedeutend vermehrt werden; 15 große Tran-port- dampser seien zwischen dem 17. December und 8. Januar mit 15 000 Mann, Truppen aller Gattungen, fällig, und zwischen dem 11. und 17. Januar würden weitere 10 000 Mann nach Südafrika eingesckifft werden. DaS war die Gegcnkosis auf die bittere Pille drr Buller'schen Depesche. Gleich darauf, eS war am Morgen, meldete drr „Stan dard" an erster Stelle, viele Tausende von krieg-tücktigeii Freiwilligen hätten sick in der letzten Zeit für den activen Dienst in Südafrika gemeldet, und wenn die Regierung es bisher nicht für angezcigt gehalten habe, dem Wunsche zu entsprechen, so scheine jetzt der Augenblick gekommen, diese Leute nicht etwa in permanenten Dienst zu nehmen, wohl aber angesichts der Lage den nächsten nach Südafrika ab gehenden Divisionen eiazuverleiben, da e» jetzt klar sei, das noch verschiedene weitere Divisionen nach dem Kriegsschau plätze entsandt werden müßten. Tie öffentliche Meinung wurde zuerst von dem unerwarteten Schlage dieser letzten Niederlage wie vor den Kopf getroffen und der durch dieselbe hervorgerufene Eindruck läßt sich schwer mit einem anderen Worte, al» dem der Consternation be zeichnen. Aber sie blieb ruhig, ernst und würdevoll, und e» war sehr bald klar, in allen maßgebenden Kreisen sowohl, wie in den breiten Volksschichten da» eine Gefühl alle anderen absolut dominirte: „rin schwerer Schlag hat uns getroffen, aber r» bleibt uns jetzt nicht» Andere» übrig, al» Männer unser Geschick zu tragen und den Kampf bi» zur siegreichen Entscheidung und, koste e», wa» e» wolle, durchzuführrn." Dazwischen tauchten, wie fast natürlich, allerhand Meldungen über «ine Demission Chamberlain» rrspective eine» Theil» de» Ministerium» auf, die (mindesten» vorläufig) ebensowenig glaubhaft erscheinen, wie bedeutende Frieden»- gerüchte. Nickt mit Unrecht citirten die Blätter beute ein Urthril der „New Aork Tribüne", welche in dürren Worten den Engländern sagt: „Noch eine Niederlage und England verliert Südafrika. Läßt e» sich endgiltig schlagen, so folgen Indien und sein«
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