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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189912243
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18991224
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18991224
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-12
- Tag1899-12-24
- Monat1899-12
- Jahr1899
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.12.1899
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riWM Tageblatt Druck und Verlag von E. Polz in L'-chzig. 83. Jahrgang. Sonntag den 24. December 1899. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr. di« Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Annahmeschluß für Anzeigen: Nh eod »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu--Ausgabe: Nachmittag» 4Uhc. Lei den Filialen und Aanahineslellea je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Gtzpebirian zu richten. Anzeigen-PreiS die ü gespaltene Pentzeile >0 Prq. Necluinen untrr demReduclw.i^srrich 4g«- ivallkn: 50^, vor den Fainilitn.iochrichrra iggespaltrn) 4",^. Größere Schriften laut unlerem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Ztffernsnz; nnch höherem Tarif. Redaktion und Expedition: 2ohauni«gafie 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: ktt» klemm'» Eortim. (Alfred Hahn), Nniversitätsstraße 3 (Paulinum), Loni» Lösche, kathannensrr. 14, pari, und König-Platz 7. Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Nalizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Extra-Veilageu (gesalzt), nur mit der Morgen-Ansaab«, ohne Pos,befördern»«, 60—, mit Postbesürdernna Sl 70.—. Bezugs-Preis in der Hauptexpedilion oder de» im Silibt- bezirk und den Vororten errichteten Äuc- gabrslrllrn adgehoIt: vierteljährlich 4.50, b«i zw«tmaliarr tödlicher Anstellung ins Hau« .L 5.50. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbanviendiing in- Ausland: monatlich 7.50. Aus der Woche. 2m Frieden, durch inneren Streit nicht tiefer als gewöhnlich zerklüftet und begünstigt durch blühenden Handel und Wandel, feiert Deutschland, feiert unser Festland daS Weihnachts fest. Aber die Weiten deS Erdballs find durch den Verkehr zu sehr verkürzt, unsere Gefühle sind zu lebhaft betheiligt an den Kämpfen in dem fernen Südafrika, als daß wir, uns an dein Nächstliegenden genügen lassend, rufen möchten: Friede auf Erben. Ein hartes, in seinem AuSgang und seinen Folgen unab sehbares Ringen tränkt die Erve mit Blut, ein wackerer, kerniger Bruderstamm kämpft um sein Dasein; wo heute in Boeren- bäusern Weihnachtskerzen brennen sollten, da leuchten sie keinem Manne, keinem Jüngling, keinem rüstigen Greis und selbst nur einer start gelichteten Knabenschaar. Alles, was die Flinte führen kann, weilt fern von HauS agd Herd, um HauS und Herd zu schützen. Aber auch in England weinen Zehntausende von verlassenen Wittwen, Estinnen und Schwestern, und eS ist vielleicht Itine schlechte WeibnachtSregung, des beiden kämvMden Völkern gemeinsamen menschlichen Leides geuMnsam zu ge denken. Leicht fällt diese gleiche Verkeilung selbst an diesem höchsten Feste der Menschheit und Menschlichkeit nicht. Die Briten haben durch Ueberhebung, Herrschsucht, Habgier und, waS am unverzeihlichsten ist, durch eine das Rechtsgefühl ries beleidigende Heuchelei die Völker der Erde in gerechten Zorn versetzt. Aber es soll ihnen beute zu Gute gerechnet werden, daß die Sonne des Glückes ihnen so lange und immer nur leicht verschleiert gelächelt hat, daß bei der Schwäche der menschlichen Natur Blendung und Verblendung kaum auS- bleiben konnten. Und besteht die Masse der Kämpfer, die die nur für Vaterland und Freiheit streitenden Boeren be drängen, aus Söldnern, so soll diese Einrichtung unser Mitgefühl für die Leidenden und ihre Angehörigen nicht verkümmern und es mag auch nicht vergessen werben, daß uneigennützige Vaterlandsliebe Hunderte von englischen Jüng- ling«n und Männern, denen die Heimatb keinen Wunsch ver sagt, auf die Kampfplätze gezogen und daß Söldnerfamilien vor hochgestellten Müttern an Trauer um gefallene Theure nichts voraus haben. Für die Nachsicht gegen Richtgeliebte, die dies Fest predigt, wäre auch in der deutschen Politik breite Betbätigungögelegenheit. Man hat aber in der Weihnachtßwocke nichts davon verspürt; der Streit blieb heftig und ist durch die Friedensworle dcö Fürsten Hohenlohe nur noch verschärft worden. Daß er zu irgend welchen Entscheidungen oder auch nur Klärungen führen möge, bleibt ein Festeswunsch, cem nach den seit dcö Fürsten Bismarck Rücktritte vom Amte unausgesetzt gemachten Erfahrungen wahrscheinlich die Erfüllung versagt bleibt. Wenn in der neueren deutschen Politik wirklich einmal eine Krisis ein glatte» Ende findet, so ist es nur, um allsogleich einer neuen Platz zu macken. Die Ursache liegt in d«r absoluten Principienlosigkeit dieser Politik — als Ganzes genommen; einzelnen Staatsmännern darf sysie- matftche- Wollen nicht abgesprochen werden. Welches die Ursachen der Ursache sind, darüber streiten sich die Zeitgenossen und werden sich vielleicht auch die künftigen Geschichtschreiber lange Zeit nicht einigen können. Auf Eine» wird immer und immer wieder hingewirsen: aus Hofschranzen, und gerade heute finden wir in einer wohl unterrichteten und sehr vorsichtig geschriebenen nationalen ZeitungScorrespondenz eine Erwähnung der „Plauderhaften und lästernden Gesellschaft, die in gewissen Hofkrcisen ihren Mittelpunkt hat und deswegen viel häufiger das Ohr des Kaisers finde» kann, als selbst der verantwortliche Rathgeber." Wir müssen eS dahingestellt sein lassen, ob jene Gesell schaft, über deren Beschaffenheit und Beruf zur Beein flussung der Geschicke von 53 Millionen Menschen eine Hof- und Proceßgesckichte grelle» Licht verbreitet bat, gerade an dem gegenwärtigen Wirrwarr in hervorragendem Maße betheiligt sn. Nickt verkennen laßt sich, daß der Adel, insoweit er parlamentarisch und publicistifch sich betbätigt, die größten Anstrengungen macht, durch Einwirkung auf die höchste Stelle die Lage zu seinen Gunsten zu wenden. Und seltsam, gerade wegen der Maßregelung von zum größten Tbeile dem Adel angehörigen Beamten und wegen der Ver weisung von Canalgegnern vom Hofe bofft man hier auf Er folg. Dir Rolle der vielleicht nicht ganz frhllosen, aber darum doch allzu schwer gekränkten Getreuen, der allein Ge treuen, wird nicht ohne Geschick gespielt; eine gewisse, mit Raffinement betriebene AengstigungSpolitik ist nur die andere Seite jene» Verhaltens. Auf die bei der General versammlung der ostpreußischen Conservativcn gehaltene, an anderer Stelle im Auszug mitaetheille Rede deS Land rath» a. D. v. Klitzing /ei als auf da» neueste und keineswegs zu veracktende Beispiel solcher Mischung von Drobungen und ErgebenheitSbetheuerungen hinge wirsen. Noch viel mehr zu bedeuten aber hat die letzte Reich-tag-rede de» Herrn v. Kröcher. Den Beweis dafür, daß man sich von ibr sehr viel, wenn nickt Alles verspricht, liefern die von der Hofgesellschaft am meisten gelesenen Zeitungen dadurch, daß sie immer wieder auf die Rede, auf die Empfehlung irgend eine» „starken" Manne», der ja kein großer Staatsmann zu sein brauchte, aber „Nerven bi- zum Aeußersten- baben müßte, zurück kommen. Der Gedanke wird aus» Breiteste au-gesponnen und unverkennbar nur in usum rsgis. Daß Herr v. Kröcher einen solchen Mann in potto habe, be zweifeln wir nicht, insoweit die negative Eigenschaft der staatsmännischen non-valeur in Betracht kommt. WaS die „Nerven" angeht, so kann man sich darunter Verschiedene« denken, denn Herr v. Kröcher selbst denkt über „Nerven" zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden. Er hat — »S ist noch gar nicht lauge her — im preußischen Abgeordnetenhaus« in einer zur Entschuldigung der Eonservativen ge haltene» Red« di« „Starknervigkeit" einer gewissen Persön lichkeit al» MilderunaSgrund für ei» unbegreifliches Verhalten aagefübrt. Diese Red« auSzugrabe», dürste vielleicht bald «in, zeitgemäß« tzkrfgab« sein. Hat man noch oben Hoffnung, so flößt neuerdings die bisher konservative Wählerschaft ernsteste Besorgnisse ein. Die „Kreuzzeitung" beginnt soeben eine Artikel serie, die mit einem Bündnißantrag an daS Centrum enden zu wollen scheint. Vorläufig verräth sich Furcht vor Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus« und als Ent führer der Anhänger wird deutlich Herr v. Miquel bezeichnet. Das Blatt schreibt, nachdem eS über die Zur- dispositionsstelluug dcr Beamten gesprochen und sie, sowie den etwaigen Plan einer Wiederanstellung als „psychologisch recht schwach begründete" Taktik bcurtheilt Hal: „Nur an einem Punkte konnte man, bald auch immer klarer hervortretend, die .Hand des einzig geschickten Taktikers im Ministerium deutlich erkennen. Der Gedanke war wirklich deS Vaters würdig: wenn mit dem Mittellandkanal gleichzeilig allen Provinzen das gewährt wird, was sie an Verkehrswegen und Schutz ihrer Gefilde gegen das Wasser seit langen Jahren ver geblich erbeten haben, daun werden ihre Vertreter schwerlich diese Wünsche zugleich mit dem Kanal vereiteln. Und thun sie »S, nun dann könnten die in ihren wirtyschaftlichen Erwartungen ge täuschten Wähler dem Abgeordnetenhaus« nach der Auslösung ein ganz verändertes Aussehen geben. Fast scheint es, als ob hier und da diese Taktik bereit» zu wirken beginne." Wirkt diese Taktik in der Tbat und hat man vor der Entscheidung über die Canalvorlage nicht oben einen voll ständigen Sieg errungen, dann wird den preußischen Con- servattven die einzige Stelle, wo sie sich oppositionell in die Waagschale zu werfen vermögen, das — Herrenhaus sein. Vorder schon müssen sie ihr Unheil über Herrn von Miquel'» Gefühle für ihre Partei endgillig festlegeu, veun in den an geführten Sätze» figurirl zur Abwechselung wieder einmal dieser Mann, nicht Kürst Hohenlohe, als I'euuemi. Es soll ja demnächst ein konservativer Delrgirteukag stallfinden. Bei dcr Gelegenheit könnte man vielleicht auch erfahren, ob dis „deutsch - konservative" Gesammtparlei die Agitation, die ihre den Bund der Landwirlhe leitenden Mitglieder gegen die Flotte betreiben, weiter zu dulden und sohin den Social-, delnvkraten und den Demokraten Anstrengungen -» er,vllr°^ gehenkt. Diese Mit offenem Visir kämpfend?»' ihän der Mariuesache viel geringeren Abbruch, al» oi» unausgesetzte, verschleiert und doch durchsichtig Flotten verstärkung und Esistenzfäbigkeit der Landwirthschast al» einander ausschließende Tinge binsleUeiide Bundeöagitation, die natürlich auch ihre Genugthuung über die Marineabsage deS Herrn Szmula nicht ganz verbergen kann. Wir habe» schon darauf hingcwiefen, daß dieser Abgeordnete sich stets nur als Pole gesüblt hat und vor Jahren nur deshalb ins Centrum eintrat, weil in seiner obrrschlesisckeu Heimath die polnische Bewegung damals mit der ultramontaneu zu sammensiel. DaS einmüthige Eintreten des CentrumS für eine Flottenvorlaze wird übrigen» von Niemand erwartet und ist auch nicht nöthig. Die Hauptsache bleibt, daß falsche Freunde der Seewchr rechtzeitig al» solche entlarvt werden und die Thätigkeit de» Flottenverein» in die richtige Bahn, vor der sie z-tzt steht, auch wirklich einlcnkt. Daß Frhr. v. Zedlitz Herrn Schweinburg nachsolgte, ist erfreulich; die Begründung für seinen Austritt, die jener Herr sich erlaubte, beweist aber neben — der Unbefangenheit de» gewesenen beamteten Mitarbeiters der „Poft", daß die bisherige Leitung deS FlottenvercinS die Marine-Angelegenheit in der Thal als eine Sache deS Stumm-Krupp'schen Conventikels mit der einzigen Einschränkung aufgefaßt hat, daß dem Volke gnädigst gcftattet sein sollle, die Kosten der Schiffe zu bestreiten und seine Söhne zur Bemannung herzugebeo. Daß gerade daS Volk zur Mitarbeit an den Ausgaben deS Vereins heran gezogen werben müsse, wurde bei der Begründung der Leipziger Ortsgruppe besonders betont und berücksichtigt. Wird die Thätigkeit dieser Gruppe vorbildlich für den Ge- sammtverein, so werden ihre Erfolge auch diesem nicht fehlen. Deutsches Reich. O. II. Berlin, 23. December. (Prosper Prin: von Arenberg.) Die entsetzliche Tbat, deren man den Prinzen, ProSper von Arenberg beschuldigt, wird natürlich in den Kreisen, denen der Prinz anzebörte, um so lebhafter besprochen, je mehr er als ein ruhiger, besonnener Officier bekannt und geschätzt war. Prinz Carl ProSper, zuHLverlö am 12. März 1875 geboren, wurde am 9. September 1896 Leutnant im 4. Eürassier-Regiment in Münster. Er ist eia Vetter deS bekannten klerikalen Reichstag»- und LandtagSabgeorvarten Prinzen Franz von Arenberg, und als er am 1. Oktober 1898 in die Schutztruppe für Deutsch-Südwestafrika eintrat, wurde die» in colonialen Kreisen lebhaft begrüßt, weil man »»nahm, Prinz Franz, der bekanntlich rin warmer Vertreter der colonialen Bestrebungen ist, habe sein coloniales Intereffe auch auf seine Verwandten über tragen und werde mit diesen und durch sie noch eifriger al» biSher die colonialen Angelegenheiten fördern. Auch seinet wegen beklagt man da» angebliche Vorkommniß und giebt sich der Hoffnung hin, die Untersuchung werde die Schuld de- Prinzen Prosper wenigsten» in milderem Lichte erscheinen lasten, al» die bi» jetzt vorliegenden Bericht«, denen di« zahft reichen Freunde de» Beschuldigten den Glauben versagen. Daß diese Berichte von colonialfeiadlichrr Seite als absolut zuverlässig hingestellt und ««»gebeutet werden, kann ebenso wenig überraschen, wie der von derselben Seite au-aehende Versuch, für die Thal eine» Einzelnen ein ganze» System verantwortlich zu macken. Wir dir Dinge auch liegen mögen, jedenfalls beweist das amtliche Vorgehen gegen vr. Peter-, daß unsere maßgebenden Kreise schonungslos gegen alle Veamten Vorgehen, die dem deutschen Namen in den Colonien Unrhr« gemacht baden. Berlin, 23. December. (Ein Plebiscit für die Proeeßa graten.) Wir hatten vor einiger Zeit darauf biaaewiesrn, daß die allezeit rührige Goeialdemokratie sich auch der Proceßagealea zu demächtigen bemüht sei und daß damit der Versuch der Regierung, die Proceßa-enten gewistrr- maßen zu legitimen Mitgliedern der Justiz zu machen, übel gelohnt werde. Wir werden nun von einem Organe der Proceßagenten mit einer wahren Flutb von Beschimpfungen überschüttet. Wir achten eS selbstverständlich al» unter uvffrer Würde, auf diese Schimpfereien in ähnlichem Tone einzugehen, und wollen uns nur der Müde unterziehen, in sachlicher Weise die Behauptung klarzustellea, daß die Negierung einen großen Mißgriff begangen habe, als sie die Zulassung der NechlSconsulenteu von der Bediirfniß- frage abhängig machte. Es beißt in dem Blatte: „Die Bedürfnißfrage liegt nicht in der Masse der Anwälte, sondern im Volke." Es mag sein, daß, wenn man bei den unteren Schichten deS Volke- ein Plebiscit anstellen wollte, dieses für die Rechtskonsulenten günstig auSfallea würde. Ma» kann oft die Beobachtung machen,daß Angehörige der weniger gebildeten Stände eine gewisse Scheu tragen, mit einem Manne zu verhandeln, der ihnen an Bildung und gesellschaftlicher Stellung weit überlegen ist, während sic_ viel lieber mit dem RechlSconsulenten verkehren, mit dem sie in der Kneipe einen Prvceß erörtern können. Der Anwalt ist ihnen oft darum unbequem, weil er mehr als einmal, nachdem er die Ausführungen testen, der ihm ein Mandat anvertrauen will, angehört bat, sagen muß: „Lieber Mann, diesen Prvceß wollen wir lteber nicht führen, denn wir müßten ihn verlieren." Viel bequemer ist solchen Leuten der Procefiagent, der ihnen gern zum Munde redet und sie glauben läßt, der Prvceß werde sicherlich gewonnen werden. Wird der Prvceß dann verloren, so ist natürlich nicht der tüchtige Proceßazent daran schuld, sondern der Richter ist ein Dummkopf. Diese Zustände sind natürlich der Regierung wodl bekannt, und dechalb drückt die Bestimmung, raß die Proceßagenlcn nur iin Berürfnißfalle, d. h. da, wo keine Anwälte vorhanden sind, zugelassen werden sollen, mit gutem Fug die Auffassung au-, daß die Proceßagenten nur als ein nothwendige« Uebel an gesehen werden sollen. Man will sie eben nur dort haben, wo mangels der Anwesenheit eines Anwalts die minder gebildete Bevölkerung sonst völlig ohne Rath sein würde. Es ist aber schlechterdings nickt abzusrhcn, warum in Bezirken, in denen eine genügende Anzahl von Anwälten vorhanden ist, Proceß- «.qritten geduldet werden sollten. E» wäre da« ebenso, , 'S w-.;m dcr Staat dulden wollte, daß jeder beliebige '>sirnsch al» Lehrer auftritt und die Kificker der vrreatlichelk schule entzieht. Ti« Justiz ist ebenso wichtig, wie die Schuft» und deshalb muß verlangt werden, daß nach Möglichkeit die jenigen, die in ibrem Dienste wirken — und daS thun die Anwälte, wenn sie auch nicht Beamte sind —, sowohl da» volle Maß der beruflichen Kennlnisse besitze», wie durch ibre Stellung eine Garantie für ihre sittlichen Qualitäten geben. * Berlin, 23. December. Einen Rück- und Ausblick aus deutsches Fernsprechwesen veröffentlicht die „D. VerkehrSzeitung": Darnach warrn Ende 1881 7 Stadt-Ferniprecheiiirichtungen mit 1504 Spreckstclftn im Betriebe. Wenn die für das ElatSjahr 1899 angeordurten Anlagen zur Ausführung gelangt fein werde», wird die Zahl der Stadt-Fernsyrecheinrichtungcn in Deutschland ohne Bayern und Württemberg 1040 betragen, die dem Verkehr von rund 194 800 Sprechstcllen Lienen werden, d. h. Deutschland wird alldann mehr Fernsprechslellrn besitzen als dir übrigen Staaten Europa» Ende 1897 zusamm«ngent>mmeir. Die von den drulschrn Eprechstellrn im Jahre 1899 geführten Gespräch« können, wenn auch stalistische Angaben noch nicht vorliegen, auf 700 Millionen gesckätzt werden, rin Beweis für die rege Thütigkeit aller Kreis», die einer Erläuterung nicht bedarf. Mit der be- scheiden»» Zahl von 33 Theilnehmern trat die Stadt-Fernsprech einrichtung in Berlin ins Leben. Heute besitzt Berlin die größte Fernjprecheinrichtung der Welt, die nach Fertig stellung der bereit» angemeldeten Anschlüsse rund 46 770 Sprech stellen umfassen wird. Die Höhe dieser Zahl wird un» erst klar, wenn wir seststelftn, daß sie die Grsamintzahl der Ende 1897 in ganz Frankreich ocrr in Oestrrrrich-Ungarn oder in Dänemark, Belgien, d«n Niederlanden und Luxemburg zusammen vorbanden gewesenen Lheilnehmrr übersteigt. Acht BezirkS-Frrnsprecheinrichtungen ver mitteln den Verkehr in dem oberschlcsischen, dem nirberrheinisch-west- sälischen und dem bergische» Jndustriebezirk, in der preußischen und sächsischen Lberlausitz, in d«n Kreisen Halberstadt, Oschersleben und Wernigerode, im Hirschbergrr Thal, in Frankfurt (Main) und Umgegend und im Lugau-Otlsnitzer Kohlenb«zirk. 17 588 Sprech stellen betheiligten sich End« 1898 an diesem Verkehr. Für den Verkehr auf dem flachen Lande wurden in den Jahren 1898 und 1889 11150 öffentliche Fernsprechslellrn eingerichtet, welche die Verbindung mit den Kreisstädten, den Provinzialhauptsiädten und mit den Berkehr-mittelpuncftn herzustellen bestimmt sind. Der lebhafte Verkehr, den Deutschland mit seinen Nachbarstaaten unter- hält, macht« bald die Herstrllung von Fernsprechverbin dungen über die Grenzen de» deutschen Reichs hinau» nvthweadig. Z» Beginn be» Jahre» 1895 bestand«» nach außer- d«utsch«n Ländern allerdings erst 5 Fernjprechleituvgr»: Berlin— Wftn, GroßschSnaa (Sachsen) — Warntdorf (Böhm«»), Zittau— Grotta—Kratzau —Reichend,rg (Böhmen), Konstanz —kreuzlingen uad Mülhaus«» (Elsaß)—St. Ludwig—Basel; heute vermitteln auSgrdrhnte Fernsprechverbindung«» mit Belgien, Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz und Ungar» einen von Lag zu Tag steigenden Verkehr, vor korzem ist »ine unmittelbare Verbindung von Berlin nach Kopenhagen in Betrieb genommen worden, di« unter Mitbenutzung von zwei «der» de» 5L Kilometer langen Untersee - Telegraphenkabel« Warnemünde-«jedser geführt ist und den Beweis liefert, daß auch auf langen kabeln »in Ferosprrchbetrieb mit guter Sprechvrrständigung sehr wohl erreicht werden kann. Bei Beginn de» L0. Jahrhundert» wird der Fernsprechverkehr mit Frankreich eröffnet werden. Bier Leitungen sind gleichzeitig im Bau begriffen: verlin — Pari», Frankfurt (Main)—Pari», Mül hausen (Elf.)—Velfort und Metz-Nancy, deren Herstellung Lewei» ablegt von dem friedlich«» Wettstreit und den lebhaften Geschäft». Verbindungen und BerkehrSbrzirhungen zwischen d«n beiden Länder«. Da» Jahr 1899 schließt ab mit einer wichtigen Renrrung im Fern- sprechb»tri«b, mit der Ensührung von F»r»svr«chst«ll,a mit seIbstthätigerEinschaltung(F«ruiprech-Automat«n.) Ja Berlin sind zunächst 100 derartig« Apparat« als öffentliche Frrujprechftrllen bei Berkehrsanstalten und Private» ausgestellt worden. Die Apparate erfreuen sich einer wamsenden Beliebtheit bei dem Publicum u.il> liesern in Folge ihrer regen Benutzuug so ausreichende Ertrag«, Laß ihre weitere Verwendung auch in anderen Städten nicht mehr lange aus sich warten lassen wird. D Berlin, 23. December. (Telegramm.) Dcr Kaiser empfing gestern den schwedisch-norwegischen Gesandten vonLagerheim in AbfchiedSaudienz. Zur Frühstückstafel war der Staatssekretär Graf vonBülow geladen, »später empfing der Kaiser den Herzog von Sachseu-Alteuburg und erledigte im Laufe deS Nachmittags RegierungSzeschäfte. — Heute Vormittag hört« dcr Kaiser den Vortrag deS Ehes tes GeneralstabeS von Schliessen. — Die Enthüllung der von Cuno von Uechtritz geschaffenen Denkmalsgruppe deS Kurfürsten Georg Wilhelm mit den Büsten ConradS von BurgSdvrs und de- Grafen Adam von Sckwarzenberg verlief, wie folgt: Erschienen waren die Minister Gras von Bülow, Ot. von Miquel, Dlubt und Freiberr von Rheinbaden, Bürgermeister Kirsch»er, Polizeipräsident von Windbeim, Geh. Ober-Regieruuz-rath Kay>er, Geb. Baurath Spitta, Garkenkirectvr Gritner, Pro fessor R Bega», Bildhauer Carnevale, der die Marmor arbeiten der Gruppe auöfübrte, ferner der österreichisch ungarische LezativiiSrath Prin; Carl von Schwarzer, berg und fünf Herren ter Familie von Burgsdorf, actire, resp. Ncserve-Officiere. Der Kaiser, der vom Neuen Palais herüberackomiiicii war, traf im geschlossenen Wagen ein, mit ihm Ober-Hofinarsckall Graf Eulenburg, General adjutant von Plesfen, der Geheime Cabinet-rath von LucanuS, Vice Admiral von Senken und die Flügel-Adjutanten Corvetten-Capitän Grumrnr, Oberst von Mackensen uno Major von Böh». Nachdem die Hülle gefallen, besichtigte der Kaiser eingehend das Denkmal, indem er den Künstler und die Mitglieder der Familien Schwarzenberg und Burgsdorf iuS Gespräch zog. Länger» Zeit und sehr huldvoll sprach der Kaiser «. A. sodann auch mit Herrn Kirschner, dem er dessen (von uns schon gemeldete) Be stätigung als Oberbürgermeister von Bersin mittdeiite. Oberbürgermeister Kirschner empfing sogleich die Glückwünsche d«r anwesenden Herren. Verliehen wurde Herrn v. Uichteritz der Titel Professor und Herrn v. Spitta der Titel Geheimer Oberdauralh. Auch diese An-zeicknungen theiite der Kaiser den Betreffende» selbst mit. 12»,4 Ubr verließ der Kaiser den Denkmalsplatz. T Berliu, 23. Teceinbcr. (Telegramm.) Entgegen der von der „Kölnischen Volkszeitung" geäußerten Annahme erklärt die „Berliner Corres pvn drnz", daß die tztemkindcwahlreformvarlagc dem preußischen Landtage in der nächsten Session bestimmt zugehen werk«. (-) Berliu, 23. December. (Telegramm.) An die Stelle deS in kak Auswärtige Amt berufenen bisherigen Ersten Sekretärs bei der Botschaft in Wien Prinzen v. Hick nowskn tritt der derzeitige Erste Sekretär bei der Botschaft in London Graf Pückler, der durch LegationSrath Freiherrn v. 1-ckardrftcin ersetzt wird. Der früher« Lrgation-sekretär bei der Gesandtschaft in Bern LegationSrath Trentlet, der al» Hilfsarbeiter in da- Auswärtige Amt berufen worden ist, erhält seinen Nachfolger in dem Freiherrn v. Bas maun, bisherigem zweiten Sekretär» bei der Polschaft in Konstantinopel. In des Letzteren Stelle rückt der Legation» sekretär bei der Gesandtschaft in Peking vr. v. Prittwitz und «assrou, dessen bisheriger Posten dem LeaalionSsekretär bei der Gesandtschaft in Stockholm v. Below-sale-ke übertragen wird. Die „Nordk. Allg Ztg." veröffentlicht außerdem eine Reibe weiterer Revirement- bei reu SekretärssteUen, Bot schaften und Gesandtschaften. (-) Berlin, 23. December. (Telegramm.) Di« Be stätigung der Wahl des LandrathS;. D. Kristen-Lchlochau zum ersten Bürgermeister der Stadt Thorn ist nunmehr erfolgt. * Königsberg, 22. December. Die diesjährige General versammlung deS ostpreußischen konservativen Vereins, die vorgestern hier ftatlsand, wurde au-geftilll durch zwei Vorträge, deren ersten da- conservative Herren- hauSinirgiied Graf v. Mirbach über das neue Münzzesep und deren zweiten der Landrath a. D. v. Kolitzing über das Thema: „Die konservative Partei in der ver flossenen Session" hielt. Der Redner beklagte sich in diesem charakteristischen Vorträge über da- Verhakten der Regierung gegen die conservative Partei. Eia bittere- Ge fühl erweck« cs in der Partei, daß man ihr seitens der Negierung daS Reckt der Meinung uur dann zugestehen wolle, wenn die Meinung zustimmend, oder sie un artigen Kindern gleich strafe, wenn die Partei uack schweren Selbstprüfungen einmal gegen dir Rrgieruag-vorkage stimme. Die oft müsse man wünschen, der alt« Kaurler lebte noch, er wurde den Gegnern ein „quo- ezol« zurufen. Schmerzlich enttäuscht worden sei die konservative Partei durch das Fleischschauzesty. Tief zu beklagen sei, daß die Ardeit-willizenvorkage trotz aller Bemühungen der conservativen Partei nicht Gesetz geworden sei. Redner besprach danu die Ablehnung der Canalvorlage durch die conservative Majorität. Bezüglich de- Mittellandkanal« gebe e» kein rechts oder link-, sondern nur die Grupp« der Rubr-Kohlen-Jnteressenten auf der einen Seite, die übrigen deutschen Staatsbürger auf der andere» Seite. Ter ganze Kampf dcr Liberalen habe sich gar nicht um den MitteUank- Canal gedreht; dem steisuackige» alten preußischen Beamten, der noch «ine Meinung habe, dem kleinen Adel, der lieber hungere al- sich verkaufe, habe der Kampf gegolten. O Tarmstast, 23. December. (Telegramm.) Der Großbrrzcg und die Großherzogin empfingen gestern den Commandeur deS 18. Armrecorp- v. Linkequist, der später zur Frübstück-tasel gezogen wurde. O Etattsart, 23. December. (Telegramm.) Die Kammer der Staude-Herren wählte den Fürsten Löwenstein-Freudenberg zum Dicepräsidrnten. — Beide Kammern haben sich auf unbestimmte Zeit vertagt.
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