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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010108024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901010802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901010802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
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Dienstag dm 8. Januar 1901. Anzeigen «PreU die 6 gespaltene Petitzrile 2S Reclamen unter dem Redactiontstrich (4 gespalten) 73 H, vor den Familieunach» richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungra und Osfrrtenannahme 25 S» (excl. Porto). Ertra - Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbeförderung VO.—, mit Postbesörderung 70.-, ^nnahmeschlub für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen find stet» an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet oou früh 8 bi» Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Die Wirren in China. Kapitän Lan». Aus Neapel, 7. Januar, wird uns berichtet: Bei Be grüßung des Capita ns z. See Lans an Bord des Dampfers „König Albert" sagte der deutsche Konsul: Alle Deutschen und ebenso alle übrigen Europäer erfülle das tapfere Verhalten des Kommandanten und der Mannschaft des „Ilti s" mit Bewunderung. Die deutsche Kolonie sei stolz darauf, zuerst den Helden im Namen der deutschen Landsleute zu begrüßen. Der Konsul überreichte Lans ein Standbild, eine Victoria dar stellend. Von den ebenfalls eingetroffenen vier deutschen Sol daten sind zwei schwer verwundet. Der eine ist ein Matrose, der an dem Zuge des Admirals Seymour theilgenommen hat; er ist fünfmal durch Schüsse im Hals und Gesicht verwundet und hat ein Auge eingebüßt. Der deutsche Konsul begrüßte ihn mit wärmster Herzlichleit. Der Dampfer „König Albert" geht Abends nach Bremen und Hamburg weiter. Der erste Besuch der FricSciisuntcrhänVlcr beim Grafen Waldersee. Dem „Ostafiat. Lloyd" wird aus Peking, 17. November geschrieben: Am 15. November Nachmittags um 3 Uhr sind endlich Li- Hung-Tschang und Prinz khing vom Grafen Waldersee in Audienz empfangen worden. Wie bekannt, hat Li-Hung-Tschang bereits in Tientsin durch Hinterthüren den Versuch gemacht, vom Grafen Waldersee empfangen zu werden, und hatte diesen auch in Peking zuerst erfolglos wiederholt. Die inzwischen veränderte politische Lage hat den Höchstcommandircnden bewogen, dem nunmehr schriftlichen Ersuchen des Vrinzen Tsching und Li- Hung-Tschang's Gewährung zu ertheilen und die erbetene Audienz zu bewilligen. Zum Empfange der greisen Würdenträger war ein gewisses Ceremonikll europäischer Art vereinbart worden. Der Empfang sollte in einem Nebrnbaue des eigentlichen Palastes der Kaiscrin- Wittwe stattfinden. Im Audienzzimmer sollten zugegen sein die Generale von Schwarzhoff und Freiherr von Gavl, Legations rath von der Goltz und khing Shong als Attache für die Friedensverhandlungen, von Seite des Prinzen khing ocstimmt, nnd endlich Lien-Fong, der französische Dolmetscher des Tsung li Namens. Schon vor 3 Uhr näherte sich die Sänfte des Generalgouver neurs von Tschili der deutschen Wache an der Marmorbrücke, und 10 Minuten vor 3 Uhr erreichte Li-Hung-Tschang, begleitet, oder besser gesagt, unter Führung des Kommandanten des Haupt quartiers Rittmeisters Freiherrn von Knigge, mit großem Ge folge das Hauptportal vom J-luan-tien. *) Dort überreichte der greise Würdenträger dem wachhabenden Dfficier seine Karte, welche sofofrt dem Höchstcommandirenden überbracht wurde. Graf Waldersee ließ durch seinen persönlichen Adjutanten zurückmelden, Li-Hung-Tschang möge eintreten, ob gleich Prinz Tsching noch nicht angekommen war. Unter Begleitung des Kommandanten des Hauptquartiers, des Kommandanten der Stabswache, des diensthabenden Offi- cierS und des persönlichen Adjutanten des Feldmarschalls, sowie *) Tempora mutantur. Im Sommer des Jahres 1896 war im Programm der Tage in Hamburg, wo Li-Hung-Tschang damals als Gast des Senates weilte, auch ein Besuch des Grafen Waldersee in Altona vorgesehen. Der damalige commandirende General deS IX. Armeecorps wartete aber an jenem Nachmittag vergeblich auf den Botschafter des Kaisers von China: Li-Hung-Tschang glaubte sich über die Forderungen internationaler Höflichkeit weg setzen zu dürfen, weil er sich damals nach einem Besuch auf der Blohm L Doß'schen Werft zu ermattet für die Fahrt nach Altona fühlte. Anm. d. Redaction. deS Privatsekretärs und des LegationSrathes Freiberrn von der Goltz wurde nun die Sänfte bis zu den Stufen des Hauses ge tragen und Li-Hung-Tschang entstieg, von zwei Dienern gestützt, dem Tragsessel. Im Empfangszimmer nahe der Thür begrüßte ihn Graf Waldersee selbst. Li-Hung-Tschang schien sehr erregt, besonders als er die vor der Thüre wachestehenven Leibgendarmen passirte, deren gewal tig Körperformen der seinen annähernd gleichkamen. Li ist trotz seines hohen Alters eine noch immer imponirende Erscheinung. Der Feldmarschall nahm darauf im Audienzzimmer Platz, ihm zur Linken wurde Li-Hung-Tschang auf einen kleineren Sessel gesetzt und seine Dienerschaft dann aus dem Hause geleitet. Von seinen Begleitern wurde, wie erwähnt, nur Lien-Fong zu gelassen. Nach einer Unterredung von zwanzig Minuten, die dem Aus tausche von Höflichkeitsphrasen und Fragen allgemeiner Art ge widmet waren, wurde die Ankunft des Prinzen Tsching gemeldet, während indessen von der chinesischen Dienerschaft des Feldmar schalls Thee, Gebäck und Cigaretten aufgctragen worden waren. Der Empfang des Prinzen Tsching vollzog sich unter ähn lichem Ceremoniell. Er kam in einer geschlossenen Sänfte an der Marmorbrücke an, hatte dort einen offenen Tragscssel be stiegen und war unter der Escorte des Rittmeisters Freiherrn von Knigge zu dem Hauptportale von J-luan-tien geleitet worden. Tsching ist viel kleiner, als Li, und für einen 63zähcigen Mann von merkwürdiger Beweglichkeit und Lebhaftigkeit. Er spricht laut und vernehmlich, während Li-Hung-Tschang leise, undeutlich und rasch redet. Nach der Begrüßung nahm Tsching rechts vom Feldmarschall Platz auf einem Sessel, ähnlich jenem Li- Hung-Tschang's, und die Unterhaltung wurde fortgesetzt. An ihr nahm gelegentlich Tschin-Shang, ein Mandarin II. Klasse, der mit Prinz Tsching gekommen war, Thcil. Nachdem Sect servirt war und man auf gegenseitige Gesund heit getrunken hatte, kamen die politischen Fragen zur Be sprechung. Jnvessen unterhielt sich in einem Nebenraume, der durch starke Holzschnitzereien vom Audienzsaale getrennt war, das Ge folge im Flüstertöne. Gegen 4,30' Uhr verabschiedeten sich die Besucher innerhalb der Hansschwelle und wurden vom deutschen Gefolge bis zu den Tragsesseln und aus dem J-luan-tien hinausgeleitet. Dort über nahm Rittmeister Freiherr von Knigge wiederum die Escorte bis zur Marmorbrücke. Noch am selben Tage sprach ich mit dem Dolmetscher Li- Hung-Tschang's, der mir mittheilte, sein Gebieter hätte vor Allem für seine Kuriere Pässe erbeten, angeblich um den Taotais seine Befehle zukommen lassen zu können. Es sei mehrfach vor gekommen, daß seine Brief- abgefangen worden seien. Graf Waldersee soll daraufhin entgegnet haben, die Kuriere könnten anstandslos passircn, wenn Li-Hung-Tschang seine Briefe vor legen wolle, zur Probe, daß er keinerlei feindliche Befehl« an die Gouverneure sende. Obgleich Li betheuerte, er habe die besten Wünsche zur baldigen Herstellung des Friedens, verwies Graf Waldersee die Entscheidung dieser Bitte auf später. Der Krieg in Südafrika. Lage im knpland. AuS London wird gemeldet: Die Boeren dringen un aufhaltsam auf unerwarteten Puncten der ganzen Linie vor. Die Engländer der umliegenden Ortschaften flüchten panikartig nach Capstadl hinein; alle verfüg baren Marinetruvpen, Polizei und Freiwillige rückten au», um eine Bcrtheidigungölmie um Capstadt zu bilden. Zwei weitere Boerencommandos unter Delarey und Steen- kamp erschienen vor Naauwpoort und de Aar und halten die diese beherrschenden Höhen besetzt. Nach einer Aenßeiung Krüger's bezweckt das Vorgeben der Boeren in der Capcolonie ausschließlich die Zerstörung aller Verkehrslinien zwischen Capstadt und Kiichener's Haupiquarlier behufs Abschneidung der Prvviantzufuhr. Die neuesten Meldungen besagen: v Johannesburg, 7. Januar. General Babington marschirtc gestern aus Veniersvorp mit etwa 1500 Mann nach Norden und stics; süus Metten südlich von den Magalics-Bcrgen bei Naauwpoort nnd Nandsontctn ans den Femd unter Tc larcy. Ter Feind wurde aus Witwatcrsiand vertrieben und vom General Babington bei Naauwpoort, vom Oberst Gordon bei Naudfontcm, 15 Meilen weit verfolgt. Ter Feind schien etwa 800 Mann sturk. * k lan William, 7. Januar. („Reuter s Bureau".) Giuc Abtbcilnng dcr im kaplanöc eingrdrungrnen Boeren ist in kalvinia cingrtrosfen und wird in ein bis zwei Tagen hier crwarkci. (Halvinia liegt etwa 100 tzm nörd lich von klauwilitam, dieses etwa 180 üm von Kap stadt. D. Red.) " Lon Von, 8. Januar. <Tel.) „Taily Mail" berichtet ans Matjcsfonteiu nntcr dem 7.Januar, eine Boeren- ablhellnng, die etwa 1500 Manu stark sein soll, stehe wer Meilen nördlich von Luther land. (Lrstlich von klauw tl am nnd etwa 240 km von Kapstadt. T. Red.) * Kapstadt. 7. Jannar. („Nenter'S Bureau".) In Kalinina, Clan Willi am, Piquclberg, Malmes bury, Tnlbagh, Paaol nnd Stellenbosch ist das KriegSrccht verkündet worden. ES verlautet, die Negierung sei entschlossen, trotz aller Mahnungen vom Cap keine weiteren Truppen nach Südafrika zu entsenden; sie baue zur Beendigung des K-wges allein aus Len colonialen Bestand. Mildere Sailen. * Capstadt, 7. Januar. Der Herau Sgeber deS Blattes „Onslaud", der wegen Veröffentlichung aufrührerischer Schriften verhaftet Worten war, ist gegen Bürgschaft aus der Haft entlassen worden. AusMadrid berichtet man uns vom 7. Januar: Die Partei der repu blikau iscken Fö dera listen in Madrid hat an die Kammern eine Kundgebung gerichtet, in der beantragt wird, Spanien solle fick der ersten Forderung nach einem Schieds gericht in Sacken des südafrikanischen Kriegs an schließen, möge diese von Holland oder irgend einer anderen Nation ausgehen. Sollte eine solche Forderung aber nicht gestellt werden, so müsse Spanien dazu die Initiative ergreifen. Ein am 6. December 1900 in London vertbeilteS parla mentarisches Aclenstück wirft einen Rückblick aus die Stärkeverhältuifse der britischen Truppen in Südafrika in der Zeit vom l. August >899 bis 1. December 1900. Am 1. Auauil 1899 standen dort 9622 Mann, die am 11. October 1899, dem Tage des Kriegsausbruches, aus 12 007 M nin gebracht waren. Am 1. August 1900 belief sich die Stärke cinschließiich der gelandeten und an Ort und Stelle ausgebrachten Truppen auf 251719 Mann. Bis zum 1. December 1900 würde sie auf 267 311 Mann gestiegen sein, wenn nicht die Abgänge durch Gefechts- und berittene Infanterie 105 300 Mann, Cavallene 11600 Mann, Artillerie 12 700 Mann, anderweitige T'uppen 13 293 Mann. Die Entlassung einzelner colonialer Contingente ist im Vorstehenden nicht mit berechnet» da dem KriegSministeriutN genaue Zahlen nicht Vorlagen. Verlust und Krankheit abzurechnen wären. Tbat- lächlich betrug die Starke am 1. December 1900: Reguläre . . . 142 893 Mann Colonialtruppen . 33 000 Ucomanrh . . . 8 000 O VoiunleerS . . . 7 500 Miliz 18 900 - zusammen 210 293 Mann. Die Regulären setzen sich zusammen wie folgt: Infanterie Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. Januar. „Wir gehe» augenscheinlich nach links." So glaubt die „Nbeiuisch-Westsälijchc Zlg." klagen zu sollen, ein Blatt, über dessen Handels- und agrarpolitische Stellung wohl kein Mensch völlig klar ist und das in diesem Falle vielleicht voa rein politischer Antipathie geleitet wird. Und woraus erhellt, daß wir nach links gehen? Daraus, daß Len Deutschen Handelstag, der heute zusammentritt, „drei Excellenzea", Graf PosadowSky, Herr von Podbielski und ReickSbank- präsident vr. Kock, zu besuchen gedenken und Laß — Nachbarin, Euer Fläschchen! — sogar Herr v. Miquel nickt abgeneigt sein soll, sich in der Versammlung seden zu lassen. Diese HöflickkeitSacte sollen „eine programmatische Erklärung sür die handel-politische Zukunft andeuten", denn der deutsche HandelSlag „ist seil seinem Entstehen der erklärte Vertreter deS gebügelten Schutzzolles und des beflügelten Freihandels." Die Uebertragung eines ältlichen Berliner Localwitzes über die zwei Pferdegestalten vor dem Schlosse ist schon deshalb nickt sonderlich klug, weil der Central verband deulscker Jndustiieller, in dessen Namen zu sprechen da'! Essener Blatt sich den Anschein gievt, es sich gerne nackrübmen läßt, gleichfalls nur einen „gezügelten" Schutzzoll anznstreben. Noch weniger klug vom inrustricllen Stanrpunct und geradezu frivol von dem der Sammlungspolitik ist eS, nach Art der scrupel- losesten Berusehetzer der Berliner Leitung deS Bunde- der Landwirtbe einerseits und der Herren Pachnicke, lsi'. Hirsch, „Berliner Tageblatt" u. s. w. andererseits, den Kampf um das Maß des Schutzzolles zu einem Kampfe gegen Pertonen zu macken, noch dazu gegen Personen wie Graf Posacowsky, den die Freihändler wegen seiner schutzzöllneriscken Richtung nicht genug anfeinden können, gegen einen Politiker mit ausgesprochen conservativ-agrariscker Vergangenheit wie Herr v. Podbielski ist, und gar gegen die detv uoirs der Jmporteurgruppe, gegen Herrn v. Miquel. Wenn, wie es in der „Rhein.-Wests. Zlg." geschieht, von solchen Persönlichkeiten gesagt wird, ihr Besuch des HandelStageS scheine audeulen zu wollen, daß die wirthschaftlicken An schauungen der ReichSiegierung in den letzten Monaten sich mehr im Sinne des HandelStageS als in dem des CenlralverbandeS (deutscher Industrieller) entwickelt habe, wenn derart die Dinge auf den Kopf gestellt werden, so muß man, wenn tem Angriff überhaupt ein Sinn untergelegt werten soll, annebmen, die „Nh -Wests. Ztg." und ihre etwaigen Hintermänner benutzten die Versammlung als Vorwand, um einem Grolle gegen die nicht ganz extremen Feuilleton. H Das neue Lahnproject. Roman von Paul Oskar Höcker. Nachdruck Virvolkii. „Also darum rührt Dich das sinnige Drahtbouquet der Miß Catvalder", ironisirte Anna. „Ich freilich finde ihre Art un ausstehlich. Und ihre Sträuße erst recht. Sie sollte lieber das Geld für die Blumen sparen und sich dafür die beiden fehlenden Dorderzähne einsetzen lassen. Das würde Dir gewiß selbst als eine größere Huldigung erscheinen. Denn hübsche Gesichter siehst Du doch auch lieber. Nicht, Liebling?" Sie brachte das so drollig vor, daß Arnold, so sehr ihn die überlegene Art Anna's sonst immer verletzte, ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. Und so behielt seine Braut mit ihrem hcchmüthigen, kühlen Urtheil, dai ganz ihrem Erziehungsgang und dem in ihrem Um kreis üblichen Ton entsprach, wieder, wie in den meisten Fällen, Recht. Eine gewisse Gereiztheit, die auf beiden Seiten zu ernsteren Besorgnissen für die Zukunft Anlaß gab, rief dann eine Mei nungsverschiedenheit in einer gewissermaßen beruflichen Ange legenheit Zwyler'S hervor. Die Stadt Zürich war seit einiger Zeit ganz und gar aus gefüllt von einem Plan, der zunächst nur im Schooße der Alpen- clubsection entstanden und diScutirt, dann aber durch eine leb hafte Agitation in alle andern Bürgergruppen hineingetragen worden war: »S handelte sich um dir Anlage einer Gebirgsbahn, die zum Gipfel de» Brandeisgletschers, des gewaltigen östlichen HauptgebirasstockeS der Berner Alpen, emporführen sollte. Viel kvar inzwischen in Fachkreisen darüber gesagt und geschrieben worden, um die Idee von allen Seiten zu beleuchten, ein neu nach Zürich gelangter Herr, der den Ruf eines kühnen Weltreisenden genoß und für einen der waghalsigsten Bergsteiger galt, hatte den Plan aber, als man ihn, von seiner Unausführbarkeit über zeugt, schon fallen lassen wollte, wieder ausgenommen und be sonder- die wohlhabenden Kreise dafür zu interesstren gewußt. Sogar der sonst so indifferente Schwändi war von der Groß artigkeit der Idee erfüllt, und cS kam in seinem Hanse zu ziemlich lebhaften Debatten darüber. Für Anna gab eS kein größeres Vergnügen, als wenn sich derartige scharfe Wortkämpf« entspannen. Einerseits freute sie pch über hie geistige Ueberlegenheit, dir Arnold dabei an den Tag legte; aber wenn ihr Vater, der übrigens sehr leicht persön lich ward, gelegentlich einen recht derben Ausfall machte, der ihren Bräutigam im ersten Augenblick verblüffte, so amüsirte sie sich darüber ebenso herzlich. „Schließlich ist es ja mein Fach", sagte Arnold bei einer solchen Gelegenheit einmal ziemlich ärgerlich, „und ich habe mich mit derlei Fragen schon etwas häufiger beschäftigt, als Ihre Herren Mitbürger hier in Zürich, Herr Schwändi. Meine Berufung hierher verdanke ich nicht zuletzt meiner sehr eingehenden Bearbeitung der Junafraudahn-Frage. Die Verhältnisse liegen hier ähnlich, wie dort. Wenn ich Ihnen versichere, daß dieser neue Bau mit viel zu hohen Kosten verknüpft sein würde, als daß er sich jemals rentircn tonnte — notabene, wenn die For mation eine solche Anlage überhaupt ermöglichte — so dürfte Ihnen mein Wort eigentlich schon eine gewisse Gewähr bieten." „E aber nein, das seh ich gar nicht ein, Professor!" sagte der dicke Schwändi kampflustig. „Ich weiß wohl, daß Sie auch unter die Schreier gehört haben, damals, als sie auf dem Schweizer Bundcsrath das Project der „Jungfrauvahn" zur Vorlage ge bracht haben; wie ein Lauffeuer ist's hernach sogar durch die Blätter gegangen, das sei Gottversuchung, und ein Unsinn oben drein, — aber die Genehmigung ist trotzdem erfolgt!" Arnold Awyler nickte zustimmend. „Ja, genehmigt ist sie. Genehmigen kann man schließlich auch eine Drahtseilverbindung mit dem Mond. Aber die Frage bleibt doch immer: wer führt die Sache aus?" Nun schwoll aber doch die Zornesader auf der Stirn des Dicken. „Sie, Professor, treiben Sie's nicht zu arg! Wenn Sie jetzt nicht selbst ein Schweizer wären, so müßt' ich Ihnen aufs Dach steigen. Denn der Schweizer Bundesrath hat sich sein Lebtag noch nicht blamirt." „Da haben Sie Recht, Herr Schwänvi. Zum Glück lvar er so vorsichtig, das Äusführungsgesetz für die obersten und wich tigsten Partien der „Jungfraubahn" noch zurückzuhalten. Uebrigens schadet eS meines Erachtens der Würde keines Menschen — und auch keiner Corporation — einen begangenen Jrrthum einzusehen." „Ei, es haben sich auch schon arg gelehrte Herren, die am grünen Tische aus ihren wissenschaftlichen Büchern heraus wer weiß wie gut geschwätzt haben, hinterher vom praktischen Leben Belehrungen gefallen lassen müssen." Arnold verbeugte sich. „Ich meinerseits werde eine Be lehrung vom praktischen Leben jeder Zeit dankbar annehmen!" „Abwarten — Thee trinken!" brummt« der Mte. Damit war daß Thema für'» 'Erst« erledigt. Der Professor täuschte sich aber, wenn er glaubte, sein Schwiegervater werde den strittigen Punct überhaupt nicht mehr ausnehmen. Es ge schah vielmehr etwas ganz Außerordentliches: Papa Schwändi besuchte wissenschaftliche Vorträge und agitatorische Versamm lungen! Ja, er nahm sogar eine Ehrenstelle In dem vorbereiten den Comitö an, das sich in Zürich für den Bau der BranveiS- gletscherbahn gebildet hatte! Dem Schwiegersohn rang die Kunde von diesem plötzlichen Eifer natürlich nur ein Lächeln ab. Bis zum December — jedenfalls aber bis zur Hochzeit — wollte Arnold mit dem dritten und letzten Theile seines Werkes, dcr sich in seinen Hauptstücken gerade mit der Natur der öst lichen Berner Alpen beschäftigte, fertig werden. Die angestrengte Schreibarbeit, die noch neben seiner Berufsthätigkeit vewältigt sein wollte, gestattete ihm in der Folgezeit nicht so häufig den Besuch des Schwändi'schen Hauses. Namentlich die Abende, die er bis dahin Anna zu Liebe in der nicht eben anregenden Gesell schaft seines Schwiegervaters zugcbracht hatte, reservirte er sich für sein großes Werk. Eine verletzende Vernachlässigung lag durchaus nicht in seiner Absicht; Schwändi fahre sein Ausbleiben aber als offene Kriegserklärung auf. Kleinlich uno unverträg lich schon von Natur veranlagt, durch die Zurückgezogenheit und die Entwöhnung von allem Verkehr nur noch um so rechthabe rischer geworden, häufte er nun allerlei Anklagen gegen seinen Schwiegersohn, den er vor seiner Tochte". der krassesten Un dankbarkeit anklagte. „Prügel verdien' ich — ja, Prügel", knirschte er einmal, zornroth über die flüchtige Absage, die ihm Arnold, mitten in seiner Arbeit durch die Einladung seines Schwiegervaters zu einer „Weinprobe" gestört, durch den Pförtner hergesandt hatte, „wenn ich nicht gewesen wäre, dann könnte er sich umsehen, wer so ihm ein gutes Leben besorgt hätte! Und so ein großartiges Tethue jetzt von dem Herrn Schwiegersohn! Ader nach der ve> trackten Verlobungsgeschichtc war's ja nicht anders zu erwarten. Noch gut zureden hat er sich lassen — und ich Chaib war auch dummgutmüthig genug dazu . . . Prügel verdien' ich — ja, Prügel, Himmelherrgoitsacrament!" Anna fühlte sich durch die Absage ihres Bräutigams, da seine Entschuldigung ihr stichhaltig genug erschien, nicht weiter verletzt. Aber in größte Erregung versetzten sie die zornigen Worte ihres Vaters; denn zum ersten Mal: ward ihr dadurch ein: Andeutung über die Art und Weise gegeben, wie seiner Zeit die Werbung vor sich gegangen war. Anna's beste Eigenschaft war ihr Stolz. Sie fühlte sich nun in ihrer weiblichen Würde verlrtzt — ihre ernsten, tittnrv, fast leidenschaftlichen Worte, mit denen st« von ihrem Vater volle Aufklärung forderre, belehrten diesen, daß er sich in höchst bedauerlicher Weise übereilt hatte. Schwändi war aber nicht der Mann, der je etwas zurück genommen hätte. Daß er Anna kränkte, wußte er; er wäre aber an der Wuth, die ihn beherrschte, erstickt, wenn er sich nicht polternd und lärmend hätte Alles von der Seele wälzen sollen. So kam es zu einer rückhaltlosen Aussprache zwischen Vater und Tochter. Anna war wie erschlagen. „Das hättest Du uns nicht an- thun dürfen!" sagte sie, leichenblaß werdend, nachdem ihr Vater, prustend und keuchend und sich in noch immer heftigere Erregung redend, ihr den ganzen Hergang berichtet hatte. „Das hättest Du mir nicht anthun dürfen!" „So ist's recht, so ist's recht!" polterte der Alte ganz außer sich. „Jetzt wird mir mein Kind auch noch Vorwürfe machen?! He, nun sodann, ich sag' blos: an der ganzen Heiratherei liegt mir schon lange nichls mehr! Adieu — satt hab' ich's — bis da oben!" Und aufgeregt stürmte er aus dem Hause. Auf Anna wirkte dieses Gespräch noch lange nach. Gegen Arnold verlor sie zwar in den nächsten Tagen kein Wort darüber, aber ihr ganzes Wesen ihm gegenüber ward kühler, förmlicher. Als echter Choleriker empfand Schwändi die Kränkung, die er selbst seinem Kinde angethan hatte, so, als ob sie von Arnold ausgegangen sei. Er brauchte immer einen Sündenbock, und es war ihm darum recyt, daß nun noch diese Meinungsverschieden heit in der Bahnbausache am Brandeisgletscher dazu kam, die die Verstimmung mit seinem Schwiegersöhne zur offenen Fehde an wachsen ließ. Der Schluß seiner Arbeit hielt den Professor derart in Bann, daß er den tieferen Riß noch gar nicht gewahrte, der zwischen 'hm und dem Hause Schwändi entstanden war. Er maß den oft so kindischen Reibereien keinen tieferen Werth bei, gab sich vielmehr der sicheren Hoffnung hin, daß er am Tage der Hoch zeit ein- für allemal mit diesem Kleinkram abgerechnet haben Würde. Mit heiligem Eifer widme» er jede Stunde seinem Werke, sogar die halben Nächte hindurch saß er am Schreibtische, und die blos kurzen Besuche, die er seiner Braut abstattete, boten nicht Zeit uno Gelegenheit zu gründlicheren Auseinander setzungen. Ungefähr wußte er schon die Tage im Voraus zu be stimmen, die die Niederschrift der Arbeit, deren Ausarbeitung er fertig im Geiste mit sich Herumtrug, in Anspruch nehmen würde. In den letzten Tagen des November vermochte er sich vom Schreibtisch überhaupt nicht loszureißen — er ließ sogar zwei Kollegien ausfallen — stellte seiner Braut aber in LuSficht, daß er in allernächster Zeit den gewaltigen Stoff vewLlffgt hat«
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