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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.01.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190101131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010113
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010113
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-13
- Monat1901-01
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.01.1901
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Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 35 Fs. Reklamen unter denr RedactiouSstrich ' (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend Hüber. — Gebühren für Nachweisungen und Osfertenannahme 25 Ls (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit d„ Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung «0.—, mit Postbesörderung 7V.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 23. Sonntag den 13. Januar 1901. 95. Jahrgang. Aus der Woche. DaS politische Quantum der Woche war recht beträchtlich nnd der Parlamentarismus ist der einzige Lieferant gewesen. An einem Tage waren in Berlin nicht weniger als drei Parlamente versammelt. Der Reichstag trat in den Hinter grund. Das Gesetz über das Verlagsrecht interessirt zwar, da eS auch die Presse berührt, alle Politiker, aber daS große Publicum interessirt sich nicht für die Interessen der Politiker. Eine der umstrittensten Vor schriften des Gesetzes über die Verpflichtungen der Zeitungen zur Quellenangabe ist für Abgeordnete, in deren Wahlkreisen eine größere Zeitung nicht erscheint, besonders wichtig. Sie sind auf die kleinen Blätter angewiesen und diese wollen von der Neuerung nichts wissen. Charakteristisch für diese Bedeutung der Citirungsverpflicktung ist es, daß die Conservativen ihr am wenigsten hold sind. Sie sind nämlich am spärlichsten mit größeren Tagcsorganen ver sehen. Aber auch anderen politischen Richtungen scheint die Rücksicht auf die befreundete und ihren Freunden in der Regel sehr bequeme Presse der kleineren Orte vielfach geboten und so werden wir eS bei der Scklußberathung über daS Gesetz voraussichtlich bestätigt finden, daß in Deutschland die großen Städte nicht ton angebend sind. TieS ist an sich erfreulich, die Ab lehnung der Quellenangabe wäre dies aber nickt. Die Bezeichnung der Herkunft dient bei vielen Artikeln zur Orienlirung des Publikums und die kleineren Zeitungen irren, wenn sie meinen, durch den Hinweis auf die Gewährs männer ibr Ansehen berabzudrücken. Die bisherigen EtatSverhandlnngen des Reichstages und die einiger Initiativanträge baben, so einschneidend die Frage einer besseren Fürsorge für die Kriegsinvalidenversorgung auck ist, dem — durchweg miserabel besetzten — Reichstage die öffent liche Aufmerksamkeit nicht zu gewinnen vermocht. Der Schau platz der TageSheldentbaten war das preußische Abgeord netenhaus und der Held natürlich Graf Bülow. Der Eindruck, den sein Debüt als Ministerpräsident auf die Parteien gemacht, ließ sich zunächst schwer feststellen. Die durch die gar nicht canalconflictslüsterne Thronrede schwer betroffene Linke fühlte sich durch die warme Empfehlung der angekündigten Wasserwirtbschaftsvorlage, die der neue Regierungschef sich in seiner Rede angelegen sein ließ, ein wenig ermuthigt, gleichzeitig aber abgestoßen von den guten Worten, die er den Agrariern gab, insbesondere von den An deutungen über den Zollschutz für die Landwirtbsckaft. Die Rechte hätte für ihren Tbcil lieber gesehen, wenn Graf Bülow seine Zulage eines —wie sie mit Anderen gehört batte —„gesteigerten" ZollsckutzeS isolirt und nickt im Zusammenhang mit der Befürwortung des Mittellandkanäle« abgegeben hätte. Die „Kreuzztg." zeigte sich kühl und die „Deutsche TageSztg." schroff ablehnend. Dieses Organ deS Bundes der Land- wirtbe glaubte sich dabin resumiren zu dürfen: „So bat denn die Rede des Grafen Bülow binsichtlich der Canalvorlage die Sachlage nickt verändert." ES kommt aber immer anders. Der Reichskanzler war mißverstanden worden, er hatte den Herren das Zugcständniß „gesteigerten" ZollsckutzeS gar nicht gemacht, sondern vom „gesicherten" Zollschutz gesprochen. Und jetzt, wo man weiß, daß er viel weniger verbeißen haben soll, als zuerst geglaubt worden, ist die „Deutsche Tageszeitung" viel umgänglicher, als nach der vermeintlicken schönen Zusage. Da» Blatt setzt zwar noch einmal die Be deutung der nickt gemachten SteigcrungSzusage herab — „auf die Höhe kommt es uns an" — und eS meint, daS Wort von dem „gesicherten" Zollschutz babe eigentlich keinen Sinn. Hierauf wird das „Gerede", daß man Canalvorlage und Getreidezölle zu einem „Gegenstände deS Schachers" machen wolle, als „unsinnig" abgetban. Dann aber konlmt cs, wenn auch ebenfalls noch unter einigen Drehungen und Wendungen: „Wir stellen zwar nicht in Abrede, daß durch eine befriedigende Regelung der Zollfrage einige allgemeine Bedenken der Lanvwirth« fchast gegen die frühere Lanalvorlagr in etwas gemildert oder beseitigt werden; aber die Bedenken im Einzelnen, die finan ziellen und di« technischen, bleiben ebenso bestehen, wie ein großer Theil der tvirthschaftSpolitiichen Bedenken dadurch nicht berührt wird. ES liegen sonach die noihwendigen Bor- bedtngungen eine» Handelsgeschäft- gar nicht vor. Wir würden un» aber auch dann nicht darauf einlassen, wenn die Sache sich ander» verhielte. Wir sind entschlossen, jede der Leiden Vorlagen für sich zu prüfen, und zwar rein fachlich und ohne Rücksichtnahme aus Ding» und Vorlagen, die nicht in un- mittelbarem Zusammenhang» damit stehen. Werden unsere Be- denken gegen die Caualvorlage nicht gehoben, so werden wir sie auch dann bekämpfen, wenn unser» Wünsche bezüglich der Zölle vollkommen erfüllt werden. Werden unsere Bedenken aber wesentlich gemildert, so würde die Entschließung, für di« Canalvorloge zu stimmen, allerding» durch eine verständige Regelung de» Zolltarif» wesentlich er- et chtert werde». Da» ist aber kein Kuhhandel, sondern etwa» rein Selbstverständliche»." Also, Kkbewtu eanalsm, denn die Bedenken werden ge hoben werden und nickt zum Wenigsten durch den Getreide zoll. Freilich bleibt erst recht bestehen, was wir kürzlich an deuteten, daß nämlich in Bezug auf die Reihenfolge der In angriffnahme der verschiedenen Partien der „wasserwirtb- sckaftlickrn Vorlage", jedenfalls hinsichtlich des Tempos der Vollendung für den Rbein-Elbe Canal, die Aussichten nicht gerade glänzend sind. Graf Bülow hat sehr deutlich zu ver stehen gegeben, daß man in diesen beiden Pnncten, aber wenigsten« in dem zweiten der beiden Punkte, mit sich revrn lassen werde, und an der, wenn auch vrrclausulirten Zustimmung der „Deutschen Tageszeitung" hat die Erwartung, Laß e» von den Wasserbauplänen schließlich heißen Werve, „die letzten werden di« ersten sein, die ersten aber die letzten", mindesten« so viel Antheil, wie die — ohnehin nicht neugeborene — Zuversicht einer Getreidezollerhöbung. wen» di« Coafervatlvea bei der Opposition gegen den Canal verharren wollten, so würde ihnen auch der trotz aller günstigen Erwartungen nock überraschend glänzende preußische Etat ihre früheren „finanziellen Bedenken" nicht benommen baben. Sie würden dann eben den ausgezeichneten Stand der Staats finanzen nicht anerkannt, jedenfalls nicht so herauSgcstrichen haben, wie es z. B. die „Kreuzztg." that, ein Blatt, dem man bei aller Gegnerschaft nachrühmen muß, daß es für die Aufgaben Preußens als LeS führenden Staates in einem Bundesgebiete Bcrsländniß besitzt. So angesehen, verblaßt der Goldglanz auch des preußischen Schatzes ein wenig. Isolirt betrachtet, ist Preußen zur Zeit wirklich ein Krösus, und da eS tu puncto „Culturaufgaben" die Welt nicht verwöbnt hat, mochte man, in Anbetracht der erstaunlich bedeutenden Positionen, die es für Wissenschaft, Kunst, Schule, aber auch für alle anderen Ressorts in den Etat eingesetzt hat, sich beinahe versucht fühlen, Herrn v. Miquel als einen kleinen Midas anzusprechen. In Wahr heit ist der preußische Fiuanzminister aber niemals der klein liche PluSmacher und Knauser gewesen, für den ihn der in seinen eignen Augen unfehlbare Eugen Richter ausgab. Er war nur ein guter Rechner und jetzt erntet er Vie Früchte seiner Vorsicht: cs sollen nach seinem Etat un glaublich viel außerordentliche Ausgaben aus ordentlichen Ein nahmen gedeckt werden, selbst die ersten Anforderungen der wasserwilthschaftlicheii Vorlage. Daß Herr v. Miquel mehr als ein preußischer Fiscalist ist, hat er auch in seiner EtatS- rebe in einer für uns besonders interessanten Weise bekundet. Preußen, so meinte der Minister, könnte auf Uebcrweisungen vom Reiche verzichten, wohl auch noch für Reichöbccürfnisse zuschießen, aber andere Bundesstaaten seien nicht in vieler glück lichen Lage und deshalb werde der Versuch, einen erhöhten Ausgabebevarf des Reichs auf die Eiiizelstaaten abzuwälzen, dein einmülbigen Widerstande der Bundesregierungen be gegnen. DaS ist der Mann, den zu stürzen preußiiche Links-, und leider auch manche preußische Miitclliberale in der ver- gaugenen Woche sich wieder große Mühe gegeben haben. öriefe von Friedrich Engels. Q Le» sranzösische Socialist Lafargue hat den regie-' renden drutscken Genoffen einen schlimmen Streich gespielt. Er veröffentlicht im „Svcialiste" Briefe von Friedrich Engels, die an höchster socialdemokratischer Stelle böchst unangenehm empfunden werden. Sie der Masse vorzucnthalten, gebt nicht an, der „Vorwärts" sucht daher den sehr klaren Inhalt, wo er besonders unbequem ist, in sein Gezentheil zu verkehren. Das Beginnen scheitert aber kläglich an den Unzweideutig keiten, deren Engels sich im Ausdrucke befleißigt. DaS erste Schreiben ist ein wahrer „Hunuenbries". Engels äußert sich böchst beifällig über die Trennung von BaSlh und Anderen von den Radikalen, welcher Schritt seinen Ausgangspunkt von der Ermordung deS Werftdircctors Wattrin in Decazeville durch Streikende nahm. Die Radikalen waren mit dieser Befreiungslhat nicht recht einverstanden und Engel« schreibt über sie: „Kurz, ich habe gesehen, daß das Hectoro sl nequeo suporos, Lcüeront» movobo (wenn ich die Götter nicht Lengen kann, werde ich die Unterwelt in Bewegung setzen) nicht ihre (der Radikalen) Sache ist . . Sie haben Furcht vor dem proletarischen Acheron . . . Ich habe Z. , . gesagt: So lange die Radikalen sich, wir bei den Stichwahlen, durch das Geschrei erschrecken lassen: „Die Republik »st in Gefahr", so lange werden sie nur die Diener der Opportunisten ein und ihnen die Kastanien auS dem Feuer holen. Aber gebt jedem Arbeiter eine Flinte und fünfzig Patronen, und die Republik wird nie mehr in Gefahr sein!" Engel» redet also der ordnungsmäßigen Bewaffnung des Ackeron daS Wort, da cS in Decazeville nur für einen Bourgeois „reichte". Wenn hier Engels die Propaganda der That, wo sie praktisch geworden, billigt, so versäumt er auch nicht, sich theoretisch zu ihr zu bekennen. Und er zeigt sich tief unglücklich, als er einmal Gefahr läuft, in dieser Hinsicht verkannt zu werden. So schreibt er in einem Brief, der im „Vorwärts" die Uebersckrist trägt „Engels über die revolutionären Mittel", folgendermaßen: „L . . hat mir einen hübschen Streich gespielt. Er hat aus meiner Einleitung zn den Artikeln von Marx über Frankreich von 1848—1850 alles das entnommen, was ihm dazu dienen kann, die um jeden Preis friedliche und antigewaltthätige Taktik zu stützen, die zu predigen ihm seit etlicher Zeit beliebt, zumal in diesem Augenblick, wo man in Berlin ZwangSqesetze vorbereitet. Aber diese Taktik predige ich nur für das Deutschland von heute, und da- obendrein noch unter allem Borbehalt. In Frankreich, Belgien, Italien, Oesterreich kann diese Taktik in ihrer Grsammtheit nicht befolgt werden, und für Deutschland kann sie morgen schon undurchführbar werden." Dieser Brief ist jungen Datum«, erst auö dem Jahre 1895, ein Umstand, der seine Veröffentlichung der deutschen socialvemokratischen Parteileitung um so fataler gestaltet. Der „Vorwärts" geht deshalb auch noch gewaltthätiger vor, al» Herr T . . , er dreht, wie man zu sagen pflegt, dem sonst als Evangelisten der Partei angebeteten Engels das Wort im Munde herum. Nach dem socialvemokratischen Centralorgan will Engel» „offenbar nur die in der deutschen Socialdemokratie seit jeder feststehende Ansicht wiederholen, daß Vie Wahl unserer Mittel lediglich von den Gegnern abbänge." Nein, da» will Engels „offenbar" nicht, jene An sicht ist auch nicht von „jeher" die der deutsche» Social demokratie, und wenn sie beute bei ihr „fest" steht, so ist sie nicht in der Socialdemokratie fundamentirt, sondern in Ver hältnissen, die die revolutionäre Partei nicht zu ändern ver mochte und vermag. Engel- verwirft die „friedliche und antigewaltige Taktik" für da« gesammte nicht russische Fest land, mit Ausnahme von Deutschland, ganz vorbehaltlos und für Deutschland nur, weil er hier «inen unbesicgstchen Wirer- stanv gegen die socialrevolutionäre Gewalt befürchtet, aber auch hier nur „unter allem Vorbehalt" und von heute auf morgen. Und au« diesem auqenbeizrnd Hellen Angriffs- Programm will der „Vorwärts" ein Defensiv-Programm macken, intcm cr sagt, Engels habe vor „Sorglosigkeit" warnen wollen; er habe im Auge gehabt, „daß die Bourgeoisie überall in dem Gedanken deS Staatsstreiches uuv der blutigen Gewalt gegenüber der socialistiscken Bewegung lebt und webt." Davon sagt Engels kein Wort, wie er auch ehrlich genug ist, sich nicht den Anschein zu geben, als glaube er, in Decaze- ville sei es der Bergwerksdircctor Wattrin gewesen, ver mit Gewaltthätigkeiten begonnen. Der „Vorwärts" hofft selbst nicht, mit ver „Erläuterung" Glück zu machen, als ob Engels etwas Anderes als die sofortige blutige Initiative für Frank reich, Belgien, Italien, ja sogar für Oesterreich und für Deutschland die Bereitstellung für eine jeden Augenblick zu ergreifende blutige Initiative habe predigen wollen. Er ver weist darum auf eine vom letzten „internationalen Congreß" zu Paris angenommene Resolution, die übrigens nicht einmal die organisirlc Gewalt, sonvcrn nur den „bloßen Handstreich" als unlauglicheö Mittel, zur Macht zu gelangen, verwirft. Jener Congreß war bekanntlich eine Farce, der sich die meisten „Genossen" geschämt baben. Auf eine geradezu belnstigenke Weise übt daS Organ der deutschen socialdenickratisckcn Parteileitung seine UmkehrungS- künsle an einem Unheil Engels' über Vie „Jungen und Vie Akademiker", valirt auS dem Jahre 1890. Die Uebersckrist bleibt, aber die Akademiker escamotirt der „Vorwärts" gänz lich. Engels hatte geschrieben: „Seit zwei oder drei Jahren hat sich eine Menge Studenten, Literaten und andere junge declajsirle Bourgeois in die Partei ge stürzt und ist gerade zur rechten Zeit gekommen, um die meisten der Redactionsplätze in den neuen Zeitungen rinzunehmen, welche wie Pilze aus der Erde schießen. Ihrer Gewohnheit entsprechend, bc- trachten sie die Bourgeois-Universität als ein socialistischeS Saint- Cyr, das ihnen daS Recht verleiht, in die Reihen der Partei mit dem Patent als Oificier, wenn nicht als General cinzutreten. Diese Herren machen alle in Marxismus, aber von der Sorte, den Ihr in Frankreich vor zehn Jahren gekannt habt und von dem Marx sagte: „Alles, was ich weiß, ist, daß ich nicht Marxist bin." Und wahrscheinlich würde cr von diesen Herren sagen, was Heine von seinen Nachahmern sagte: „Ich habe Drachen gcsäet und babe Flöhe geerntet. Diese guten Leute, deren Impotenz nur von ihrer An maßung erreicht wird . . ." Dazu der „Vorwärts": „Einer Erläuterung bedarf noch der, inhaltlich unserer Erinne rung nach längst bekannte Bries gegen dieJungen. Hier wendet sich Engels gegen jene deutschen Ucbcr- und Schcinradicalen, die in mißverslandcncm Marxismus und dogmatischen Fanatismus jede praktische Gegcnwartsarbcit als «inen Berrath am Princip bekämpsten. Den Mitgliedern dieser „Literatenrevolution" war nicht nur jede praktische politische Thätigkeit, sondern überhaupt jede Thütigkeit ein Grauen." Man siebt, das Centralorgan steckt hier für eine große Anzahl von Akademikern, die beute in der Partei eine Rolle spielen, zum Theil auch noch Nedactioussitze einnebmen, den Kopf in den Sand. Gerate die, welche er als die von Engels angeblich allein Gemeinten so liebevoll ckarakterisirt, die „Jungen" und insbesondere ihre Führer Wilvegger und Werner, sind nicht von einer BourgeoiS-Universität und nickt einmal aus einem Bourgeois-Gymnasium gekommen. Die Wirren in China. Prinz Tschuit. der Bruder des Kaisers, besuchte am Donnerstag den deutschen Gesandten, vr. Mumm von Schwarzenstein. Prinz Tschun begiebt sich nach Berlin, um die Entschuldigungen wegen der Ermordung Kettelcr's vorzubringen. Nach den in Peking herrschenden Begriffen ist der Besuch ein ganz ungewöhnliches Ereigniß. Zum ersten Male geschah es, daß ein so naher Ver wandter des Kaisers den Vertreter einer europäischen Macht be sucht hat. Prinz Tschun ähnelt, wie dem „Berl. Loc.-Anz." aus Peking berichtet wird, seinem kaiserlichen Bruder sehr, nur ist er etwas stärker und sicht gesünder aus. Seine Züge haben etwas sehr Sympathisches und verrathen eine gewiße Intelligenz. Der Besuch bei vr. von Mumm währte zwanzig Minuten; die Unterredung, bei der der Legationsrath von der Goltz und Or. Krebs als Dolmetscher fungirten, fand im Arbeitszimmer des ! Gesandten statt. Die ersten Keldpastanweisungc» an die mobilen Truppen in China — 169 Stück im Gesammt- betrage von rund 5500 — sind, wie die „D. Verk. Ztg." mit- ' theilt, der am 9. Januar von Neapel abgegangenen China-Post : zugeführt worden. Mit dem am 9. Januar von Hamburg ab- : gefahrenen Reichspostdampfer erhalten 1558 Feldpostpackete und 134 Feldpostbriefe mit Werthangabe Beförderung. Die für die , Briefsendungen der mobilen Truppen gewährte Portofrei- , heit wird vielfach mißbräuchlich für Sendungen in An spruch genommen, die augenscheinlich anderen Zwecken, al» denen ' des Austausches von Nachrichten u. s. w. dienen. So sind bei ' einer deutschen Postanstalt in Ostasien von einem Absender an ' denselben Empfänger gleichzeitig über 40 Bviefsendungen als ' Feldpostbriefe aufgeliefert worden. In dieser Beziehung sei daran erinnert, daß die Feldpostbriefe von den Mannschaften ' der mobilen Truppentheile bestimmungsmäßig mit dem Sol- ' datenbriefstempel bedruckt sein müßen, und daß von dem Er- i fordcrnisse dieses Stempelabdrucks nur abgesehen werden soll, ' wenn erschwerende Verhältniße vorliegen und über die Berechti- ' aung deS Absender» kein Zweifel besteht. Allgemein erstreckt sich * die Portofreiheit nicht auf Sendungen, welche rein gewerblichen ' Interessen des Absenders oder deS Empfänger» zu dienen be« ' stimmt sind. , Die „MoSkowskije Wjedomosii" veröffentlichen jetzt folgende Darstellung deS bereits mehrfach erwähnten . Massenmorde» Ser Chinesen von VlagoweschtschenSk r zu Beginn der Feindseligkeiten am Amur: „Beim Anrücken f der chinesischen Banden auf die Stadt mußten di« Chinesen au» - derselben entfernt werden, weil man annehmen mußte, daß sie mit ihren Stammesbrüdern gemeinsame Sache machen würden. Der Stadt drohte eine große Gefahr. Den Chinesen wurde be fohlen, durch den Fluß auf die chinesische Seite zu schwimmen. Die Chinesen gehorchten ohne Widerrede. Es konnte auch nicht gefährlich sein, durch den Fluß zu schwimmen, weil die betreffende Stelle eine Furth war und die Chinesen sie kannten. (Dazu be merkt der Petersburger „Herold": Die Furth war wohl zu beiden Seiten des Ufers flach, hatte jedoch in der Mitte in einer Breite von 20 bis 25 Fuß mehr als Manneshöhe Tiefe. Red.) Als die Chinesen sich in der Mitte des Flußes befanden, fingen ihre Landsleute am jenseitigen Ufer an, auf sie zu schießen. Warum, ist unerklärlich. Wahrscheinlich befürchteten die krieaerischen Banden von Seiten ihrer Landsleute Gefahr. Die Schwimmen den, erschrocken durch die Gewehrsalven, kehrten nach dem russi schen Ufer des Flußes zurück, aber die Kosaken ließen sie nicht ans Land kommen. Sie mußten wieder nach dem chinesischen Ufer schwimmen. Wieder wurde auf sie geschoßen. Eine unbe schreibliche Verwirrung entstand unter den Schwimmenden. In der Verwirrung und dem Gedränge sank die Mehrzahl der Un glücklichen unter; nur zwei- bis dreihundert Personen gelang es, das Ufer zu erreichen. Wie viel Chinesen ertrunken sind, läßt sich nicht feststellen, es werden mehr als 500 und weniger als 1000 Personen sein." * Loudon, 12. Januar. (Tel.) Marqui» Salisbury soll, wie „Daily Chronicle" an vertrauenswürdiger Stelle hört, sich damit einverstanden erklärt haben, die Bahnlinie von Niutschwang nach Sckanhaikwan an Rußland abzutrrten. Die Bahn solle der englischen Gesellschaft nicht länger gehören und auch nicht mehr von dieser betrieben werden. * London, 12. Januar. (Tel.) „Daily Mail" erfährt aus Petersburg unter dem gestrigen Tage, die Mission deS Fürsten Uchtomsky in Peking habe sich auf folgende Punkte eines Special abkommens bezogen: Rußland verzichtet auf eine Ent schädigung, verlangt dafür aber Verpachtung der Halbinsel Liaotung mit Port Arthur auf unbestimmte Zeit. Ferner soll die mandschurische Eisenbahn in den Besitz der russischen Regierung übergehen. * New Hort, 11. Januar. (Tel.) Ein« hier eingetroffene Depesche auS Peking vom 10. Januar besagt: Tsching erhielt ein Telegramm vom kaiserlichen Hof, in welchem gegen den Artikel 2 der Note Einspruch erhoben wird, da hierin die Be- strafung einer größeren Anzahl von Personen verlangt wird, als die, welche in dem kaiserlichen Decret vom letzten September erwähnt waren. Tsching erwiderte hierauf, daß die Note zuerst unterzeichnet werden müsse und man später erst über die einzelnen Puncte dis« cutiren könne, da die Gesandten sich weigern, Einwänden Gehör zu schenken, bis sie eine definitive Antwort erhalten haben. — Die Deutschen wollen zu Ehre» des Prinzen Chu», deS Bruders des Kaisers, der sich jetzt in Peking befindet, eine Truppenschau abhalten. Ehun erklärt, er sei kein osficiellcr Vertreter de» Hofe-, aber er wiße, daß sein Brndrr gesonnen sei, nach Peking zurückzukehren. Ehun erklärte weiter, die in Frage stehende Angelegenheit müße auch vom chinesischen Gesichtspunkte au» betrachtet werden, doch schienen das die Fremden nicht zu thun. China erhebe Einwände gegen die verlangten beständigen Geiandtschaftswachen und wove diese nur als eine zeitweilige Maßregel zulassen, weil sie nicht nothwendig seien. Die Boxerbewegung sei eine rein patriotische Bewegung. Die übrigen Nationen hätten viele Jahrhunderte Handelsprivilegien er- beten und seien, nachdem sie diese erlangt hätten, durch den infolge dessen erzielten Gewinn reich geworden. Sir hätten China unvor- theilhaft» Verträge aufgezwungen unter der Drohung im Weigerungs fälle die besten Theile des Landes wegzunehmen. Da» chinesische Volk sei nach und nach durch Leu Verlust von Weihaiwei, Port Arthur und anderer Gebiete in Aufregung versetzt worden. Bei allen orientalischen Böllern könnten ähnliche Ausstände von Zett zu Zeit Vorkommen. Die Chinesen hätten nichts Schlimmere« gethan al« die Franzosen während der großen Revolution. Die Chinesen seien das friedlichste Volk der Erde, ähnliche Wirren, wie die letzten würden wahrscheinlich Jahrhuuderte lang nicht Wiederkehr«». Ehun sagte schließlich, er glaube, daß der Kaiser den Fremden freundlich gesinnt sei, die Kaiserin habe keine unbejchränkt« Macht, wenn sie auch natürlicherweise einflußreich sei. Der Krieg in Südafrika. Snglan»« R-e»n»ale«eenj. Daß England krank, nicht bloS an socialen Gebrechen, ver alteten politischen Einrichtungen und plutotratischen Geschwüren leidet, darüber ist nicht allein die Mehrheit der Denker, Politiker und Sociologen der ganzen civilisirten Welt einig, sondern da fängt auch eine immer mehr anwachsende Minderheit de» eng lischen Volkes an einzusehen, wenn auch ihrer Wen ge den Muth haben, es überhaupt und besonder» öffentlich zuzugestehen. Einer der wenigen Männer, die diesen Muth besitzen, ist da» Paria mentsmitglied Labouchere, der im Parlament und öffentlichen Versammlungen sowohl, als auch in seiner Wochenschrift „Truth" seit jeher, besonders aber seit der Jameson-Raid und während des Krieges um Südafrika unerschrocken und rücksichtslos die Schäden und Gebrechen aufdeckt, an denen das britische Welt reich, sein Heer, seine Flotte, sein Parlament, seine politischen und wirthschaftlich-n Einrichtungen, seine gesellschaftlichen Zu stände, seine Moral, kurz: Alle» leidet, wat sich öffentlicher Be sprechung unterziehen läßt. Labouchere'» Ansicht nach — und sie wird von Tausenden Engländern, wie von Hunderttausend««: Auiländern getheilt — sind die zahlreichen Gebrrste Englands auf eine Hauptkrankheit, auf einen organischen Fehler zu- rückzu führen, deren Entstehung wohl schon laime zurückdanrt, deren verhängnißvolle Folgen jedoch erst vor Kllrzem acut »um Vorschein gekommen sind. Dies« Krankheit ist der britische Weltbeherrschungswahn, genannt „Jmperta- lia»mu» Thamberlatnieus". In der neuesten, am 10. Januar erschienenen Nir«»« seiner
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