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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010114020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901011402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901011402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-14
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes nnd Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. 25. Montag den 14. Januar 1901. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familien»««^ richten (ü gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisung»-^ und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbesSrderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Morgea-AuSgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet oon srüh 8 bis Abends 7 Uhr- Druck und Verlag von E. Polz in Leivzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. —c>. Aus dem äußersten Südwesten der Eapeolonie kommt folgende, die Beweglichkeit der Boercn wieder im hellsten Lichte zeigende Meldung: * Eapstadt, 13. Jaunar. („Reuters Aurea»".) EineAbtheilungvon ILOBoeren ist tu Tulbaqbkloof, 100 englische Meile» van Eapstadt einqerückt. Auch in dem Distrikte Beaufort West haben sich Barren gezeigt. Die Nachricht ist von Wichtigkeit, denn nicht nur, daß der Zwischenraum zwischen der boerischen Vorhut und Cap stadt sich bereits auf 40 Stunden verringert hat, daS rasche Vordringen der Colonne Hertzoz — denn um dies« handelt cS sich — ist ein Beweis dafür, daß alle Anstrengungen der Engländer, sie zu fassen, vergeblich gewesen sind. Noch am 10. Januar stand Hertzog fast zweihundert englischeMeilen nord östlich von Tulbaghkloof bei Southerlanv und es wurde berichtet, General Scttle treffe Vorbereitungen, um mit einer Trupprn- abtheilung dem weiteren Vormarsch Hertzog'S zu begegnen. Ent weder ist der General mit seinen Vorbereitungen nickt fertig ge worden und hat die Bocren mit der Faust in der Tasche vorbei ziehen lassen müssen, oder aber er ist von Hertzog geschlagen und zurückgeworfen worden. Tulbagbkloof liegt unweit der Bahn nordöstlich von MalweSbury und südöstlich von Picauetberg, dem der Boerengeneral Wessels zustrebt. Die beiden Colonnen dürften sich bald die Hand reichen und dann einen Hand streich auf Capstadt versuchen, wozu sie freilich Geschütze brauchen, die ihnen hoffentlich nicht fehlen. Beaufort West liegt an der Bahn Capstadt-de Aar rc., 380 englische Meilen südlich von diesem Platze. Vor einigen Tagen wurde aus London die amtliche Meldung Kitchener's verbreitet, die gleichzeitigen Angriffe der Boeren auf die Dclagoabah» seien zurückgeschlagen worden. Es wurden, selbst in englischen Blättern, sofort Zweifel an der vollen Glaubwürdigkeit dieses Kabels laut, und nach den uns heute zngehenden Nachrichten scheint denn auch die Sache ganz anders zu liegen. Sie besagen: r. London, 14. Januar. (Privat-Tel.) Ans Lon- reneo Marques kommt folgende verspätete Meldung: Die Boeren-Attacke am 7. Januar aus Belfast an der Delagoabahn ist vollständig gelungen. Tie englische Äarnison capitnllrte. Bahn nnd Telegraph sind gründlich zerstört. Die Engländer gehen längs der Bah» auf Pretoria zurück. k. London, 14. Januar. <Privattelcgramm.) Aus Pretoria wird gemeldet: 1500 Bocren zerstörten vom Donnerstag bis Sonnabend die Bahnlinien Pretorta-MiSSclbnrg nnd warfen den General Knox zurück, dann zerstörten sie die Bahnlinie nach Johannesburg bei Zuurfontein und rückten aus WitwatcrSrand zu bis gegenüber Tclarrh'S Stellungen bei Krügersdorp vor, so das; Pretoria ringsum von Voereneorvs eingckretst ist. Tewet bedroht Krönst ad. (Wiederholt.) Hoffentlich bestätigen sich diese von boexenfreundlicker Seite uns übermittelten Telegramme in ihrem ganzen Um fange. Jedenfalls ist die Lage für die „siegreichen" Eng- länder eine im höchsten Grade prekäre und unwürdige. DaS KriegSglück hat sie völlig verlassen, sie präsentiren sich von Cavallerie fast ganz entblößt, der Welt in einer jammer vollen Hilfslosigkeit und Jnactivität und sehen sick plötzlich auf allen Thrrlen deS Kriegsschauplatzes in die Defensive gedrängt. Der gegenwärtige Stand der englischen Okkupation. Die „Kölnische Zeitung" schreibt: Die Vorgänge in Südafrika machen den Eindruck andauernder englischer Hilflosigkeit. Wenn man in England geboffl hatte, daß der schneidige Kitckener, nachdem er als Oberconnnan- dirender völlig freie Hand erhalten, in kurzer Zeit eine Wendung zu Gunsten der englischen Unternehmungen brrbei- fübren würde, so muß man heute gestehen, daß diese Hoff nung eitel gewesen ist. Jede Maßregel, die Kitchener ge troffen hat, ist ein neues Eingeständniß, daß er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nichts ausrichten kann. Das erste, was er that, war ja bekanntlich auch, daß er stürmisch wieder und wieder Verstärkungen forderte, von denen er infolge der Schlappe Elements bei Nooitgedacht an den Magaliesbergen alsbald einen kleinen Bruchtheil bewilligt erhielt. Aber die Zeit ist noch lang, biS dieser auf dem Kriegsschauplätze eintrifft, und inzwischen konnte Kitchener nicht die Hände im Sckooß halten, schon deshalb nicht, weil ihn die kleinen schwärmenden Boerenschaaren an allen Ecken und Enden beunruhigten und zwickten. So versuchte er zunächst mit seiner friedfertigen Proklamation mildere Saiten auszuspaiineu und die Unsichern unter den Boeren ihrer Sache abwendig zu machen. Zur Unterstützung dieser Action ließ er in Pretoria und Bloem fontein Ausschüsse bilden, die den Friedensgedanken in die Lager Botha's und De Wet's tragen sollen. Die britischen Erwartungen auf diese Action sind bock gespannt, man liest in allen englischen Zeitungen von ihrem erfreulichen Fort gang; aber der objective Beobachter wird diese Auf fassung angesichts der erneuten Thätigkeit der Boeren allzu optimistisch finden. Jetzt gerade baden die Boeren, indem sie, was sie noch nie während des Krieges lhaten, obgleich sich oft dazu die günstigste Gelegenheit bot — eS sei nur an De Wet'S Durchbruch nach den Magaliesbergen erinnert, wo sich Delarey um den Bedrängten gar nicht kümmerte —, gerade jetzt haben sie sich entschlossen, einen combinirten Angriff auf die Ha.-prposteu der Engländer zwischen Middelburg und Machadodorp zu machen, der von diesen nur unter großen Verlusten abgeschlagen werden konnte. Auch der neueste Sturm auf Machadodorp scheint mit den andern gleichzeitig geplant gewesen, aber verspätet zur Aus führung gekommen zu sein. Auch westlich von Pretoria bei KrügerSdorp zeigen sich BcyerS und Delarey trotz wieder holten ZurückvräugenS hinter die MagalieSberge fortgesetzt unternehmungslustig, und am 8. gelang Beyers beinahe wieder die Wegnahme eines TranSportzugcs. Nicht günstiger sieht es für die Engländer im Freistaate aus. Ueber das Fehlen von Nachrichten über Knox, der be kanntlich De Wet nach Senekal gefolgt ist, macht man sich in London erhebliche Sorge und fürchtet, daß die Schlappe von Lindley, wo wieder eine englische Abtheilung in eine hufeisenförmige Falle gegangen ist, welche die Bocren so geschickt zu legen verstehen, für Knox verbängniß- voll geworden ist. (Siehe die übrigen Meldungen. D. Red.) Auch westlich von der Eisenbahn geht es den Engländern nicht gerade gut. Die 2l. Brigade unter Bruce-Hamilton, die lange bei Hoopstad herumoperirt hat, beständig von schwärmenden Boeren arg belästigt, bat ihren Rückzug an treten müssen, dabei aber in Bulifontein, kaum 60 km westlich von der Station Smaalderl, eine kleine Besatzung befreit, die seit zwei Monaten von den Boeren eingescklossen war. Der Grund für das fortgesetzte Mißgeschick ist die Zersplitterung der Engländer. Lord Kitchener hat deshalb beschlossen, alle die kleinen über das Land verstreuten Garnisonen zurückzuziehen und sich auf die Vertbeidigung seiner Verbindungslinien zu beschranke». Er hat schon neulich mit den Besatzungen von Fauresmith und Jagerssonlein begonnen, die nach Edttiburg gezogen wurden, und wahrscheinlich wird auch Bruce- Hamilton einen ähnlichen Befehl schon erhalten haben. Aber diese Maßregel ist wieder ein Eingeständniß der Hilflosigkeit, denn sie macht die Vertheid igung der Verbindungslinien zum Selbstzweck, ein Fall, der in der Kriegsgeschichte kaum dagewesen ist. Es kann nickt ausbleiben, daß die Boeren diese Maßregel als ein neues Zeichen englischer Schwäche auffassen und ihre Betriebsam keit verdoppeln. , . Und nun gar die Vorgänge in der Capcolonie. Es soll nicht gesagt werden, daß der positive Erfolg dieser Boerenzüge durch englisches Gebiet groß ist; dazu sind die durchzogenen Gebiete zu entlegen, meistens wüst bis auf die wenigen Flußtbäler, und ein methodisches Vorgehen, namentlich gegen die Eisenbahnen, ist bisher nickt zu er kennen. (?) Aber der moralische Erfolg ist ohne Frage bedeutend. Die regelrechten Versuche, die Eindringlinge aufzu halten und zurückzudrängen, sind bisher außerordentlich matt gewesen und müssen als kläglich gescheitert bezeichnet werden. Freiwilligencorps müssen rasch zusammengerafft werden, um nothdürstige Schuymaßrczeln zu treffen, und so ist es möglich, daß die westliche Boerencolonne unter Hertzoz kaum noch 150 km von Capstadt entfernt steht. Wahrlich, die gegenwärtige Bilanz ist dem Weltruf Englands nicht günstig» nnd es ist die höck ste Zeit, daß es dieser Entwicklung ein Ende macht. Dieser Bericht der „Köln. Zlg." zeichnet sich durch Klar- beit und große Objektivität ans, wie man derselben überhaupt das Zeugniß ausstellen muß, daß ihre Beleuchtung der mili tärischen Situation von Beginn des Krieges an eine durchaus gerechte gewesen ist und es nie an voller Anerkennung für den Heldenmut!) der boeriscken Freiheitskämpfer hat fehlen lassen. Ein mit den Goldfedern der De Beer-Gesellschaft schreibendes Blatt würde einen Ton, wie er aus den Schlußzeilen deS obigen Resnmös spricht, sicher nicht ange schlagen, sondern zu Gunsten Englands vertuscht uud gefärbt haben. Die wirren in China. Englischer Katzenjammer. Der Berichterstatter der „Morning Post" schreibt unter dem 7. December: „Seit der Reise des Hofes nach Singanfu haben die Mächte die Vicekönige ersucht, bald mit Drohungen und bald mit demüthigen Bitten, die Lebensmittelsendungen nach Singanfu ein-zustellen. Das Ergebniß war unbedingt nichtig. Die Bicekönige sind zu höflich, uns mit den Fingern ins Gesicht zu schnippen, indessen ihr Verfahren läuft ungefähr auf dasselbe hinaus. Und mittlerweile sind die chinesischen Arsenale Tag und Nacht in voller Arbeit beschäftigt, Kanonen und Munition herzustellen, um die Forts zu stärken, die sie vor einigen Monaten England geradezu angeboten hatten. Sogar der Zugang nach Shanghai wird von ihnen bedroht. Als die Wirren begannen, waren die Wusung-Forts, wie so viele in China, nach der See seite stark genug, aber leicht im Rücken anzugreifen. Als ich im September den Fluß hinauf nach Shanghai kam, ankerte die „Untaundet" oberhalb der Forts in solcher Weise, daß sie ihre Geschütze in der Flanke bestrich und selbst vollkommen sicher blieb. Heute sind die Forts erweitert und abgeändert, so daß vier neue sechszöllige Schnellfeuergeschütze drohend flußaufwärts ge richtet sind, nach der Stelle hin, wo die britischen Kreuzer liegen. Dabei werden die Werke noch täglich verstärkt. Es ist uns in der That vollständig mißlungen, auf die Chinesen in irgend einer Weise Eindruck zu machen. Andere Nationen haben Rußland wegen seiner unmenschlichen Kriegführung verlästert. Rußland hat auf alle Fälle ein bestimmtes Ziel im Auge. Es will die Mandschurei beherrschen, und alles Gemetzel, das man russischerseits auf dem Kerbholz hat, wurde für diesen Zweck unternommen. Selbst unterwegs nach Peking war die gründliche Zerstörung der Dörfer nothwendig zur Sicherheit der in Feindesland vorrückenden Truppen. Kürzlich beschrieb Sir Robert Hart die Empfin dungen der Chinesen bezüglich der gegenwärtigen Besetzung von Peking mit den Worten, die Chinesen betrachteten uns als eine Ansammlung fremder Banditen, die eine Weile bleiben und dann Wiede»- weiterziehen würden. Das beschreibt unser Verfahren. Wir werden bald wieder abziehen, allein, haben wir den Chinesen einen starken Eindruck von unserer Macht gegeben? Selbst wenn wir den heiligen Palast nieder gebrannt und Pekings Mauern dem Erdboden gleichzemacht hätten, wäre uns das nicht gelungen. Um einen Eindruck auf sie zu machen, mußten wir sie beherrschen. Wir lassen sie jetzt unter dem Eindrücke, daß wir ungesittete Horden seien, die selbst, wenn sie sich zusammenrotten, kaum einige Schritte weit in China eindringen können. Denn, man darf nicht vergessen, daß unsere heutige Besetzung von Tschili so ungefähr wie eine Besetzung Großbritanniens wäre, wenn man von Dover nach London gezogen wäre und dann eine Expedition bis nach Oxford ausgesandt hätte. Das eigentliche China ist aber außerdem achtzehnmal so groß, wie Großbritannien. Die Folge ist, daß, wie einer von unfern Consuln sich jüngst ausdrückte, wo vor sechs Monaten keine Macht in Europa zu klein oder er bärmlich war, um nicht ein Zugeständniß von China zu er pressen, China heute ungestraft der ganzen Welt trotzen kann. Wir haben gegenwärtig so gründlich „Gesicht ver loren", daß wir die Vergangenheit gar nicht mehr einbringen können. Sind wir doch so weit gegangen, daß britische und deutsche Kriegsschiffe zum Geburtstage der Kaiserin Salut ge schossen haben. Ohne Zweifel sind wir durch den Krieg in Südafrika gehemmt, aber die Thatsache ist nicht aus der Welt zu schaffen, daß wir vorigen Sommer die Schutzherrschaft über .as Uangtsethal hätren haben können. Die Vicekönige wären nur zu gern unsere Untergebenen geworden und ein großer Theil Chinas wäre für Handel und Verkehr geöffnet worden. Heute schämt man sich ein wenig, ein Engländer zu sein. Russen und Amerikaner können über uns lächeln. Auch Deutschland kann man nur Glück wünschen, daß es jeden falls in Kiautschau einen guten Hafen zu Stande gebracht hat." Politische Tagesschau. * Lei-zig, 14. Januar. WaS die Gegner deS Grafen Posadowsky beim Beginn der zweiten Beratbunz deS ElatS des ReichSamtS des Innern unterlassen hatten, das bollen sie am Sonnabend im Reichstage nach: sie brachten die 12 000-M ark-Affäre wieder vor und suchten auS ihr den Strick zu drehen, an dem sie den jetzigen Staatssekretär deS Innern baumeln seben möchten. Mit größerem Ungeschick aber hätte dieser Versuch nicht gemacht werden können. Der neue Reichskanzler bat das Verhallen des Beamten, der an Herrn Bueck mit dem bekannten Ersuchen heranzetretrn ist, in völliger Oeffent- lichkeit scharf getadelt und daS Versprechen geleistet, daß Fanilletsn» nj Das neue Lahnproject. Roman von Paul Oskar Höcker. Nachdruck verboten. VII. Die Auseinandersetzung zwischen dem Professor und seinem Schwiegervater, die nun folgte, gestarrte sich zunächst ruhiger, als Arnold erwartet hatte. Schwändi lief wohl, wie das in Fällen innerlicher Erregung bei ihm üblich war, schnaufend hin nnd her, so daß alle Möbel schwankten; er unterbrach den Pro fessor aber nicht. In aller Kürze und Ruhe stattete der seinen Bericht über die Begegnung ab, die er mit dem Geistlichen gehabt hatte. Etwas aus sich heraus ging er nur, als er auf den Kern der Sache, den Diebstahl, der Herrn Orell zur Last gelegt wurde, zu sprechen kam. Als er zu Ende geredet, trat ein längeres Schweigen ein. Schwändi räusperte sich, brummte, hustete; schließlich patschte er sich auf den Schenkel und stieß hervor: „Ja, zutrau'n thät' ich ihm das schon! Ein knitzes Luder ist er — der Orell! — Aber früher hätte man das wissen müssen. Dann hätte man ihm schon das Handwerk gelegt. — Freilich, ob's wahr ist, daS wäre ja auch noch eine Frage." „Herr Orell wird einfach gezwungen werden, den Beweis zu liefern, daß er die Aufzeichnungen persönlich und an Ort und Stelle vorgenommen hat!" Der Fabrikant nahm seinen dröhnenden Marsch durch's Zimmer wieder auf. „Ja, so, ja, freilich — ei, das ginge schon an! Ist ja wahr! . . . Aber schließlich — wo man jetzt doch einen festen Vertrag mit ihm gemacht hat, gäbe das bloS ein widerwärtiges Geschrei — und hernach hieße eS: man hätte ihn nur hinausbugsirt, damit man ihm nichts zahlen muß! Und schofel wollen wir nicht sein! . . . Aber ich seh' schon, wie'» kommen wird: schließlich werden Sie doch noch recht behalten. Professor!" Zwyler sah seinen Schwiegervater voll unverhohlenen Stau nens über dessen versöhnliche Stimmung an. „DaS sagen Sie heute, Herr Schwändi?" Der Dicke winkte ihm beschwichtigend zu, mit einem ver schmitzten Lächeln nach der Thür zeigend. „Ha, wozu erst eine lange Predigt. Offen gesagt: am Montag war ich ja fuchs- teitfelswild auf Sie. Wenn der Oxell nicht ein so großartiges Maulwerk besäße, dann hätten wir die ganze Geschichte ins Wasser fallen lassen müssen. Und wir hatten da doch schon auf der ganzen Strecke Verhandlungen wegen der Ländereien ein geleitet." Er fuhr sich mit dem Taschentuche über die Glatze. „Gut, daß der Abend überstanden ist. Beinahe hätte es ja eine wüste Holzerei zwischen uns gegeben! ... Ja, aber sehen Sie, Professor, ich weiß doch allemal, auf welcher Seite das Geschäft liegt!" „Nun, diesmal hat Sie Ihr Vertrauen leider im Stich ge lassen. Sie hören ja, wie zuverlässig die „persönlichen" Auf zeichnungen des Herrn Orell sind!" „O, heilige Unschuld", sagte der Dicke unruhig, „laßt mich blos aus mit dem Zeug! Gewiß, Professor, vom gelehrten Standpunkte aus mögen Sie ja schon recht gehabt haben am Montag — was weiß ich — sonst wären Sie ja nicht so ein berühmter Mann, und" — er lachte derb auf — „und mein Tochtermann! . . . Aber was geht uns das heute an? . . . Wenn er auch sonst nicht allzuviel taugen mag, der Orell, — gut ge macht hat er seine Sache — das muß ihm der Neid lassen." Arnold sah den Hausherrn befremdet an. „Ich — wundere mich einigermaßen über die Milde Ihres Urtheils, Herr Schwändi!" „No, was soll ich heut schon weiter sagen! Später einmal werden wir's ihm schon aufs Butterbrod streichen, dem Herrn Orell, — vorausgesetzt, daß die Geschichte, die Ihr Pfarrer da drüber erzählt hat, ihre Richtigkeit hat. Aber heute Abend und in den nächsten Wochen, so lange die Verhandlungen schweben, heißt'» halt, schon im eigenen Interesse, den Schnabel halten!" „Was für Verhandlungen haben Sie da im Sinn?" „Ei, ganz einfach die mit dem Bund!" erwiderte der Dick.' vergnügt. „Und es handelt sich um die Bahn?" „Freilich, freilich. Also die Sache ist so gekommen. Unter der Hand haben wir Comitömitglieder doch schon im vorigen Monat uns die Schlußscheine verschafft, um uns gleich den Grund und Boden von der Trace zu sichern, für den Fall, daß es mit der Sache ernst wird. No, und wo da am Montag dec Orell seinen großen Erfolg in der Versammlung gehabt hat, und Alle voll waren von dem „grandiosen Plan" und der „genialen Idee" u. s. w., da haben wir halt eilend« rin paar Millionen zusammengeschmissen und Depeschen hinausgeschickt und daS Geschäft vollzogen. Gestern ist Gottlob der letzte An kauf erledigt worden, und — wie wir erwartet haben — sofort ging auch die Telegraphirerei zwischen dem Canton Bern und dem Canton Zürich los. Und bereit» in der Frühe war heute ein Commissar vom Bundesrath bei mir, mit dem heute Abend noch weiter verhandelt wird. Die Sache verhält sich so: jetzt wird höchstwahrscheinlich der Bund selber die Bahn bauen!" Schwändi lachte, daß die Wände dröhnten. Sich selbst beschwich tigend, hielt er die Hand vor den Mund und schloß pfiffig: „Dann lassen wir uns aber das Zehnfache für unfern Grund und Boden vom Bund bezahlen, Professor, was?" Immer düsterer war die Miene Zwyler's geworden. Drohend blitzte es dabei aus seinen Augen. „Und das Alles geschieht — gestützt auf die Angaben, die Herr Götz Orell vorgetragcn hat?" „Professor, es ist ja so egal, ob die stimmen oder nicht. Genug, die Chance ist da, — die muß man halt ausnutzen! . . . Manchmal zum Beispiel kommt ein: Nachricht in die Zeitung, die an der Börse verursacht, daß der Eine eine halbe Million gewinnt und der Andere die gleiche Summe verliert. Und hinterher stellt sich heraus, daß die Nachricht obendrein erlogen war. No, da ärgert sich dann halt der Eine, und der Andere lacht. So ist's im geschäftlichen Leben. Das ist wie bei den Lawinen. Bald ist man oben, bald ist man unten! Nur überall zugreifen, -das ist die Hauptsache. Und mag der Orell, gegen Sie gehalten, ein Nil pferd sein und von Ihrem Fach so wenig verstehen, wie ich von der Astronomie und unser Fräulein Hubinger von Import cigarren, und mag er sein Material meinetwegen zusammen gestohlen haben, wo er will: unsere sieben bis acht Millionen ver dienen wir durch ihn, der Bonstett und der Erikon und ich. Ja wohl, Professor, so ist das halt einmal — wer das größte Maul hat, der kann am ärgsten schreien. Und blos aufs Geschrei kommt es an — auf die Sache selber nicht!" Arnold war fassungslos. „Aber ich versichere Ihnen doch: die Bahn ist unausführbar — so, wie die Trace von Ihnen ge plant ist, ganz undenkbar!" „Deswegen werde ich mir keine grauen Haare wachsen lassen. BiS zum Februar oder März, wo sie vielleicht mit dem Bau be ginnen, bin ich die Ländereien längst los und habe daS Geld im Sack." „Und der Bund ist um «in paar Millionen betrogen!" fuhr der Professor auf. „Heiliger Herrgott, daS ist doch gleich ein zu starker Tabak. Betrogen! Ich habe noch keine Menschenseel« um einen einzigen, lumpigen Francs gebracht! Aber Spekulation ist Spekulation — das ist waS Anderes." „In diesem Falle kann von einer Spekulation nicht mehr die Rede sein, denn Sie wissen, daß Orell rin Betrüger ist." . . . „Bewahre, das weiß ich nicht! Ihr Pfarrer da, Ihr gc- helmnißvoller, könnte ja ebensogut einer sein!" „Herr Schwändi, — aber im Grunde Ihres Herzens müssen Sie doch der Ueberzeugung sein, daß ich diese Sache besser ver stehe als jener Hochstapler?! Sie haben mir's ja vor ¬ hin sogar schon Halbwegs zugestanden!" „Eh, aber nein, was geht denn der „Grund meines Herzens" denBund an? Ich bin mit den anderen Herren vomComits zusam men Besitzer von der Länderstrecke geworden, und wenn Einem der Bund das Terrain wieder abkaufen will, so sicht man halt, daß man's ihm so theuer als möglich verkauft. So ist's. Ob er hernach eine Eisenbahn oder ob er ein Schock Kegelbahnen darauf anlegen will, jetzt, dafür bin ich doch nicht verantwortlich?!" Arnold's Erregung war von Minute zu Minute gewachsen. „Und Sie glauben, daß auch ich mich nicht verantwortlich fühle?" „Nein aber! Jetzt wird's ja immer schöner! Der Schwieger sohn wird zu den Leuten hinlaufen und wird ihnen seine Wissen schaft zum Besten geben, nach der es keine Menschenseele ver langt?! Das wäre ein witziges Stück! Lassen Sie sich nicht auslachen!" „Mein Gott — ja, verstehen Sie denn wirklich nicht, Herr Schwändi, daß ich einem solchen Treiben nicht unthätia zu sehen darf?!" Cholerisch lachte der Dicke auf. „Ha, aber so ein Unverstand! Ja, Sie wären gleich gar im Stande, und versalzen Ihrem leib haftigen Schwiegervater die Suppe! . . . Und das wäre doch gleichzeitig Ihr eigener Schaden! Ihr Schaden und der von Ihrer Braut!" „Herr Schwändi, sind Sie denn so von Gott und aller Welt verlassen, daß Sic annehmen können, ein materieller Vortheil würde mich veranlassen, meiner für die Wissenschaft und für daS Gemeinwohl so wichtigen Sache zu schweigen? Was glauben Sie denn, daß ich die Tage über getrieben habe, während deren ich mich nicht bei Ihnen blicken ließ?" „Geschämt haben Sie sich hoffentlich, daß Sie mir in der Versammlung das Geschäft so erschwert haben!" Zornig zog der Professor das Manuskript seiner Broschüre aus der Tasche. „Diese Erwiderung habe ich geschrieben. Punct für Punct weist sie die Jrrthümer des Herrn Orell — oder vielmehr seiner Vorbilder — nach. Sie sollte noch heute Abend in Druck gehen, um übermorgen aller Welt zugänglich gemacht zu werden. Nur ein Nachsatz ist noch hinzuzufügen: der Paffu», in dem Herr Orell, der „Mann der That", öffentlich angeklagt wird, sein Wissen einem Diebstahl zu verdanken!" „Himmelheiligkreuzsappcrlot! wa» sind Sie doch für ein Hitzkopf. Ja, hat man'» denn mit einem Wahnsinnigen zu thun? Menschcnskind, bedenken Sie doch, waS auf dem Spiele steht! DaS zählt nach Millionen! Wenn un» der Lund noch im letzüä
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