Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.01.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010123012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901012301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901012301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe beschädigt
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
- Tag1901-01-23
- Monat1901-01
- Jahr1901
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis Ai d« -«ptexpedition oder dru 1« Gtckdt- beeirk m»d dru Vororten errichteten Au«, gabefielle« 'bgehblt: virrteljShrktch <-« 4.60, bei »weimoliger täglicher Zustellung in« Haus ^tl K.tzO. Durch dir Post bezogen für Deutsckland n. Oesterreich: Vierteljahr!. 6. Man avomnrt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Poslanstalte« in drr Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem» bürg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Ruhland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egnpten. Für all» übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese» Blatte» möglich. Die Moraen'vu-aabr erscheint um '/^7 Uhr, die Abend-Au»gave Wochentag» um L Uhr. Uedartion und Erve-ition: Johanntsgass» 8. Filialen: Vlflleb Hahn vorm. O. Klemm'» Sortim. Univrrsität-straße 8 (Paultnum), Laut» Lösche, katharinenstr. 14, Part, und Lönigsplatz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Ämtsölatk des Königlichen Land- und Äinlsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile L5 Reklamen unter dem Redaetionöstrich (»gespalten) 7b L,, vor den Familienno«^ richten («gespalten) KO H. Tabellarischer und Ziffrrnsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenannahine LL (rxcl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags lO Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an di« Expedit-SU zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig. Mittwoch den 23. Januar 1901. 95. Jahrgang. Königin und Kaiserin Victoria * OSborne, 22. Januar. Die Königin ist heute Abend kurz nach v»/, Uhr gestorbeu. Großbritannien hat sein Oberhaupt gewechselt, die Be herrscherin eines Weltreiches, deS mächtigsten und reichsten der Erde, hat der Natur den Tribut gezollt. DieS wäre ein Weltereigniß, auch wenn der Todesfall hier nickt einer bei spiellos langen und beispiellos inbaltreichen Regierungszeit ein Ziel gesetzt hätte. Königin Victoria hat daS Aller Wilhelm'S I. nicht erreicht, sie ist im 82. LebenSjabre ver storben, aber die Dauer ihrer Regierung war mehr als doppelt so groß, als die deS ersten deutschen Kaisers, sie bemißt sich auf nahezu 64 Jahre. Und waS bat sich während dieser NegierungSzeit und was durch dieses Regiment zugetragen! Die nackte Aneinanderreibung der englischen Ereignisse in dieser Zeit, ja sogar die trockene Aufzählung der Reiche, Völker, Stämme und Menschen, für die diese Regierung ein Schicksal bedeutete, würde Spalten füllen. ES will beut zu Tage so viel nicht mehr besagen, wenn in einem Reiche die Sonne nicht untergebt, aber daS Groß britannien der Königin Victoria ist ein Reich, daS niemals auch nur auf kurze Spanne die Augen der Welt nicht auf sich zog und ein Reich, daS die Waffen, von Anfang bis zu Ende der Dinge daS oberste Mittel staatlichen Macht- drangeS und staatlicher Selbsterhaltung, kaum jemals völlig ruben ließ. Die Königin Victoria herrschte in allen fünf Erd- theilen und in allen hat ihre Negierung tiefste Spuren ein- gegraben, sei es, daß sie Besitz gewann oder erwartete, durch besondere Anstrengungen erhielt, veränderte oder auch vahingab. DaS England dieser Periode war überall; eS benutzte Verwickelungen, eS ließ Verwickelungen entstehen keine Großmacht und nur wenige kleine Staaten, die seine Hand in diesen 61 Iabren nicht gefühlt. Die Briten haben unter Victoria in Europa Rußland in der Krim direct bekriegt, in Asien durch Eroberung und EroberungSversucke mit dreiem anderen Weltriesen indirrct gerungen, sie haben Preußen während deS ersten schleSwig-holsteinischen Krieges diplo matisch bedrängt, mit Spanien ernste Händel gehabt, Oester reich 1859 schwerste Verlegenheiten bereitet, während der Secession in den Vereinigten Staaten die Siibstaaten begünstigt, das kleine Griechenland hatte die harte Faust von Ministern der Königin Victoria zu fühlen und er fuhr zu andern Zeiten ihre Unterstützung, sogar in den jonischen Inseln eia Geschenk. Oftmals war Englands Hand wider Jedermann, ohne daß Jedermanns Hand sich wider dieses selbstbewußte Land erboben hätte. In dem großen Spiele, das die orientalische Frage beißt, ist Groß britannien nach wie vor dem Knmkriege der Hauptpartncr Rußlands gewesen, bald als scheinbarer Gönner, bald als Bedrücker der Pforte, der Zug nach China ist für die Königin Victoria der dritte gewesen, den sie unternehmen ließ. DieS sind Beispiele, kein annähernd erschöpfender Berickt von Englands Wirken nach außen. Und in den eigenen Ländern oder in den überkommenen Einflußsphären welcke Fülle von Wirren, Entwirrungen und Erfolgen! Aufstände und Verschwörungen in Irland, schließlich Beruhigung diese- Lande- ohne daS Opfer der Gewährung des koms ruls, Aufstände in Canada, heute eine mit dem Blute seiner Söhne die Treue bezeugende Colonie, zwei Aufstände in Indien, an deren einen blutigen und langwierigen der Name Nena Sahib sich knüpft, die Empörung der Kaffern und der Capcolonie. Dann Kriege mit Afghanistan, mit den Aschantis, in Abessynien, im Sudan, in Egypten, Befestigung der herrschenden Stellung in diesem Wunderlande durch An kauf von Suez-Actien, die Erwerbung von Cypern. Auch dies nur Beispiele der allgegenwärtigen Bethätigung britischen AuSdihnungSbranges oder britiscken Beharrungs vermögens unter dem Negimente der verstorbenen Königin. In der inneren Politik der Cbartistenaufstand, der Beginn einer Arbeiterbewegung, deren schließlicher Verlauf den Neid anderer Völker erregen darf, heftige Parteikämpfe um die Herrschaft, in denen eine Umbildung der Parteien, daS thatsäckliche Verschwinden der TorieS und der Whigs sick ergab, Uebergang zum Freihandel, nachdem Prohibitivzölle und NavigationSacte ihre Schuldigkeit getban und England für lange fast zum Alleinherrscher aus dem Weltmarkt gemacht, Demokratisirung de- WahlrecktS, in Indien Einführung der unmittelbaren Herrschaft der Krone an Stelle der ostindischen Compagnie, dagegen eigene Regierungen für die Colonien in Australien und für Canada. Die Summe der Regierung der Königin Victoria darf ohne Bedenken dahin gezogen werden, daß Großbritannien, vordem der Sieger über Spanien, als dies daS erste Reich der Christenheit gewesen, und der zähe Ueberwinder Napoleon'-1., niemals die Größe und Macht besessen, die e- unter dieser Königin erlangt hat. Die LoSreißunz der ameri kanischen Colonien wurde wirthsckastlich und politisch mit staunenerregender Leichtigkeit verschmerzt, daS britische Reich ist da- bei Weitem reichste au Menschen und Geld, in Handel und Industrie ist ihm die erste Stelle verblieben. Kein Zweifel, mit Victoria ist der Höhepunct erreicht. Ob nicht auch überschritten, daS ist eine Frage, die vielfach bejaht wird, am lautesten in England selbst. Ob mit Grund, wer kann eS ermessen oder berechnen? Vielleicht, daß die Verwickelungen, die die Königin ihrem Nachfolger hinterließ, Fingerzeige für die Beurtdeilung geben. Groß- britaunien hat >m Opiumkriege Cbina seinen Willen auferlegt, ohne einen Widerspruch von Seiten anderer Mächte zu er- fahren, ihm öffneten sich Häfen, r» erhielt Hongkong; in einem zweiten Kriege mit dem ostasiatischen Reiche sah sich England von Frankreich begleitet, aber die dauernden Frückte deS Siege- erutet« da- Insrlreich fast allein. Heute muß Groß britannirn Erwerbung und Einbuße mit andern Mächten theilrn und e- ist nicht zu verkennen, daß den Löwen- antheil der Rivale davonträgt, der auch im Inneren Asten-, wir z. B. in Persien, dru einstmaliaen mittelasiatischen Alleinbewrrber überflügelt hat und der Nordgrenz« Indiens nah»erückt ist. Mehr noch al- der Gang der Dinge in China mögen die südafrikanischen Angelegenheiten der greisen Königin den Tod verbittert haben; dort hat, wenn nicht die Macht, so gewiß daS Ansehen des stolzen BritcnreickeS eine tiefe Wunde empfangen, deren Heilung, wenn sie möglich, langer Anstrengung be dürfen wird. Transvaal war im Jahre 1877 „un widerruflich" zur britischen Colonie erklärt worden, eS riß sick bald darauf mit spielender Leichtigkeit los, und beute nach Verwendung einer Viertel Million Streiter in einem blutigen, gegen ein kleines Bauernvolk fünfzehn Monate hindurck geführten Kriege ist zwar Transvaal wieder und ist auch der Oranjefreistaat als Colonie proclamirt, England aber ist nickt im Besitze der beiden Länder, eS muß deren Bürger von eigenem, längst erworbenem Gebiete abwebreu und bat seinen Namen durch die Art der Kriegführung befleckt. Unter der Königin Victoria ist manche nolbwendige Heeres- und Webrreform ins Leben getreten, aber die eng lische Armee ist einer verhältnißinäßig kleinen Aufgabe gegen über nabe an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gelangt und der britische Charakter rechtfertigt kaum die Annahme, daß eine gründliche Umwandlung nach deutschem Muster dem Weltreich eine neue Stütze geben könne. Am Ende der Negierung der Königin Victoria hat daS alte Glück versagt und schon vorher war der Fort bestand der wirtbsckaftlichen Ueberlegenheit Großbritanniens in Frage gestellt worden. Auck hier muß daS einst allein erobernde England sich in Neuerwerbungen theilen mit Deutschland, mit Amerika und andern Ländern. Das stolze Wort „Brilaunia beherrscht die Meere", hat aufgehört, volle Wahrheit zu sein. Man wird der entschlafenen Herrscherin, der Großmutter unseres Kaisers, der an ihr Sterbebett geeilt war, ein menschliches Mitgefühl nickt versagen, daß ihre brechenden Augen die Krone von schwächerem Zukunftsglanze bestrahlt sahen, als Vie der jungen und der gereisten Frau und so lange der Matrone. Doch dürfen wir Deutschen es auch am offenen Grabe auösprccken, daß Königin Victoria, die Tochter einer deutschen Mutter uud, die liebende Gattin eineS deutschen Fürstcnsohnrs, auf oi. Entwickelung unseres Vaterlandes mit den Augen einer Britin geblickt und sic nicht mit Wohlwollen beeinflußt hat. Tie deutschen VerfassungSdoctrinäre haben stets eiu Bild von der Machtsphäre der Königin entworfen, daS niemals ähn lich gewesen. Die Königin wurde als eine dekorative Er scheinung, eine Unterzeichnungsmaschine geschildert. In Wahr heit hat sie auch in die Politik eingegriffen, inSbeiondere in die auswärtige, sie herrschte als Königin sowohl, als auch vermöge ihrer Famiiienverbindungen. Königin Victoria hat an der Wiege des englischen Imperialismus gestanden und der Titel „Kaiserin von Indien" war vor Allem ihr Werk. Dieses ibr rcickes Wirken war dem deutschen Volke niemals günstig. Mit harter Drohung begleiteten die Minister der Königin den ersten Versuch, SckleSwig-Holstcin vom dänischen Drucke zu befreien. Die Einigung Italiens, weil gegen das als deutsche Vormacht geltende Oesterreich gerichtet, erfuhr die tbalkräftige Unterstützung Englands. Den preußisch-deutschen Einheitsbestrebungen schien kein wärmender Sonnenstrahl von der Kreideküste her; im Entscheidungsjahre buldete die englische Re gierung die Ausstattung unseres Feindes mit Kriegsmaterial, ja ein englischer Gesandter auf deutschen Boden wagie Benachrick- tigungen Frankreichs über deutsche Truppenbewegungen. Um aber diese Erinnerung freundlich abzuschließen: Prinz Wilhelm von Preußen, der nachmalige erste Kaiser, bat in Tagen der Bedrängnlß am Hofe der Königin Victoria gern gewährte Gastfreundschaft genossen. Und der Königin kann eS auch nicht zum Vorwurfe ge reichen, daß sie stets gehandelt, wie cs ihr im britischen Interesse dienlich schien. Ihr Volk beweint in ibr mit Fug ein trefflickeS Oberhaupt und die ganze Welt läßt der treff liche» Frau daS Gefühl tiefer Verehrung in- Grab folgen. Nicht bedeutend, wie eine Maria Theresia und Katharina, bat Victoria doch ein schweres Amt mit Klugheit und Eifer auSgefüllt, auf der Höbe der Macht persönliche Bescheidenheit bewahrend, tadellos als Dame, von bin- gebender Liebe an die Personen ihrer Umgebung, ihre Kinder und Kindeskinder, gütig gegen hilfsbedürftige Unterthanen. Kaiser Wilhelm wird im Namen des deutschen Volkes sprechen, wenn er dem Sohne und Nachfolger der Ent schlafenen, dem nunmehrigen König und Kaiser Albert Edward, das Beileid über den Verlust, der auch ihn, den Enkel, hart betrifft, ausspricht. Kaum ein anderes Volk pflegt ja das Familiengefühl so sehr wie daS deutsche. Und wenn es auch sonst diesem Gefühle einen Einfluß auf die Politik nicht eingeräumt sehen mag, so wird eS doch jetzt nicht ungern dem Gedanken Raum geben, daß politische Maßnahmen und Unterlassungen der neueren Zeit wenigstens zum Theil auf eine letzte Rücksicht zurückzuführen seien, die der schon seit einiger Zeit besorgniß- erregende Zustand der Königin ihrem kaiserlichen Enkel nahelegte. Wir fügen noch folgende biographische Daten an: Victoria Alexandrine war am 24. Mai 1819 im Kensingtonpalast in London al» einziges Kind des Herzogs von Kent und der Prinzessin Maria Luise Victoria von Sachsen-Coburg geboren. Durch den Tod ihre» Vater» <23. Januar 1820), de- Bruder» König Wilhelm'» IV., ward Victoria nächste Erbin de» britischen Thrones. Unter drr Leitung der Herzogin von Northumdrrland ward sie in ernstem Studium für ihren künftigen Beruf erzogen; Lord Mel- bourne trug ihr das englisch« Staat-recht, Geschichte und die englische Regierung-praxi» vor und zwar vom Standpuncte der Whig». Al- Wilhelm IV. 20. Juni 1887 siarb, ward Victoria al» Königin au-- gerusen und 28. Juni 1838 gekrönt. Unter den vielen Freiern um ihre Hand bevorzugt« sie, drr Neigung ihre» Herzrn» folgend, den Prinzen Albert von Sachsen-Coburg, mit dem sie sich 10. Februar 1840 vermählte. Ihre Regierung begann mit einem Whigministerium, und nur ungern entließ sie ihr» freisinnigen Ralhgeber, al- diese die Mehrheit im Unterhou» verloren. Loch fügte sie sich williger al- ngend rin englischer Herrscher vor ihr den Anforderungen de» streng varlamentorischen Regierung-system» und willigt« sogar nach ansäng- lichrm Widerstreben darin eia, auch die ersten vou Damen bekleidete» Hosämtcr dem Wechsel der Parteien im Ministerium zu unterwerfen. Ungeachtet dieser Gefügigkeit hat indessen die Königin an der Negierung de» Landes und namentlich an der auswärtigen Politik stets einen lebhaften, wenn auch nicht immer deutlich erkennbaren Antheil genommen, während sie sich nach dem Tode ihres Gemahls (14. December 1861), den sie tief betrauerte, den Pflichten der äußern Repräsentation mehr und mehr entzog und dieselben auf den Prinzen von Wales übertrug. So lange Prinz Albert lebte, ward ihr Einfluß in deutschfreundlichem Sinne geltend gemacht und hinderte z. B. die Einmischung Englands in den deutsch-dänischen Krieg von 1848. Wesentlich ihr Wunsch bewog Disraeli 1876, ein Gesetz vorzuschlage», durch welches ihr die Ermächtigung ertheilt wurde, sich den Titel „Lmpresa ok luüiu" (Kaiserin von Indien) beizulegen, den sie durch Proklamation vom 1. Mai annahm. Ueberhaupt stimmten die Neigungen der im Anfang ihrer Regierung entschieden whiggistijchen Königin in späterer Zeit und namentlich seit dem Erstarken des Nadicalismus mehr mit den Grundsätzen der konservativen Partei und namentlich des von ihr zum Grafen von Beaconsfield erhobenen Disraeli überein. Unter großen Festlichkeiten und mit hohem Glanz feierte sie 21. Juni 1887 ihr üOjähriges, mit noch größerem 22. Juni 1897 ihr 60jäbrige- Negiernngsjubiläum. Sie blickte auf eine längere Regierungszeit zurück, als jemals vor ihr ein englischer Herrscher erreicht hat. Ihre Ehe und ihr Privatleben waren sehr glücklich. Ihre nenn Kinder sind: 1) Prinzessin Victoria, Gemahlin des deutschen Kaisers Friedrich III.; 2) Albert Eduard, Prinz von WaleS; 3) Prinzessin Alice, Großherzogin vou Hessen; 4) Alfred, Herzog von Edinburgh, Herzog von Cachsen-Coburg-Gotha; 5) Prinzessin Helene, geb. 25. Mai 1846, seit 1866 vermählt mit Prinz Christian vou Schles- ivig-Holstein-Sonderburg-Angustenburg; 6) Prinzessin Luise, geb. 18. März 1818, seit 1871 vermählt mit dem Marquis von Lorne, ältestem Sohne des Herzogs von Argyll; 7) Prinz Arthur, Herzog van Counaught; 8) Prinz Leopold, Herzog von Albany; 9) Prinzessin Beatrice, geb. 14. April 1857, seit 1885'vermähll mit dein am 20. Ja nuar 1896 verstorbenen Prinzen Heinrich von Battenberg. König und Kaiser Albert Eduard. ^V. Albert Eduard, der Nachfolger der Königin Victoria auf dem englischen Königsthrone, wurde am 9. No vember 1841 ini Buckingham-Palast zu London geboren. Man erzählt, der Herzog von Wellington, der zur Zeit der Geburt im Palaste anwesend war, habe nach dem stattgesundenen Ereigniß oie Wärterin, MrS. Lily, gefragt: „Ist eS ein Junge?" „Es ist ein Prinz, Ew. Durchlaucht!" habe die wuroeoolle Ant wort gelautet. Im Alter von kaum vier Jahren erhielt der Prinz oie Titel Prince of Wales und Earl of Chester. Lady Lyttolton, die Schwester Gladstone's, leitete seine erste Er ziehung (bis zum 6. Jahre), dann übernahm diese der Lehrer Mr. Henry Binch. Mit 8 Jahren — am 80. Oktober 1849 — erschien der Prinz zum ersten Male in der Öffentlichkeit: mit seiner Schwester, der Prinzeß Royal (nunmehrigen Kaiserin Friedrich), wohnte er einer Festlichkeit zur Eröffnung der Kohlen börse in London bei. Ganz London war auf den Beinen, um den blondhaarigen kleimn Kronprinzen und seine Schwester zu begrüßen. Als Königin Victoria und Prinz Albert zur Zeit des Krimkrieges dem kaiserlichen Hofe in Paris einen Besuch ab statteten, zu dem auch der Prinz von Wales und die Prinzeß Royal mitgenommen wurden, gefiel es dem kleinen Prinzen so gut in Paris, daß er die Kaiserin Eugenie bat, ihm und seiner Schwester zu erlauben, nach der Abreise seiner Eltern noch einige Zeit dableiben zu dürfen. Als die Kaiserin erwiderte, daß die Kinder der Königin und dem Prinzgemahl sehr fehlen würden, rief der junge Herzog lebhaft aus: „Wir Ihnen fehlen? Glauben Sie doch das nicht! Es sind ja noch sechs andere außer uns zu Hause, und man braucht uns nicht!" Nach Vollendung der Erziehung im Elternhause bezog der Prinz die Universität Cambridge, wo er sehr strenge gehalten wurde. In den Ferien machte er größere Reisen, von denen namentlich eine Reise nach Palästina in Begleitung des De chanten von Westminster, vr. Stanley, tiefen Eindruck auf den jugendlichen Prinzen machte. Zu seiner militärischen Aus bildung weilte der Prinz längere Zeit im Standlager von Curragh (Irland). Schon mit 22 Jahren trat der Prinz in den Ehestand: am 10. März 1861 vermählt« er sich mit der Prinzessin Alexandra von Dänemark (geb. 1. December 1844). Im Gegensatz zu seiner strengen und sparsamen Mutter zeigte der Prinz frühzeitig Hang zu flottem Wohlleben. Gar bald tauchten oie unangenehm st«n aller Familiendifferenzen — Geldstreitigkeiten — zwischen Mutter und Sohn auf. Im Jahre 1874 besuchten der Prinz und seine Gemahlin zum ersten Male Birmingham. Das prinz- liche Paar wurde von dem damaligen Bürgermeister der Stadt, Josef Chamberlain, empfangen. Chamberlain, der jetzige Colonialminister, stand damals in dem Rufe, ein fanatischer Republikaner zu sein. Man hegte die Befürchtung, er würde seine fürstlichen Gäste nicht sehr artig empfangen. Tempora mutantur! — 1875/76 unternahm der Prinz von Wales seine große Reise durch Indien. Nach seiner Rückkehr hielt er sich viel und oft in Frankreich auf, wo er manches interessante und pikante Abenteuer erlebt hat, wenn er sich in dem für Ver- gnüaungsrrisen von ihm beliebten Halbincognito unter die Leute mischte. Der Prinz spricht fließend französisch, deutsch, italienisch und auch etwas russisch. Die Repräsentationspflichten, die ihm schon seit Jahrzehnten obliegen, erfüllt er mit Grazie und Ge schick. ES giebt keine größere Ceremonie, kein größeres Bankett, keinen WohlthätigkeitSbazar in London, auf dem nicht der Prinz von Wales erscheint und zum Mindesten einige freundliche Worte spricht. DeS Prinzen Vorliebe für Theater, Kunst und Sport aller Art ist bekannt, ebenso des Prinzen Einfluß auf die Herrenmod«. Die famosen Bügelfalten, die langen, fast zu? Erde reichenden Gehröcke, die seidenen Aufschläge deS Smoking, die kurzen, Hellen Sommerüberzieher — alle diese Mode neuerungen hat der Prinz von Wales einaeführt. Wer Weiterer über den englischen Thronfolger zu erfahren wünscht, lese da? über ihn im Verlage von Grant Richard» (London) erschienen: Buch nach. Die Wirren in China. Letzte Meldung«». * Berlin, 22. Januar. (Telegramm.) „Wolfs'ö Lelegr.» Bureau" berichtet aus Peking: Ein kaiserliche» Dekret ernennt den Telegraphendirector Scheng zum ojsistireadta Minister für Handel. * London, 22. Januar. (Telegramm.) Die Zeitungen ver öffentlichen ein Telegramm auS Malta, nach dem die britischen Kriegsschiffe „CanopuS" und „Ocean" Befehl erhalten haben, nach China abzugchen. (Wdrhlt.) Äraf Waldersee. Im „Ostasiat. Lloyd" lesen wir: Der Zusammenkunft des Grafen Waldersee mit Li-Hung-Tschang darf keine zu große politische Bedeutung bcigemessen werden. In letzter Linie ge hört das Wort der Diplomatie, Graf Waldersee hat nur den militärischen Theil des Pacificirungswerkes zu erfüllen. Daß er in militärischer Beziehung Garantien von China verlangt, ehe er den vollkommenen Ausgleich der Diplomatie überläßt, ist vollkommen richtig. Nur muß man ins Auge fassen, daß die Factoren in China derart liegen, daß von einer scharfen Trennung der militärischen, sowie der diplomatischen Mission und via« vc>rsk im europäischen Sinne nicht die Rede sein kann, sondern Schwert und Feder gemeinsam und übereinstimmend arbeiten müssen. Es wäre geradezu ein Fehler gewesen, Graf Waldersee, wie es in Deutschland von vielen Seiten gewünscht und erhofft wurde, beide Aufgaben zugleich anzuvertraucn. Wenn aber gar heute noch von gewissen Seiten eine derartige Eentralisirung der ganzen Kraft verlangt wird, so bedarf es wohl nur eines Hin weises auf die großen und vielen Schwierigkeiten, di« Graf Waldersee fortgesetzt als Höchstcommandirender zu überwinden hat. Wie viel größer und zahlreicher müßten aber diese werden, wenn zu ihnen auch noch di« mancherlei Reibereien, Eifer süchteleien und Interessengegensätze kämen, die vom diplomatischen Theil der in China zu lösenden Aufgaben nicht zu trennen sind und dort um so weniger leicht sich überwinden lassen, weil im diplomatischen Dienst nicht die Ober- und Unterordnung herrscht, die dem Militärdienst eigen ist. Li-Hung-Tschang nnd die Boxer. Der „Ostasiat. Lloyd" schreibt unterm 14. December: Eine ungemein wichtige Nachricht ist uns diese Woche aus Peking berichtet worden. Uns wurde telegraphirt: Peking, 9. December, 6 Uhr 10 Min. Nachm. Ai-ko, einer der Sekretäre Li-Hung-- Tschang ' s und Beamter des Großsekretariats, ein Manch», ist hier heute auf Befehl des Höchstcommandirenden verhaftet worden, da ihm nachgewiesen wurde, daß er mit den Boxerngemeinsame Sache macht. Es wäre vielleicht zu weit gegangen, wollte man aus dieser Meldung den Schluß ziehen, daß auch Ai-ko's Vorgesetzter, Li« Hung-Tschang, mit den Boxern — wie das bekanntlich vor Monaten vielfach behauptet worden ist — Verbindungen unter hält. Andererseits aber wird man nicht übersehen können, daß die Boxerbcwegung in Chihli auch heute noch nicht todt ist, viel mehr nach wie vor unter der Beamtenschaft ihre Anhänger zählt. Man geht ferner wohl nicht fehl, wenn man annimmt, daß die Angelegenheit gründlich weiter untersucht und kein Mittel un versucht bleiben wird, festzustellen, ob auch andere der in Peking noch weilenden Beamten Verbindungen mit den Rebellen unter halten. Ltraferpeditiouen. Ueber einen interessanten Zwischenfall, der nun allerdings schon drei Monate zurückliegt, wird unter dem 10. November aus Paotingfu berichtet: Am 21. Oktober, Morgens 8 Uhr, rückte das deutsche Detache ment, bestehend aus dem 1. Bataillon des 4. Ostasiatischen In fanterie-Regiments, der 3. Schwadron des Reiter-Regiments und einer Batterie von Tientsin nach Paotingfu ab. Gleich im ersten Quartier fand man Spuren von Boxern vor. Der Tempel» in dem die 4. Compagnie lag, lag etwas abseits von dem Dorfe Wang-tsing-to-chuang, in dem das Gros Unterkunft gefunden hatte. Durch einen äußerst glücklick-en Zufall wurde in diesem Tempel eine brennende Lunte entdeckt. Die sofortige Nach- suchung ergab, daß der ganze Tempel unterminirt war und mit Explosivstoffen in die Luft g-sprengt werden sollte. Daß die ganze Sache vorher geplant war, lag klar auf der Hand. Major Vichura ließ sofort zehn der angesehensten Chinesen gefangen nehmen; sie sollten als Strafe 20 000 Taels zahlen. Nach vielem Hin- und Herreden versprachen die Chinesen zu zahlen. Das Geld sollte am nächsten Tage zusammengebracht werden und die Truppen hatten einen Ruhetag. Da ertönte plötzlich in der Nacht um 3 Uhr Feuerlärm und rüttelte die müden Soldaten gar unsanft aus dem Schlafe. Die Chinesen hatten das Dorf in der Windrichtung nach dem Lager zu angesteckt und hofften unsere Leute auszuräuchern. Auch war da» Geld noch nicht zur Stelle. Da wurde kurzer Proceß gemacht. Der Mandarin und ein anderer Beamter wurden ohne Weiteres erschossen, während die anderen acht noch mit blauem Auge davon kamen. Vorher hatte die Haubitzen-Batterie 20 Shrapnels in das Dorf geworfen, um doch zu zeigen, daß es ernst gemeint sei. Kaum fielen die ersten Schüsse in das Dorf, als plötzlich die Chinesen gefügig wurden und sich bereit erklärten, sofort zu zahlen; vorher hatten sie gehofft, daß die biederen Deutschen ihre Zahlungsunfähigkeit einfehen würden. Aber nun war es zu spät. Daß sich Major Vichura nicht an der Nase herumführen ließ, sondern so energisch handelte, machte einen mächtigen Eindruck auf die Herren Chinesen. Wohin immer fortan das Detachement kam, wurde cs am Eingang de» Dorfe» von den Oberhäuptern empfangen, die gleich mit dem nöthigen Proviant aufwarteten. Andere Dörfer waren dagegen ganz verlassen. Wo die Bewohner nicht fortgelaufen waren, fthlie es aber nicht an der nöthigen Achtung. In Paotingfu angekommen, wurden in der Stadt Quartiere bezogen und am folgenden Montag wurde da» Strafgericht über den Fangtai von Paotingfu abgehalten. Man braucht nicht erst zu fragen, welchen Eindruck es machte, al- die Bevölkerung brr zroßen Stadt ihren höchsten Beamten, den Vetter des Kaiser-, da» Haupt auf den Block legen sah, um die begangenen ver»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite