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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010124021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901012402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901012402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-01
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In dem von noch nickt 20 Abgeordneten frequentirten Reich-tage endlose öde Debatten über Angelegenbeiten, die nur in losem Zusammenhänge mit dem immer nock nickt erledigten Titel „Gebalt des Staatssekretärs deS Reichsamts deS Innern" stehen; im preußischen Abgeordnetenhause gleichfalls ab- und ausschweifende Etatsberatbunz; hier dock hin und wieder ein Weizenkorn in der Spreu, ernsteres Interesse an den zur Verhandlung stehenden Gegen ständen aber weder hier noch dort. DaS Haupt gericht ist eben in beiden parlamentariscken Körper schaften noch nickt aufgetragen. Dem Landtage ist zwar die Eanalvorlage zugegangen, aber die erste Beratbung ver zögert sich und der Reichstag wartet auf den Zolllarifcntwurf in um so größerer Spannung, als man nun gewiß weiß, daß der Entwurf nickt nur in "dieser Tagung kommt, sondern daß er auch früher erscheinen wird, als ursprünglich angenommen wurde. Aber vorliegend oder nicht: die Tarifvorlage bat in daS Abgeordnetenbaus ihren Schatten schon vorauSgeworfen, wie auch im Reichstage der Canal sich bereits bemerkbar gemacht hat. Auch die VerquictüngS- versuche beginnen. Im Reichstage ist eS ja nur ein einziger Abgeordneter gewesen, der — noch dazu ausdrücklich für seine Person — das Wort gesprochen: „Kein Canal, keinen Pfennig Getreidezollerböbung", und dieser Herr ist von dem Fübrer feiner Fraktion vorbehaltlos energisch zurechtgewicsen worden. Aber den Freunden einer sehr beträcktlicken Getreivezollsteige- rung, die zugleich, milde ausgedrückt, keine Freunde deS Canals sind, ist eS zweifellos ernst mit dem Vor sätze, die Erledigung deS WasserwirtbsckaftSgesetzes in Preußen zu hintertreiben, bis daS Zollgesetz im Reiche unter Dach ist. Das wäre die Verquickung in optima t'orma, denn auS dem zeitlichen Boneinanderabbängigmachen würde sich das sachliche von selbst ergeben. Im Abgeordnetenbause ist zwar daS Wort „Zolltarif" noch nicht gefallen, aber die Conservativen baden vorgestern durch die Art und Weise, wie sie eine Verzögerung der Canalberatbung betrieben, deutlich genug zu erkennen gegeben, daß sie dem wirtbschaslSpolitischeu Neicksgesetze einen Vorsprung lassen möchten. Der Präsident hatte, wie gemeldet, die Canalvorlage für die Tagesordnung des 29. d. M. in Aussicht nehmen wollen. Darauf konservativer und klerikaler Widerspruch, aber konservativer Einspruch in einer Form, die die VerscbleppungSabsickt deutlich verrietst. Der Abg. vr. Sattler, ein sonst persönlich verdientermaßen von allen Seiten sebr ernst genommenes Mitglied deS Hauses, wurde förmlich auSgelacht, als er der in Anbetracht der Materie keineswegs ungeheuerlichen Meinung Ausdruck gab, die Verhandlungen über den Canal müßten so ge fördert werde», daß vor Ostern der Bericht der cin- zusetzeoden Commission vorliegen könnte. Die Zurück weisung deS Wunsches deS — auS ihreu Reihen hervor gegangenen — Präsidenten verräth wenn nicht bösen, so doch wenig guteu Sinn bei den Conservativen. Der VersckleppungSversuch ist nach unserer Ansicht nicht von der Absicht eingegeden, den Mittellandkanal an und für sich fallen zu lassen, er berweckt aber, sich zuerst die höheren landwirtbschaftlichen Zölle bei freundlich winkeudeu Rdein- Elbe-Dasserwegen bewilligen zu lasse« und hierauf nach Be friedigung des eigenen Wunsches zu probiren, ob der Versuch zu machen sei, die Fertigstellung des CanaleS, den man > nicht mehr zu verweigern wagt, durch Festsetzung eines I möglichst späten Zeitpunktes für die Inangriffnahme und einess möglichst langsamen Arbeitstempos sich nicht verzögern ließe. El fteres hat der Landtag vermöge seines GelvbewilligungsrecktS ganz und Letzteres bat er wenigstens bis zu einem gewissen Grade in der Hand. Schließlich werden die conservativen Winkel züge dem Canalproject als solchem nicht viel anbaben können. Aber dem Ansehen der Parlamente würde eine neue Wunde geschlagen, wenn durch eine Verschleppungsmetbode, die auck als eine Form der Obstruktion aufzufassen wäre, und durch Verquickung einer Reichs- mit einer Landessache die Sachlichkeit des Vorgehens großer Parlamenksparteien aber mals in Frage gezogen wäre. Schon ans diesem Grunde ist es den wirklich liberalen Parteien, zu denen die Freisinnigen natürlich nicht zählen, dringend zu empfehlen, ein etwaiges Unrecht ausschließlich auf der anderen Seite verüben zu lassen und nicht dem hannoverschen Blatte zu folgen, daS — den agrarischen Spieß umkehrend — die Loosung ausgiebt: „Erst die Annahme der neuen großen Canalvorlage, dann die Verständigung über einen ausreichenden Schutz für Getreide." Tas liefe schnurstracks dem zuwider, waS der Abg. Bass ermann im Namen der national liberalen Fraktion über die Unzulässigkeit der Conslruction eines Zusammenhanges zwischen den beiden Angelegenheiten klar ausgesprochen hat. Es müßte der nationalen Sache Schaden bringen, wenn man sich in der nationalliberalen Partei nicht stricte an Liese Auffassung hielte. Die Hamburg-Amerika Linie glaubt sich von dein im preußischen Abgeordnetenhaus gegen sie erhobenen und gestern an dieser Stelle besprochenen Vorwurfe der „Engländerci" durch folgende, an die „Hamb. Nachr." gerichtete Zuschrift rein waschen zu können: „Bei den Verhandlungen Les preußischen Abgeordnetenhauses vom 21. d. M. ist darüber Klage geführt worden, daß von den Prospecteu, welche unsere Gesellschaft auf der Pariser Weit aus stell» nq bade vertbeilen lasten, die deutsche Ansoabezeitweilig vergriffen gewesen sei. Wir haben hierzu zu l'werke», daß der Prospekt in deutscher, englischer und französischer Sprache in einer dem voraussichtlichen Bedarf entsprechende» Anzahl von Exemplaren gedruckt worden ist. Laß dieser Bedarf außerordent lich schwer zu schätzen war, liegt auf der Hand. Es kann daher in Anbetracht des ganz unerwartet starken Besuches der Ausstellung seitens deS deutschen Publikums nicht Wunder nehmen, daß der Bor rath an deutschen Prospekten zeitweilig erschöpft gewesen ist und daß einige Tage vergingen, bis neue Exemplare eintrasen. Es gehört ein großer Mangel an Wohlwollen Lazu, aus dieser Tbat- sache, welche höchstens beweist, Laß unsere Angestellten sich der Ber- theilung gerade des deutschen Prospektes mit besonderem Eifer angenommen haben, einen Borwurf gegen unsere Gesellschaft con- struiren zu wollen. — Was die fernere Behauptung betrifft, daß „in unserer Pariser Abtheilnng" kaum Jemand vor handen gewesen sei, mit Lein man sich auf Deutsch habe verständigen können, so bedarf dieselbe für jeden Sach- kundigen keiner Widerlegung. Unser Pariser Bureau wird von deutschen Angestellten unserer Gesellschaft verwaltet, während im Schifffahrts-Pavillon der Ausstellung zwei deutsche Schisfs- Osfieiere und zwei deutsche Aufseher ständig anwesend waren. — Tie Ausstellung englischer Pasjage-Billets durch unser Pariser Bureau anlaugend, so vermögen wir uns nicht davon zu überzeugen, daß es den deutschen Rhederei-Jnterefsen förderlich sein könnte, den amerikanischen Passagieren die Benutzung einer deutschen Linie durch Aushändigung ihnen unverständlicher Passage-Billets zu er'chweren." ' Wir halten Liefen Bertheidigungsversuch für verunglückt. Tbatsache ist es jedenfalls, daß über den Mangel an deutschen Prospekten der Gesellschaft längere Zeit Klage geführt worden ist und daß diesen Klagen hätte vorgebeugt werden können, wenn rechtzeitig für Ersatz der vertheilten deutschen Prospekte gesorgt worden wäre. Denn, daß gerade diese Prospekte ganz plötzlich in kurzer Zeit aufzebrauckk worden seien, liegt doch jenseits der Grenzen der Wahrscheinlichkeit. Und was die Ausstellung englischer PasfagebilletS betrifft, so ist nicht bemängelt worden, daß solche amerikanischen, sondern es ist getadelt worden, daß sie deutsckcn Passagieren auS- gehändigt worden seien, denen englische BilletS ebenso unver ständlich sein konnten, wie den amerikanischen Passagieren deutsche. UebrigenS handelt cs fick nicht allein oder viel weniger um die Verständlichkeit der BilletS für die Passagiere, als um die Verständlichkeit für die coutrolirenden Beamten. Und sind für die Beamten der Hamburg-Amerika-Linie englische BilletS verständlich, deutsche aber unverständlich, so bedarf eS gar keiner weiteren Begründung für den Vorwurf der „Engländerei". Zn manchen Betrachtungen über den Tod der Königin Victoria, besonders in den Artikeln demokratischer Blätter, wird die Bedeutung des englischen Köntgl-umS allzu gering bcurtbeilt. Zweifellos ist ja, daß die entscheidende Macht im englischen Staatsleben nicht im Königthum, sondern bei der Parlament-mehrbeit. be;w. bei den Führern derselben, wie sie im Cabiuet vertreten sind, liegt. Aber der englische König ist deshalb durchaus nickt ohne Einfluß aus die Geschäfte. Ueber die Art dieses Einflusses hat Blnutfchli zutreffend u. A. das Nachstehende geschrieben: „Ter englische König ist ein beachtenswerlhcr politischer Factor. Er steht doch im Ccntrum und auf der Alles überschauenden Höhe de-- Staatrle'orus. Es ist durchaus incyt gleichgiltig, wie er die politischen Aufgaben versteht, was er zu thun oder zu unterlassen willcu-s ist. Je begabter ein König ist, um so besser wird er seine Stellung zu beuutzen wissen, uni so mächtiger wird seine Einwirkung sein. Tie gegenwärtig regierende Königin hat sich früher ost Lurch ihren Gemahl auch in Lcr Politik bestimmen lasse» und die Minister waren genöthigt, ihre Meinung und ibre Wünsche zu berücksichtigen. Nach dem Tode des Prinz-Gemahls hat sie noch in einigen wichtige» Frage» auch gegen Le» anfüuglichen Rath der Minister entschieden und sogar Leu gewandten und selbstbewußten Lord Palmerston ver anlaßt, sich ihrer Ansicht anzuschließcu. Ter König ist sreilich nicht mehr in der Lage, die Minister nach seiner persönlichen Neigung oder Abneigung zu ernennen oder zu entlassen. Er ist zwar nicht durch BerfassungSartikcl oder durch GesetzeSvorschrifteu, aber durch die Sitte und durch die wirklichen Machtverhältnisse ge- nöthiqt, voraus die Stimmung und die Stimmen LeS Parlaments zu beachten. Aber innerhalb dieser nvthwendigen Rück sicht, welche Leu König bindet, hat er doch eine beschränkte Frei- heit der Auswahl. Er kann doch unter mehrere» Parteiführern den aussuchen, zu Lein er ein besonderes Vertrauen hat. Er kann Len Ehrgeiz und die Eifersucht anderer Staatsmänner benutzen und indem er Las Ministerium entläßt, möglicher Leise zu einem Umschwung den Anstoß geben. Er kann sich die Correspondenzea mit anderen Mächten und Instructionen und Berichte der Gesandten rechtzeitig vorlegen lassen und erhält so einen tiefen Einblick in das geheime Getriebe der Diplomatie. Er kann seine Ansicht auch im Ministerrothe äußern; er kann zu Unternehmungen, Prüfungen Berichterstattungen Befehl geben; er kann die königliche Sanction zu einer Maßregel verzögern oder ganz verweigern, er kann so auch den Ministern manche Mühe und manches Hinderniß brre te«; er kann durch ein gnädiges Wort, durch eine Auszeichnung am Hofe, durch Orden und Titel seine Gunst bethätigen. In alledem sind für einen staatsmännisch begabten König richtige Anhaltspunkte und Hilfsmittel gegeben, um seinen Einfluß auf die praktische Politik wirksam zu machen. Man unterschätzt ost in Europa dir persönliche Macht eines Königs von Großbritannien". Ist es nun wohl auch lange nicht eingetreten, daß die königlickc Sanction auf die Dauer verweigert wurde, so gehr aus dem Vorstehenden dock hinlänglich hervor, wie sehr Diejenigen irren, die von einer vollkommenen BedeutungS losigkeit der englischen Krone sprechen. Wäre diese Krone in der Tbat durchaus bedeutungslos, so würde auck die mon- archiscke Gesinnung deS englischen Volkes schon erstorben sein. Daß aber die monarchische Gesinnung im englischen Volke nach wie vor reckt stark ist, lassen dre Meldungen, die jetzt aus London über den Tob der Königin Victoria zu uns kommen, aufs Klarste erkennen. Ser Krieg in Südafrika. Auch ritt Vorschlag zur Güte Bon Eapstadt meldet der Draht unierm 21. Januar: „Man setzt hier großes Vertrauen in die Mission des am Diens tag nach England gesegelten Mr. Merriman, welcher von einer sogenannien absoluten Majorität der Mitglieder der Bond- Partei den Auftrag erhalten hat, den Präsidenten Krüger und Herrn Fischer davon zu überzeugen, daß es das Mer- vernünftigste sei, wenn zie ihr Verlangen nach Unabhängig- ke i t anfgeben, und sich hcrbrckafsen, die englischen Be dingungen anzunehmen. Merriman ist narürlich der Ansicht, daß die beiden Boerenrepubliken aufgehört haben zu existiren, und daß die britische Herrschers: über dieselben längst eine That- sache ist. Er und seine Freunde möchten aber im Interesse der Boeren, wie sie es nennen, die zeitweilige Errichtung eines Kron- Gouvernements für die beiden Boerenstaaten vermieden sehen und sind zu diesem Zwecke lieber für eine umfassende Federation von Südafrika, natürlich unter britischer Flagge. Einige hervorragende Afrikander thcilen die Ansicht des Herrn Merriman, daß dicL unter ver nünftigen Bedingungen die beste und willkommenste Alternative für beide Theile sein wird, und daß höchstens eine Anzahl von eigensinnigen Anhängern des Unversöhnlichkeits-Princips opponiren würde, wenn es zu einem Plebiscii käme. Die Idee dieser Herren ist, daß ein Comite ernannt werden soll, welches eine Constitution für die Colonien auszuarbciten hätte, wonach die letzteren die Controle ihrer localen Angelegenheiten auf Basis einer ausgezählt-n Stinrmenmajorität der Wahlberechtigten selbst au-üben würden. — Auf britischer Seite hofft man, daß, was auch immer das Resultat dieser fragwürdigen Mission des Herrn Merriman sein möge, es jedenfalls die Stellung der Afrikander zu den Boeren, welche die Fortsetzung des Krieges wünschen, insofern entscheiden würde, als die Sympathie der Ferirlleton» n Das neue Lahnproject. Roman von Paul Oskar Höcker. Nachdruck verbale». Als er daher gegen Morgen wieder die Bitte an sie richtete, ihm über vcrschicdene Epochen ihres früheren Lebens zu be richten, gab sie ihr ohne Zögern Folge. Sie hatte ja gelernt, ihre Le'den still duldend zu tragen; also vermochte sie jetzt auch ohne Bitterniß über die frühere Zeit zu sprechen, in der sie durch Söh Orell's Testamentsanfechtung und den verlorenen Proceß zur Bettlerin gemocht worden war. Arnold fuhr, als sie im weiteren Bericht zögerte, mit seiner vom Fieber abgezehrten Hand sanft über die ihre. „EL giebt kein Geheimnis mehr zwischen uns, Elisabeth, nicht wahr?" sagte er. „Ich weiß, was Du damals für mich gethan hast. So lieb und so — unklug war's, Elisabeth. Nein, ich schelte Dich nicht. Es war groß und edel gedacht. Nur ich war klein und vielleicht beschränkt — da ich Dein Opfer nicht gleich ver stand. Und Götz Orell? Vielleicht empfängt er doch noch hie- nicden seinen Lohn!" Mittags kam der Arzt. Es war ein einfacher, wetterfester Landdoctor, der seit seinen UnivrrsitätSjahren nicht allzu viel mehr hinzugelernt haben mochte. Aber er nahm warmen An- theil an dem unglückseligen Bergvolk, bei dem es freilich schon schlimm kommen mußte, eh« es nach dem Doctor schickte. Er war außerordentlich erstaunt, daß er keinen mit dem Tod« Ringenden vorfand. In den meisten Fällen waren die Patienten, zu denen man ihn in den letzten Stunden holen ließ, sogar schon todt, ehe er endlich zur Stelle kam. Aber mit der Behandlung des Kranken war er im Ganzen einverstanden; auch die Diät, die man gehalten, lobte er. Nur der Schulterverband genügte nicht. Da mußte denn eine recht schmerzhafte Einrichtung vorgenommen werden. Arnow ward dabei ohnmächtig, klagte aber mit keinem Wort. Nicht cinmal ein Stöhnen drang aus seinem Munde. Auch der Doctor empfahl dann, als er sein Wägelchen wieder bestieg, Ruhe, Ruhe und noch einmal Ruhe al« wichtigste Medicin für den Leidenden. Allein von Ruhe wollte Arnold nichts wisscii. Es drängte ihn, zu erfahren, ob Elisabeth seinen Brief gelesen oder ob er in unrechte Hände gekommen sei. Elisabeth mußt« sich nun endlich mit ihm aussprechen. „Weil ich das ahnte und fürchtete, worüber mir Deine Zeilen Gewißheit gaben, trieb es mich hinauf zu Dir, Arnold. Die Art Deines Abschieds von Deinen Gefährten ließ ja auch kaum einen Zweifel an Deinem Vorhaben mehr zu. Und vor der grausigen Sünde wollte ich Dich bewahren." Arnold gedachte mitleidvoll der großen Gefahren, die sie be standen. „Mit schweren Kämpfen war der Weg für Dich verbunden, Du Arme!" „Davon sprich nicht, Arnold", sagte sic einfach. „Auch wenn mich kein anderer Trieb geleitet hätte, als die Christenpflicht, einem Mitmenschen in schwerster Stunde beizustehen — ich wußte, daß ich ein Recht hatte, Dich von so Gräßlichem zurück- zuhalien." Mit großen Augen sah er sie forschend an. „Und auch die Macht dazu glaubtest Du zu besitzen?" Lange schwieg sie. Ihre Augen füllten sich mit Thränen. „Wenigstens wußte ich mit voller Gewißheit: meine Liebe zu Dir — meine. . . geschwisterliche Liebe hätte Dich gerührt, über zeugt!" „Deine . . . geschwisterliche Liebe!" wiederholte er tonlos, tief aufathmend. „Oh, ich verstehe." Aengstlich drang sie in ihn: „Verstehst Du mich vollkommen? Mit jeder Faser Deines Herzens?" „Oh, was bedeutet das Herz! Todt, leer, öde ist's da drinnen geworden! . . . Nur einmal glaubte ich etwas Großes und Heiliges zu empfinden — aber da dies todt sein muß, starb auch dieser erbärmliche, lvnndrrliche Muskel ab, den man daS Menschrnherz nennt." Sie wußte nichts darauf zu sagen. Stumm verrichtete sie den Tag über die Pflege. Abends rief er sie wieder an. Nun sprach er nicht mehr in bitterem, vergrämtem Tone. Es lag etwas ungemein Rühren des in seiner Stimme. „Du zürnst mir, Elisabeth?" fragte er leise, die Hand matt nach ihr ausstreckend. Sie scyüttelte den Kopf. „Es schmerzt mich nur so unsag bar, daß wir einander nicht mehr verstehen. Schwere Leiden, schwere Prüfungen liegen hinter uns Beiden. Aber ich fühle: mich haben sie nur inniger zu Gott geführt — Dich haben sie ihm entfremdet. Und das thut mir wehe. Denn immer, immer, hatte ich nn Dich und Deine Größe geglaubt — ich wollte eS auch jetzt . . ." Fast schluchzend brach sie ab, die .Hände vor'S Antlitz schlagend. „Und nun siehst Du mich so klein und sündig, Elisabeth", vollendete er seufzend. Wie flehend schlang er die steifen Hände in einander, sie ein wenig zu ihr erhebend trotz des Schmerzes, den ihm jede Bewegung bereitete. „Aber sind es denn so er bärmliche Gründe, die mich zu dieser Weltflucht zwingen? Ist eS wirklich Feigheit, was mich abhält, dies Dasein noch länger zu ertragen? Kannst Du mich in meinen Motiven denn wirk lich nicht verstehen?" „Ja, verstehen kann ich die Motive, Arnold. Aber die Thai, die daraus entspringen sollte, hätte ich Dir nie verzeihen können." Trübe sann er vor sich hin. Es war todtenstill in dein kleinen, dürftig eingerichtete» Gemach. Eisblumen rankten sich hoch an den Scheiben empor. Ein weißgraues Dämmerlicht herrschte in dem Stübchen. „Weißt Du, wie cs kam, daß ich mich mit Anna Schwankt Verlobte?" fragte er nach einer Weile plötzlich. Sie wandte sich hastig ab, dabei leicht erröihend. Gezwungen bemerkte sie: „Man sprach darüber so mancherlei Ungereimtes in der Pension; aufgedrängt habe sie sich Dir, sagte man; aber ich wollt' cs nie so recht glauben, denn eines, so schätzte ich vom Ansehen, als ich sic einmal an Deiner Seite sah, müsse sie be sitzen: Stolz und echte Frauenwürde!" Schlicht erzählte er ihr, wie das Berlöbniß zu Stande ge kommen war, ohne Umschweife, ohne Beschönigung, gestand auch, daß Aiina's Schönheit, ihre geistige Regsamkeit, ihr warmes Interesse für seine Person, für seinen Beruf ihn gefesselt — ihm geschmeichelt habe. „Tu sagtest mir", unterbrach er sich dann, „Du haarst mich an ihrer Seite gesehen, — ahntest Du da. wie unbefriedigt mich die Aussicht auf die Ehe mit ihr lieh? Ich konnte sie nichi lieben — nein, ich wäre unglücklick geworden an ihrer Seite uns hätte sic mit unglücklich gemacht. Sic hat ja bewiesen, wie wenig ich ihr galt. Dies« erste Prüfung auf ihr Vertrauen in mich hat sie gar kläglich bestanden!" Es kostete Elisabeth namenlose Uebcrwindung, ruhig und ohne Eifer über ihre Nebenbuhlerin sprechen zu sollen. Aber sie sah hier den einzigen Weg, ibn aus seiner Verzagtheit aufzu richten. „Die erste ernste, große Prüfung Änna's kommt jetzt erst, Arnold!" sagte sie tief aufathmend. „Wie meinst Du das? Äon welcher Prüfung sollte jetzt noch Sie Rede sein? „AIS Du von ihr gingst, war iic noch ein Ki»2, riil oer- wühiites, verzogenes, eilies Kina. Pcdenle, welch liefe Demüthi- gung Du ihr inzwischen angethan hast, indem Du wortlos für sie verschwandest . . " „Ich durste ihr nicht verrathen, was ich Vorhalte", wandte ec gequälr ein, „nein, auch später, als mein Plan zu den Arbeiten da droben dann endlich feststand, war das unmöglich. Die Partei Orell war einflußreich — viel stand für sie auf dem Spiel — sie hätten mich verfolgt, mick an der Ausführung meines Wertes verhindert, und ich mutzte doch der Welt be weisen, auf welcher Seite das Recht war! Verstehe, Elisabeth: nicht um meinen Trotzlopf durchzusetzen gegen Orell oder Schwändi oder Anna — aber weil ich nicht einem betrügerischen Spiel ihres leiblichen Vaters unth^ug zusehen wollte, deshalb mußte ich in aller Stille mein Wert vorbereiten." „Nun, Du hast eS jetzt ruhmvoll beendet. Dein Schreiben an Anna klärt ihr Alles auf. Und nun wird sie ihren Stolz und ihre Ehre über ihren Vortheil setzen — nicht wahr, davon bist Du doch überzeugt?" Er seufzte tief auf. „Ja, jetzr, nachdem kein Zweifel mehr zulässig ist, jetzt wird sie meinen Worten vielleicht endlich glauben. In ihrer Hand liegt's nun ganz allein, Herrn Orell zu entlarven." Elisabeth machte einen Gang durch'S Zimmer, um dem Kranken ihr erglühendes Antlitz verbergen zu können. „Und mit ihrer Hilfe wirst Du nun bald, bald vollkommen rehabilitirt sein. Vielleicht ist die Wahrheit schon unterwegs " „Nun, und was dann? Gelte ich dann nicht noch immer in Schwändi's Augen als «in fanatischer Widersacher, der eS nur auf seinen Ruin abgesehen hat? In diesen Tagen muß die ganze Transaction zwischen dem Bund und Schwändi's Gesell schaft so oder so zum Abschluß gelangen. Wird er wich nicht mit seinem Haß verfolgen, wenn er erfährt, Laß ich sogar sein leib liches Kind angestiflet habe, feinen Ruin mit mir gemeinsam zu betreiben?" „Ja, so weit ich Schwändi zu beurteilen vermag, glaube ich, daß er weder Dir noch seiner Tochter die» je vergeben wird. Ader eben darum hält Dich eine Ehrenpflicht mit mahnend auS- gestreckter Hand von der Weltflucht ab — sie zwingt Dich zu leben und weiterzukämpfen!" „Weiterzukämpfen — wofür?" „Für Anna!" kam es tonlos vo» ihren Lippen. Er sah sie groß und forschend an. Sie wandte sich langsam Zum Geben. „Für Anna?!" wiederholte er zweifelnd. „Du sagst da« —Du?!" Lange lag er nun sinnens und grübrlnv in der Dämme« rang da. Wie sollte er Elisadeth'S Haltung sich deuten? Er hatte dock, oisher fest daran geglaubt, daß sie ihn licbte. Die Verzweif luug darüber, daß er ein ungeliebte» Weib nehmen, ihr dec Jugendgeliebte», die er wieder nahe wußte, entsagen sollte, hatt«
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